Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25.03.1994) |
SG Trier (Urteil vom 10.03.1993) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. März 1994 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung des Kindergeldes für sein zweites Kind auf den Sockelbetrag während des Zeitraums von Januar 1986 bis März 1987.
Der Kläger hatte sich bereits gegen Kürzungen des ihm zustehenden Kindergeldes auf den Sockelbetrag durch Bescheid vom 17. August 1983 gewandt. Die Entscheidung über den Widerspruch wurde im Hinblick auf die damals vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfahren zurückgestellt. Nach dem Beschluß des BVerfG vom 29. Mai 1990 (BVerfGE 82, 60) und nach Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1322) entschied das beklagte Land mit dem hier angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 14. November 1991 über den Widerspruch des Klägers, soweit er die Zahlung eines über den Sockelbetrag hinausgehenden Kindergeldes für das zweite Kind für die Zeit ab dem 1. Januar 1986 betraf. Insoweit verbleibe es bei der Absenkung auf die Sockelbeträge (§ 10 Abs 2 Bundeskindergeldgesetzes ≪BKGG≫). Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 10. März 1993); das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 25. März 1994): Die Berechnung des Kindergeldes für den streitigen Zeitraum habe dem Gesetz entsprochen. Dieses verstoße auch nicht gegen Verfassungsrecht. Bei einem Grenzsteuersatz von 40 vH ergebe sich unter Berücksichtigung der Kindergeldzahlungen und des Steuerfreibetrages in Höhe von DM 2.484,--/Jahr ein (teilweise fiktiver) Freibetrag von DM 4.284,--/Jahr, also DM 357,--/Monat. Dem stehe ein durchschnittlicher Sozialhilfeaufwand für ein Kind in Höhe von DM 344,-- bzw DM 345,-- (für die Jahre 1986/1987) gegenüber. Danach bleibe das Existenzminimum eines Kindes im streitigen Zeitraum steuerfrei.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt eine Verletzung der §§ 10 und 11 BKGG in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung iVm Art 3 Abs 1 sowie Art 6 Grundgesetz (GG). Die vom LSG angestellten Berechnungen beruhten auf einem falschen Vergleichswert. Denn zum Sozialhilfeaufwand für ein Kind (Regelsatz plus anteiliger Miete) müßten noch vielfältige weitere, an Sozialhilfeberechtigte geleistete Zahlungen und gewährte Vergünstigungen hinzugerechnet werden, zB einmalige Beihilfen, Mehrbedarfssätze, Erlaß von Rundfunk- und Fernsehgebühren, Ermäßigung bei Telefongebühren usw. Die ihm zustehenden zusätzlichen Leistungen für die Jahre 1986 und 1987 müßten schließlich auch ab dem ursprünglichen Leistungszeitraum gesetzlich verzinst werden (§ 44 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch – ≪SGB I≫).
Der Kläger beantragt zu entscheiden:
Das beklagte Land wird unter Abänderung seines Bescheides vom 17. August 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1991 sowie unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Trier vom 10. März 1993 und des Urteils des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. März 1994 verurteilt, an den Revisionskläger auch für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. März 1987 für das zweite Kind Irmina Kindergeld in ungekürzter Höhe (100,-- DM) zu zahlen und den zu zahlenden Betrag gemäß § 44 SGB I mit 4 % p.a. zu verzinsen.
Das beklagte Land beantragt – unter weiterer Darlegung –,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat für den streitigen Zeitraum (Januar 1986 bis März 1987) auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keinen Anspruch auf ein höheres Kindergeld.
§ 10 Abs 2 BKGG idF der Bekanntmachung vom 21. Januar 1986 (BGBl I 222) iVm § 32 Abs 6 Einkommensteuergesetz (EStG) idF des Steuersenkungsgesetzes 1986/88 vom 26. Juni 1985 (BGBl I 1153) war in der beim Kläger vorliegenden Fallkonstellation für den og Zeitraum nicht verfassungswidrig.
Zwar erreicht die Höhe des dem Kläger im Jahre 1986 gewährten Kindergeldes nicht ganz die vom BVerfG seiner Überprüfung des Familienlastenausgleichs im Beschluß vom 14. Juni 1994 (BVerfGE 91, 93) zugrunde gelegten Maßstäbe (1); dagegen war aufgrund der individuellen Gegebenheiten beim Kläger im Jahre 1987 jenen Vorgaben voll und ganz Rechnung getragen (2). Auch für das Jahr 1986 besteht freilich kein Anlaß zu einer Vorlage zum BVerfG nach Art 100 GG, da der Kläger durch die Höhe des Kindergeldes in jenem Jahr nicht verfassungswidrig beeinträchtigt wurde (3). Entgegen dem Vortrag der Revision müssen jedenfalls in die Berechnung des Existenzminimums für Kinder im vorliegenden Zusammenhang keine weiteren Ausgangsbeträge – wie vom Kläger gefordert – eingearbeitet werden (4).
(1) Das BVerfG hat in seinem Beschluß vom 14. Juni 1994 (BVerfGE 91, 93) entschieden, daß die Kindergeldregelung für Berechtigte mit drei oder mehr Kindern in den Jahren 1986 und 1987 verfassungsrechtlich bedenkenfrei war. Denn die effektiven Kinderfreibeträge, die sich aus dem gekürzten Kindergeld und dem im Einkommensteuerrecht gewährten Kinderfreibetrag, für Kindergeldberechtigte mit drei oder mehr Kindern bis zu einer Besteuerung der Einkommensspitze mit 45 vH, ergaben, lagen zwar teilweise unter den Richtwerten des vom BVerfG zugrunde gelegten durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs; diese Unterschreitungen betrugen jedoch nach den Feststellungen des BVerfG jeweils weniger als 15 vH und lagen damit innerhalb eines dem Gesetzgeber vom BVerfG zugebilligten “Einschätzungsspielraums” (BVerfGE 91, 93, 114 ff). Dieser Spielraum wird bei Berechtigten mit zwei Kindern überschritten, wie der Fall des Klägers zeigt.
Im vorliegenden Fall sind folgende Ausgangswerte zu beachten: Der Kläger hat im streitigen Zeitraum für seine zwei Kinder zusammen DM 120/Monat an Kindergeld erhalten (Erstkindergeld und Zweitkindergeld als Sockelbetrag gemäß § 10 Abs 2 BKGG), also DM 1440/Jahr, für jedes Kind somit DM 720. Daneben wurde ihm sowohl für 1986 als auch für 1987 jeweils ein Steuerfreibetrag von DM 2484 pro Kind eingeräumt (§ 32 Abs 6 Satz 2 iVm § 26, § 26b EStG).
Um festzustellen, ob die Kindergeldhöhe den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Freistellung des Existenzminimums für Kinder von der Einkommensteuerpflicht genügt hat, sind die Steuerfreibeträge und das Kindergeld in (teilweise) fiktive steuerfreie (Gesamt-)Beträge umzurechnen (s hierzu BVerfGE 82, 60, 92 ff sowie BVerfGE 91, 93, 111).
Umgesetzt auf die Verhältnisse des Klägers ergibt sich in Anlehnung an die Berechnung in dem ebenfalls zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil des Senats vom 9. Mai 1995 (10 RKg 7/94 = SozR 3-5870 § 10 Nr 6) folgendes Bild: Grundlage sind die Einkommensteuerbescheide des Finanzamts Trier für den Kläger und seine Ehefrau für 1986 – vom 15. Februar 1988 – und für 1987 – vom 14. Februar 1989 – sowie die Einkommensteuer-Splittingtabelle für 1986 und 1987 (Anl 5 zum EStG, BGBl 1985 I 1223):
1986:
zu versteuerndes Einkommen: |
|
DM 62.608,-- |
tarifliche Einkommensteuer: |
|
DM 13.624,-- |
Grenzsteuersatz |
35,2 % |
|
(errechnet aus der Differenz der Steuerstufen lfd Nrn 495 und 496) fiktiver Steuerfreibetrag pro Kind : |
DM 720,--: 35,2 % |
= DM 2.045,45 |
zuzüglich Kinderfreibetrag |
|
= DM 2.484,-- |
gesamter (teilweise fiktiver) |
DM 4.529,45/Jahr |
= DM 377,45/Monat |
Steuerfreibetrag |
|
|
Nach diesen Maßstäben ergäbe sich für 1987 eine entsprechende Rechnung:
zu versteuerndes Einkommen: |
|
DM 67.264,-- |
tarifliche Einkommensteuer: |
|
DM 15.298,-- |
Grenzsteuersatz |
37,0 % |
|
(errechnet wie oben – lfd Nrn 538 und 539) |
|
|
fiktiver Steuerfreibetrag pro Kind : |
DM 720: 37,0 % |
= DM 1.945,95 |
zuzüglich Kinderfreibetrag |
|
= DM 2.484,-- |
gesamter (teilweise fiktiver) |
DM 4.429,95/Jahr |
= DM 369,16/Monat |
Steuerfreibetrag |
|
|
Diesen Werten ist gegenüberzustellen das nach den Maßstäben des BVerfG (BVerfGE 91, 93, 104) anzusetzende Existenzminimum für jedes Kind:
für 1986 in Höhe von DM 5.484,-- = DM 457,--/Monat sowie für 1987 in Höhe von DM 5.616,-- = DM 468,--/Monat.
Von diesen Werten weicht die tatsächlich erreichte steuerliche Freistellung des Klägers um 17,4 % (für 1986) bzw 21,1 % (für 1987) ab.
Allenfalls geringfügig abweichende Werte folgen aus einer anderen Berechnungsweise des Grenzsteuersatzes. Diese stellt zur Ermittlung des Grenzsteuersatzes darauf ab, welche Steuerersparnis sich für den Betroffenen aus der verfassungsrechtlich gebotenen Freistellung des Existenzminimums ergäbe. Dies führt zu folgendem Rechenwerk:
1986 Einkommen |
DM 67.576,--; |
hierauf entfallende |
DM 15.418,-- |
Steuer (Tabelle lfd Nr 542) |
|
Existenzminimum |
DM 9.323,-- |
./. 15 % für 2 Kinder fiktiv zu versteuerndes Einkommen |
DM 58.253,--; |
hierauf entfallende |
DM 12.142,-- |
Steuer (Tabelle lfd Nr 456) |
|
hieraus folgende Steuerersparnis somit |
DM 3.276,-- |
das sind 35,1 % (Grenzsteuersatz) des angesetzten Existenzminimums für 2 Kinder. |
|
|
|
Berechnet auf die entsprechende Weise ergibt sich für 1987 ein Grenzsteuersatz von 36,8 %.
Auch aus dieser Berechnungsart folgt nach den vom BVerfG im Beschluß von 1994 angewandten Maßstäben jeweils grundsätzlich ein Fehlbetrag, der jedoch – wegen des niedrigeren Grenzsteuersatzes – niedriger ausfällt als bei der obigen Berechnung (17,3 % bzw 20,9 %).
(2) Hierbei ergibt sich jedoch für das Jahr 1987 beim Kläger folgende Besonderheit:
Ab April 1987 hatte der Kläger einen Anspruch auf Kindergeld lediglich noch für ein Kind (die Tochter Irmina). Gleichwohl wurden bei Berechnung der für das Jahr 1987 zu entrichtenden Einkommensteuer – wegen des steuerrechtlichen Jahresprinzips (s hierzu BSG vom 30. Januar 1996 – 10 RKg 13/95) – zwei steuerliche Kinderfreibeträge in Höhe von je DM 2.484,-- berücksichtigt. Damit aber ergibt sich, ganz konkret auf die Verhältnisse des Klägers abgestellt, für 1987 folgende Berechnung:
Der Kläger hat erhalten an Kindergeld 3 Monate à DM 120,-- |
|
= DM 360,-- |
|
9 Monate à DM 50,-- |
= DM 450,-- |
|
|
DM 810,-- |
Diese Summe umgerechnet in einen fiktiven Steuerfreibetrag ergibt |
(DM 810,-- : 37,0 %) |
= DM 2.189,19 |
zwei steuerliche Kinderfreibeträge: |
|
DM 4.968,--, |
gesamter (teilweise fiktiver) Steuerfreibetrag nach der tatsächlichen Kindergeldzahlung: |
|
DM 7.157,19. |
Dieser Freibetrag ist nun nicht auf 2 “Kinderjahre”, sondern lediglich auf 1 ¼ “Kinderjahre” aufzuteilen, da beim Kläger im Durchschnitt des Jahres 1987 nur 1 ¼ Kinder beim Kindergeld zu berücksichtigen waren (der Sohn nur für das erste Vierteljahr). Damit ergibt sich insoweit ein (teilweise fiktiver) Steuerfreibetrag, umgerechnet auf das volle “Kinderjahr” (also: 1,25) von DM 5.725,75 oder DM 477,15/Monat.
Diese Beträge aber überschreiten nach allen Berechnungsarten das insoweit anzusetzende Existenzminimum – selbst ohne Abzug eines “Einschätzungsspielraums”.
Der Kläger wendet sich selbst nicht gegen die Einstellung der Kindergeldzahlung für seinen Sohn ab April 1987 wegen Fortfalls der Voraussetzungen des § 2 Abs 2 BKGG und macht damit nicht geltend, ihm stehe ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Kindergeld für zwei Kinder über den Monat März 1987 hinaus zu. Dann aber hat sich die Ermäßigung des Kindergeldes auf den Sockelbetrag (§ 10 Abs 2 BKGG) sowie die Höhe des Erstkindergeldes (§ 10 Abs 1 Satz 1 BKGG) im gesamten Jahre 1987 – und damit auch für die hier streitigen Monate Januar bis März dieses Jahres – für den Kläger nicht verfassungswidrig ausgewirkt. Denn in seinem konkreten Fall war die Steuerfreiheit des Existenzminimums seiner Kinder, soweit es seine steuerliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigte, bereits durch die ihm zugute kommenden vollen zwei steuerlichen Kinderfreibeträge, zuzüglich des ihm tatsächlich ausgezahlten Kindergeldes (umgerechnet in einen fiktiven Steuerfreibetrag) gewährleistet.
Damit aber entfällt jedenfalls für das Jahr 1987 jeder Anlaß zur Vorlage des Rechtsstreits an das BVerfG (vgl das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil des Senats vom 9. Mai 1995, SozR 3-5870 § 10 Nr 6).
(3) Aber auch für das Jahr 1986 läßt sich nach der Überzeugung des Senats die Höhe des dem Kläger gewährten Kindergeldes nicht von Verfassungs wegen beanstanden.
(a) Das BVerfG ist in seinem Beschluß vom 14. Juni 1994 zum Ergebnis gekommen, daß die Kindergeldregelung in dem von ihm geprüften Umfang verfassungsrechtlich bedenkenfrei war. Denn für Berechtigte mit drei und mehr Kindern und einem Spitzensteuersatz von bis zu 45 % (BVerfGE 91, 93, 115 f) wurde – durch Kinderfreibetrag und Kindergeld – in den Jahren 1986 und 1987 ein Betrag steuerfrei gestellt, der jeweils die vom BVerfG herangezogenen Grenzwerte überschritt.
Diese Grenzwerte hatte das BVerfG wiederum dem ihm vom Bundesminister für Familie und Senioren (BMFuS) zur Verfügung gestellten Zahlenmaterial zum durchschnittlichen Sozialhilfesatz für Kinder entnommen (s BVerfGE 91, 93, 102 ff). Hieraus ergaben sich höhere Beträge als diejenigen, die es in seinem Beschluß vom 29. Mai 1990 zugrunde gelegt hatte (BVerfGE 82, 60, 96). Der BMFuS hatte die verschiedenen Zahlen für 1982 (DM 3.816,-- und DM 4.596,--) einander gegenübergestellt (BVerfGE 91, 93, 104): Die Diskrepanzen ergäben sich vor allem aus der unterschiedlichen Ermittlung der anteiligen Miete und des Anteils für Heizung. Der Beschluß des Jahres 1990 sei insoweit von den durchschnittlichen Wohngeldmieten pro Quadratmeter und einer bestimmten Wohnfläche ausgegangen; die im Jahre 1994 verwendeten Zahlen berücksichtigten jedoch eine Aufteilung der Kosten für Miete und Heizung nach Kopfteilen. Die zuletzt bezeichneten neuen Werte wiederum legte das BVerfG seiner neuen Entscheidung zugrunde. Gerade im Hinblick auf diese – zur Annahme eines höheren Existenzminimums führende – Berechnungsmethode des auf die Kinder entfallenden Anteils der Wohnkosten sah es jedoch die entsprechenden Beträge einerseits nicht als strikte Vorgabe für die Bemessung des Existenzminimums an, sondern lediglich als Richtwert (BVerfG 91, 93, 112, 115); andererseits konnte es keine Verfassungswidrigkeit der geprüften Regelung feststellen, da diese nur zu einer Unterschreitung der Richtwerte um weniger als 15 % führte: Jedenfalls in diesem Umfang sei dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zuzubilligen (BVerfGE 91, 93, 115).
Diesen Ausführungen, denen er sich anschließt, kann der Senat (entgegen Volk/Volk, MDR 1995, 762, 763) keine Festlegung einer starren Vertretbarkeitsgrenze von 15 %, bezogen auf die im Beschluß vom 14. Juni 1994 angewandte Berechnungsmethode, entnehmen (so auch Bundesfinanzhof ≪BFH≫ vom 4. August 1994, BFHE 175, 97, 99). Das gilt vor allem auch deshalb, weil keine spezifisch verfassungsrechtliche Begründung erkennbar wird, die gerade für die Anwendung jener Berechnungsmethode des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs für Kinder (als Existenzminimum – s BVerfGE 82, 60, 94; 91, 93, 111) spräche; eine solche wird auch vom BVerfG nicht angeführt. Daß eine Aufteilung von Wohnkosten nach Köpfen im Rahmen des Sozialhilferechts üblich ist (so der BMFuS laut BVerfGE 91, 93, 113 f unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ≪BVerwG≫ vom 21. Januar 1988, BVerwGE 79, 17, 20 zu den angemessenen Aufwendungen eines Hilfebedürftigen für die Unterkunft, wenn dieser mit einem nicht hilfebedürftigen Verwandten in Haushaltsgemeinschaft lebt), kann verfassungsrechtlich keine Rolle spielen. Denn die hiernach gebotene Steuerfreiheit des Existenzminimums der Kinder trägt der Tatsache Rechnung, daß die Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen durch den unvermeidbaren Unterhalt ihrer Kinder gemindert wird (BVerfGE 82, 60, 83, 85 ff). Dies aber würde es eher nahelegen, jenes Existenzminimum – hinsichtlich der Wohnkosten – nicht nach der “Pro-Kopf-Methode” zu berechnen, sondern nach der “Differenz-Methode”, also insoweit (nur) dasjenige zu berücksichtigen, was der Steuerzahler nicht auch bereits ohne Kinder aufzuwenden hätte (s dazu die Ausführungen der Bundesregierung BT-Drucks 12/1030 vom 5. August 1991, S 3).
Vergleicht man aber die entsprechenden Werte, so unterschreiten die nach der Differenz-Methode ermittelten Beträge zum durchschnittlichen Sozialhilfebedarf von Kindern die nach der Pro-Kopf-Methode ermittelten um mehr als 15 %. So ergibt sich im Vergleich der bereits vom BMFuS gegenübergestellten Werte für 1982 (BVerfGE 91, 93, 104: DM 4.596,-- bzw DM 3.816,--) eine Abweichung von 17 % nach unten. Ein entsprechendes Verhältnis weist der Vergleich für 1991/1992 auf. Für diesen Zeitraum bestanden – je nach Kinderzahl – Abweichungen zwischen 15,8 und 20,6 %, für zwei Kinder (wie beim Kläger) von 18,1 % (s BT-Drucks 12/1030 S 2 f).
Kann aber das Existenzminimum auch unter Ansatz der, verfassungsrechtlich ebenso unbedenklichen, Differenz-Methode errechnet werden und unterschreiten deren Ergebnisse die der Pro-Kopf-Methode – ohne Berücksichtigung jeglichen Einschätzungsspielraums – in dem dargestellten Umfang, so stellt eine Abweichung um 17,4 % von den Werten der Pro-Kopf-Methode – wie beim Kläger für 1986 -schon deshalb keinen Verfassungsverstoß dar.
(b) Dieses Ergebnis wird schließlich auch durch folgende Überlegung gestützt:
Selbst wenn man – auf der Grundlage der Prüfungsmaßstäbe des BVerfG in seinem Beschluß vom 14. Juni 1994 – von einer Verfassungswidrigkeit der Höhe des Kinderlastenausgleichs im Falle des Klägers im Jahre 1986 ausginge, so ist darauf hinzuweisen, daß der Betrag, um den die (teilweise fiktive) steuerliche Freistellung des Klägers im Jahre 1987 das nach der Rechtsprechung des BVerfG von Verfassungs wegen erforderliche Minimum überschritt, ausreicht, um die (unter ≪1≫ näher erläuterte) entsprechende Unterdeckung des Jahres 1986 auszugleichen:
Die (teilweise fiktiven) Steuerfreibeträge von DM 477,15/Monat überschritten den Grenzwert des BVerfG für das Jahr 1987 von DM 397,80 um DM 79,35. Dies ergibt einen Vorteil des Klägers in Höhe von (1 ¼ “Kinderjahre”, also 15 Monate × DM 79,35 =) DM 1.190,25.
Im Jahre 1986 demgegenüber “fehlten” dem Kläger (zwei “Kinderjahre”, also 24 Monate × DM 11,-- =) DM 264,--.
Die verfassungsrechtliche Benachteiligung, die er im Jahre 1986 hinnehmen mußte, ist also im Jahre 1987 mehr als ausgeglichen worden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, daß ihm Zinsansprüche hinsichtlich des im Jahre 1986 zu wenig gewährten Kindergelds zustehen könnten (s auch hierzu das Urteil des Senats vom 9. Mai 1995). Diese Zusammenschau des hier streitigen Zeitraums der Jahre 1986 und 1987 verbietet sich auch nicht wegen unterschiedlicher Rechtsgrundlagen: Im Gegenteil haben sich in beiden Jahren (und bis Ende 1989) weder die Kindergeldbeträge noch der einkommensteuerrechtliche Kinderfreibetrag geändert (s die Übersicht bei Volk/Volk, MDR 1995, 764).
Auf diese Zusammenrechnung kann der Senat im vorliegenden Fall auch abstellen. Zwar wäre ein Familienlastenausgleich verfassungswidrig, der die erforderliche steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder erst mit zeitlicher Verzögerung bereitstellt (s insoweit das Urteil des Senats vom 9. Mai 1995, SozR 3-5870 § 10 Nr 6 S 46). Beim Kläger freilich hat sich ein Ausgleich der steuerlichen Überbelastung des Jahres 1986 bereits im Folgejahr 1987 eingestellt. Hinzu kommt, daß es dem Gesetzgeber bei einer “Nachbesserung” einer evtl Unterdekung hinsichtlich der steuerlichen Freistellung der Jahre ab 1986 nach Auffassung des Senats von Verfassungs wegen erlaubt wäre, den nachzubessernden Zeitraum zusammenzufassen und die jeweils beim einzelnen Berechtigten in einzelnen Jahren entstandenen Nachteile mit Vorteilen zu saldieren. Dann aber hat der Kläger aus den soeben angeführten Gründen für den streitigen Zeitraum einen Ausgleich nicht zu erwarten.
Auf dieser Grundlage vermag der Senat nicht zu erkennen, daß dem Kläger von Verfasssungs wegen ein höherer Familienlastenausgleich zugestanden hätte. Nur auf diese Beurteilung im Einzelfall aber kommt es – wie im Urteil des Senats vom 9. Mai 1995 näher dargelegt – im vorliegenden Verfahren an.
(4) Von einer Verfassungswidrigkeit der Höhe des dem Kläger im streitigen Zeitraum gewährten Kindergeldes kann sich der Senat auch unter Berücksichtigung der mit der Revision vorgetragenen Argumente nicht überzeugen. Denn gegen die Berechnung des Existenzminimums für Kinder im Beschluß des BVerfG vom 14. Juni 1994 hat der Senat insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken, als hierbei – neben dem Regelsatz der Sozialhilfe und den Wohnkosten – für die Jahre ab 1986 (nur) noch ein Zuschlag von 20 % des Regelsatzes für die zustehenden einmaligen Beihilfen berücksichtigt wurde; dies entspricht den Sozialhilfestatistiken (BVerfGE 91, 93, 103). Soweit der Kläger darüber hinaus noch weitere Beträge – für Mehrbedarfssätze, Erlaß oder Ermäßigungen bei verschiedensten Gebühren – eingearbeitet wissen will, so ist dies wegen der verfassungsmäßig zulässigen zumindest teilweisen Pauschalierung der zur Berechnung des Existenzminimums verwendeten Ausgangswerte (s BVerfGE 91, 93, 113) jedenfalls nicht geboten.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen