Orientierungssatz
Anwendung des Art 2 § 42 Arbeiterrentenversicherungsneuregelungsgesetz (ArVNG):
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zu ArVNG Art 2 § 42 können Beiträge, die zwar für die Zeit vor dem 1. Januar 1957, jedoch tatsächlich erst nach diesem Zeitpunkt entrichtet worden sind, bei der Prüfung, ob die Anwartschaft zum 31. Dezember 1956 erhalten war, nicht berücksichtigt werden (vgl BSG 1959-07-01 4 RJ 249/58 = BSGE 10, 139; BSG 1961-11-23 12/4 RJ 102/61 = BSGE 15, 271; BSG 1964-03-03 4 RJ 211/61).
Normenkette
ArVNG Art. 2 § 42
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 17.05.1961) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 16.12.1957) |
Tenor
Die Revision der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
Auf die Revision der Beklagten hin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Mai 1961, abgesehen von der Zurückweisung der Berufung der Klägerin, aufgehoben.
Soweit die Klägerin die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 29. August 1958 und Berechnung der Rente nach den bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Vorschriften begehrt, wird die Klage abgewiesen.
Kosten sind für keinen Rechtszug zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Für die Klägerin wurden bis zum Jahre 1925 Pflichtbeiträge zur Invalidenversicherung entrichtet. Von 1949 an leistete sie freiwillig jährlich 26 Wochenbeiträge. Ihre letzte, im Dezember 1954 ausgestellte Quittungskarte enthält 26 Wochenbeiträge mit dem Aufdruck "55" für 1955, 3 Wochenbeiträge mit dem Aufdruck "56" für 1956 und 27 Wochenbeiträge mit dem Aufdruck "57" für 1956. Insgesamt sind 874 Wochenbeiträge erbracht.
Den ersten, im Januar 1956 gestellten Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Invalidenrente lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 27. März 1956 ab, weil die Klägerin noch nicht berufsunfähig sei. Diesen Bescheid hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund angefochten. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 16. Dezember 1957 als unzulässig - weil verspätet erhoben - abgewiesen. Während das Verfahren auf die Berufung der Klägerin hin vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen schwebte, ließ die Beklagte - veranlaßt durch einen zweiten Rentenantrag der Klägerin - eine neue Untersuchung durchführen. Auf Grund dieser Untersuchung erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 29. August 1958 den Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Berufsunfähigkeit seit dem 1. November 1957 an. Sie berechnete die Rente nach den vom 1. Januar 1957 an geltenden Vorschriften; die Anwendung des alten Rechts (Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG -) lehnte sie mit der Begründung ab, die Beiträge für das Jahr 1956 seien erst im Jahre 1957 geleistet worden, und deshalb sei die Anwartschaft zum 31. Dezember 1956 aus allen bis dahin entrichteten Beiträgen erloschen.
Das LSG hat durch Urteil vom 17. Mai 1961
1) soweit die Rente für die Zeit bis zum 31. Oktober 1957 im Streit ist (Bescheid vom 27. März 1956), die Berufung der Klägerin zurückgewiesen,
2) soweit um die Vergleichsberechnung nach Art. 2 § 42 ArVNG gestritten wird (Bescheid vom 29. August 1958), unter teilweiser Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung und des angefochtenen Bescheides die Beklagte verpflichtet, der Klägerin einen neuen Bescheid über die Berechnung der Rente nach den bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Vorschriften zu erteilen.
Die Entscheidung zu 2) hat das LSG damit begründet, daß die im Jahre 1957 für das Jahr 1956 nachentrichteten Beiträge anwartschaftserhaltend gewirkt hätten.
Beide Beteiligte haben Revision eingelegt.
Die mit "Einspruch" bezeichnete Revisionsschrift der Klägerin ist - nur - von ihrem Ehemann unterschrieben. Sie enthält das Begehren, den Beginn der Rente auf den 1. Januar 1956 vorzuverlegen.
Die Beklagte beantragt,
unter teilweiser Aufhebung des Urteils des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17. Mai 1961 die Klage gegen den Bescheid vom 29. August 1958 abzuweisen.
Die Klägerin ist nicht durch einen im Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten. Einer solchen, durch § 166 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vorgeschriebenen Vertretung hätte es für die Einlegung der Revision bedurft. Da der Unterzeichner der Revisionsschrift vom 17. Juni 1961 - der Ehemann der Klägerin - nicht zu den Personen gehört, die als Prozeßbevollmächtigte vor dem BSG zugelassen sind, mangelt es dem Rechtsmittel an der vom Gesetz vorgeschriebenen Form. Die Revision der Klägerin muß daher als unzulässig verworfen werden (§ 169 SGG).
Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hätte nur dann einen Anspruch auf die Berechnung der Rente nach dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht der Rentenversicherung, wenn "aus den vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträgen die Anwartschaft zu diesem Zeitpunkt nach den bis dahin geltenden Vorschriften erhalten" gewesen wäre (Art. 2 § 42 ArVNG). Da die Voraussetzungen der Halbdeckung (§ 1265 RVO aF) im vorliegenden Falle nicht erfüllt sind, hängt die Entscheidung davon ab, ob die zur Auffüllung der für das Jahr 1956 fehlenden 23 Wochenbeiträge entwerteten Beitragsmarken mit dem Aufdruck "57" "vor dem 1. Januar 1957 entrichtete Beiträge" ausweisen. Dies ist nicht der Fall. Nach der ständigen, vom erkennenden Senat noch durch Urteil vom 3. März 1964 - 4 RJ 211/61 - bestätigten Rechtsprechung des BSG zu Art. 2 § 42 ArVNG können Beiträge, die zwar für die Zeit vor dem 1. Januar 1957, jedoch tatsächlich erst nach diesem Zeitpunkt gemäß § 1418 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nF entrichtet worden sind, bei der Prüfung, ob die Anwartschaft zum 31. Dezember 1956 erhalten war, nicht berücksichtigt werden (vgl. BSG 10, 139; 15, 271).
Hiernach hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine nach dem früheren Recht zu berechnende Rente. Der Bescheid der Beklagten vom 29. August 1958 ist zu Recht ergangen. Soweit das LSG dem Klagebegehren stattgegeben hat, muß sein Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht in Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen