Leitsatz (amtlich)

Hat bei der Entstehung eines Unfalls außer der auf Alkoholgenuß beruhenden Verkehrsuntüchtigkeit eines Verkehrsteilnehmers ein betriebsbedingter Umstand mitgewirkt, der als wesentliche Teilursache zu werten ist, so ist für die Frage, ob der Unfall hätte vermieden werden können, wenn der Verunglückte nicht unter Alkoholeinfluß gestanden hätte (Vergleiche BSG 1960-06-30 2 RU 86/56 = BSG 12, 242-247, 245-246), kein Raum.

 

Normenkette

RVO § 543 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1942-03-09

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25 . September 1961 wird zurückgewiesen .

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten .

Von Rechts wegen .

 

Gründe

I

Der im Jahre 1893 geborene Ehemann der Klägerin , der Brauereiarbeiter H ... G ... (G . ) , erlag den Folgen eines Verkehrsunfalles , der ihm am 10 . März 1954 in der Stadt O... kurz nach 17 Uhr auf dem Heimweg von der Arbeit zustieß . Er hatte den Weg auf dem Fahrrad angetreten , war aber vor dem Überqueren einer 9 m breiten Umgehungsstraße abgestiegen und schob das Rad über die Straße neben sich her . Auf der Mitte der Straße erfaßte ihn ein von dem Kaufmann B ... (Br . ) gesteuerter Personenkraftwagen , der von rechts mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/st ankam , und verletzte ihn so schwer , daß er auf dem Transport zum Krankenhaus starb . G . hatte an diesem Tage in gewohnter Weise sein Deputatbier und aus Anlaß eines kameradschaftlichen Umtrunks Schnaps genossen . Das Leichenblut des G . wies nach der Auswertung im Landes-Hygiene-Institut O ... einen Blutalkoholwert von 2 , 34 ‰ auf .

Durch Urteil der Strafkammer des Landgerichts Oldenburg wurde Br . wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 500 , - DM anstelle eines Monates Gefängnis verurteilt . In diesem Urteil ist im wesentlichen ausgeführt: An dem Unfall seien beide Verkehrsteilnehmer , G . und Br . schuld . G . sei zwar völlig sicher und normal gegangen , habe aber die Straße , ohne nach rechts und links zu blicken , überquert und sei trotz des Hupsignals , das Br . in 30 bis 35 m Entfernung von ihm gegeben habe , nicht stehengeblieben . Br . habe infolge Unaufmerksamkeit G . nicht rechtzeitig gesehen und seine Fahrweise nicht auf das verkehrswidrige Verhalten des G . eingerichtet; sonst wäre es ihm möglich gewesen , anzuhalten oder an G . vorbeizufahren .

Die Beklagte lehnte die Hinterbliebenenansprüche durch Bescheid vom 4 . Februar 1955 mit der Begründung ab , der Ehemann der Klägerin sei infolge Alkoholbeeinflussung nicht mehr fähig gewesen , sich im Straßenverkehr als Fußgänger mit einem an der Hand geführten Fahrrad sicher zu bewegen , und habe sich deshalb durch Trunkenheit im Zeitpunkt des Unfalls vom Betrieb gelöst gehabt .

Die Klage hiergegen blieb zunächst erfolglos . Im Verfahren vor dem Sozialgericht Oldenburg wurde die dortige Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) beigeladen .

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen wies die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 5 . November 1957 zurück . Es war von der damaligen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hinsichtlich der Frage des Versicherungsschutzes bei Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern infolge Alkoholbeeinflussung ausgegangen (BSG 3 , 116) und hatte angenommen , daß G . bei einem von nicht unternehmensbedingten Deputatbiergenuß herrührenden Blutalkoholgehalt von 2 , 34 ‰ als Fußgänger verkehrsuntüchtig gewesen sei und dadurch den ursächlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Betriebsarbeit verloren habe . Dieses Urteil ist unter Bestätigung der Auffassung , daß die auf den Genuß des Deputatbiers zurückzuführende Alkoholwirkung nicht als unternehmensbedingt anzusehen sei , wegen Änderung des Rechtsstandpunkts hinsichtlich der Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit bei Alkoholbeeinflussung des Versicherten (BSG 12 , 242; 13 , 9) durch Urteil des BSG vom 21 . September 1960 aufgehoben worden .

Das LSG , an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde , hat daraufhin durch Einholung einer Auskunft des Wetteramtes Bremen , durch eine Augenscheinseinnahme an der Unfallstelle und die Vernehmung der bereits im Strafverfahren gegen den Kraftwagenfahrer Br . gehörten Unfallzeugen sowie durch die Anhörung eines Kraftfahrzeugsachverständigen den Sachverhalt weiter geklärt . Durch Urteil vom 25 . September 1961 hat es die Beklagte verurteilt , der Klägerin Sterbegeld und Hinterbliebenenbezüge zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es sich zunächst mit der Rechtsauffassung des zurückverweisenden Urteils auseinandergesetzt; es hat sie dahin verstanden , daß die auf Alkoholbeeinflussung beruhende Verkehrsuntüchtigkeit den Versicherungsschutz nicht ausschließen könne , wenn außer ihr bei der Entstehung eines Unfalls ein betriebsbedingter Umstand mitgewirkt habe , dem an sich die Bedeutung einer wesentlichen Ursache zukomme . Es hat hierzu ausgeführt: In einem solchen Falle bedürfe es nicht der Feststellung , ob der Verunglückte unter Alkoholeinfluß stand und ob ihm der Unfall im Zustande der Nüchternheit nicht zugestoßen wäre . Wenn zwei oder mehrere Ereignisse als gleichwertige wesentliche Ursachen für einen Unfall vorhanden seien , könne keine dieser Ursachen die rechtliche Bedeutung der anderen als die wesentliche Mitursache aufheben; deshalb sei der Vergleich mit einem nüchternen Verkehrsteilnehmer nur dann tauglich , wenn als wesentliche Ursache des Unfalls allein die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit in Betracht komme und die unternehmensbedingten Umstände von ihr völlig in den Hintergrund gedrängt würden .

Bei der Beurteilung der Frage , ob die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit des G . die allein rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls gewesen ist oder ob noch andere wesentliche Mitursachen den Unfall herbeigeführt haben , ist das LSG von folgendem , für erwiesen erachteten Sachverhalt ausgegangen: G . habe die Umgehungsstraße bei trockenem und hellem Wetter . mit nach vorn gebeugtem Kopf , ohne nach links und rechts zu sehen , in normalem Fußgängertempo , auf gerader Spur , mit sicherem Gang beschritten . Auf der Mitte der Fahrbahn habe sich ihm der mit 40 bis 50 km/st von rechts kommende Personenkraftwagen genähert . Auf ein Hupsignal des Kraftwagenfahrers , das erst etwa 5 m vor G . gegeben worden sei , habe dieser erschreckt aufgeblickt; unmittelbar danach sei er angefahren und von dem Kraftwagen , dessen Bremsvorrichtung nicht in Ordnung gewesen sei , auf die Straße geschleudert worden . Bei diesem Sachverhalt sei der Zusammenstoß durch zwei mitwirkende Ursachen herbeigeführt worden , die beide ausschließlich im Verhalten der am Unfall beteiligten Verkehrsteilnehmer G . und Br . gelegen hätten und sich als gleichwertige Mitursachen gegenüberständen; durch ihr Zusammenwirken sei es zu dem Schaden gekommen . Daher seien die beiden Mitursachen für das Zustandekommen des Unfalls als wesentlich anzusehen . Das habe zur Folge , daß nicht nur zu prüfen sei , ob G . im Zustande der Nüchternheit nicht verunglückt wäre; es sei ohne weiteres ausgeschlossen , daß die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit des G . die allein rechtlich wesentliche Ursache seines Unfalls gewesen sei .

Das LSG hat die Revision zugelassen , weil es durch die "Auslegung der Rechtsprechung des BSG evtl von einer Entscheidung dieses Gerichts abgewichen" sei .

Das Urteil ist der Beklagten am 27. November 1961 zugestellt worden . Sie hat am 19 . Oktober 1961 Revision eingelegt und diese gleichzeitig sowie mit weiteren Schriftsätzen vom 12 . Dezember 1961 und 17 . Januar 1962 innerhalb der bis zum 27 . Februar 1962 verlängerten Frist zur Begründung der Revision begründet . Die Revision hält die Auffassung des LSG für unrichtig , daß es im vorliegenden Streitfalle auf die Prüfung , ob ein nicht unter Alkoholeinfluß stehender Verkehrsteilnehmer bei gleicher Sachlage wahrscheinlich auch verunglückt wäre , nicht ankomme . Sie meint , diese Frage müsse in jedem Falle zuerst gestellt und entschieden werden , um feststellen zu können , ob die unternehmensbedingten Umstände noch eine rechtlich bedeutsame Rolle für die Zusammenhangsfrage spielen; denn hiervon hänge es ab , ob die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit die allein rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls gewesen ist . Im vorliegenden Falle müsse festgestellt werden , daß sich der mit 2 , 34 ‰ Blutalkoholkonzentration belastete G . deshalb in der verhängnisvollen Weise verkehrswidrig verhalten habe , weil er in so starkem Maße angetrunken gewesen sei; ein nüchterner Verkehrsteilnehmer hätte bei dem gleichen Geschehensablauf den Kraftwagen vor sich vorbeifahren lassen und wäre nicht wie G . in dessen Fahrbahn hineingelaufen . Das LSG habe der alkoholbedingten Verkehrsuntüchtigkeit des G . nicht die dem Interesse der Allgemeinheit an der Vermeidung von Gefahren im Straßenverkehr entsprechende Bedeutung beigemessen . Weitere Revisionsangriffe richten sich gegen einzelne tatsächliche Feststellungen mit der Behauptung , diese seien fehlerhaft zustande gekommen und hätten zu unrichtigen Schlußfolgerungen in der Frage der ursächlichen Bedeutung der Alkoholbeeinflussung des G . für die Entstehung des Unfalls geführt .

Die Beklagte beantragt ,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen ,

hilfsweise ,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen .

Die Klägerin beantragt ,

die Revision zurückzuweisen.

Sie pflichtet den Ausführungen des angefochtenen Urteils bei.

Die beigeladene AOK schließt sich dem Antrag der Klägerin an.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Senat hat von dieser Entscheidungsmöglichkeit Gebrauch gemacht (§ 124 Abs . 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) .

II

Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs . 1 Nr . 1 SGG); sie ist in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden . Das Rechtsmittel ist somit zulässig; es hatte aber keinen Erfolg.

Die Auffassung des LSG , der Ehemann der Klägerin habe im Zeitpunkt seines Unfalls , dem er auf dem Heimweg von der Arbeitsstätte erlegen ist , unter Versicherungsschutz gestanden , ist frei von Rechtsirrtum . Obwohl der Verunglückte G . nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils infolge Alkoholgenusses bei einem Blutalkoholgehalt von 2 , 34 ‰ im Straßenverkehr auch als Fußgänger verkehrsuntüchtig war , hat das LSG den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis des G . und der versicherten Zurücklegung seines Heimweges zu Recht bejaht. Es ist bei der Beurteilung dieses Ursachenzusammenhangs , der durch den Alkoholgenuß hätte in Frage gestellt sein können , von dem für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) geltenden Begriff der wesentlich mitwirkenden Verursachung ausgegangen (vgl . BSG 1 , 256; 3 , 246; MDR 1958 , 281) und hat dabei die Rechtsprechung des BSG zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs bei Unfällen , die durch alkoholbedingtes Verhalten des Versicherten mit herbeigeführt worden sind , berücksichtigt (BSG 12 , 242; 13 , 9) . Nach den vom BSG hierzu entwickelten Grundsätzen verliert ein Verkehrsteilnehmer den Versicherungsschutz nicht ohne weiteres dadurch , daß er infolge Alkoholeinwirkung , die mit seinem Unternehmen oder seiner versicherten Tätigkeit nicht zusammenhängt , verkehrsuntüchtig ist . Nur wenn die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit für den Eintritt des Unfalls die einzige rechtlich erhebliche Ursache im Sinne der im Recht der UV herrschenden Kausallehre gewesen ist , fehlt der als Voraussetzung für die Entschädigung aus der gesetzlichen UV erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis . Das LSG hat hiernach zu Recht angenommen , daß alkoholbedingtes Verhalten des Versicherten den Schutz der gesetzlichen UV nicht ausschließe , wenn bei dem Zustandekommen des Unfalls ein betriebsbedingter Umstand als wesentliche Teilursache mitgewirkt hat . Soweit es diesen Grundsatz jedoch dahin versteht , daß bei Vorhandensein einer solchen Ursache von vornherein die Frage gegenstandslos sei , ob der Verunglückte unter Alkoholeinfluß gestanden hat , verkennt das LSG die Bedeutung des Alkoholeinflusses für die Bewertung eines betriebsbedingten Umstandes als rechtlich wesentliche Mitursache des Unfalls . Die Prüfung , ob ein Tatumstand , der neben der Alkoholbeeinflussung als mitwirkende Ursache des Unfalls in Betracht kommt , für das Zustandekommen des Unfalls rechtlich wesentlich ist , setzt eine vergleichende Wertung der Unfallursachen voraus . Die einzelnen Ursachen müssen gegeneinander abgewogen werden; denn nur so läßt sich beurteilen , ob und in welchem Umfange sie für das Zustandekommen des Unfalls rechtliche Bedeutung haben . Ein betriebsbedingter Umstand kann nicht als wesentliche Mitursache des Unfalls gewertet werden , wenn hierbei die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit des Verunglückten außer Betracht gelassen ist . Ein solcher Umstand - etwa das Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmern oder die verkehrsgefährdende Beschaffenheit des Unfallortes - , ohne den der Unfall nicht eingetreten wäre , kann durch die Auswirkung der alkoholbedingten Verkehrsuntüchtigkeit des Verunglückten bis zur rechtlichen Bedeutungslosigkeit zurückgedrängt werden . Dies zu erkennen , braucht freilich nicht in jedem Falle das Ergebnis eines umständlichen Wertungsvorganges zu sein . Vielmehr kann sich das Unfallgeschehen dem Beurteiler auf den ersten Blick , namentlich wenn der Verunglückte bei verhältnismäßig geringem Ausmaß seines Alkoholgenusses ohne jedes eigene Zutun das Opfer eines ihn gefährdenden anderen Verkehrsteilnehmers geworden ist , so eindeutig darstellen , daß sich der mit der Zurücklegung des Weges verbundene und daher betriebsbedingte Umstand ohne weiteres als die beherrschende Unfallursache kennzeichnet .

Die hiernach nicht ganz zutreffende Auffassung des LSG , die es aus Anlaß der Entscheidung der Verursachungsfrage bei Unfällen durch Alkoholeinwirkung des Versicherten allgemein vertreten hat , ist auf die Beurteilung des vorliegenden Streitfalles indessen ohne Einfluß geblieben . In dem angefochtenen Urteil sind unter Beachtung der vorstehend dargelegten Grundsätze die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit des Verunglückten G . und die sonstigen Unfallursachen , insbesondere die Fahrweise des Kraftwagenfahrers Br . eingehend gegeneinander abgewogen worden . Das LSG ist dabei auf Grund des von ihm als erwiesen angesehenen Sachverhalts mit Recht zu dem Ergebnis gelangt , daß durch das Verhalten beider Verkehrsteilnehmer im Unfallzeitpunkt gleichwertige Unfallursachen gesetzt worden seien. Daran ändert nichts , daß die tatsächlichen Feststellungen , welcher dieser Schlußfolgerung zugrunde liegen , zum Teil von der Revision angegriffen worden sind. Es kann unerörtert bleiben , ob die Revisionsrügen , mit denen die Beklagte die Beseitigung der Bindungswirkung der nach ihrer Auffassung verfahrensrechtlich nicht ordnungsmäßig zustande gekommenen Feststellungen erstrebt (§ 163 SGG) , berechtigt sind . Die von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen allein rechtfertigen die Annahme , daß G . den Versicherungsschutz im Zeitpunkt seines tödlichen Unfalls nicht verloren hatte. Auf Grund dieser Feststellungen stellt sich das Unfallgeschehen wie folgt dar: G . achtete beim Überqueren einer 9 m breiten Umgehungsstraße nicht auf andere Straßenbenutzer , blieb auch nicht stehen , als er nach einem Hupsignal des mit 40 bis 50 km/st herankommenden Kraftwagens auf die ihm drohende Gefahr aufmerksam wurde , und geriet deshalb in die Fahrbahn des Kraftwagens . Der Kraftwagenfahrer Br . unterließ es trotz verkehrsfreier und übersichtlicher Straße , auf das verkehrswidrige Verhalten des sich seiner Fahrbahn nähernden Fußgängers G . Rücksicht zu nehmen; er fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit auf G . zu , obwohl er dessen Wegrichtung aus einer Entfernung von 55 bis 70 m erkennen und an G . rechts wie auch links vorbeifahren konnte . Bei diesem Sachverhalt trifft die Auffassung des LSG , die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit des G . schließe den Versicherungsschutz nicht aus , zu . Das Revisionsvorbringen zwingt nicht zu der Schlußfolgerung , die durch die Fahrweise des Kraftwagenfahrers geschaffene Verkehrsgefahr , der G . auf seinem versicherten Heimweg erlegen ist , falle als unternehmensbedingter Umstand gegenüber der alkoholbedingten Verkehrsuntüchtigkeit des Verunglückten bei der Beurteilung der streitigen Verursachungsfrage rechtlich nicht ins Gewicht und müsse deshalb als rechtlich nicht wesentliche Mitursache unberücksichtigt bleiben . Dabei ist , obwohl das Ausmaß der Alkoholeinwirkung bei der Abwägung der Unfallursachen eine Rolle spielt , nicht ausschlaggebend , daß G . bei einem Blutalkoholgehalt von 2 , 34 ‰, wie das LSG festgestellt hat , den Unfall mindestens im gleichen Maße wie der Kraftwagenfahrer durch verkehrswidriges Verhalten verursacht hat . Seine auf den Alkoholgenuß zurückzuführende Verkehrsuntüchtigkeit ist daher vom LSG ohne Rechtsirrtum nicht als die allein rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls angesehen worden .

Hierbei hat das LSG mit Recht nicht geprüft , ob G . auch verunglückt wäre , wenn er nicht unter Alkoholeinfluß gestanden hätte . Dazu bestand nach Lage des vorliegenden Streitfalles auch unter Berücksichtigung des oben angeführten Urteils in BSG 12 , 242 ff ., hier 245 u . 246 , kein Anlaß . In dieser Entscheidung ist zwar ausgeführt , daß die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit (= Verkehrsuntüchtigkeit) gegenüber den unternehmensbedingten Umständen als rechtlich allein wesentliche Ursache zu werten sei , wenn nach der Erfahrung des täglichen Lebens davon auszugehen ist , daß ein nicht unter Alkoholeinfluß stehender Verkehrsteilnehmer bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre . Dieser Hinweis auf den Vergleich mit einem nüchternen Verkehrsteilnehmer - bei dem es sich , wie das BSG auch schon ausgesprochen hat (Urteil vom 16 . August 1960 - 2 RU 119/58 -) , nur um den von dem zu beurteilenden Unfall betroffenen Verunglückten handeln kann - ist jedoch aus der Sicht des Falles zu verstehen , der damals zu entscheiden war . Der Verunglückte , ein mit 1 , 36 ‰ Blutalkoholgehalt unter Alkoholeinfluß stehender Kraftradfahrer , fuhr einem entgegenkommenden Kraftradfahrer in voller Fahrt in die Seite , und zwar möglicherweise deshalb , weil ein auf seinem Kraftrad mitgeführter Koffer plötzliche die Lenkung blockierte . Bei einem in dieser Weise gekennzeichneten Unfallhergang hat das BSG die Erwägung für dienlich gehalten , ob zur Klärung der Unfallursache die Beantwortung der Frage helfen kann , wie sich die durch das Kofferhindernis aufgetretene Störung in der Führung des Kraftrades ausgewirkt hätte , wenn der Fahrer nüchtern gewesen wäre . Von Fällen dieser Art unterscheidet sich aber gerade der Unfallhergang , dem G . zum Opfer gefallen ist . Hier sind anteilige Ursachen als erwiesen angesehen worden , und es bedurfte nur der Abwägung , ob die unfallbedingte Verkehrsuntüchtigkeit des G . gegenüber der Fahrweise des Br . als die rechtlich allein wesentliche Ursache zu werten ist . Das LSG hat in diesem Punkte somit entgegen der Ansicht der Revision die angeführte grundlegende Entscheidung des BSG richtig verstanden .

Nach alledem stand G . auch im Zeitpunkt seines tödlichen Unfalls unter Versicherungsschutz nach § 543 Abs . 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung . Die Beklagte ist daher zur Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung an die Klägerin verpflichtet . Die Revision ist somit als unbegründet zurückzuweisen .

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .

 

Fundstellen

BSGE, 101

NJW 1963, 683

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