Leitsatz (amtlich)

Ein Kraftradfahrer ist auch bei Fahrten während der Dämmerung erst bei einem Blutalkoholgehalt von 1,3 0/00 absolut fahruntüchtig. (Weiterführung BSG 1960-08-16 2 RU 119/58 = BSGE 13, 13; SozR Nr 30 zu § 542 RVO).

 

Normenkette

RVO § 542 Fassung: 1942-03-09

 

Tenor

Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Mai 1958 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der in L... wohnhafte Kläger war seit Mai 1954 als Einschaler bei der Baufirma M... beschäftigt, die eine Baustelle in W... Krs. B... unterhielt. Den rd. 25 km langen Weg nach bzw. von der Arbeitsstätte legte er mit seinem Motorrad zurück. Am 27. August 1954 war die Arbeit um 18.00 Uhr beendet. Der Kläger verließ die Baustelle gegen 18.30 Uhr und fuhr nach Hause. Etwa 8 bis 9 km von W.... entfernt bog er von der nach L... führenden Straße ab und fuhr nach dem etwa 2 km abseits liegenden Ort B...; dort besuchte er seinen Vorarbeiter P... in dessen Wohnung er sich einige Zeit aufhielt. Danach setzte der Kläger die Heimfahrt fort, wobei er jetzt die Beleuchtung seines Motorrads eingeschaltet hatte. In M..., der letzten vor L... zu durchfahrenden Ortschaft, fuhr der Kläger um 20.05 Uhr gegen ein unbeleuchtetes von Kühen gezogenes Erntefuhrwerk, das aus der gleichen Richtung kommend nach links ausgebogen war und in einen auf der rechten Straßenseite gelegenen Bauernhof einfuhr. Bei dem Zusammenstoß erlitt der Kläger erhebliche Verletzungen. Die etwas über eine Stunde nach dem Unfall entnommene Blutprobe ergab beim Kläger zu dieser Zeit einen Blutalkoholgehalt von 1,15 ‰. Im Strafverfahren wurde der Kläger rechtskräftig vom Amtsgericht Gladenbach wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 200,-- DM verurteilt; außerdem wurde ihm der Führerschein entzogen; die Begleiter des Erntewagens wurden freigesprochen.

Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 19. September 1955 den Entschädigungsanspruch des Klägers ab: Der Kläger habe im Verlauf der Heimfahrt sich längere Zeit eigenwirtschaftlich betätigt und dadurch den Zusammenhang mit dem Betrieb gelöst; eine solche Lösung sei auch deshalb eingetreten, weil er mit dem auf den Unfallzeitpunkt errechneten Blutalkoholgehalt von 1,25 ‰ als Motorradfahrer fahruntüchtig gewesen sei.

Das Sozialgericht (SG) hat am 8. Mai 1957 die Beklagte zur Gewährung der Entschädigungsleistung verurteilt. Es hat auf Grund der Zeugenaussage des Vorarbeiters P... angenommen, daß der Kläger diesen aufgesucht habe, um sich wegen Fernbleibens von der Arbeit am nächsten Tage zu entschuldigen; der etwa einstündige Besuch habe hiernach nicht privaten, sondern betrieblichen Zwecken gedient, mithin sei hierdurch der betriebliche Zusammenhang nicht gelöst worden. Der Alkoholgenuß des Klägers habe keine absolute Fahruntüchtigkeit hervorgerufen. Diese sei auch bei Motorradfahrern erst bei einem Blutalkoholgehalt von 1,5 ‰ anzunehmen. Die Fahrweise des Klägers habe keine Anzeichen von alkoholbedingter Unsicherheit erkennen lassen. Die schwierige - vom SG in Augenschein genommene - Einfahrt zum Anwesen des Zeugen P... habe er einwandfrei bewältigt. Da es zur Zeit des Unfalls schon dämmerig bis dunkel gewesen sei, habe der Kläger auf der von der Ortsmitte Mornshausen zur - ebenfalls vom Gericht besichtigten - Unfallstelle ansteigenden Straße im Lichte seines Scheinwerfers nur den Oberteil des Erntewagens erkennen können; hierdurch irritiert, habe er zunächst mit einem links entgegenkommenden Fahrzeug gerechnet; einem solchen Irrtum hätte auch ein nüchterner Motorradfahrer unterliegen können.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 13. Mai 1958 die Klage abgewiesen: Auf Grund des vom SG eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. F... vom Gerichtsmedizinischen Universitätsinstitut Marburg stehe einwandfrei fest, daß der Kläger im Unfallzeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 1,25 ‰ hatte. Damit sei der Kläger angesichts der weit vorgeschrittenen Dämmerung absolut fahruntüchtig gewesen. Der Grenzwert der beginnenden Fahruntüchtigkeit betrage für Motorradfahrer bei Tagfahrten 1,3 ‰, bei Nachtfahrten dagegen 1 ‰. Bei Dämmerung, die erhöhte Anforderungen an richtiges Erkennen von Hindernissen auf der Fahrstrecke stelle, liege der Grenzwert auf alle Fälle unter 1,3 ‰. Deshalb sei für den Unfall - ohne Rücksicht auf dessen Verursachung - der Versicherungsschutz entfallen. Davon abgesehen habe aber hier "der Alkoholeinfluß den Unfall mindestens mitverursacht". Dies folge aus der vom Kläger im Strafverfahren eingestandenen Tatsache, daß er durch den Ort M... mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 55 km gefahren sei. Diese für die Unfallzeit und die örtlichen Verhältnisse erheblich überhöhte Geschwindigkeit sei auf die enthemmende Wirkung des Alkoholgenusses zurückzuführen. Ein verkehrstüchtiger Kraftfahrer wäre in der Ortschaft, wo die Straßenbeleuchtung noch nicht brannte und die Lichtwirkung des Motorradscheinwerfers den Fahrer irritieren konnte, wesentlich langsamer gefahren, da er immer mit dem plötzlichen Auftreten von Hindernissen rechnen mußte. Die vorherige einwandfreie Meisterung der schwierigen Grundstückseinfahrt bei P... spreche nicht für Fahrtüchtigkeit des Klägers; denn auch ein alkoholbeeinflußter Kraftfahrer könne imstande sein, eine klar zu übersehende schwierige Wegstelle zu nehmen, während er bei übermäßig schnellem Fahren unvorhergesehenen plötzlich auftauchenden Hindernissen nicht mehr ausweichen oder rechtzeitig anhalten könne. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 28. Mai 1958 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Juni 1958 Revision eingelegt und sie am 19. Juli 1958 begründet. Verfahrensrechtlich macht die Revision geltend, das LSG hätte die Strafakten nicht entgegen dem vom Kläger erhobenen Widerspruch verwerten dürfen. Wegen dieses Widerspruchs und der Tatsache, daß der Kläger gegen zwei Zeugen des Strafverfahrens Anzeige wegen falscher Aussagen erhoben hatte, sei das LSG verpflichtet gewesen, die Beweisaufnahme zu wiederholen und den Kläger zu den ihm nachteiligen strafgerichtlichen Feststellungen zu hören. Da der gerichtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. F... in seinem Gutachten erklärt habe, es handele sich um einen Grenzfall, der eine eindeutige Beurteilung der Fahrfähigkeit unmöglich mache, sei zur Aufklärung des Sachverhalts eine Vernehmung der Sachverständigen in der Verhandlung erforderlich gewesen. Mit dem Gutachten habe sich das LSG nicht hinreichend auseinandergesetzt und nicht dargelegt, weshalb es - ungeachtet der vom Sachverständigen geäußerten Zweifel - den Kläger für absolut fahruntüchtig gehalten habe. Der Standpunkt des LSG, bei Motorradfahrern beginne die Fahruntüchtigkeit am Tage mit einem Blutalkoholgehalt von 1,3 ‰, bei Fahrten in der Nacht oder in der Dämmerung hingegen schon bei einem niedrigeren Grenzwert, treffe nicht zu. Der Eintritt der Fahruntüchtigkeit dürfe nicht von den jeweiligen äußeren Verkehrsbedingungen abhängig gemacht werden. Die Ausführungen, mit denen das LSG eine Mitverursachung des Unfalls durch die Alkoholbeeinflussung des Klägers dargelegt habe, reichten zur Versagung des Versicherungsschutzes nicht aus, hierzu sei vielmehr erforderlich, daß der Unfall allein infolge der Alkoholbeeinflussung eingetreten sei. Die Darlegungen des LSG zu diesem Punkt seien zudem nicht haltbar; der Abnahme, der Kläger hätte bei der Fahrt im Ortsinneren jederzeit mit dem plötzlichen Auftauchen von Hindernissen rechnen müssen, stehe das Gebot verkehrsgerechten Verhaltens an alle Verkehrsteilnehmer entgegen, auf dessen Befolgung der Kläger hätte vertrauen dürfen. Gegen dieses Gebot habe die Fahrweise des unbeleuchteten, die ganze Straßenbreite blockierenden Erntewagens verstoßen. Das LSG hätte diesen groben Verstoß der Gespannfahrer bei der Abwägung der Unfallursachen mehr berücksichtigen müssen, statt es nur auf die angeblich überhöhte Geschwindigkeit des Klägers abzustellen. Ob der Kläger tatsächlich zu schnell gefahren sei, hätte im übrigen das LSG erst nach Augenscheinseinnahme einwandfrei klären können.

Der Kläger beantragt,

den Unfall vom 27. August 1954 unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids als Wegeunfall anzuerkennen und dem Kläger die gesetzliche Entschädigung zuzusprechen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision. Sie pflichtet dem angefochtenen Urteil bei und verweist auf einschlägige Rechtsprechung des angerufenen Senats (ua BSG 3, 116).

II

Die Revision ist statthaft und zulässig. Sie hatte auch Erfolg.

Das LSG hat angenommen, daß ein Kraftradfahrer schon bei einem geringeren Blutalkoholgehalt als ein Kraftwagenfahrer absolut, d.h. unabhängig von sonstigen Beweisanzeichen fahruntüchtig ist; dies trifft grundsätzlich zu und stimmt überein mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 30. Juni 1960 (BSG 12, 242); danach bildet bei Kraftradfahrern ein Blutalkoholgehalt von 1,3 ‰ die Grenze, von der an absolute Fahruntüchtigkeit ohne weiteres anzunehmen ist. Die weitere Erwägung des LSG, dieser Grenzwert gelte nur für Motorradfahrten am Tage, während bei Nachtfahrten die absolute Fahruntüchtigkeit schon mit einem Blutalkoholgehalt von 1 ‰ eintrete, ist dagegen vom erkennenden Senat im Urteil vom 16. August 1960 (SozR RVO § 542 Bl. Aa 19 Nr. 30) nicht gebilligt worden; wie dort näher ausgeführt wurde, stehen den erhöhten Anforderungen, die eine Nachtfahrt an den Kraftradfahrer stellt, andererseits auch gewisse Fahrerleichterungen gegenüber. Deshalb hat der Senat die Auffassung vertreten, daß den besonderen Schwierigkeiten, die das Fahren im Dunkeln bietet, durch Ermittlung der Fahruntüchtigkeit im Einzelfall am besten Rechnung getragen werden könne. Entsprechendes gilt, wenn es sich, wie im vorliegenden Falle, um das Fahren im Zeitraum der Dämmerung handelt. Insoweit hat es zwar das angefochtene Urteil dahingestellt gelassen, ob der für Nachtfahrten angenommene Grenzwert von 1 ‰ angemessen sei, auf jeden Fall liege der maßgebende Promillesatz unter der für Tagfahrten geltenden Grenze von 1,3 ‰. Diesem Standpunkt ist nicht beizupflichten. Wenn für Fahrten mit dem Kraftrad bei vollem Tageslicht und in der Nacht von demselben Grenzwert 1,3 ‰ auszugehen ist, erscheint es nicht angebracht, für das mehr oder minder schnell vorübergehende Zwischenstadium der Dämmerung einen eigenen Grenzwert festzusetzen, zumal da dieses Stadium - wie die Beweiserhebung im Strafverfahren und im Verfahren vor dem SG über den hier streitigen Unfall gezeigt hat - hinsichtlich der im Unfallzeitpunkt herrschenden Lichtverhältnisse oft nur mit erheblichen Schwierigkeiten näher zu bestimmen sein wird. In dieser Beziehung erscheint es, wie die Revision mit Recht geltend macht, untunlich, die Frage der Fahrtüchtigkeit an dem Maßstab unbeständiger und objektiv kaum faßbarer äußerer Verkehrsbedingungen zu prüfen.

Wie das LSG auf Grund des gerichtsmedizinischen Gutachtens festgestellt hat, lag bei dem Kläger im Zeitpunkt des Unfalls ein Blutalkoholgehalt von 1,25 ‰ vor. Dieser Promillesatz reicht nicht aus, um ohne weiteres absolute Fahruntüchtigkeit des Klägers nachzuweisen, das angefochtene Urteil beruht also bereits insoweit auf unzutreffenden Voraussetzungen.

Darüber hinaus läßt sich das angefochtene Urteil auch insoweit nicht halten, als es (zu II 1 der Entscheidungsgründe) ausführt, eine im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit durchgeführte Fahrt stehe außerhalb des Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit, der Versicherungsschutz entfalle deshalb, ohne daß es darauf ankomme, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Unfall und Alkoholeinwirkung nachzuweisen sei oder nicht. Diese in der früheren Rechtsprechung (BSG 3, 116) vertretene Ansicht hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 30. Juni 1960 (BSG 12, 242) aufgegeben; wie dort näher ausgeführt worden ist, schließt die auf Alkoholgenuß zurückzuführende Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers den Versicherungsschutz aus, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund drängt, daß sie als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen ist. Das Revisionsvorbringen ist zweifellos berechtigt, soweit es sich gegen den von diesem Grundsatz abweichenden Teil der Gründe des angefochtenen Urteils wendet.

Anschließend an diesen Teil der Entscheidungsgründe enthält das angefochtene Urteil (II, 2) allerdings Ausführungen, die sich mit der Kausalität des Alkoholgenusses für den Hergang des streitigen Unfalls befassen. Auch diese Hilfsbegründung des LSG steht indessen nicht im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats. Das LSG meint nämlich, zur Verneinung des Versicherungsschutzes reiche es schon aus, daß der Alkoholgenuß den Unfall "mindestens mitverursacht" habe. Was dieser Verursachungsbegriff des näheren besagen soll, geht aus den Darlegungen des angefochtenen Urteils nicht zweifelsfrei hervor; keinesfalls kann das LSG aber hiermit die "rechtlich erhebliche Ursache im Sinne der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung herrschenden Kausallehre" gemeint haben, von der die Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG 12, 245) in diesem Zusammenhang ausgeht. Der vom LSG eingenommene Rechtsstandpunkt führt somit dazu, daß der Versicherungsschutz eher entfällt, als es nach den vom erkennenden Senat aufgestellten Erfordernissen der Fall wäre. Da das LSG offenbar eine einfache Mitverursachung des Unfalls durch den Alkoholgenuß als ausreichend erachtet hat, ist dementsprechend auch die im angefochtenen Urteil vorgenommene Beweiserhebung und -würdigung zu summarisch ausgefallen, um den vom erkennenden Senat aufgestellten Beurteilungsmaßstäben zu genügen. So ist die vom erkennenden Senat als entscheidend angesehene Frage, ob der Kläger - unter sonst gleichen Verkehrsverhältnissen - nach der Erfahrung des täglichen Lebens wahrscheinlich nicht verunglückt wäre, wenn er nicht unter Alkoholeinfluß gestanden hätte (BSG 12, 246), in den Gründen des angefochtenen Urteils nur unzureichend geprüft worden. Das LSG hat ferner vorwiegend die - nach seiner Ansicht überhöhte - Fahrgeschwindigkeit des Klägers als Bedingung für das Zustandekommen des Unfalls gewertet, ohne daneben die Gefährdung, die durch das jedenfalls außergewöhnliche Verkehrsverhalten des Erntefuhrwerks entstanden war, angemessen zu berücksichtigen. Es kann unerörtert bleiben, ob eine so pauschale Form der Beweiswürdigung genügt, wenn im Falle einer nachgewiesenen absoluten Fahruntüchtigkeit für eine Verursachung des Unfalls durch den Alkoholgenuß der Beweis des ersten Anscheins spricht (vgl. BSG 12, 246). Um einen solchen Tatbestand handelt es sich - wie bereits dargelegt - hier jedenfalls nicht. Die Frage der Unfallverursachung bedarf deshalb einer weitaus eingehenderen Prüfung.

Die Revision ist bereits hiernach begründet, ohne daß es einer Prüfung des sonstigen Revisionsvorbringens, insbesondere der behaupteten Verfahrensverstöße bedarf. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um die entscheidende Frage zu beurteilen, ob der Unfall ursächlich auf den Alkoholgenuß zurückzuführen ist. Nach Auffassung des Senats könnte es schon fraglich erscheinen, ob das Tempo von etwa 50 km/Std, das der Kläger bei der Fahrt durch Mornshausen eingehalten haben soll, wirklich als erheblich überhöht anzusprechen ist, oder ob nicht vielmehr auch ein nüchterner Motorradfahrer angesichts der örtlichen Verhältnisse - ansteigende Straße von der Ortsmitte an - mit etwa der gleichen Geschwindigkeit gefahren wäre. Wie die Revision mit Recht vorgetragen hat, erscheint insoweit zur Aufklärung des Sachverhalts eine Ortsbesichtigung angebracht, u.U. dürfte auch die Anhörung eines Kraftfahrsachverständigen geboten sein. Da die - wie das LSG meint - auf die enthemmende Alkoholeinwirkung zurückzuführende überhöhte Geschwindigkeit das einzige Indiz darstellt, das für eine Ursächlichkeit des Alkoholgenusses sprechen soll, bedarf es ferner einer erneuten Befragung gerichtsmedizinischer Sachverständiger darüber, ob in Anbetracht des gesamten Sachverhalts tatsächlich diese Fahrweise nur durch die Annahme einer erheblichen Alkoholeinwirkung zu erklären ist; das sehr vorsichtig gehaltene Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F... läßt es nach Ansicht des Senats bedenklich erscheinen, hier ohne weiteres nur auf den allgemeinen Erfahrungssatz über die "wie bekannt enthemmende Wirkung des Alkoholeinflusses" Bezug zu nehmen. Schließlich ist auch vor allem die Eigenart des vor dem Kläger plötzlich aufgetauchten Hindernisses in Gestalt des unbeleuchteten, langsam quer über die Straße fahrenden Erntewagens, der dem Kläger jede Möglichkeit des Ausweichens versperrt haben dürfte, bei der Abwägung aller zum Unfallereignis beitragenden Faktoren gebührend zu berücksichtigen. Dabei sind in diesem Verfahren, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, die Gründe, die den Strafrichter zum Freispruch der Mitangeklagten Fritz und Otto S... veranlaßt haben, nicht als verbindlich anzusehen.

Die Sache war hiernach unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes). Dieses wird in seinem abschließenden Urteil auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu treffen haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2304750

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