Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiladung. notwendige Streitgenossenschaft
Leitsatz (amtlich)
Muß ein Beschäftigter auf einer Dienstreise in einem Gasthof übernachten, so hängt der zum Belegen des Zimmers (Abstellen des Gepäcks) zurückzulegende Weg zum Zimmer und zurück zum Gastraum wesentlich mit der Durchführung der Dienstreise zusammen und steht daher grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der prozeßrechtlichen Stellung der AOK bei der Verfolgung eines Entschädigungsanspruches gegen die BG durch den Verletzten.
Normenkette
RVO § 542 Abs. 1 Fassung: 1942-03-09; ZPO § 62 Abs. 1 Fassung: 1950-09-12; SGG § 75
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Mai 1960 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger zu 1) die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der Kläger zu 1) ist bei den A.-werken N - GmbH als Kraftfahrer beschäftigt. Am 12. Januar 1956 befand er sich im Auftrag seiner Arbeitgeberin auf einer Fahrt von F nach N; dabei übernachtete er im Gasthof "Zur alten Post" in F. Als er sich unmittelbar nach seiner Ankunft in dem ihm zugewiesenen Zimmer im ersten Obergeschoß die Hände gewaschen hatte, machte er sich gegen 18 Uhr auf den Weg zu dem im Erdgeschoß gelegenen Gastraum, um dort das Abendessen einzunehmen. Beim Begehen der Holztreppe warf er, während er die linke Hand in der Hosentasche hielt, mit der rechten Hand die Zimmerschlüssel spielerisch in die Höhe, um sie alsdann wieder aufzufangen. Dabei rutschte er von einer Treppenstufe ab, verlor das Gleichgewicht und fiel mit dem linken Oberarm auf eine Stufenkante. Er erlitt eine Schulterluration mit Absprengung des Tuberculum maius und des Rabenschnabelfortsatzes.
Den Anspruch des Klägers zu 1) auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung lehnte die beklagte Berufsgenossenschaft durch Bescheid vom 27. Juni 1956 ab, weil der unfallbringende Weg vom Hotelzimmer zum Speiseraum rein eigenwirtschaftlicher Art und deshalb versicherungsrechtlich nicht geschützt gewesen sei. Eine Abschrift des Bescheides ließ die Beklagte der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Mittelfranken, bei welcher der Kläger zu 1) gegen Krankheit versichert ist, mit der Bitte zugehen, ihr die Aufwendungen für ambulante Behandlung und Medikamente zu ersetzen (§ 1509 der Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Der Kläger zu 1) hat den Bescheid binnen Monatsfrist mit der Aufhebungs- und Leistungsklage angefochten. Die AOK hat mit Schriftsatz vom 5. März 1957 "Anschlußklage" erhoben, indem sie der Klage des Verletzten " als Streitgenossin (§ 74 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, §§ 59, 62 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) beigetreten" ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg vom 13. März 1957 ist sie auf ihren Antrag beigeladen worden; sie hat alsdann - in Änderung ihres früheren, auf Entschädigung des Klägers gerichteten Antrags - beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 1956 aufzuheben und diese zu verurteilen, Aufwendungsersatz aus Anlaß des Unfalls vom 12. Januar 1956 zu gewähren.
Das SG hat durch Urteil vom 13. März 1957 die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Juni 1956 verurteilt, "dem Kläger Schadensersatz und der Beigeladenen Aufwendungsersatz aus Anlaß des Unfalls vom 12. Januar 1956 zu gewähren". Es hat ausgeführt: der Kläger zu 1) sei auf dem Weg von seinem Hotelzimmer zum Gastraum versichert gewesen, weil er sich im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit als Kraftfahrer in einem fremden Gasthaus habe aufhalten müssen. Das Spielen mit dem Zimmerschlüssel möge zwar zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben, es habe jedoch auf das Begehen der Treppe nicht derart eingewirkt, daß die Beziehung der versicherten Tätigkeit zur Zurücklegung des Weges bei der Bewertung der Unfallursachen nicht mehr als erheblich angesehen werden könnte. - Der über den Sachantrag des Verletzten hinausgehende Antrag der beigeladenen AOK sei zulässig. weil diese bei Ablehnung des Klageanspruchs selbst dem Verletzten gegenüber leistungspflichtig geworden wäre (§ 75 Abs. 1, 2, 4 Satz 2 SGG, § 1509 a RVO). Soweit die Beigeladene für den Versicherten anläßlich des Unfalls Aufwendungen gemacht habe, müsse die Beklagte diese ersetzen (§§ 1509 Abs. 1, 1505 bis 1508 RVO). Die Berufung der Beklagten ist durch Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 18. Mai 1960 mit folgender Begründung zurückgewiesen worden: Dem Kläger sei der Unfall bei einer versicherten Tätigkeit zugestoßen (§§ 537 Nr. 1, § 542 RVO). Er sei allerdings nicht während der gesamten Dauer der Dienstfahrt geschützt gewesen, sondern nur insoweit, als seine Tätigkeit mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhänge und nicht seinem privaten Interessenbereich zugehöre. Sein Aufenthalt im Gasthof "Zur alten Post" sei im wesentlichen durch die Dienstfahrt bedingt gewesen. In diesen ursächlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit hätten sich keine betriebsfremden Beziehungen - wie sie z. B. beim Schlafen im Hotelzimmer beständen - eingeschoben, auch nicht als der Kläger sich nach der Ankunft und kurzen Reinigung von seinem Hotelzimmer die Treppe hinunter zum Gastraum begeben habe, um dort das Abendessen einzunehmen. Zwar sei das Essen eine unversicherte, der persönlichen Sphäre zuzurechnende Tätigkeit, der Weg zum Gastraum sei jedoch versicherungsrechtlich anders zu beurteilen; er sei, da der Kläger zur Esseneinnahme außerhalb des häuslichen Kreises durch betriebliche Verhältnisse genötigt gewesen sei, unvermeidbar und mit dem Gefahrenbereich des fremden Hauses eng verbunden gewesen. Die rechtserhebliche Ursache des Unfalls liege demnach in der Einwirkung fremder Einrichtungen, deren sich der Kläger aus betrieblichen Gründen habe bedienen müssen. Zu den Unfall und der Art seiner Folgen habe allerdings die Unachtsamkeit des Klägers während der Benutzung der Treppe - Tändeln mit dem Zimmerschlüssel und die besondere Haltung der linken Hand - beigetragen. Dieses Verhalten schließe aber die Annahme eines Arbeitsunfalls nicht aus, da bei dem Unfall ein innerer ursächlicher Zusammenhang mit der versicherten betrieblichen Tätigkeit fortbestanden habe und durch keine betriebsunabhängigen Umstände gelöst gewesen sei. - Das LSG hat die Revision zugelassen.
Das Urteil ist der Beklagten am 25. Juli 1960 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 4. August 1960 Revision eingelegt und diese mit Schriftsätzen vom 4. August und 17. September 1960, die innerhalb der bis zum 25. Oktober 1960 verlängerten Revisionsbegründungsfrist beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen sind, wie folgt begründet: Die Annahme eines Arbeitsunfalls lasse sich im vorliegenden Streitfall nicht - wie es das LSG getan habe - auf die neuere Rechtsprechung des BSG zum Versicherungsschutz auf Dienstreisen stützen, weil der Unfall nicht auf eine allgemein wirkende, typische Gefahr am Ort des Reiseaufenthalts zurückzuführen sei. Die Treppe sei nämlich in Ordnung gewesen, und der Kläger habe schon mehrmals im Gasthof "Zur alten Post" übernachtet gehabt, also die Örtlichkeit gekannt. Dies habe das LSG übersehen. Ferner habe es nicht hinreichend berücksichtigt, daß das Spielen mit dem Zimmerschlüssel zu dem Unfall beigetragen habe; tatsächlich sei dies die einzige Ursache des Unfalls gewesen. Deshalb hätte der Versicherungsschutz versagt werden müssen. Das BSG werde auch zu prüfen haben, ob es zulässig gewesen sei, die beklagte zu verurteilen, der AOK Aufwendungsersatz zu gewähren; einen dahingehenden Antrag enthalte der Schriftsatz der AOK vom 5. März 1957 nicht.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die AOK beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt aus: Das SG habe aus ihrem Antrag vom 5. März 1957 mit Recht das Begehren herausgelesen, ihr Entschädigung wegen ihrer eigenen Aufwendungen zu gewähren. Im übrigen hätte, weil das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auf dem Grundsatz des Amtsbetriebs beruhe, auch ohne einen ausdrücklichen Antrag über ihren Ersatzanspruch aus § 1509 Abs. 1 RVO entschieden werden müssen; dies ergebe sich aus § 123 SGG. - In materiell-rechtlicher Hinsicht pflichtet die AOK den Ausführungen des LSG bei.
Alle Beteiligten haben sich mit Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt. Der Senat hat von der Möglichkeit, in dieser Weise zu verfahren (§ 124 Abs. 2 SGG), Gebrauch gemacht.
II.
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG), auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist demnach zulässig.
In der Sache selbst hat das LSG mit Recht den Unfall des Klägers zu 1) vom 12. Januar 1956 als Arbeitsunfall angesehen. Der erkennende Senat hat sich bereits in mehreren Entscheidungen mit Fragen des Versicherungsschutzes während einer Dienstreise des Versicherten, vor allem während des Aufenthalts in einem Hotel oder Gasthof, befaßt (vgl. z. B. BSG 8, 48; BSG SozR RVO § 542 Bl. Aa 7 Nr. 17 und Urteil vom 26. April 1962 - 2 RU 148/59 -). Darin ist der Standpunkt abgelehnt worden, daß der Aufenthalt eines Versicherten im Hotel oder Gasthof grundsätzlich nicht vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfaßt werde, weil das Hotel dem häuslichen und damit persönlichen Bereich des Versicherten entspreche. Auch im Bereich eines Hotels kann der Gast eine versicherte Tätigkeit ausüben. Andererseits geht es nach der angeführten Rechtsprechung des Senats zu weit, einen Dienstreisenden während der gesamten Dauer der Reise allein deshalb als versicherungsrechtlich geschützt anzusehen, weil das Verweilen an einem fremden Ort durch die Ausführung der Dienstreise bedingt ist. Zu diesem Verweilen an einem fremden Ort muß, wenn Versicherungsschutz begründet sein soll, noch eine nähere Beziehung zur dienstlichen Sphäre hinzutreten. Dabei ist, wie bereits das Reichsversicherungsamt (RVA) in EuM Bd. 15, 294, 296 ausgeführt hat, davon ausgehen, daß der dienstlich bedingte Aufenthalt an einem fremden Ort auch außerhalb der eigentlichen dienstlichen Tätigkeit im allgemeinen nicht in demselben Maße von rein eigenwirtschaftlichen Belangen beeinflußt ist wie derjenige am Wohn- und Betriebsort des Versicherten. Wendet man diese Grundsätze auf einen Fall wie den vorliegenden an, so muß man nach der Auffassung des Senats dem Begehen der Hoteltreppen zum Belegen des Zimmers, zum vorübergehenden Verlassen des Zimmers - weil der Zeitpunkt des Beginns der Nachtruhe noch fern ist - und zur Aufnahme der Nachtruhe eine rechtlich wesentliche enge Beziehung zur Durchführung der Dienstreise zuerkennen. Dementsprechend hat der Senat in den angeführten Entscheidungen den erforderlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bejaht für den mit dem Fahrstuhl zurückgelegten Weg vom Speisesaal zum Hotelzimmer (BSG 8, 48) und umgekehrt vom Frühstückszimmer zur Haustür des Quartiers (SozR RVO § 542 Bl. Aa 7 Nr. 17). Die im vorliegenden Streitfalle somit bestehende innere Beziehung zwischen dem Rückweg vom Zimmerbelegen und der Durchführung der Dienstreise darf nicht deshalb als von rein eigenwirtschaftlichen Belangen wesentlich beeinflußt angesehen werden, weil das unfallbringende Begehen der Treppe die Einnahme des Abendessens, also eine im allgemeinen der persönlichen Sphäre zuzurechnende und daher unversicherte Tätigkeit zum Ziel hatte. Entscheidend ist, daß der Kläger allein durch die Ausführung der Dienstreise in die Notwendigkeit versetzt worden war, den Weg über die Treppe in beiden Richtungen zurückzulegen. Ist somit der unfallbringende Weg des Klägers - wenn man einmal von dem Spielen mit dem Zimmerschlüssel absieht - nicht rechtlich wesentlich von rein eigenwirtschaftlichen Belangen beeinflußt gewesen, sondern nur in einer engen Beziehung zur Durchführung der Dienstreise zu sehen, so bedurfte es nicht der Prüfung, ob der Kläger einer allgemein wirkenden typischen Gefahr am Ort des Reiseaufenthalts erlegen ist (vgl. RVA EuM Bd. 5, 171). Hierauf wäre es nur dann angekommen, wenn es an einer inneren Beziehung zwischen dem unfallbringenden Weg und der versicherten Tätigkeit gefehlt hätte. Deshalb ist es ohne Bedeutung, daß die Treppe - wie festgestellt ist - keine Mängel aufwies und der Kläger - wie die Beklagte behauptet - schon des öfteren im Gasthof "…" übernachtet haben mag.
Wie das LSG weiterhin zutreffend ausgeführt hat, entfällt ein Arbeitsunfall nicht deshalb, weil nach den getroffenen Feststellungen die besondere Verhaltensweise des Klägers beim Begehen der Treppe zu dem Unfall und dem Ausmaß seiner Folgen beigetragen hat. War das Begehen der Treppe, wie oben dargelegt wurde, der Durchführung der Dienstfahrt, also einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen, so hatte sich der Kläger nicht durch das gleichzeitige Spielen mit dem Schlüssel von dieser Tätigkeit gelöst (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 29. Mai 1962 - 2 RU 113/60 -); er ist vielmehr während der Ausübung dieser Tätigkeit verunglückt. Allerdings ist der Unfall sowohl auf das Begehen der Treppe als auch auf sein Spielen zurückzuführen. Bei dieser Sachlage würde der Versicherungsschutz nur dann entfallen, wenn das Begehen der Treppe gegenüber dem Spielen so sehr in den Hintergrund träte, daß das Spielen die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls wäre. Eine so überragende Bedeutung hat das LSG der, wenn auch als unvorsichtig zu bezeichnenden Verhaltensweise des Klägers jedoch mit Recht nicht beigemessen. Man kann es im Unterschied zu dem in SozR RVO § 542 Bl. Aa 49 Nr. 53 beurteilten Sachverhalt nicht als in hohem Maße gefahrbringend und vernunftswidrig bezeichnen, wenn jemand beim Begehen einer in Ordnung befindlichen Treppe einen Schlüssel - wie es der Kläger getan hat - hochwirft, um ihn alsdann wieder aufzufangen. Der hier zu entscheidende Streitfall liegt auch anders als der von der Revision angeführte, vom erkennenden Senat am 30. Juli 1958 entschiedene Fall - 2 RU 119/57 -. In jenem Falle war es zu einem Unfall ausschließlich dadurch gekommen, daß ein Café-Gast sich aus Übermut tänzerisch betätigt hatte. Demgegenüber hat der Kläger nicht schlechthin gespielt, sondern das - unter Versicherungsschutz stehende - Begehen der Treppe mit einem spielerischen Verhalten verbunden. Eine Stütze für die Auffassung der Revision ist auch nicht, wie sie meint, in der Rechtsprechung des Senats zum Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluß (vgl. z. B. BSG 12, 242) zu sehen. Der Alkoholgenuß eines Kraftfahrers fällt - neben dem an sich versicherten Fahren - als Mitursache eines Verkehrsunfalls weit schwerer ins Gewicht als die hier zu beurteilende unvorsichtige Verhaltensweise des Klägers beim Begehen der Treppe.
Das LSG hat daher mit Recht die Beklagte als entschädigungspflichtig angesehen und demgemäß ihre Berufung gegen das vom SG erlassene Grundurteil als unbegründet zurückgewiesen.
Die AOK ist nicht, wie die Vorinstanzen angenommen haben, als Beigeladene, sondern als Klägerin am Verfahren beteiligt. Sie hat mit ihrem Schriftsatz vom 5. März 1957 - beim SG Nürnberg eingegangen am 6. März 1957 - wirksam Klage erhoben mit dem Antrag, den Unfall des Klägers zu 1) vom 12. Januar 1956 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen. Ob diese Klageschrift noch innerhalb der Monatsfrist des § 87 SGG eingegangen ist, bedurfte nicht der Prüfung, weil für den Fall, daß dies nicht zutreffen sollte, die Klagefrist auch für die AOK durch die rechtzeitige Klageerhebung des Verletzten gewahrt ist. Dies folgt aus § 74 SGG in Verbindung mit § 62 Abs. 1 ZPO, wonach bei der notwendigem Streitgenossenschaft, wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenossen versäumt wird, die säumigen Streitgenossen als durch die nicht säumigen vertreten angesehen werden. Ein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft liegt hier vor, weil die AOK mit ihrer Klage vom 5. März 1957, ebenso wie der Kläger zu 1), dessen Entschädigungsanspruch verfolgt hat und infolgedessen das streitige Rechtsverhältnis beiden Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden konnte (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 28. Februar 1962 - 2 RU 231/59 - BSG 16, 240, 243). Daß mit der Klage der AOK nicht etwa ein Ersatzanspruch auf Grund des § 1509 Abs. 1 RVO, sondern der Entschädigungsanspruch des Verletzten geltend gemacht worden ist (§ 1511 RVO), lassen die Fassung des Klageantrags und dessen Begründung eindeutig erkennen. Dies ergibt sich auch daraus, daß in der Klageschrift auf § 54 Abs. 1, 2 und 4 SGG, nicht aber auf Abs. 5 dieser Vorschrift Bezug genommen ist. Da die AOK somit im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 13. März 1957 bereits als Klägerin am Verfahren beteiligt war, war für eine Beiladung kein Raum mehr; diese prozessuale Maßnahme des SG war gegenstandslos, jedenfalls berührte sie die Stellung der AOK als Klägerin nicht. Im Verhandlungstermin vom 13. März 1957 hat die AOK ihren Klagantrag allerdings geändert. Sie hat die Klage jedoch nicht zurückgenommen, sondern sie insoweit aufrechterhalten, als sie Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 27. Juni 1936 begehrt hat. In dem zusätzlich gestellten Antrag auf Aufwendungsersatz ist eine Klagerweiterung zu sehen. Gegen die Zulässigkeit dieser Änderung bestehen keine Bedenken, weil die Beklagte sich, ohne zu widersprechen, in der mündlichen Verhandlung vom 13. März 1957 hierauf eingelassen hat (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG). Die sachliche Berechtigung des Anspruchs auf Aufwendungsersatz haben die Vorinstanzen mit Recht aus §§ 1509 Abs. 1, 1505 bis 1508 RVO hergeleitet. Hiergegen hat die Beklagte auch keine Einwendungen erhoben. Sie hat lediglich gerügt, sie hätte zum Aufwendungsersatz nicht verurteilt werden dürfen, weil ein dahingehender Antrag nicht gestellt worden sei. Diese Rüge ist jedoch nicht gerechtfertigt; denn ausweislich der Verhandlungsniederschrift vom 13. März 1957 und des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils hat die Klägerin zu 2) einen solchen Antrag gestellt. § 123 SGG ist daher nicht verletzt.
Die Revision der Beklagten ist hiernach in vollem Umfang unbegründet und mußte zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten ergeht in Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Fundstellen