Entscheidungsstichwort (Thema)
Wehrdienstbeschädigung. Unfall bei Heimfahrt von einem Pfarrfest der katholischen Militärseelsorge. dienstliche Veranstaltung. wehrdiensteigentümliche Verhältnisse
Leitsatz (amtlich)
1. Dienstlich iS des Versorgungsrechts ist eine Veranstaltung nur dann, wenn sie materiell dienstbezogen und formell vom Dienstherrn organisiert ist.
2. Ob dienstliche Verhaltensanforderungen an den Soldaten wehrdiensteigentümlich sind, ist nach dem Grad der eingeräumten Selbstbestimmung oder der militärischen Fremdbestimmtheit zu entscheiden.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SVG §§ 80, 81 Abs. 1, 3 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 2; SG §§ 12, 36; GG Art. 4 Abs. 2, Art. 17a; WRV Art. 136 Abs. 4, Art. 137 Abs. 1; SVG § 27 S. 3 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Dezember 1994 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. August 1993 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in sämtlichen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger ist Berufssoldat. Er verlangt von der Beklagten, die Folgen eines Motorradunfalls als Wehrdienstbeschädigung (WDB) anzuerkennen und Ausgleich zu gewähren.
Am Freitag, dem 2. September 1988, nahm der Kläger in seiner Freizeit an einem Pfarrfest der katholischen Militärgemeinde in B. … /N. … teil. Auf der Heimfahrt in seine im selben Ort gelegene Familienwohnung verunglückte er. Die Beklagte lehnte den wegen der Unfallfolgen beantragten Ausgleich ab. Der Kläger habe keine WDB erlitten, weil das Pfarrfest keine dienstliche Veranstaltung gewesen und der Unfall auch nicht durch wehrdiensteigentümliche Verhältnisse herbeigeführt worden sei (Bescheid vom 29. Oktober 1991; Beschwerdebescheid vom 14. September 1992).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, die aus dem Unfall resultierenden Verletzungen als WDB anzuerkennen. Der Kläger habe als Kompaniefeldwebel die Kameradschaft unter den Soldaten des Standorts B. … auch außerhalb des Dienstes fördern müssen. Deshalb habe er an dem Pfarrfest teilgenommen. Damit hätten wehrdiensteigentümliche Verhältnisse zu dem Unfall und zur Gesundheitsbeschädigung geführt (Urteil vom 26. August 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils zurückgewiesen (Urteil vom 7. Dezember 1994).
Die Beklagte macht mit der – vom Senat zugelassenen – Revision geltend, das SG und ihm folgend das LSG hätten zu Unrecht angenommen, der Besuch des Festes sei für den Kläger selbstverständliche Kameradschaftspflicht und damit wehrdiensteigentümlich gewesen. Dem Kläger habe es wie allen anderen Soldaten auch freigestanden, an dieser Veranstaltung teilzunehmen, ohne daß ihm bei Fernbleiben der Vorwurf unkameradschaftlichen Verhaltens hätte gemacht werden können.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Dezember 1994 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. August 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht das der Klage stattgebende Urteil des SG bestätigt. Die Folgen des vom Kläger am 2. September 1988 erlittenen Unfalls sind nicht Folgen einer WDB.
Gemäß § 85 Abs 1 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) erhalten Soldaten während ihrer Dienstzeit wegen der Folgen einer WDB einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs 1 und § 31 Bundesversorgungsgesetz. WDB ist nach § 81 Abs 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Dienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Nach § 81 Abs 4 Nr 2 SVG gilt als Wehrdienst auch das Zurücklegen des mit dem Wehrdienst zusammenhängenden Weges von und nach der Dienststelle. Dazu zählte der Weg des Klägers vom Pfarrfest zu seiner Familienwohnung nicht, weil das Pfarrfest selbst keine dienstliche Veranstaltung war (1.). Anders als von den Instanzgerichten angenommen liegen auch keine wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse vor, die zur Teilnahme des Klägers am Pfarrfest geführt hätten, so daß der Heimweg von dieser Veranstaltung versorgungsrechtlich nicht geschützt war (2.).
1. Zum Wehrdienst iS des § 81 Abs 1 SVG gehört ua die Teilnahme eines Soldaten an „dienstlichen Veranstaltungen” (§ 81 Abs 3 Nr 3 SVG). Die Vorinstanzen haben zu Recht das Pfarrfest nicht als dienstliche Veranstaltung angesehen.
Was unter dienstlichen Veranstaltungen nach § 81 Abs 3 Nr 3 SVG zu verstehen ist, ergibt sich aus der Abgrenzung zum Dienstbereich im engeren Sinn (vgl zum folgenden BSGE 71, 60, 62 f = SozR 3-3200 § 81 Nr 5 und dazu: Erlaß des Bundesministeriums der Verteidigung ≪BMVg≫ vom 6. November 1992, BArbBl 1993, 2/109). Danach leistet der Soldat Dienst im engeren Sinne durch Erfüllung militärischer Pflichten nach entsprechenden Grundsätzen und Vorschriften sowie auf besonderen Befehl hin im üblichen militärischen Befehls- und Gehorsamsverhältnis. Zwischen diesem engeren Dienstbereich und der Freizeit liegen die „dienstlichen Veranstaltungen”; sie hängen mit dem soldatischen Dienst zusammen, dienen dienstlichen Interessen und sind durch organisatorische Maßnahmen sachlicher und personeller Art in den weisungsgebundenen Dienstbereich einbezogen; auf eine Teilnahmepflicht kommt es nicht an.
Nach dem Vorbild der gesetzlichen Unfallversicherung verlangt die Rechtsprechung für die Zuordnung solcher Veranstaltungen zum weiteren Dienst sowohl eine „materielle Dienstbezogenheit” als auch eine „formelle” Organisation durch den Dienstherrn oder einen von ihm Beauftragten (vgl zum Beamtenrecht: BVerwGE 81, 265, 266 f). Dem trägt zB der Erlaß des BMVg vom 8. Juni 1962 über „Versorgung bei gesundheitlichen Schädigungen in Ausübung dienstlichen oder außerdienstlichen Sports” (VMBl 1962, 295) ebenso Rechnung wie der hier einschlägige Erlaß vom 15. Mai 1981 über „Dienstliche Veranstaltungen geselliger Art” (VMBl 1981, 239). Materiell dienstbezogene Veranstaltungen können danach nur gesellige Zusammenkünfte sein, die entweder der Erziehung der teilnehmenden Soldaten zur Gemeinschaft oder der Förderung des kameradschaftlichen Zusammenhalts oder der Vertretung der Bundeswehr nach außen dienen (Ziff 1 Nr 1 des Erlasses). Das Erfordernis formeller Organisation findet in Ziff 2 des Erlasses in der Forderung Ausdruck, daß der dienstliche Zweck einer Veranstaltung von einem Vorgesetzten mit mindestens der Disziplinargewalt eines Bataillonskommandeurs zu prüfen und festzustellen und daß die Veranstaltung von ihm dann schriftlich anzuordnen ist.
Dieser Maßstab gilt auch für Veranstaltungen der Militärseelsorge. Trotz des verfassungsrechtlichen Gebots der Trennung von Staat und Kirche (Art 140 Grundgesetz ≪GG≫ iVm Art 137 Abs 1 Weimarer Reichsverfassung ≪WRV≫) gibt es Veranstaltungen der Militärseelsorge mit dienstlichem Charakter. Nach den Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit (BMA) vom 27. Februar 1962 (BVBl 1962, 45 Nr 30) und vom 20. Februar 1997 (BArbBl 1997, 4/76) sind Exerzitien der katholischen und Rüstzeiten der evangelischen Militärseelsorge als dienstliche Veranstaltungen iS des § 27 Satz 3 Nr 3 SVG anzusehen und deshalb auch dem Begriff des Wehrdienstes iS des § 81 Abs 1 SVG zuzuordnen, mit der Folge, daß wegen eines Unfalls, der sich während der Teilnahme an Exerzitien oder einer Rüstzeit ereignet, Versorgung nach § 80 SVG zu gewähren ist. Versorgungsschutz genießen Soldaten auch bei Teilnahme am Lebenskundlichen Unterricht, der ihnen von Militärseelsorgern als Pflichtunterricht während der Dienstzeit erteilt wird, der aber de facto Teil der Militärseelsorge ist (vgl zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Ausgestaltung des Lebenskundlichen Unterrichts: Ennuschat, Militärseelsorge, 1995, 103, 202 ff). Die Teilnahme an Gottesdiensten der Militärseelsorge ist dagegen versorgungsrechtlich nicht geschützt; die damit zusammenhängenden Wege von der Kaserne und zurück nur, wenn den – freiwillig teilnehmenden – Soldaten ein geschlossener An- und Abmarsch oder die Benutzung von Dienstfahrzeugen befohlen ist (vgl Rundschreiben des BMA vom 3. Januar 1975 ≪BVBl 1975, 2/15≫).
Das Pfarrfest der katholischen Kirchengemeinde in B. … war keine dienstliche Veranstaltung. Als Zusammenkunft der Soldaten des Standorts B. … und ihrer Angehörigen diente es Zwecken der Militärseelsorge. Selbst wenn durch das gesellige Zusammensein der kameradschaftliche Zusammenhalt der Soldaten gestärkt worden sein sollte und der Dienstherr die Teilnahme an derartigen Veranstaltungen als erwünscht ansieht (vgl Ziff 1 Abs 1 des Erlasses vom 15. Mai 1981, aaO, und für erwünschte sportliche Betätigung Ziff 4 des Erlasses vom 8. Juni 1962, aaO), verlieh dies allein dem Fest keinen dienstlichen Charakter. Die Annahme, daß das Pfarrfest eine dienstliche Veranstaltung gewesen sei, scheitert bereits am Fehlen der formellen Organisation durch die Bundeswehr. Denn es war nicht durch einen Vorgesetzten mindestens im Range eines Bataillonskommandeurs der dienstliche Zweck des Festes geprüft und festgestellt und die Veranstaltung schriftlich angeordnet worden.
2. Auch wehrdiensteigentümliche Verhältnisse haben die gesundheitliche Schädigung des Klägers nicht herbeigeführt.
Wehrdiensteigentümlich sind Verhältnisse, die der Eigenart des Dienstes entsprechen und im allgemeinen eng mit dem Dienst verbunden sind. Der Tatbestand des § 81 Abs 1 SVG erfaßt damit alle nicht weiter bestimmbaren Einflüsse des Wehrdienstes, die aus der besonderen Rechtsnatur dieses Verhältnisses und der damit verbundenen Beschränkung der persönlichen Freiheit des Soldaten folgen. Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse können sich daher auch außerhalb der Ausübung des Wehrdienstes in der Freizeit (Streit infolge Aggressionsstaus: BSG SozR BVG § 1 Nr 80 und SozR 3200 § 81 Nr 11; Besonderheiten des Kasernengebäudes: BSG SozR 3200 § 81 Nr 31; Verkehrsunfall in Bundeswehranlage: BSG SozR 3200 § 81 Nr 30; Zusammenleben auf engem Raum: BSG SozR 3200 § 81 Nr 21), während Dienstpausen und während privater Verrichtungen ergeben (BSG SozR 3200 § 81 Nr 31 mwN; BGH VersR 1993, 591, 592).
Zu den wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen sind aber auch besondere Anforderungen an das Verhalten des Soldaten zu rechnen, wenn sie seine Eigenverantwortung einschränken und ihn zB zu einer bestimmten Gestaltung seiner Freizeit zwingen (Zwang zu kameradschaftlichem Verhalten: BSG SozR 3200 § 81 Nr 11 und Urteile vom 17. November 1981 – 9 RV 20/81 – Breith 1982, 610 und vom 20. April 1983 – 9a RV 30/82 – HV-INFO 1986, 1029; Zwang zum Kasernenaufenthalt auch während der Freizeit: BSG SozR 3200 § 81 Nr 19; Verpflichtung des Soldaten, sich gesund zu erhalten: BSG SozR 3200 § 81 Nr 15). Dabei hat man die Rolle des von seinen Dienstpflichten befreiten Soldaten abzugrenzen von der Rolle des Dienstleistenden. Ob der Soldat unter Versorgungsschutz steht, hängt vom Grad der eingeräumten Selbstbestimmung oder der militärischen Fremdbestimmtheit (vgl Wulfhorst, Soziale Entschädigung – Politik und Gesellschaft, 1994, 115) ab. Dies muß nach objektiven Kriterien beurteilt werden. Nicht entscheidend ist, wie der einzelne Soldat aufgrund seines Charakters, seines Pflichtgefühls und seiner psychischen Konstitution auf Verhaltensanforderungen des militärischen Systems reagiert. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Umstände des Einzelfalles auch einem Durchschnittssoldaten den Eindruck vermittelt hätten, die Teilnahme an einer bestimmten Veranstaltung sei nicht nur erwünscht, sondern er sei zur Teilnahme verpflichtet. Wer als verpflichtend bereits empfindet, was nur erwünscht ist, steht nicht deshalb früher unter Versorgungsschutz als ein anderer Soldat, der im Bewußtsein seiner staatsbürgerlichen Rechte (§ 6 Soldatengesetz) in gleicher Situation frei über sein Verhalten entscheidet.
Der Kläger hat das Pfarrfest danach als von seinen Dienstpflichten befreiter Soldat besucht, nicht als Dienstleistender. Er war durch das militärische Befehls- und Gehorsamssystem in seiner Entscheidung, am Pfarrfest teilzunehmen, nicht derart eingeschränkt, daß die Teilnahme sich auf wehrdiensteigentümliche Verhältnisse zurückführen und sein Heimweg von der Veranstaltung versorgungsrechtlich schützen ließe. Den Instanzgerichten ist zwar zuzugeben, daß der Kläger das Pfarrfest nicht aus freien Stücken, etwa nur wegen des dort gebotenen Programms und des Wunsches nach geselligem Zusammensein mit anderen Soldaten und deren Familienangehörigen besucht hat. Seine Entscheidung wurde vielmehr durch verschiedene Umstände beeinflußt, die mit seiner Stellung als Soldat zusammenhingen: Durch den deutlichen Wunsch seines Vorgesetzten, des Hauptmanns B., „seine” Führungskräfte, darunter der Kläger, sollten dort erscheinen, durch die gerade dem Kläger als Kompaniefeldwebel obliegende Dienstaufgabe der Kameradschaftspflege und durch das militärische Beurteilungswesen, das auch kameradschaftsförderndes Verhalten bewertet. Keiner dieser Umstände für sich genommen und auch nicht alle gemeinsam haben aber die Handlungsfreiheit des Klägers entscheidend beeinträchtigt. Sie stellten lediglich dienstlich geprägte Motive dar, die den Kläger veranlaßt haben, das Pfarrfest – jedenfalls zeitweise – zu besuchen; es handelte sich dagegen nicht um Gebote des militärischen Über- und Unterordnungssystems, die auch während seiner Freizeit zu befolgen dem Kläger nicht freigestanden hätte.
Der Wunsch des Vorgesetzten nach Teilnahme „seiner” Führungskräfte am Pfarrfest war schon deshalb objektiv nicht geeignet, auf den Kläger bestimmenden Einfluß auszuüben, weil auf Soldaten keinerlei – sei es auch nur mittelbarer – Druck zur Teilnahme an Veranstaltungen der Militärseelsorge ausgeübt werden darf (vgl BVerwGE 73, 247) und der Kläger als langjährig dienender Berufsunteroffizier dies wissen mußte und etwa rechtswidrig ausgeübtem Druck widerstehen konnte. Wie jeder andere Staatsbürger hat auch der Soldat (Art 17a GG, § 36 Soldatengesetz) das Recht, sich religiös zu betätigen oder sich von Veranstaltungen der Religionsgemeinschaften fernzuhalten (vgl Scheerer, Soldatengesetz, 5. Aufl 1976, § 36 Rz 5). Letzteres folgt unmittelbar aus der „negativen Komponente” des Art 4 Abs 2 GG und wird durch Art 136 Abs 4 WRV iVm Art 140 GG konkretisiert. Mithin ist es einem militärischen Vorgesetzten nicht erlaubt, auf die Willensentscheidung eines Soldaten mit dem Ziel Einfluß zu nehmen, ihn zur Teilnahme an Veranstaltungen einer Religionsgemeinschaft zu veranlassen (BVerwG, aaO).
Im übrigen dürfte Hauptmann B. mit dem Wunsch nach Teilnahme „seiner” Führungskräfte am Pfarrfest für diesen konkreten Fall nur ausgesprochen haben, was der Erlaß des BMVg vom 15. Mai 1981 (aaO) allgemein formuliert: daß auch nichtdienstliche Veranstaltungen geselliger Art erwünscht sind, weil auch sie den kameradschaftlichen Zusammenhalt der teilnehmenden Soldaten fördern. Mit diesem Erlaß ist dienstlichen Einflüssen auf die private Freizeitgestaltung eine Grenze gezogen und abschließend geregelt, daß sich, auch wenn der Dienstherr die Teilnahme für wünschenswert hält, am Freizeitcharakter derartiger Veranstaltungen nichts ändert. Wer an Veranstaltungen wie zB den in Ziff 1 Abs 2 des Erlasses genannten Faschings-/Kappenfesten von Heimgesellschaften, Geburtstags-, Beförderungs- oder Abschiedsfeiern oder anderen nicht schriftlich angeordneten Veranstaltungen geselliger Art im Kameradenkreis teilnimmt, tut das auch dann freiwillig, wenn er den Belangen der Gemeinschaft Vorrang einräumt vor seinem Interesse, die Freizeit ganz nach privaten Gesichtspunkten zu gestalten.
Dieser Annahme steht im vorliegenden Fall auch nicht die militärische Funktion des Klägers entgegen. Zwar steht der Kläger als Kompaniefeldwebel an der Spitze des Unteroffizierskorps seiner Einheit und ist für den Zusammenhalt des Unteroffizierskorps durch Pflege und Förderung der Kameradschaft verantwortlich (vgl ZDv 10/5, Anlage 1/1, Dienstanweisung für den Kompaniefeldwebel, Abschnitt III Nr 6). Zu seinen Dienstpflichten mag es deshalb gehören, Zusammenkünfte des Unteroffizierskorps anzuregen, zu organisieren und daran teilzunehmen. Darum ging es hier aber nicht. Das Pfarrfest hatte der katholische Militärseelsorger allgemein für alle Standortangehörigen in B. … veranstaltet. Einem Zwang zur Teilnahme hätte der Kläger – wie andere Soldaten des Standorts B. … – nur unterlegen, wenn er anders dem berechtigten Vorwurf nicht hätte entgehen können, sich unkameradschaftlich zu verhalten. Der Begriff „berechtigt” ist vom Standpunkt eines vernünftig denkenden Soldaten und unter Beachtung der dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse zu beurteilen (BSGE 33, 239, 244 ff = SozR SVG § 81 Nr 2; BSG, Urteil vom 17. November 1981 – 9 RV 20/81 – Breith 1982, 610). Ein vernünftig denkender Soldat hätte dem Kläger ein Fortbleiben vom Pfarrfest nicht als Verletzung der Soldaten allgemein auferlegten Pflicht zu kameradschaftlichem Verhalten (§ 12 Soldatengesetz) vorgeworfen. Er hätte die Entscheidung des Klägers, das Wochenende lieber mit seiner Familie als mit den Kameraden zu verbringen, vielleicht bedauert, er hätte sie aber verstanden.
Schließlich bestimmte auch das militärische Beurteilungssystem den Kläger nicht zur Teilnahme am Pfarrfest. Es mag für die Karriere eines Soldaten – stärker als für die eines Beamten, Angestellten oder Arbeiter im Zivilleben – förderlich sein, auch bei der Freizeitgestaltung dienstliche Belange zu berücksichtigen und sich Wünschen von Vorgesetzten nicht zu verschließen, die Freizeit in ganz bestimmter, Zwecken der Bundeswehr dienender Weise zu verbringen. Wer sich diesen Wünschen entsprechend verhält, ist aber nicht fremdbestimmt durch Besonderheiten des militärischen Dienstverhältnisses: durch strikte Über- und Unterordnung, durch die Befehlsbefugnis des Vorgesetzten und die Gehorsamspflicht des Untergebenen. Er entscheidet sich vielmehr aus privaten Gründen für eine beurteilungs- und damit karrierefördernde Freizeitgestaltung und stellt dafür andere private Belange zurück.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
BSGE 80, 236 |
BSGE, 236 |
NVwZ-RR 1999, 53 |
SGb 1998, 374 |
SozR 3-3200 § 81, Nr 14. |
Breith. 1997, 961 |
SozSi 1998, 198 |