Leitsatz (redaktionell)
1. Das BSG hat bereits entschieden, daß die Versicherungs- bzw Versorgungsträger wie beim Erlaß eines Verwaltungsaktes auch beim Abschluß eines Prozeßvergleiches den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu beachten habe, also nicht Leistungen gewähren dürfen, für welche die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, daß aber trotzdem ein materiell- rechtlich unrichtiger Prozeßvergleich - der eine Doppelnatur hat (öffentlich-rechtlicher Vertrag und Prozeßhandlung) - nicht ohne weiteres unwirksam ist, da sich das "Verfügen-Können" iS des SGG § 101 Abs 1 nicht mit dem "Verfügen-Dürfen" deckt (vergleiche BSG 1967-04-25 11 RA 138/66 = BSGE 26,210; BSG 1967-08-22 2 RU 260/66 = SozR Nr 9 zu § 101 SGG).
Das bedeutet im Ergebnis, daß der Versorgungsverwaltung bei einem Vergleichsabschluß - und mehr noch bei Vergleichsverhandlungen - ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, sofern durch den Vergleich nicht eine dem objektiven Recht widersprechende Leistung zuerkannt werden soll. Ein Vergleich besteht gemäß BGB § 779 im "gegenseitigen Nachgeben". Der Versorgungsträger kann demnach - da es eine absolute Wahrheit nicht gibt und insbesondere Minderung der Erwerbsfähigkeit - Bewertungen stets umstritten sind und einen Unsicherheitsfaktor enthalten - bei Vergleichsverhandlungen von seinem in dem Verwaltungsakt eingenommenen Standpunkt zu Gunsten des Beschädigten abweichen. Dabei abgegebene Erklärungen halten sich im Rahmen des "Verfügen-Könnens", ohne daß jede einzelne Erklärung sofort mit Bindungswirkung ausgestattet wäre.
Ein "Anerkenntnis" iS des SGG § 101 Abs 2 ist eine einseitige, nicht zustimmungsbedürftige (Willens-) Erklärung, die widerrufen werden kann, wenn der Widerruf dem Empfänger gleichzeitig mit der Anerkenntniserklärung zugeht.
Das Anerkenntnis kann in der mündlichen Verhandlung, in einem Schriftsatz oder zu Protokoll des Gerichts erfolgen.
Ein nicht angenommenes Anerkenntnis, das den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht erledigt, bewirkt, daß der Anerkennende an dessen materiell-rechtlichen Inhalt gebunden bleibt (vergleiche BSG 1961-11-21 9 RV 374/60 = SozR Nr 3 zu § 101 SGG).
2. Der Versorgungsverwaltung ist bei einem Vergleichsabschluß - und mehr noch bei Vergleichsverhandlungen - ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt, sofern durch den Vergleich nicht eine dem objektiven Recht widersprechende Leistung zuerkannt werden soll. Die Verwaltung kann bei Vergleichsverhandlungen von ihrem in dem Verwaltungsakt eingenommenen Standpunkt zugunsten des Beschädigten abrücken. Vorbereitende Vergleichsverhandlungen, Vergleichsabschluß und etwaige Widerrufsvorbehalte können nur als einheitlicher Vorgang angesehen werden. Das gleiche gilt, wenn die Erklärungen der Versorgungsverwaltung nicht als Vergleichsangebot, sondern als "Anerkenntnis" gewertet werden.
Normenkette
SGG § 101 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; BGB § 779 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18; SGG § 101 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 9. November 1967 wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Mit Bescheid des Versorgungsamtes (VersorgA) N vom 17. Januar 1950 wurde dem Kläger Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30% gewährt für "a) leichte Myocardschädigung, b) Status nach Ohraufmeißelung beiderseits mit rezidivierender retroaurikulärer Fistel links und Schwindelerscheinungen". Ein Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 3. März 1959 wurde durch Bescheid vom 25.Juni 1960 mit der Begründung abgelehnt, in seinem Versorgungsleiden sei nach den Feststellungen von Dr. O, Dr. P und Dr. S eine Verschlimmerung, sondern eine gewisse Besserung insofern eingetreten, als am Herzen klinisch, funktionell und elektrokardiographisch keine Zeichen einer leichten Myocardschädigung mehr nachweisbar seien. Die Bezeichnung des Versorgungsleidens wurde geändert in "Status nach Ohraufmeißelung beiderseits mit retroaurikulärer Fistel links und Schwindelerscheinungen". Der Widerspruch des Klägers wurde durch Bescheid vom 30.März 1961 zurückgewiesen und bemerkt, die Weitergewährung der 30 %igen Rente stelle ein weitgehendes Entgegenkommen dar.
Der Kläger erhob Klage vor dem Sozialgericht (SG) für das Saarland. Während des Klageverfahrens erging - nach fachärztlichen Untersuchungen und Begutachtungen durch Dr. F Dr. O und Dr. M der Umanerkennungsbescheid vom 22. Juni 1965. Darin wurde die Bezeichnung der Schädigungsfolgen erneut geändert; ein besonderes berufliches Betroffensein wurde verneint; weiter ist ausgeführt, die MdE betrage ab 1. Juni 1960 weniger als 25 %, die Rentenzahlung entfalle gemäß § 3 des Einführungsgesetzes mit Ablauf des Monats Juli 1965. Dieser Bescheid wurde gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 18. November 1965 empfahl der Sachverständige Dr. G die MdE um 30 % beizubehalten, denn eine wesentliche Änderung scheine nicht eingetreten zu sein. Der Kläger beantragte nur noch, den Bescheid vom 22. Juni 1965 abzuändern und ihm ab 1.Juni 1960 eine Rente zu bewilligen nach einer MdE von 40 v.H. Er verwies auf sein besonderes berufliches Betroffensein. Das Sitzungsprotokoll des SG enthält außerdem folgende Eintragungen: "Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten erklärte: Das beklagte Land ist bereit, dem Kläger ab 1. Juni 1960 gemäß § 30 (1) und (2) BVG eine Rente nach einer M.d.E. von 25 v.H. anzubieten.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers erklärte:
Das Vergleichsangebot wird nicht angenommen.
Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten erklärte:
Dann beantrage ich, die Klage als unbegründet abzuweisen. Nach meiner Ansicht kommt es bei der Entscheidung ab 1.6.1960 nicht darauf an, ob eine wesentliche Änderung vorliegt oder nicht.".
Das SG hat durch Urteil vom 18. November 1965 den Bescheid vom 22. Juni 1965 abgeändert und den Beklagten verurteilt, dem Kläger ab 1. Juni 1960 eine Rente nach einer MdE von 40 v.H. zu gewähren. In den Gründen heißt es, seit dem Erlaß des Bescheides vom 25. Juni 1960, der vom Kläger nicht mehr angefochten und damit bindend geworden sei, sei keine wesentliche Besserung eingetreten; eine Herabsetzung der 30 %igen Rente sei daher nicht gerechtfertigt. Die von dem Beklagten festgesetzte MdE von 30 v.H. sei jedoch um 10 v.H. höher zu bewerten, da der Kläger durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten Beruf - vorwiegend Anschläger unter Tage - besonders betroffen sei.
Das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland hat durch Urteil vom 9. November 1967 die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Die Revision ist nicht zugelassen. In den Gründen wird ausgeführt, nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem SG sei die Gewährung der Grundrente nicht mehr im Streit gewesen. Der Beklagte habe sich nämlich bereit erklärt, dem Kläger ab 1. Juni 1960 eine Rente nach einer MdE von 30 % und damit die Grundrente zu zahlen. Bei dem Angebot des Beklagten vor dem SG habe es sich nicht nur um ein Vergleichsangebot gehandelt, das mit der Nichtannahme durch den Kläger unwirksam geworden sei, sondern um ein Anerkenntnis mit den sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen. Dieses Angebot habe der Beklagte auch gegenüber dem erkennenden Senat aufrechterhalten. Der Rechtsstreit gehe demnach nur um den Grad der MdE, nämlich darum, ob diese 30 % oder 40 % betrage.
Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 8. Dezember 1967 zugestellt, der dagegen am 4. Januar 1968 Revision einlegte.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und auf die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG für das Saarland vom 18. November 1965 die Klage abzuweisen;
hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte will die Statthaftigkeit der Revision aus § 162 Abs. 1 Ziff. 2 SGG herleiten und rügt eine Verletzung des § 101 SGG. In seiner Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, trägt der Beklagte vor, Streitgegenstand vor dem SG sei der Umanerkennungsbescheid vom 22. Juni 1965 gewesen. In diesem Bescheid sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegenüber der letzten Feststellung nach dem Reichsversorgungsgesetz festgestellt, die Bezeichnung des Versorgungsleidens geändert und eine MdE von unter 25 % festgesetzt worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG habe der Fiskusvertreter ein Vergleichsangebot abgegeben; dieses Angebot habe der Kläger nicht angenommen; damit sei das Vergleichsangebot hinfällig gewesen. Die Auffassung des LSG, das Vergleichsangebot des Fiskusvertreters komme einem verbindlichen Anerkenntnis gleich, stelle eine rechtliche Fehlbeurteilung und gleichzeitig einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Schon der Wortlaut des § 101 SGG stehe der Auffassung des LSG entgegen. Ein Vergleich im Sinne des § 101 SGG sei unstreitig nicht zustande gekommen. Der gegebene Tatbestand könne auch nicht mit § 101 Abs. 2 SGG in Einklang gebracht werden. Der Fiskusvertreter habe kein Anerkenntnis abgegeben und das SG hat den Rechtsstreit auch nicht in der Hauptsache als erledigt betrachtet. In der Rechtsmittelbelehrung habe das SG deshalb die Berufung als zulässig angesehen. Das LSG habe eine Sachentscheidung treffen müssen. Die Berufung sei auch begründet. Der Fachgutachter habe die MdE nach § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) auf 10 v.H. geschätzt. Selbst bei Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG sei die MdE nur mit 20 %, allenfalls mit 25 % zu bemessen.
Der Kläger beantragt,
1) die Revision des Beklagten als unzulässig zu verwerfen,
2) den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Der Kläger trägt vor, das angefochtene Urteil beruhe nicht auf einem wesentlichen Verfahrensmangel. Nach dem Anerkenntnis des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG habe die Berufung nur noch den Grad der MdE betroffen. Die Nichtannahme des Anerkenntnisses durch den Kläger habe die Wirkung des Anerkenntnisses nicht beseitigt, denn es handele sich hierbei um eine vorbehaltslose und unwiderrufliche Prozeßerklärung, die sich materiell-rechtlich dahin auswirke, daß der Beklagte an den materiellen Inhalt seiner Prozeßerklärung gebunden sei und sich zu einer dem Anerkenntnis entsprechenden Leistung unwiderruflich verpflichtet habe.
Der Beklagte hat die Revision form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet. Da das LSG die Revision nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat, ist die Revision nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt wird und vorliegt (BSG 1, 150) oder wenn bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einer Schädigung im Sinne des BVG das Gesetz verletzt ist (§ 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Der Beklagte rügt zutreffend eine Verletzung des § 101 SGG und das darauf beruhende Unterbleiben einer Sachentscheidung durch das LSG (vgl. BSG in SozR SGG § 101 Nr. 3 = § 162 Nr. 165).
Die Auffassung des LSG, vor dem SG sei die Gewährung der Grundrente nicht mehr im Streit gewesen, so daß es sich um einen reinen Gradstreit zwischen 30 % und 40 % gehandelt habe (vgl. § 148 Nr. 3 SGG), hält einer Nachprüfung nicht stand; sie beruht auf einer unrichtigen Anwendung des § 101 SGG und einer fehlerhaften Auslegung der von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG abgegebenen Erklärung. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterliegt die Auslegung von prozeßrechtlichen Erklärungen in der Vorinstanz der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BVerwG in Samml. BVerwG Nr. 5 zu 310, § 86 Abs. 3 VerwGO; RGZ 86, 380; 107, 344; 134, 132; 136, 207). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an, da nur auf diesem Wege die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorschriften, soweit sie von Prozeßerklärungen der Beteiligten abhängen, durch das Revisionsgericht überprüft werden kann.
Im vorliegenden Fall ist die Auslegung der Prozeßerklärungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 18. November 1965 streitig, nämlich ob darin ein Vergleichsangebot liegt, wie der Beklagte meint, oder ein Anerkenntnis, wie es anscheinend das LSG angenommen hat. Gemäß § 101 Abs.1 SGG können die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können ("Gerichtlicher Vergleich"). Ein derartiger Vergleich hat nach der herrschenden Meinung eine Doppelnatur: er ist einmal ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 101 Anm. 1a S. II/61-44; Wannagat in NJW 1961 S. 1191; Krebs in "Die Ortskrankenkasse" 1962 S. 73; Haueisen in NJW 1963 S. 1329, 1332), andererseits eine Prozeßhandlung, welche die Beendigung des Rechtsstreits bewirkt (vgl. BSG in SozR SGG § 101 Nr. 6). Die Beteiligten können aber auch außerhalb des gerichtlichen Verfahrens einen Vergleich schließen ("Außergerichtlicher Vergleich"). Dieser Vergleich hat unmittelbar keine prozessualen Wirkungen (vgl. BGH in MDR 1964 S. 313); der Rechtsstreit ist dann insoweit erledigt, wie die Beteiligten hierüber einig sind und übereinstimmend die Erledigung der Sache erklären (vgl. Peters/Sautter/Wolff aaO Anm. 2 S. II/61-53).
Der Rechtsstreit kann aber auch dadurch beendet werden, daß die Versorgungsverwaltung im Prozeß ein Anerkenntnis abgibt, d.h. eine einseitige Erklärung, die eine prozeß- und materiell-rechtliche Verfügung über den Streitgegenstand enthält. Das Anerkenntnis kann in der mündlichen Verhandlung, in einem Schriftsatz (vgl. BSG in SozR SGG § 101 Nr. 5; Rohwer-Kahlmann SGG § 101 Anm. 19) oder zu Protokoll des Gerichts erfolgen. Nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 101 Abs. 2 SGG erledigt nur das angenommene Anerkenntnis "den Rechtsstreit in der Hauptsache" (BSG in SozR SGG § 101 Nr. 10). Ein nicht angenommenes Anerkenntnis bleibt zwar gleichfalls eine Prozeßerklärung, hat jedoch keine unmittelbare prozessuale Wirkung, d.h. es erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht. Da es sich jedoch bei dem Anerkenntnis um eine einseitige, nicht zustimmungsbedürftige Erklärung handelt, bleibt ungeachtet einer Annahme durch den Prozeßgegner die materiell-rechtliche Wirkung dieser Erklärung bestehen, d.h. der Beteiligte, der die Erklärung abgegeben hat, bleibt an ihren materiell-rechtlichen Inhalt gebunden (vgl. BSG in SozR SGG § 101 Nr. 3; Peters/Sautter/Wolff aaO § 101 Anm. 3 S.II/61-58, Rohwer-Kahlmann SGG § 101 Anm. 19). Auch das Gericht hat diese Wirkung einer einseitigen Annahmeerklärung bei seiner Entscheidung zu beachten, sofern das Anerkenntnis im Zeitpunkt der Entscheidung noch Bestand hat.
Das LSG hat keine klare Stellung zu der Frage bezogen, ob es sich nach seiner Auffassung bei der Erklärung des Vertreters des Beklagten vor dem SG um ein Vergleichsangebot oder ein Anerkenntnis gehandelt hat, im Ergebnis aber wohl ein Anerkenntnis, das von dem Kläger nicht angenommen worden ist, unterstellt. Erläuternd ist zunächst darauf hinzuweisen, daß ein gerichtlicher Vergleich (§ 101 Abs. 1 SGG) mangels Protokollierung keinesfalls vorliegen kann und auch ein außergerichtlicher Vergleich - als öffentlich-rechtlicher Vertrag - übereinstimmende Erklärungen der Beteiligten voraussetzt. Dazu ist es aber nach dem klaren Wortlaut des Sitzungsprotokolls nicht gekommen.
Aber auch ein Anerkenntnis kann den Erklärungen des Vertreters des Beklagten nicht entnommen werden. Nach dem Gesamtinhalt und der Wortgebung der protokollierten Erklärungen der Beteiligten spricht alles dafür, daß die Parteien vor dem SG Vergleichsverhandlungen geführt haben. Der Vertreter des Beklagten hat nach dem Protokollinhalt zunächst Rente nach einer MdE um 25 % - nicht 30 %, wie das LSG schreibt - "angeboten". Der Vertreter des Klägers hat das "Vergleichsangebot" nicht angenommen. Diese von dem Vorsitzenden des SG gewählte Formulierung läßt nur den Schluß zu, daß auch nach seiner Auffassung Vergleichsverhandlungen geführt worden sind, die allerdings nicht zum erfolgreichen Abschluß gekommen sind. Der Vertreter des Beklagten hat "dann" - offenbar weil die Vergleichsverhandlungen gescheitert waren - beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen. Ein derartiges Vergleichsangebot stellt nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kein Anerkenntnis dar, wenn es nicht angenommen wird (vgl. BSG in ZfS 1956 S. 280; Rohwer-Kahlmann aaO). Wenn das LSG davon ausgegangen ist, daß die Verwaltung nach dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung nur das zugestehen darf, worauf nach Recht und Gesetz ein Anspruch besteht, so ist diese Auffassung im Ansatz richtig, sie läßt jedoch keine Rückschlüsse auf die verbindliche, unwiderrufliche Wirkung von Erklärungen innerhalb der Vergleichsverhandlungen zu. Das BSG hat bereits entschieden, daß die Versicherungs- bzw. Versorgungsträger wie beim Erlaß eines Verwaltungsaktes auch beim Abschluß eines Prozeßvergleichs den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu beachten haben, also nicht Leistungen gewähren dürfen, für welche die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, daß aber trotzdem ein materiell-rechtlich unrichtiger Prozeßvergleich nicht ohne weiters unwirksam ist, da sich das "Verfügen-Können" im Sinne des § 101 Abs. 1 SGG nicht mit dem "Verfügen-Dürfen" deckt (vgl. BSG 26, 210; SozR SGG § 101 Nr. 8, 9 und 10). Das bedeutet im Ergebnis, daß der Versorgungsverwaltung bei einem Vergleichsabschluß - und mehr noch bei Vergleichsverhandlungen - ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, sofern durch den Vergleich nicht eine dem objektiven Recht widersprechende Leistung zuerkannt werden soll. Ein Vergleich als zweiseitiger Vertrag besteht gemäß § 779 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im "gegenseitigen Nachgeben". Der Beklagte kann demnach - da es eine absolute Wahrheit nicht gibt und insbesondere MdE-Bewertungen stets umstritten sind und einen Unsicherheitsfaktor enthalten - bei Vergleichsverhandlungen von seinem in dem Verwaltungsakt eingenommenen Standpunkt zu Gunsten des Beschädigten abrücken, während umgekehrt auch der Beschädigte seine Maximalforderung reduzieren kann. Dabei abgegebene Erklärungen halten sich im Rahmen des "Verfügen-Könnens", ohne daß jede einzelne Erklärung des Beklagten oder des Klägers sofort mit Bindungswirkung ausgestattet wäre.
Wenn die Auffassung des LSG über die von dem Beklagten abgegebene Erklärung richtig wäre, dann würden Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten in einem Sozialrechtsstreit nahezu unmöglich gemacht, da der Versicherungs- oder Versorgungsträger befürchten müßte, daß jede einzelne, von ihm abgegebene Erklärung zu seinen Ungunsten ausgelegt und er unwandelbar daran festgehalten wird. Im Interesse des Rechtsfriedens und mit Rücksicht auf die Belange des Rentenbewerbers kann es aber durchaus geboten sein, daß eine vergleichsweise Lösung angestrebt und dabei größeres Entgegenkommen gezeigt wird, als es bei bescheidmäßigem Verwaltungshandeln möglich ist. Ein Vergleich mit Widerrufsvorbehalt - wie er im Gerichtsverfahren allgemein anerkannt ist (vgl. Baumbach/Lauterbach ZPO, Anhang nach § 307 Anm. 3 B; Peters/Sautter/Wolff aaO § 101 Anm. 1 b S.II/61-48; BSG in SozR SGG § 101 Nr.7) - wäre vollends unmöglich gemacht. Da üblicherweise zunächst die materiell-rechtlichen Erklärungen abgegeben und protokolliert werden - die nach Auffassung des LSG für den Versorgungsträger sofort bindend werden -, und danach erst über den Widerruf verhandelt wird, würde weder der Widerrufsvorbehalt noch der spätere Widerruf die materiell-rechtliche Wirkung der einmal abgegebenen Erklärung beseitigen können. Ein derartiges Ergebnis, das die Verständigungsmöglichkeiten vor Gericht allzu sehr einschränken und die Bereitschaft des Versorgungsträgers zu Vergleichsverhandlungen lähmen müßte, kann nicht richtig sein. Vielmehr können vorbereitende Vergleichsverhandlungen, Vergleichsabschluß und etwaige Widerrufsvorbehalte nur als einheitlicher Vorgang angesehen werden, d.h. nicht jede einzelne Erklärung darf aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet, sondern sie muß im Zusammenhang mit dem Gesamtablauf gesehen werden. Im vorliegenden Fall hat der Vertreter des Klägers das "Vergleichsangebot" abgelehnt. Sofort im Anschluß daran hat der Vertreter des Beklagten auf die Ausgangsposition, nämlich den Umanerkennungsbescheid und die darin enthaltene Rentenentziehung, zurückgegriffen und beantragt, die Klage abzuweisen. Damit war die frühere Erklärung - das "Anbieten" der Rente nach einer MdE um 25 % - hinfällig geworden. Das SG hatte daher über den Rentenanspruch als solchen zu entscheiden und hat dies zutreffend auch getan.
An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn die Erklärung des Vertreters des Beklagten nicht als Vergleichsangebot, sondern als "Anerkenntnis" gewertet wird. Dabei kann dahinstehen, ob ein Anerkenntnis, bevor es von dem Prozeßgegner angenommen wird, frei widerruflich ist (so offenbar BSG in SozR SGG § 101 Nr. 3); denn jedenfalls kann das Anerkenntnis als einseitige (Willens-) Erklärung widerrufen werden, wenn der Widerruf dem Empfänger gleichzeitig mit der Anerkenntniserklärung zugeht (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB; Peters/Sautter/Wolff, aaO § 101 Anm. 3 S. II/61-56). Gleichzeitigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung auch dann gegeben, wenn der Widerruf erst in einem späteren Abschnitt der schriftlichen Erklärung enthalten ist, oder wenn dem Empfänger mit der gleichen Post zwei gesonderte Schreiben mit der Willenserklärung und dem Widerruf zugehen, wobei es nicht darauf ankommt, welches Schreiben der Empfänger zuerst öffnet und zur Kenntnis nimmt (vgl. RGZ 60, 334; 91, 60; 150, 392; Soergel/Siebert BGB § 130 Anm. 26; Staudinger BGB, 11.Aufl., § 130 Anm. 17). Im vorliegenden Fall hat es sich um eine einheitliche Verhandlung vor dem SG gehandelt. Bereits die Formulierung der Erklärung des Vertreters des Beklagten läßt erkennen, daß er kein unbedingtes Anerkenntnis abgeben wollte. Seine Erklärung ist von dem Vertreter des Klägers auch in diesem Sinne verstanden und als unzureichend abgelehnt worden. Wenn der Vertreter des Beklagten im sofortigen Anschluß die Klagabweisung beantragt hat, so kam damit eindeutig zum Ausdruck, daß er an die vorherige Erklärung nicht mehr gebunden sein wollte. Dieser "Widerruf - sofern ein solcher überhaupt notwendig war - muß als gleichzeitig im Sinne des § 130 Abs. 1 BGB und damit als rechtzeitig angesehen werden, um die Verbindlichkeit einer etwaigen Rentenzusage zu beseitigen. Ein verbindliches Anerkenntnis der Verpflichtung zur Gewährung der Rente nach einer MdE um 25 % lag somit nicht vor. Im Streit vor dem SG war die Gewährung der Versorgungsrente überhaupt. Das LSG hätte daher eine Sachentscheidung fällen müssen.
Soweit das LSG seine Entscheidung weiter darauf stützt, daß der Beklagte das Angebot, dem Kläger die Grundrente zu gewähren, "auch gegenüber dem erkennenden Senat aufrechterhalten hat", ist eine solche Erklärung des Prozeßakten nicht zu entnehmen. In seiner Berufungsschrift vom 27. Dezember 1965 hat der Beklagte beantragt, das Urteil des SG vom 18. November 1965 aufzuheben und die Klage abzuweisen. In seinem Schriftsatz vom 21.Februar 1966 weist der Beklagte auf die nach seiner Auffassung eingetretene wesentliche Besserung hin, während er in seinem Schriftsatz vom 21. September 1967 ausdrücklich betont, daß er in der mündlichen Verhandlung vor dem SG ein Vergleichsangebot unterbreitet hat und daß dieses Angebot von dem Kläger nicht angenommen worden ist, worauf der Beklagte wörtlich fortfährt: "Es wird daher die Auffassung vertreten, daß durch die Nichtannahme des Vergleichs über den Streitgegenstand in vollem Umfang zu entscheiden ist". In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat der Beklagte den Antrag auf Aufhebung des Urteils des SG und auf Klagabweisung aufrechterhalten. Dieser Klagantrag, der auch in das Urteil des LSG aufgenommen ist, kann im Zusammenhang mit dem gesamten Berufungsverfahren nur dahin verstanden werden, daß der Beklagte sein Angebot gerade nicht aufrechterhalten, sondern im Gegenteil sein ursprüngliches prozessuales Begehren auf Klagabweisung weiterverfolgt hat.
Das LSG hat somit zu Unrecht in der Erklärung des Vertreters des Beklagten vor dem SG, die von dem Kläger nicht angenommen und alsdann von dem Beklagten sofort zurückgenommen worden ist, ein Anerkenntnis oder ein sonstwie verbindliches "Angebot" im Sinne einer materiell-rechtlichen Erklärung erblickt. Wenn das LSG daraufhin ein Prozeßurteil erlassen und eine Sachentscheidung unterlassen hat, so liegt darin ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG (vgl. BSG in SozR SGG § 162 Nr. 17, 21, 121 und insbesondere Nr. 165 = § 101 Nr. 3). Die Revision ist daher statthaft. Sie ist auch begründet, denn es ist nicht auszuschließen, daß das LSG ohne den aufgezeigten Verfahrensmangel noch weitere Ermittlungen angestellt und hinsichtlich der Gesamtbeurteilung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Das angefochtene Urteil war somit aufzuheben und der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung mußte dem abschließenden Urteil vorbehalten bleiben.
Fundstellen