Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinschaftsveranstaltung von Gruppen oder Abteilungen eines Unternehmens. gemütliches Zusammensein von Abteilungsleitern. Gemeinsames Fußballspiel von Führungskräften. Kein Unfallversicherungsschutz
Orientierungssatz
Eine "betriebliche Zielsetzung" allein rechtfertigt es auch bei einem vom Betrieb finanziell getragenen gemütlichen Beisammensein nur verhältnismäßig weniger ausgesuchter leitender Angestellter nicht, Versicherungsschutz anzunehmen. Vielmehr muß die "betriebliche Zielsetzung" wesentlich auf die für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen maßgebende Verbundenheit zwischen Betriebsleitung und Betriebsangehörigen gerichtet sein (vgl BSG 28.7.1977 2 RU 49/76). Die Förderung des Kontaktes zwischen den Führungskräften genügt allein nicht, um gesellige Zusammenkünfte der betrieblichen Tätigkeit zuzuordnen (vgl BSG 27.2.1985 2 RU 42/84)*
Normenkette
RVO § 548 Abs 1 S 1 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 22.06.1983; Aktenzeichen L 4 U 85/82) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 28.01.1982; Aktenzeichen S 7 (1) U 180/80) |
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin, F.-W. J., gehörte zu den 54 leitenden Angestellten der Firma S. GmbH (Niederlassung H.), einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten mit etwa 1900 Beschäftigten. Am 15. Juni 1979 veranstaltete die Unternehmensleitung für ihre Führungskräfte ein Fußballspiel mit anschließendem gemütlichen Beisammensein. An dem Spiel nahmen etwa zwei Drittel der leitenden Angestellten und ein Mitglied der Geschäftsführung als Spieler oder Zuschauer teil, ferner einige Ehefrauen der Spieler als Zuschauer. Der Ehemann der Klägerin verletzte sich beim Spiel am rechten Kniegelenk. Während der anschließenden stationären Behandlung starb er am 2. Juli 1979 an den Folgen einer postoperativ aufgetretenen Lungenembolie.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 25. Februar 1980 eine Entschädigung ab: Der Unfall habe sich nicht bei einer versicherten Tätigkeit ereignet. Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, die der versicherten Tätigkeit gleichzusetzen sei, könne zwar bei größeren Betrieben auch für einzelne Abteilungen durchgeführt werden. Daran fehle es hier jedoch bei der auf die Führungskräfte beschränkten Veranstaltung.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück und führte in ihrem Bescheid vom 25. September 1980 ergänzend aus, auch die Voraussetzungen eines der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Betriebssports hätten nicht vorgelegen, da die Veranstaltung nicht im Rahmen der Betriebssportgemeinschaft durchgeführt worden sei, welcher der Ehemann der Klägerin im übrigen nicht angehört habe, und ähnliche Spiele darüber hinaus nicht regelmäßig, sondern nur ein- bis zweimal im Jahr stattgefunden hätten.
Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat die Beklagte dem Antrag der Klägerin entsprechend verurteilt, die gesetzlichen Leistungen aufgrund des Arbeitsunfalls des Ehemanns der Klägerin zu gewähren, da sich der Unfall bei einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ereignet habe. Die Berufung hat das SG zugelassen (Urteil vom 28. Januar 1982). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22. Juni 1983) und zur Begründung ua ausgeführt: Der Unfall, an dessen mittelbaren Folgen der Ehemann der Klägerin gestorben sei, habe sich bei der Gemeinschaftsveranstaltung einer selbständigen Unternehmensgruppe ereignet und sei deshalb ein Arbeitsunfall. Dem Versicherungsschutz stehe nicht entgegen, daß die Freizeitveranstaltung den Betriebsangehörigen gleicher - leitender - Funktion vorbehalten gewesen sei. Ausschlaggebend sei vielmehr der hier gegebene betriebliche Zweck, die Zusammenarbeit der Betriebsangehörigen untereinander und mit der Betriebsleitung zu fördern. Je mehr ein Betrieb in einzelne Abteilungen gegliedert sei, umso größer sei das Bedürfnis, Kontakte unter den Führungskräften herzustellen, um die Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen zu sichern. Unter dem Gesichtspunkt des Betriebssports habe allerdings kein Versicherungsschutz bestanden, weil die Veranstaltung nicht im Rahmen des Betriebssports stattgefunden habe, der Ehemann der Klägerin auch nicht Mitglied der Betriebssportgemeinschaft gewesen sei und die Veranstaltungen nicht in ausreichender Regelmäßigkeit stattgefunden hätten.
Die Beklagte hat Revision eingelegt. Nach ihrer Auffassung hat das LSG zu Unrecht die Voraussetzungen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung als gegeben angesehen, obwohl nicht die gesamte Belegschaft, sondern nur die Führungskräfte (etwa 3 vH der Gesamtbelegschaft) eingeladen worden seien und die absolute Teilnehmerzahl einen noch unter 3 vH liegenden Anteil ausgemacht habe.
Die Beklagte beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Hinterbliebenenentschädigung wird nach § 589 Abs 1 der Reichssicherungsordnung (RVO) bei Tod durch Arbeitsunfall gewährt. Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ua ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in § 539 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Der Ehemann der Klägerin gehörte zu den aufgrund eines Dienstverhältnisses beschäftigten, gem § 539 Abs 1 Nr 1 RVO gegen Arbeitsunfall versicherten Personen. Seine Teilnahme an dem Fußballspiel mit dem beabsichtigten anschließenden gemütlichen Beisammensein ist jedoch entgegen der Auffassung des LSG nicht der betrieblichen Tätigkeit aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gleichzusetzen. Der Unfall, der mittelbar zum Tode des Ehemannes der Klägerin geführt hat, war somit kein Arbeitsunfall.
Zutreffend hat das LSG zwar angenommen, daß es sich bei dem Fußballspiel zwischen Führungskräften des Unternehmens um eine dem Unfallversicherungsschutz unterliegende betriebssportliche Veranstaltung schon deshalb nicht gehandelt hat, weil sie nicht im Rahmen des Betriebssports stattfand und nicht zu in gewisser Regelmäßigkeit durchgeführten Übungen gehörte (s ua BSGE 16, 1, 5; 41, 145, 146). Der Senat teilt jedoch nicht die Auffassung des LSG, daß die Voraussetzungen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung vorgelegen haben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann die Teilnahme von Beschäftigten zB an Betriebsfesten, Betriebsausflügen und ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist außer dem Erfordernis, daß die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und der Belegschaft dient und deshalb grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offenstehen soll, daß sie von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen wird (s ua BSGE 1, 179, 182; 7, 249, 251; 17, 280, 281; BSG SozR Nr 66 zu § 542 RVO aF, SozR Nrn 18, 24, 35 zu § 548 RVO, SozR 2200 § 548 Nrn 21 und 30, § 550 Nr 19; BSG USK 80303; BSG Urteil vom 16. Mai 1984 - 9b RU 6/83 -; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-9. Aufl, S 482k ff mwN). Zwischen dem Erfordernis, daß die Teilnahme an der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung - grundsätzlich - allen Betriebsangehörigen offensteht, und dem Zweck, die Verbundenheit zwischen der Betriebsleitung und den Betriebsangehörigen zu fördern, besteht ein enger Zusammenhang. Das LSG geht zwar zutreffend davon aus, daß nach den in der Rechtsprechung des BSG (aa0) aufgestellten Grundsätzen - je nach den maßgebenden Verhältnissen des Einzelfalles - eine dem Unfallversicherungsschutz unterliegende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unter Umständen auch in der Veranstaltung einzelner Abteilungen oder Gruppen eines Unternehmens gesehen werden kann, wenn beispielsweise die Größe des Unternehmens oder dessen besondere Gegebenheiten es verlangen oder jedenfalls für zweckmäßig erscheinen lassen, nicht für die gesamte Belegschaft eine einzige betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorzusehen (s ua BSGE 1, 179, 183; 7, 249, 252; 17, 280, 282; Brackmann aa0 S 482m, n; Gitter, SGB -Sozialversicherung-Gesamtkommentar Anm 26 zu § 548, Stichwort: "Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung"; Lauterbach/ Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 548 Anm 39). Aber auch in diesen Fällen muß die Veranstaltung der Pflege der Verbundenheit zwischen Betriebsleitung und Belegschaft dienen (BSG Urteil vom 28. Juli 1977 - 2 RU 49/76 -, hier S 6). Unter diesen Kriterien sind auch die vom Senat in seinem Urteil vom 30. August 1962 (BSGE 17, 280, 282) als Beispiele angeführten Veranstaltungen für alle Schwerbehinderten oder alle Lehrlinge eines Betriebes und das von dem Kläger in der Revisionserwiderung gebrachte Beispiel der Zusammenkunft von Arbeitsjubilaren zu würdigen. Inwieweit damit entgegen der Auffassung des LSG Rheinland-Pfalz in seinem vom Berufungsgericht zitierten Urteil vom 16. Februar 1983 (L 3 U 52/82 - aufgehoben durch das Urteil des Senats vom 27. Februar 1985 - 2 RU 42/84) nicht doch eine "soziale Komponente" eine maßgebende Rolle für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen bildet (s auch BSGE 17, 280, 281), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Eine vom LSG Rheinland-Pfalz (aa0) für ausreichend erachtete "betriebliche Zielsetzung" allein rechtfertigt es auch bei einem vom Betrieb finanziell getragenen gemütlichen Beisammensein nur verhältnismäßig weniger ausgesuchter leitender Angestellter nicht, Versicherungsschutz anzunehmen. Vielmehr muß die "betriebliche Zielsetzung" wesentlich auf die für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen maßgebende Verbundenheit zwischen Betriebsleitung und Betriebsangehörigen gerichtet sein (BSG Urteil vom 28. Juli 1977 aa0). Die Förderung des Kontaktes zwischen den Führungskräften genügt allein nicht, um gesellige Zusammenkünfte der betrieblichen Tätigkeit zuzuordnen (BSG Urteil vom 28. Juli 1977 aaO und vom 27. Februar 1985 aaO).
Unabhängig von dem Mißverhältnis zwischen der geringen Zahl der zum Fußballspiel und zum gemütlichen Beisammensein Eingeladenen zur Zahl der Gesamtbelegschaft bieten hier die Umstände des Falles schon keinen Anhalt dafür, daß die Größe oder die Art des Betriebes oder dessen sonstige besondere Gegebenheiten es für notwendig oder wenigstens für zweckmäßig erscheinen ließen, eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung im wesentlichen auf die Führungskräfte zu beschränken. Durch ihre Beschränkung auf im wesentlichen bestimmte Führungskräfte diente das gemütliche Beisammensein auch nicht dem für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorauszusetzenden Zweck, die Verbundenheit der - möglichst - gesamten Belegschaft mit der Unternehmensleitung zu fördern (s Brackmann aaO S 482n mwN). Das nur für die Führungskräfte des Unternehmens vorgesehene Fußballspiel mit anschließendem gemütlichen Beisammensein ist daher entgegen der Auffassung des LSG nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu werten, die der versicherten Tätigkeit gleichzusetzen ist. Der Ehemann der Klägerin hat folglich bei seiner Mitwirkung an dem Fußballspiel nicht einen Arbeitsunfall (§ 548 Abs 1 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO) erlitten, so daß der Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenentschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht begründet ist.
Auf die Revision der Beklagten sind deshalb die angefochtenen Urteile des SG und des LSG aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen