Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienkrankenpflege
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. November 1980 - L 16 Kr 53/79 - wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Familienkrankenpflege nach § 205 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für ihre beiden Kinder für die Zeit ab 1. Juli 1977 hat, oder ob die Höhe des Gesamteinkommens ihres Ehemannes einem solchen Anspruch entgegensteht.
Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Ihr Ehemann - der Vater der Kinder - ist als Steueramtmann kein Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Sein Bruttoarbeitsentgelt im Jahre 1977 betrug 37.504,-- DM (=monatlich 3.125,33 DM); das monatliche Bruttoeinkommen der Klägerin belief sich am 1. Juli 1977 auf etwa 1.570,-- DM. Auch in den folgenden Jahren war es niedriger als das ihres Ehemannes. Mit Bescheid vom 7. April 1978 /Widerspruchsbescheid vom 28. August 1978 hat die Beklagte festgestellt, daß die Klägerin für ihre Kinder ab 1. Juli 1977 keinen Anspruch auf Familienkrankenhilfe mehr habe, weil das Gesamteinkommen ihres Ehemannes den Betrag von monatlich 2.550,-- DM (= ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze) im Jahre 1977 überstiegen habe und entgegen der Ansicht der Versicherten die negativen Einkünfte aus "Vermietung und Verpachtung" nicht von den übrigen Einkünften abgesetzt werden könnten. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. In seinem Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt: Die negativen Einkünfte aus "Vermietung und Verpachtung" könnten nicht abgezogen werden. Da § 16 des Sozialgesetzbuches - (SGB IV) das Arbeitsentgelt gesondert aufführe und damit nicht auf das Steuerrecht, sondern auf das Bruttoarbeitsentgelt verwiesen werde, nehme diese Einkunftsart nicht an der prinzipiell möglichen Saldierung unter den verschiedenen Einkommensarten teil. Dem Zweck der Neuregelung des § 205 RVO würde es auch zuwiderlaufen, wenn der Ehegatte eines Versicherten sein über der Versicherungspflichtgrenze liegendes Arbeitsentgelt im Hinblick auf § 205 RVO dadurch vermindern könnte, daß er einen Teil davon für steuerlich begünstigten Wohnungsbau verwendet und durch die damit verbundenen erhöhten Abschreibungsmöglichkeiten zusätzlich noch von der Belastung mit den Krankheitskosten befreit würde. Es begegne auch verfassungsrechtlichen Bedenken, diejenigen Versicherten in der von der Klägerin gewünschten Weise zu begünstigen, deren Ehegatte soviel Arbeitsentgelt habe, daß er bauen könne, während in anderen Fällen auch noch die Krankheitskosten für die Kinder solcher Versicherter zu tragen seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Damit wird vorgetragen: § 16 SGB IV verweise für die Ermittlung des Gesamteinkommens eindeutig auf das Steuerrecht, auch insoweit es sich um Einkünfte aus "Vermietung und Verpachtung" handele. Die vom LSG vertretene Ansicht führe auch zu verfassungsrechtlichen Bedenken, da der unselbständige Arbeitnehmer nicht schlechter gestellt werden könne als der selbständig Tätige oder als der Bezieher anderer Einkünfte. Da Einkünfte aus "Vermietung und Verpachtung" nicht unter § 15 SGB IV (- Arbeitseinkommen ... ist der Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit; bei der Ermittlung des Gewinns sind steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen -) fielen, seien steuerliche Vergünstigungen hier zu berücksichtigen. Selbst wenn aber eine erhöhte Abschreibung nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Einkommensermittlung unzulässig wäre müsse zumindest die normale Abschreibung gewährt werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. November 1980 - L 16 Kr 53/79 - und das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 8. Februar 1979 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. April 1978 / Widerspruchsbescheids vom 28. August 1978 zu verurteilen, festzustellen, daß der Klägerin für ihre Kinder I T und I. T. ???? über den 30. Juni 1977 hinaus ein Anspruch auf Familienkrankenhilfe gemäß § 205 Abs 1 RVO zusteht,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision ist nicht begründet. Wie der Senat in seinem Urteil vom 22. Juli 1981 - 3 RK 7/80 - entschieden hat, sind bei der Ermittlung des Gesamteinkommens nach § 16 SGB IV, § 205 RVO zwar die Werbungskosten grundsätzlich abzuziehen, nicht aber solche Abschreibungen, die als Steuervergünstigungen iS des § 15 SGB IV anzusehen sind. In § 15 SGB IV wird zur Definition des Arbeitseinkommens aus selbständiger Tätigkeit vorgeschrieben, daß bei der Ermittlung des Gewinns steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen seien. Was aber insoweit im Rahmen einer Einkunftsermittlung aus sogenannter selbständiger Tätigkeit gilt, kann bei der Einkunftsermittlung aus "Vermietung und Verpachtung" nicht anders sein, da der Normzweck hier wie dort derselbe ist.
Nach Ansicht des Senats sind aber bei der Ermittlung des "Gesamteinkommens" nach § 205 RVO, § 16 SGB IV von den Einkünften aus "Vermietung und Verpachtung" von Gebäuden nicht nur die Sonderabschreibungen nach § 7b EStG, sondern auch die Abschreibungen gemäß § 7 Abs 1 iVm Abs 4 ff EStG nicht abzugsfähig.
Das Gesamteinkommen im sozialrechtlichen Sinne soll die konkrete Leistungsfähigkeit des Einzelnen ausweisen. Dies erfordert es ebenso, grundsätzlich die zur normalen Erhaltung der Einkünfte zu erbringenden Aufwendungen in Abzug zu bringen, wie es andererseits dazu zwingt, einkommensteuerliche Vorteile, die über diesen Bereich hinausgehen, außer Ansatz zu lassen.
Zu solchen Vorteilen gehört auch die Absetzung für Abnutzung und Substanzverringerung (AfA), bei der die Anschaffungs- bzw Herstellungskosten in bestimmten jährlichen Teilbetragen auf eine Gesamtnutzungsdauer verteilt werden, der Gesetzgeber also unterstellt, daß der Wert des Abschreibungsobjekts durch die Abnutzung aufgezehrt wird. Dieser Vorteil wird besonders deutlich, wenn man die AfA den steuerlich ebenso abziehbaren Instandhaltungskosten, die zur Erhaltung des Mietobjekts gemacht werden, gegenüberstellt. Beide Abschreibungsmöglichkeiten sind nebeneinander zulässig; weder kann die AfA die Geltendmachung von Instandsetzungs-Aufwendungen verhindern, noch berechtigen die letztgenannten Aufwendungen die Steuerbehörde, eine richtig bemessene AfA zu versagen (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, Komm EStG, 12. Aufl 1978, § 7 RdNr 12). Erfolgt nun neben der Abschreibung für Instandsetzung auch eine AfA, so wird deutlich, daß nur die erstgenannte Abschreibung der Erhaltung der Mieteinnahmen zu dienen geeignet ist, die AfA aber lediglich der Erhaltung - unter Umständen sogar der Vermehrung - des Vermögens dient. Wird aber eine Abschreibung für Instandsetzung wegen fehlender Erhaltungsinvestitionen gar nicht vorgenommen, dann ändert dies die genannte Beurteilung nicht. Denn auch dann bleibt die Tatsache bestehen, daß durch die AfA die Wertaufzehrung, die durch die Abnutzung des Mietobjekts eintritt, abgemildert und aufgefangen, einem Vermögensverlust also entgegenwirkt, nicht aber die Mieteinnahme erhalten werden soll, ganz abgesehen davon, daß bei fehlenden Erhaltungsinvestitionen sich die tendenziell sinkenden Mieteinkünfte ohnehin im Sinne eines geringeren Gesamteinkommens - was die Klägerin hier gerade festgestellt haben will - auswirken.
Da das LSG somit im Ergebnis zutreffend entschieden hat, konnte die Revision keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen