Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitigkeit über versicherungspflichtige Beschäftigung des Geschäftsführers einer Gründungsgesellschaft. notwendige Beiladung der Gründungsgesellschafter
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der Sozialversicherung des Geschäftsführers einer Strohmann-Gesellschaft, der in Wirklichkeit die Geschicke der Gesellschaft bestimmt.
Orientierungssatz
Besteht Streit über das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des Geschäftsführers einer noch nicht in das Handelsregister eingetragenen GmbH, so sind die Gründungsgesellschafter notwendig beizuladen (SGG § 75 Abs 2 Alt 1).
Normenkette
SGG § 75 Abs. 2 Alt. 1 Fassung: 1953-09-03; AFG § 168 Abs. 1 S. 1; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1970-12-21; AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 1. April 1977 bis zum 31. Januar 1978 der Versicherungspflicht unterlag.
Nach den vom Kläger nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) waren er und Frau K. G. (jetzt verehelichte A.) früher bei einer Baufirma S. beschäftigt gewesen, die aber 1976 in Konkurs geraten war. Der Kläger, Frau G. und ein Ehepaar Gl. (der Ehemann Gl. hatte als Bauingenieur ebenfalls in der Firma S. gearbeitet) hatten sich deshalb entschlossen, ein Baugeschäft in der Form einer GmbH ("K. G., Bauunternehmung für Hoch- und Tiefbau GmbH") zu eröffnen. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 7. Februar 1977 waren Frau G. mit 15.000,-- DM und Frau Gl. mit 5.000,-- DM an dem Gesellschaftskapital beteiligt. Frau G. wurde zur alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerin bestellt. Die Gesellschaft hat ihre Tätigkeit im Februar 1977 aufgenommen und sie Ende 1977 wieder eingestellt, bevor sie in das Handelsregister eingetragen worden war. Ein Konkursverfahren ist mangels Masse nicht eröffnet worden.
Der Ehemann Gl. war von April bis Anfang Juli 1977 als Betriebsleiter der "GmbH" tätig; danach schied er aus der Firma aus, schon vorher hatte seine Frau ihren Austritt aus der "GmbH" erklärt. Der Kläger hatte - ohne Abschluß eines schriftlichen Arbeitsvertrages - unter der Bezeichnung "Buchhalter" sämtliche kaufmännischen Angelegenheiten einschließlich des Personaleinsatzes zu erledigen; dazu gehörte auch die "Gegenzeichnung" der vom Unternehmen ausgestellten Schecks. Frau G., damals 21 Jahre alt, hatte ihm mangels der erforderlichen kaufmännischen und fachlichen Kenntnisse die Geschäftsführung weitgehend überlassen.
Die "GmbH" hatte den Kläger für die Zeit vom 1. April 1977 bis zum 31. Januar 1978 als Buchhalter mit einem Monatsgehalt vom 2.375,-- DM zur Sozialversicherung angemeldet. Die Beklagte verneinte jedoch mit dem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 28. August 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 1979 die Versicherungspflicht des Klägers, weil dieser bei Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse nicht abhängig beschäftigter Arbeitnehmer der "GmbH" gewesen sei.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat den Kläger dagegen als einen abhängig beschäftigten Arbeitnehmer angesehen und hat mit Urteil vom 28. Juli 1980 die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Das Landessozialgericht für das Saarland hat durch Urteil vom 21. Januar 1982 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Nach den - allein maßgeblichen - tatsächlichen Verhältnissen der "GmbH" sei "der Kläger in Wirklichkeit der die Gesellschaft tragende Kopf" gewesen; die Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin G. habe ihm praktisch weder Weisungen erteilen noch ihn entlassen können. Da er bei der Abwicklung aller, vor allem der im kaufmännischen Bereich anfallenden Geschäfte sich wie ein selbständiger Unternehmer verhalten habe, sei er nicht abhängig beschäftigt gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die - vom LSG zugelassene - Revision des Klägers. Er macht geltend, das LSG habe bei der Beurteilung des Gesamtbildes seiner Tätigkeiten nicht berücksichtigt, daß er kein Unternehmerrisiko getragen habe. Andererseits habe es seiner faktischen Stellung in der "GmbH" zu Unrecht entscheidende Bedeutung beigemessen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 21. Januar 1982 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 28. Juli 1980 zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie halten übereinstimmend das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt und sich auch zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG. Der Senat kann in der Sache nicht entscheiden, weil das Verfahren des LSG an einem im Revisionsverfahren fortwirkenden prozessualen Mangel leidet, der in der Revisionsinstanz nicht behoben werden kann. Das LSG hat nicht beachtet, daß die Entscheidung darüber, ob der Kläger in der streitigen Zeit der Versicherungspflicht unterlegen hat, ein Rechtsverhältnis betrifft, an dem nicht nur der Kläger, sondern auch die Personen, die uU als seine Arbeitgeber in Betracht kommen, derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-, 1. Fall).
Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für eine noch nicht ins Handelsregister eingetragen gewesene GmbH versicherungspflichtig beschäftigt war oder ob er - unbeschadet der von den Vertragspartnern gewählten Bezeichnung seiner Tätigkeit als "Buchhalter" - als weisungsfreier Geschäftsführer der Gründungsgesellschaft nicht der Versicherungspflicht unterlag. An diesem Rechtsverhältnis sind auch die Gründungsgesellschafterinnen, die jetzt verehelichte Frau A. und Frau Gl., beteiligt. Wenn der Kläger, wie er geltend macht, abhängig beschäftigt war, waren die Gründungsgesellschafterinnen nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft möglicherweise beitragspflichtig (vgl SozR RVO § 393 Nr 2, aber auch Fischer, GmbH-Gesetz, 9. Aufl, § 11 Anm 2d).
Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung ist ein im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtender und zur Zurückverweisung zwingender Verfahrensmangel (erkennender Senat, Urteil vom 30. Januar 1980 - 12 RK 58/78 -, SozR 1500 § 75 Nr 29 mwN; ständige Rechtsprechung).
Bei der - nach der Nachholung der Beiladung erforderlich werdenden - neuen rechtlichen Prüfung wird das LSG zunächst zu beachten haben, daß die Tätigkeit des Klägers während der streitigen Zeit nicht für eine eingetragene GmbH, sondern für eine Vorgesellschaft erfolgt ist (zu dem auf diese anzuwendenden Recht vgl ua Fischer aaO § 11 Anm 2b mwN aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Klägers wird das LSG im übrigen nicht allein auf seine Tätigkeit im kaufmännischen Bereich abheben dürfen, sondern auch berücksichtigen müssen, wie sich seine Tätigkeit im technischen Bereich gestaltet hat. Erst dann kann das Gesamtbild seiner Tätigkeit erschöpfend gewürdigt und entschieden werden, ob der Kläger versicherungsfreier "Geschäftsführer" der Gründungsgesellschaft oder deren abhängig beschäftigter Arbeitnehmer gewesen ist (zur versicherungsrechtlichen Stellung von Fremd-Geschäftsführern im Gegensatz zu Gesellschafter-Geschäftsführern vgl den Hinweis im Urteil des Senats vom 24. Juni 1982, 12 RK 45/80; zum "faktischen" Geschäftsführer einer GmbH oder Vor-GmbH vgl Hachenburg, Großkommentar zum GmbH-Gesetz, 7. Aufl, § 35 RdNrn 61, 202, § 43 RdNrn 15 ff).
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen