Leitsatz (amtlich)
Zum Umfang des Erstattungsanspruchs des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers im Falle der zeitlich vorhergehenden Abtretung eines Teils des Leistungsanspruchs des Berechtigten gegenüber dem vorrangigen Leistungsträger an einen Dritten (Bestätigung von BSG 14.11.1984 1/4 RJ 57/84).
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 104 Abs 1 S 4 SGB 10 hat ein Sozialhilfeträger auch dann einen Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger, wenn trotz fehlenden Nachrangs seiner Leistungen gegenüber den Leistungen des Rentenversicherungsträgers wegen fehlender Gleichartigkeit aufgrund des § 43 Abs 1 S 2 BSHG bzw des § 29 S 2 BSHG der Hilfesuchende die Aufwendungen zu ersetzen hat.
2. § 104 Abs 1 SGB 10 regelt nicht die Rechtsansprüche von Individualpersonen gegenüber einer Mehrheit von Leistungsträgern, sondern den Ausgleich von Aufwendungen unter diesen Leistungsträgern. Ein Vorrang des Sozialhilfeträgers im Verhältnis zu einem Abtretungsgläubiger kann daraus nicht hergeleitet werden.
Orientierungssatz
Verfahren iS von Art 2 § 21 SGB 10 - Abgrenzung des Rechts vor dem 1.7.1983 und nach dem 30.6.1983:
1. Unter "Verfahren" iS des Art 2 § 21 SGB 10 ist auch - oder möglicherweise sogar nur das gerichtliche Verfahren zu verstehen (vgl BSG 28.3.1984 9a RV 50/82 = SozR 1300 § 102 Nr 1).
2. Vor dem 1. Juli 1983 erhobene Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander, welche noch nach dem 30. Juni 1983 Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sind, sind bei der gerichtlichen Entscheidung nach §§ 102 ff SGB 10 zu beurteilen (vgl BSG 1.12.1983 4 RJ 91/82 = SozR 1300 Art 2 § 21 Nr 1).
3. Durch die später eingetretene Sozialhilfebedürftigkeit eines Versicherten wird die Wirksamkeit der früheren Abtretung des Leistungsanspruchs nicht berührt.
Normenkette
SGB 1 § 53 Abs. 2 Fassung: 1975-12-11, Abs. 3 Fassung: 1975-12-11; SGB 10 § 104 Abs. 3 Fassung: 1983-12-22, Abs. 1 Fassung: 1982-11-04; RVO § 1531; BGB § 398; SGB 10 Art. 2 § 21 Fassung: 1980-08-18; BSHG § 43 Abs. 1 S. 2, § 29 S. 2
Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 28.09.1983; Aktenzeichen S 6 J 1134/83) |
Tatbestand
Streitig ist der Umfang eines Erstattungsanspruchs.
Die Beklagte gewährte der im Verlauf des Revisionsverfahrens am 6. November 1984 verstorbenen Katharina H. (im folgenden: Versicherte) eine Witwenrente und aus eigener Versicherung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente). Die Zahlbeträge dieser Renten beliefen sich nach dem Stande vom 1. Juli 1982 auf monatlich 822,90 und 297,-- DM (zusammen 1.119,90 DM). Hiervon wurden aufgrund einer von der Versicherten abgegebenen Abtretungserklärung seit dem 1. März 1980 monatlich 395,-- DM an die beigeladene Kreditbank zur Tilgung eines der Versicherten gewährten Darlehns überwiesen.
Seit dem 1. Juni 1982 befand sich die Versicherte in einem Alten- und Pflegeheim. Die Kosten hierfür von monatlich ca. 2.400,-- DM trug die Klägerin als Sozialhilfeträger. Mit Schreiben vom 27. Mai 1982 machte sie bei der Beklagten bezüglich der der Versicherten gewährten Renten einen Ersatzanspruch gemäß §§ 1531 ff der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 30. Juni 1983 gültigen Fassung (= aF) geltend. Die Beklagte überwies der Klägerin jedoch lediglich den nach Abzug des an die Beigeladene abgetretenen Betrages von 395,-- DM verbleibenden Restbetrag der Renten in Höhe von 724,90 DM.
Die auf Ersatz aus der vollen Witwen- und EU-Rente gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart abgewiesen (Urteil vom 28. September 1983) und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin könne nicht Ersatz in voller Höhe der Renten der Versicherten beanspruchen. Ihr Anspruch aus § 1531 RVO gehe der privatrechtlichen Forderungsabtretung zugunsten der Beigeladenen nicht vor. Für das Recht der Forderungsabtretung allgemein und damit auch für den Übergang öffentlich-rechtlicher Forderungen gingen §§ 407, 408 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) von dem Grundsatz des Vorrangs nach der Zeit der Entstehung aus. Dieser Grundsatz sei für die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes entsprechend anzuwenden. Zu seiner Durchbrechung bestehe im vorliegenden Fall kein Anlaß. Dem Ersatzanspruch nach § 1531 RVO gebühre nicht der Vorzug vor allen anderen Ausgleichungen. Eine entsprechende Regelungsabsicht hätte der Gesetzgeber deutlicher ausdrücken müssen und zB das mit größerer Sicherheit und unmittelbarer Durchschlagskraft ausgestattete Mittel der Legalzession wählen können. Um eine solche Legalzession handele es sich bei dem Ersatzanspruch nach § 1531 RVO jedoch nicht. Er sei mit dem Rentenanspruch nicht identisch. Deswegen habe die Beigeladene den Rentenanspruch unbelastet von dem erst später entstandenen Ersatzanspruch der Klägerin erworben. In Fällen, in denen der Gesetzgeber einer Forderung den Vorrang habe einräumen wollen, habe er dies - wie zB in § 183 Abs 3 und 5 RVO, § 8 Abs 3 Satz 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) und § 290 Abs 3 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) - ausdrücklich geregelt. Deswegen sei bezüglich des Ersatzanspruchs nach § 1531 RVO eine unbeabsichtigte Gesetzeslücke nicht festzustellen und davon auszugehen, daß es der Gesetzgeber bei dem ihm bekannten überkommenen Rechtsprinzip der zeitlichen Reihenfolge habe belassen wollen. Würde eine versehentliche Gesetzeslücke unterstellt und von der Rechtsprechung im Sinne der Ansicht der Klägerin ausgefüllt, so würde zukünftig die Darlehnsgewährung an Personen in fortgeschrittenem Lebensalter für die Kreditgeber ein unvertretbares Risiko bedeuten und die Zession eines Rentenanspruchs als oftmals einzige Sicherungsmöglichkeit für einen gewährten Kredit angesichts der Gefahr, daß sie auch aufgrund eines erst später entstehenden Ersatzanspruchs rückwirkend ins Leere gehen würde, praktisch wertlos werden. Zwar mache die Klägerin nicht unzutreffend geltend, in Fällen der vorliegenden Art werde indirekt der Rentenberechtigte auf Steuerzahlerkosten von seinen Schulden befreit. Das müsse jedoch hingenommen werden. Die Auffassung der Klägerin würde bedeuten, daß der redliche Kreditgeber sein Geld nicht zurückerhalte. Das erscheine noch unvertretbarer.
Mit der im Urteil des SG zugelassenen und unter Vorlage der Zustimmungserklärung der Beklagten eingelegten Sprungrevision rügt die Klägerin Verletzungen der §§ 1531 RVO und 53 Abs 2 und 3 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch, Allgemeiner Teil (SGB 1) vom 11. Dezember 1975 (BGBl I S 3015). Das SG habe das Verhältnis zwischen dem Ersatzanspruch nach § 1531 RVO und einer privatrechtlichen Forderungsabtretung sowie die Zweckbestimmung der konkurrierenden Ansprüche und die Grundsätze der Spezialität und Subsidiarität der Sozialhilfe verkannt. Sein Hinweis auf das positiv geregelte zeitliche Prioritätsprinzip könne der Sache nicht genügen. Dieses Prinzip werde vom Gesetzgeber selbst durchbrochen und solle nur bei Pfändungen oder Abtretungen von Gläubigern gewöhnlicher Forderungen iS des § 850c der Zivilprozeßordnung (ZPO) gelten. Beim Zusammentreffen von Forderungen des Sozialhilfeträgers wegen sozialhilferechtlicher Leistungen mit Ansprüchen Dritter aufgrund eines Kreditvertrages sei hingegen nach der Qualität und Zweckbestimmung zu urteilen. Der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe müsse ihr im Umkehrschluß insofern einen Vorrang vor der Befriedigung weiterer Gläubiger einräumen, als Renten mit diesem Vorrangsrecht stets "vorbelastet" seien. Im übrigen fehlten eindeutige gesetzliche Rangfolgeregelungen. Die zivilrechtlichen Vorschriften seien beim Zusammentreffen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs mit privatrechtlichen Forderungen Dritter nicht ohne weiteres anwendbar. Diese Lücke müsse im Wege der Rechtsfortbildung geschlossen werden. Dabei sei dem Nachrang der Sozialhilfe besonderes Augenmerk zu widmen. Das Gegenstück dieser Subsidiaritätsregelung stelle die Ersatzregelung des § 1531 RVO dar. Damit habe der Gesetzgeber das Nachrangsprinzip inhaltlich in sich geschlossen wissen wollen. Außerdem könne der Sozialhilfeträger nicht zur Begleichung von Schulden des Hilfeempfängers mit öffentlichen Geldern verpflichtet sein. Dieses Ergebnis würde jedoch bei einer starren Anerkennung des zeitlichen Prioritätsgrundsatzes durchbrochen. Auch vom Grundsatz der Gleichheit der Leistungen her sei ein Vorrang des Sozialhilfeträgers gerechtfertigt. Bei näherer Betrachtung der §§ 53, 54 SGB 1 ergebe sich eine vom SG nicht beachtete Unausgewogenheit des Gesetzes. Anders als bei der Pfändung und der Aufrechnung und Verrechnung habe der Gesetzgeber in § 53 SGB 1 bei der Übertragung einer Forderung über die Bindung an die Pfändungsgrenzen hinaus eine weitergehende Begrenzung durch das Merkmal der Sozialhilfebedürftigkeit nicht normiert. Damit stehe § 53 SGB 1 sowohl pfändungsrechtlich als auch sozialrechtlich isoliert da. Diese Ungleichbehandlung gegenüber den Tatbeständen der Aufrechnung und Pfändung sei in den Gesetzesmaterialien nicht näher begründet worden und deswegen vom Vorliegen einer Lücke auszugehen. Dadurch, daß § 53 Abs 3 SGB 1 im Unterschied zu § 54 SGB 1 lediglich auf die allgemeinen pfändungsrechtlichen Schutzvorschriften wegen Pfändung von Arbeitseinkommen verweise, nehme die Vorschrift auch im pfändungsrechtlichen Zusammenhang eine isolierte Stellung ein. Danach unterliege der Pfändungsgläubiger weitergehenden Einschränkungen als der Abtretungsgläubiger. Infolge dieser unterschiedlichen Regelung müßten im Rahmen einer Übertragung bzw Verpfändung des Anspruchs eines Hilfeempfängers bei Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit die Schulden durch den Sozialhilfeträger beglichen werden. Diese Folge habe der Gesetzgeber durch die Einführung des Tatbestandsmerkmals der Sozialhilfebedürftigkeit in § 51 Abs 2 und § 54 Abs 3 SGB 1 gerade vermeiden wollen. Dann aber sei nicht einzusehen, weshalb der Gesetzgeber die zivilrechtlich gleichartigen Institute der Pfändung und Abtretung ungleich behandelt haben wolle.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. September 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Juni 1982 bis 6. November 1984 Ersatz in Höhe der gesamten Witwenrente und Versichertenrente der Katharina H. zu leisten.
Die Beklagte beantragt, die Sprungrevision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. In der Begründung kann ihm - allerdings im wesentlichen auf der Grundlage einer erst nach der Zustellung des angefochtenen Urteils ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - hingegen nicht zugestimmt werden.
Das gilt insoweit, als das SG die Begründetheit des von der Klägerin erhobenen Erstattungsanspruchs auf der Grundlage des § 1531 RVO aF geprüft hat. Diese Vorschrift ist mit Ablauf des 30. Juni 1983 durch Art II § 3 Nr 1 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren, Drittes Kapitel, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten (SGB 10) vom 4. November 1982 (BGBl I S 1450) aufgehoben worden. Sie ist, obgleich schon vor dem 1. Juli 1983 die Klägerin ihren Erstattungsanspruch bei der Beklagten geltend gemacht und nach dessen Ablehnung Klage erhoben hat, auch im vorliegenden Fall nicht mehr anwendbar. Das ergibt sich aus Art II § 21 SGB 10. Danach sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Unter "Verfahren" in diesem Sinne ist auch - oder möglicherweise sogar nur (vgl speziell dazu Urteil des Bundessozialgerichts -BSG- vom 28. März 1984 - 9a RV 50/82 -) - das gerichtliche Verfahren zu verstehen. Demzufolge entspricht es einer inzwischen gesicherten und ständigen Rechtsprechung des BSG, daß vor dem 1. Juli 1983 erhobene Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander, welche noch nach dem 30. Juni 1983 Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sind, bei der gerichtlichen Entscheidung nach §§ 102 ff SGB 10 zu beurteilen sind (BSG SozR 1300 Art II § 21 Nr 1 S 1 f; Urteile vom 28. März 1984 - 9a RV 50/82 -; vom 9. Mai 1984 - 4 RJ 44/83 -; vom 22. Mai 1984 - 8 RK 45/83 -; vom 24. Mai 1984 - 7 RAr 97/83 - vom 13. September 1984 - 4 RJ 37/83 - und - 4 RJ 63/83 - sowie vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 -).
Rechtsgrundlage des von der Klägerin erhobenen Erstattungsanspruchs ist § 104 SGB 10. Hiernach ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne daß die Voraussetzungen des § 103 Abs 1 SGB 10 vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht (§ 104 Abs 1 SGB 10).
§ 104 Abs 1 SGB 10 ist auch auf einen Fall der hier vorliegenden Art anwendbar. Das hat der erkennende Senat +150its in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - entschieden. Zwar erfüllt die Klägerin nicht unmittelbar die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs 1 Sätze 1 und 2 SGB 10. Dieser setzt eine Gleichartigkeit der Leistungen der beiden in Betracht kommenden Sozialleistungsträger voraus. Ein Erstattungsanspruch kann nur ausgelöst werden, wenn der erstleistende Träger eine Verpflichtung des auf Ersatz in Anspruch genommenen zweiten Trägers erfüllt hat. Die Leistungen der Klägerin und der Beklagten sind indes nicht gleichartig gewesen. Die Klägerin hat der Versicherten als Hilfe in besonderen Lebenslagen (§§ 27 ff) des Bundessozialhilfegesetzes -BSHG-) Hilfe zur Pflege in einem Alten- und Pflegeheim als Sachleistung (§ 43 Abs 1 BSHG) gewährt. Die Beklagte hatte der Versicherten hingegen lediglich Renten (§ 1235 Nr 2 RVO) zu leisten. Diese beiderseitigen Leistungen stehen überdies auch nicht, wie dies § 104 Abs 1 Sätze 1 und 2 SGB 10 fordert, in einem Verhältnis des Vor- und Nachranges. Bei erforderlicher Heimunterbringung eines Behinderten "ist" seitens des Sozialhilfeträgers "die Hilfe hierfür ... in vollem Umfange" selbst dann zu gewähren, wenn dem Hilfesuchenden "die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist" (§ 43 Abs 1 Satz 1 BSHG). Selbst wenn dem Hilfesuchenden die Aufbringung der Mittel für die Heimunterbringung in vollem Umfange zuzumuten ist, kann der Sozialhilfeträger die Heimunterbringung gewähren (§ 29 Satz 1 BSHG). In beiden Fällen der Leistung an einen Hilfesuchenden, der zur Aufbringung der Mittel ganz oder zum Teil in der Lage und insoweit nicht iS des § 2 Abs 1 BSHG hilfebedürftig ist, hat dieser dem Sozialhilfeträger dessen Aufwendungen in zumutbarem Umfang (§ 43 Abs 1 Satz 2 BSHG) bzw vollständig zu ersetzen (§ 29 Satz 2 BSHG). Für diese Fälle erklärt § 104 Abs 1 Satz 4 SGB 10 den Satz 1 der Vorschrift für entsprechend anwendbar. Demgemäß hat der Sozialhilfeträger trotz fehlenden Nachranges seiner Leistung (§ 2 Abs 2 BSHG) einen Erstattungsanspruch gegen den Sozialleistungsträger, dem gegenüber der in einem Heim untergebrachte, zum Aufwendungsersatz verpflichtete Hilfesuchende einen zeitgleichen, noch nicht erfüllten Leistungsanspruch hat oder hatte.
Die Versicherte hat seit Beginn ihrer Heimunterbringung am 1. Juni 1982 einen solchen Leistungsanspruch (Rentenanspruch) gegen die Beklagte gehabt. Damit ist diese der Klägerin gegenüber nach § 104 Abs 1 Satz 4 SGB 10 in entsprechender Anwendung des Satzes 1 der Vorschrift grundsätzlich erstattungspflichtig. Diese Erstattungspflicht dem Grunde nach ist unter den Beteiligten nicht streitig. Die Beklagte hat der Klägerin den nach Abzug des an die Beigeladene abgetretenen Teilbetrages verbleibenden Restbetrag der Renten der Versicherten überwiesen. Die Beteiligten streiten allein darum, ob dies auch bezüglich des an die Beigeladene abgetretenen Teilbetrages zu geschehen hat, und somit lediglich um die Höhe des der Klägerin zustehenden Erstattungsanspruchs.
Die Höhe des Erstattungsanspruchs ist in § 104 Abs 3 SGB 10 (idF des Art 10 Nr 1 Buchst b des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983, BGBl I S 1532; vorher Abs 2 in der ursprünglichen Fassung) geregelt worden. Danach richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Das bedeutet - wie der Senat in seinem Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - ebenfalls mit ausführlicher Begründung entschieden hat - in Fällen der vorliegenden Art, daß der Rentenversicherungsträger bei Anwendung des § 104 Abs 1 SGB 10 zugunsten des Sozialhilfeträgers nicht geringer, aber auch nicht weitergehend belastet werden soll, als seine Verpflichtung dem Berechtigten gegenüber bestanden hat. Nur so ist nämlich die vom Gesetzgeber gewollte Rangordnung, dh der Rechtszustand wiederhergestellt, der bestanden hätte, wenn der (quasi) vorrangige Rentenversicherungsträger von Anfang an geleistet hätte.
Das steht einem Anspruch der Klägerin auf eine Erstattung ihrer Aufwendungen für die Versicherte über den von der Beklagten bereits erstatteten Teilbetrag der Renten der Versicherten hinaus entgegen. Die Beklagte hätte nämlich im Falle einer Abführung des vollen Zahlbetrages der Renten an die Klägerin dann insgesamt mehr zu leisten, als sie der Versicherten zu leisten verpflichtet ist, weil sie auch in diesem Falle weiterhin an die Beigeladene den an diese abgetretenen Betrag abzuführen hätte. Die Abtretung ist wirksam erfolgt und in ihrer Wirksamkeit durch die später eingetretene Sozialhilfebedürftigkeit der Versicherten nicht berührt worden.
Das ergibt sich aus § 53 Abs 3 SGB 1. Hiernach können Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, in anderen als den in Abs 2 der Vorschrift genannten und hier nicht einschlägigen Fällen übertragen und verpfändet werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteigen. Die Übertragung erfolgt durch Vertrag zwischen dem Rentenberechtigten und dem begünstigten Dritten. Für die Übertragung gelten ergänzend die zivilrechtlichen Vorschriften über die Übertragung der Forderung (§§ 398 ff BGB) entsprechend. Anwendbar ist insbesondere § 398 Satz 2 BGB. Danach tritt mit Abschluß des Abtretungsvertrages der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers. Der Schuldner kann mit befreiender Wirkung nur noch an den neuen Gläubiger leisten, es sei denn, ihm sei bei der Leistung die Abtretung noch nicht bekannt gewesen (§ 407 Abs 1 BGB). Im Einklang hiermit ist im vorliegenden Fall selbst von der Klägerin nicht in Frage gestellt worden, daß die Versicherte im Jahre 1980 einen Teilbetrag ihrer Rentenansprüche gegen die Beklagte wirksam an die Beigeladene abgetreten hat und seither die Beklagte zur Abführung dieses Teilbetrages an die Beigeladene rechtlich verpflichtet gewesen ist.
Dann aber kann sie vom späteren Zeitpunkt des Eintritts der Sozialhilfebedürftigkeit der Versicherten an nicht zugleich zur Abführung eines weiteren Teilbetrages in dieser Höhe an die Klägerin verpflichtet sein. Das widerspräche der Zielsetzung des § 104 Abs 1 SGB 10, zwar unter mehreren Leistungsträgern einen Ausgleich ihrer demselben Leistungsempfänger erbrachten Aufwendungen nach dem Prinzip des Vor- und Nachranges der Leistungsverpflichtungen herzustellen, dabei aber den (quasi) vorrangigen Leistungsträger gemäß § 104 Abs 3 SGB 10 nicht über seine gegenüber dem Berechtigten bestehende gesetzliche Leistungspflicht hinaus zu belasten. Gründe dafür, daß der (quasi) vorrangige Träger nach wirksamer Übertragung des Anspruchs des Berechtigten auf einen Dritten sowohl an diesen als auch an den (quasi) nachrangigen Leistungsträger zu zahlen hätte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann selbst bei Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität der Sozialhilfe (§ 2 Abs 1 BSHG) nicht entsprechend der Ansicht der Klägerin im Umkehrschluß daraus ein Vorrang des Sozialhilfeträgers im Verhältnis zu einem Abtretungsgläubiger hergeleitet werden. § 104 Abs 1 SGB 10 regelt nicht die Rechtsansprüche von Individualpersonen gegenüber einer Mehrheit von Leistungsträgern, sondern den Ausgleich von Aufwendungen unter diesen Leistungsträgern. Allein auf ihr Verhältnis bezieht sich die in § 104 Abs 1 Sätze 1 und 4 SGB 10 geregelte (Quasi-) Rangfolge.
Sofern die Klägerin mit der Inanspruchnahme eines Vorranges gegenüber der Abtretung an die Beigeladene meinen sollte, mit der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs 1 SGB 10 seien zu ihren Gunsten die Abtretung oder jedenfalls deren Wirkung und damit auch die Leistungspflicht der Beklagten gegenüber der Beigeladenen entfallen, kann dem nicht gefolgt werden. Eine solche Rechtsfolge stellt - worauf, wenn auch auf einer anderen Rechtsgrundlage, im Ergebnis zutreffend bereits das SG hingewiesen hat - einen tiefgehenden Eingriff sowohl in die Verfügungsberechtigung des Leistungsempfängers als auch in den Gläubigerschutz dar, wie sie beide durch § 53 Abs 3 SGB 1 neu ausgeformt worden sind. Ein derartiger Eingriff bedürfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Hieran fehlt es. Sie läßt sich insbesondere entgegen der Meinung der Klägerin nicht unter Hinweis auf "Ungereimtheiten der §§ 51 bis 54 SGB 1" im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung herstellen. Allerdings trifft es zu, daß Ansprüche auf laufende Geldleistungen regelmäßig nur insoweit zur Aufrechnung (§ 51 Abs 1 iVm § 54 Abs 3 Nr 2; § 51 Abs 2 SGB 1) oder Verrechnung (§ 52 iVm § 51 SGB 1) stehen bzw gepfändet werden können (§ 54 Abs 3 Nr 2 SGB 1), als dadurch der Leistungsberechtigte nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird. Für die Übertragung und Verpfändung von Ansprüchen auf (laufende) Geldleistungen gilt eine entsprechende Einschränkung nicht (§ 53 Abs 2 und 3 SGB 1). Grund und Bedeutung dieses Unterschiedes können hier auf sich beruhen. Selbst wenn entsprechend der Rechtsansicht der Klägerin - wozu der Senat sich ausdrücklich jeglicher Stellungnahme enthält - § 53 Abs 2 und 3 SGB 1 lückenhaft und eine Ausfüllung dieser Lücke durch die Rechtsprechung dahingehend zulässig und veranlaßt wäre, daß auch im Rahmen dieser Vorschriften der Leistungsberechtigte nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt werden darf, könnte dies nicht vom Zeitpunkt des Eintritts der Hilfsbedürftigkeit der Versicherten an zu einer Unwirksamkeit der vorher zugunsten der Beigeladenen erfolgten Abtretung oder jedenfalls zu einer Suspendierung ihrer Rechtswirkungen führen. Einmal ist die Versicherte ab 1. Juni 1982 hilfebedürftig nicht im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 11 ff BSHG), sondern der Vorschriften über die Hilfe in besonderen Lebenslagen (§§ 27 ff, insbesondere § 43 Abs 1 BSHG) geworden. Dieser Art der Hilfebedürftigkeit ist auch im Rahmen der §§ 51, 52 und 54 Abs 3 Nr 2 SGB 1 eine Relevanz nicht beigemessen worden. Zum anderen und vor allem richtet sich die Wirksamkeit der Abtretung sogar zukünftiger Forderungen nach dem im Zeitpunkt der Abtretungshandlung geltenden Recht (Urteil des BSG vom 25. Oktober 1984 - 11 RA 42/83 -). Für die Abtretung bereits entstandener Forderungen muß dies erst recht gelten. Unter Berücksichtigung dessen wäre dann aber die Abtretung eines Teilbetrages der Renten der Versicherten an die Beigeladene selbst bei einer nach Meinung der Klägerin gebotenen lückenfüllenden Ergänzung des § 53 Abs 3 SGB 1 um das negative Tatbestandsmerkmal der fehlenden Hilfsbedürftigkeit nach dem BSHG nicht unwirksam. Denn es ist nicht ersichtlich, daß die Versicherte bereits durch diese Abtretung hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden ist.
Nach alledem schließt § 104 Abs 3 SGB 10 einen Erstattungsanspruch der Klägerin insoweit aus, als die Beklagte aufgrund einer vorhergehenden wirksamen Abtretung eines Teils der Rentenansprüche der Versicherten an die Beigeladene zu leisten verpflichtet ist. Das SG hat damit im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Dies führt zur Zurückweisung der Sprungrevision der Klägerin mit der Maßgabe, daß diese der Beigeladenen schon deren außergerichtliche Kosten des ersten Rechtszuges zu erstatten hat.
Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren folgt aus § 193 Abs 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen