Leitsatz (amtlich)

1. Eine während der Kriegsgefangenschaft durch ein Besatzungsgericht nach dem Kontrollratsgesetz Nr 10 ausgesprochene und vollstreckte Todesstrafe wegen vor der Kriegsgefangenschaft begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist in der Regel keine durch die Kriegsgefangenschaft herbeigeführten Schädigung iS des BVG § 1 Abs 2 Buchst b, weil die Kriegsgefangenschaft im Vergleich zu den übrigen zur Hinrichtung führenden Umständen nicht als rechtlich wesentliche Bedingung für den Tod anzusehen ist.

2. Die vollstreckte Todesstrafe kann eine Schädigungsfolge iS des BVG § 5 Abs 1 Buchst d darstellen, wenn sie wegen der Härte des Besatzungsrechts dem Unrechtsgehalt der Straftat nach deutschem Strafrecht in erheblichem Maß nicht entsprochen hat und unter Würdigung aller wesentlichen Umstände ein offensichtliches Unrecht darstellt. Das gleiche gilt, wenn das Besatzungsgericht die Verteidigung des Angeklagten in unangemessener Weise beschränkt und wenn aus diesem Grunde oder wegen der feindlichen Einstellung des Gerichts zugunsten des Angeklagten sprechende wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben sind (Fortführung BSG 1962-02-14 11 RV 400/59 = BSGE 16, 182 und BSG 1961-09-28 7/9 RV 594/58 = unveröffentlicht).

 

Leitsatz (redaktionell)

Die auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr 10 ergangenen Urteile der Gerichte der Besatzungsmacht wegen Kriegsverbrechen binden die deutschen Gerichte nicht.

Zur Frage der "besonderen Gefahr" iS des BVG § 5 Abs 1 Buchst d bei einer 1947/48 erfolgten Strafmaßnahme alliierter Militärgerichte.

 

Normenkette

BVG § 1 Abs. 2 Buchst. b Fassung: 1950-12-20, § 5 Abs. 1 Buchst. d Fassung: 1953-08-07

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Februar 1957 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

A P (P.), der Ehemann und Vater der Kläger, Volksdeutscher aus Jugoslawien, wurde im zweiten Weltkrieg zur Waffen-SS einberufen und im Arbeitslager der Waffen-SS (KZ-Lager) R verwendet. In dem später nach Vaihingen/Enz verlegten Lager war er zweiter Koch. Bei Kriegsende geriet er in D in amerikanische Gefangenschaft. Hier wurde er von ehemaligen Lagerinsassen erkannt, den französischen Streitkräften übergeben und als Kriegsverbrecher beim Oberen Gericht der Militärregierung der französischen Besatzungszone in Deutschland angeklagt. Es wurde ihm vorgeworfen, er habe zusammen mit dem ersten Koch im Lager V Häftlinge, die um die Küche herumschlichen oder versuchten, sich Küchenabfälle zu holen, mit einem Ochsenziemer geschlagen, und zwar im allgemeinen solange, bis Blut geflossen sei. Mehrere von ihnen seien danach im Revier verstorben. Ein weiterer Häftling, dem die Köche 9 Liter Suppe, 2 Kilogramm Fleisch und 1 Kilogramm Salz strafweise hineingestopft hätten, sei einige Stunden danach im Revier verstorben. "Neben vielen anderen Mordtaten" wurden die Köche des Mordes an einem Professor der Universität W und an einem Russen namens K beschuldigt. Die Anklage stützte sich auf die §§ 211, 212, 226, 227 und 242 des Deutschen Strafgesetzbuches sowie auf § 1 des Kontrollratsgesetzes Nr. 10. Das Tribunal Général der Militärregierung der französischen Besatzungszone in Deutschland sprach P. mit Urteil vom 21. November 1947 der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 2 des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 schuldig und verurteilte ihn zum Tode. Zur Begründung wurde ausgeführt, er habe gegenüber der Verschleppten die gleichen Methoden angewandt, wie der erste Koch und sei mitverantwortlich für die Hungersnot im Lager V, er habe fast täglich Häftlinge mit großer Brutalität geschlagen, an Folterungen teilgenommen, von sich aus sehr viele Häftlinge gefoltert, Gewalttätigkeiten gegen Personen namens K, J und M verübt, an deren Folgen sie verstorben seien und Mißhandlungen - Schläge, Erhängungen, Besprengungen mit Eiswasser, Einführung eines großen Knochens in den Mund eines Verschleppten, Eintauchen des Kopfes eines anderen in einen Kessel mit kochendem Wasser usw. - vorgenommen.

Das Urteil wurde im Revisionsverfahren von dem Obersten Gericht der Militärregierung der französischen Besatzungszone in Deutschland (vereinigte Kammern) durch Urteil vom 15. Dezember 1947 bestätigt, da P. an den Machenschaften des ersten Kochs teilgenommen, außerdem von sich aus zahlreiche Häftlinge geschlagen und den Tod einer gewissen Anzahl von ihnen verursacht habe. Der Wiederaufnahmeantrag enthalte die einfache Ableugnung der dem Angeklagten vorgeworfenen Tatbestände und verlange die Anhörung von Entlastungszeugen. Den Versicherungen des Angeklagten, denen sämtliche Zeugenaussagen der Häftlinge entgegenständen, könne man kein Gewicht beimessen. Die Entlastungszeugen seien nicht imstande gewesen, die Verantwortlichkeit des Angeklagten aus der Welt zu schaffen, der die Todesstrafe schon durch einen Teil seiner Handlungen verdient habe. Die Richter des ersten Verfahrens hätten seine Handlungen genau abgewogen und mit Recht die Höchststrafe verhängt.

Die an den Oberbefehlshaber der französischen Besatzungszone in Deutschland gerichteten Gnadengesuche der Verteidigung und der Klägerin zu 1) sowie der Antrag, den Zeugen F zu vernehmen, wurden abgelehnt. Das Urteil wurde am 14. Februar 1948 durch Erschießen vollstreckt.

Im Februar 1951 beantragten die Kläger Hinterbliebenenversorgung. Das Versorgungsamt (VersorgA) holte beim Verteidiger des P. eine auszugsweise Abschrift des Urteils vom 21. November 1947 ein und lehnte durch Bescheid vom 22. Oktober 1951 den Versorgungsantrag mit der Begründung ab, der Verstorbene sei nicht Angehöriger der Waffen-SS, sondern wahrscheinlich eines Totenkopfverbandes gewesen, habe daher keinen Wehrdienst nach deutschem Wehrrecht geleistet und zähle deshalb nicht zu dem vom Bundesversorgungsgesetz (BVG) geschützten Personenkreis. Sein Tod stehe auch nicht in Zusammenhang mit einem Tatbestand im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG, weil er wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden sei.

Mit der Berufung zum Oberversicherungsamt (OVA) machten die Kläger geltend, der Verstorbene habe der Waffen-SS angehört. Sein Tod sei sowohl nach § 1 Abs. 2 Buchst. d als auch nach § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG ein Versorgungstatbestand. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. G, erklärte, in beiden Instanzen des militärgerichtlichen Verfahrens sei nur den Aussagen der Belastungszeugen Bedeutung beigemessen worden. Während der Verhandlung hätten zahlreiche französische Zeitungen mit tendenziösem Inhalt auf dem Richtertisch ausgebreitet gelegen. Das Gericht sei offenbar mehr der Stimme der französischen Öffentlichkeit als dem objektiven Rechtsempfinden gefolgt. Das Revisionsverfahren habe hinter verschlossenen Türen stattgefunden. Die Kläger legten die Anklageschrift aus dem Verfahren vor dem Militärgericht, die Aufzeichnungen des Angeklagten während der Verhandlung, Auszüge aus den Urteilen des Militärgerichts erster und zweiter Instanz, die Korrespondenz des Verteidigers mit dem Angeklagten, seinen Angehörigen und der Landsmannschaft der Deutschen aus Jugoslawien, eine eidesstattliche Erklärung der Klägerin zu 1) sowie Abschrift ihres Briefes an den von den Militärgerichten nicht gehörten angeblichen Entlastungszeugen F, den Abschiedsbrief des Ehemannes und Vaters der Kläger, die Erklärungen der Zeugen Dr. A, D, P und B vor. In einem an die vorerwähnte Landsmannschaft gerichteten Schreiben des Verteidigers des P., hat dieser angegeben, daß weder dem norwegischen Arzt des Lagers Dr. P, der Chef der Häftlingsärzte war, noch einem ebenfalls vernommenen französischen Priester, noch einem belgischen Arzt von zu Tode geprügelten Häftlingen etwas bekannt gewesen sei. Das OVA wies die Berufung durch Urteil vom 25. März 1953 zurück. Der Wachdienst in einem Konzentrationslager, in dem sich Zivilpersonen befanden, sei weder militärischer noch militärähnlicher Dienst gewesen. Die Verurteilung durch ein Militärgericht der Besatzungsmächte falle nicht unter § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG, der sich nur auf das Vorgehen deutscher Dienststellen beziehe. § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG sei nicht anwendbar, da nach Satz 2 Nr. 5 der Verwaltungsvorschriften zu § 5 BVG durch eine Maßnahme der Alliierten kein Versorgungsanspruch ausgelöst werde, wenn die Maßnahme durch strafbare Handlungen des Betroffenen verursacht worden sei, die nach den im Bundesgebiet geltenden Gesetzen als Verbrechen oder Vergehen zu einer Freiheitsstrafe geführt hätten.

Der beim Landesversicherungsamt Württemberg-Baden eingelegte Rekurs der Kläger ging bei Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Berufung auf das Landessozialgericht (LSG) über. Die Kläger beantragten, auf Grund der Vorschriften der §§ 1 Abs. 2 Buchst. d und 5 Abs. 1 Buchst. d BVG den Tod ihres Ehemannes und Vaters als Schädigungsfolge anzuerkennen und ihnen Hinterbliebenenrente vom Tage der Erschießung an, mindestens ab 1. Februar 1951 zuzusprechen. Das LSG hörte den ehemaligen Mitangeklagten Szegedi und den Verteidiger im militärgerichtlichen Verfahren, Rechtsanwalt Dr. G. Von der Vernehmung des ehemaligen Lagerarztes Dr. P (Norwegen) und des Vertrauensmannes der Häftlinge F (Kanada) wurde abgesehen, da Dr. P dem LSG mitteilte, er verweise auf das, was vor dem Gericht in Rastatt zu Tage getreten sei - darüber hinaus könne er sich an spezielle Daten nicht mehr erinnern - und da die Anfrage an den Zeugen F trotz nachgewiesener Zustellung unbeantwortet blieb. Das LSG wies mit Urteil vom 7. Februar 1957 die Berufung zurück und ließ die Revision zu. Daß P. Angehöriger der Waffen-SS gewesen sei, sei nicht mehr streitig. Eine Schädigung durch militärischen oder militärähnlichen Dienst (§ 1 Abs. 1 BVG) sei seine Hinrichtung indes nicht gewesen, denn sie habe auf dem Urteil der französischen Besatzungsmacht beruht. Die Bewachung von Zivilpersonen durch Angehörige der Waffen-SS sei auch kein militärischer Dienst, sondern eine politische Aufgabe gewesen und die Handlungen, die zur Verurteilung und Hinrichtung geführt hätten, seien nicht wegen, sondern nur während des Dienstes vorgenommen worden. Auch § 1 Abs. 2 BVG ergebe keinen Versorgungsschutz der Kläger. Der Verstorbene sei nämlich nicht im Sinne des unter Buchst. c aufgeführten Tatbestandes interniert worden und es habe sich bei seiner Hinrichtung auch nicht um eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme deutschen Stellen (Buchst. d) gehandelt. Kriegsgefangenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG werde zwar vom Senat unterstellt; ob diese mit der Verurteilung als Kriegsverbrecher beendet worden sei, bleibe dahingestellt, da die Hinrichtung jedenfalls nicht durch die Kriegsgefangenschaft, sondern unabhängig davon durch das Urteil des französischen Militärgerichts herbeigeführt worden sei. Schließlich sei auch § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG nicht anwendbar. Unter militärischer Besetzung im Sinne dieser Vorschrift könne nur der Vorgang der Besitznahme deutschen Gebiets durch das Militär der Besatzungsmächte, nicht aber auch der durch die Besetzung geschaffene Zustand im besetzten Gebiet verstanden werden, also auch nicht die Verwaltung und Rechtsprechung seitens der Besatzungsmächte nach Abschluß des Besetzungsvorganges. Die Gefahr, der P. erlegen sei, hänge somit schon zeitlich nicht mit der Besetzung zusammen. Es fehle aber auch das Merkmal der besonderen, der militärischen Besetzung eigentümlichen Gefahr. Auf Grund des auch von deutschen Gerichten angewandten Kontrollratsgesetzes Nr. 10 hätte nämlich auch ein deutsches Gericht nach den im Urteil des Militärgerichts getroffenen und im Revisionsverfahren nicht geänderten Feststellungen die Todesstrafe aussprechen können. Nach rein deutschem Strafrecht hätte sich wenigstens der Tatbestand einer vorsätzlichen Körperverletzung in Ausübung des Dienstes (§ 340 StGB) und somit höchstwahrscheinlich eine Freiheitsstrafe ergeben. Das Urteil des französischen Militärgerichts beruhe vielleicht auf einem mangelhaften Verfahren, weil Entlastungszeugen angeblich nicht gehört worden seien. Es könne aber keineswegs als "Nicht-Urteil" angesehen werden, denn dem Angeklagten sei die Möglichkeit des Gehörs, der Verteidigung und der Revision gegeben worden. Die Urteile des französischen Militärgerichts seien im sozialgerichtlichen Verfahren nicht nachzuprüfen, denn in diesem Verfahren könne ein förmliches Wiederaufnahmeverfahren - wie vor einem ordentlichen Gericht in Strafsachen - nicht durchgeführt werden.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung der §§ 103 SGG, 1 Abs. 2 Buchst. a, b und d, 1 Abs. 3 und 5 Abs. 1 Buchst. d BVG. Das LSG habe nicht abgewogen, ob die dem Verstorbenen zur Last gelegten Handlungen vor Beginn der Kriegsgefangenschaft überhaupt eine wesentliche Bedingung für die Verurteilung und Hinrichtung sein konnten. Hierzu hätte es einer weiteren Sachaufklärung dahin bedurft, ob dem Verstorbenen überhaupt strafbare Handlungen aus der Zeit vor seiner Kriegsgefangenschaft zur Last gelegt werden durften, bzw. ob die Anschuldigungen zu Recht bestanden. Unaufgeklärt sei auch geblieben, ob Schuldausschließungsgründe vorlagen oder die Verantwortlichkeit aus anderen Gründen (militärische Befehle) ausgeschlossen war. Es sei auch nicht haltbar, die im militärgerichtlichen Verfahren verhältnismäßig leichtfertig erhobenen Anschuldigungen im Verhältnis zur Kriegsgefangenschaft als wesentliche Ursache für die Verurteilung und Hinrichtung anzusehen. Jedenfalls könne die Kriegsgefangenschaft nicht deshalb als wesentliche Ursache für die Hinrichtung ausscheiden, weil die Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung auch bei einem bereits aus der Gefangenschaft Entlassenen möglich gewesen wäre. In dieser Begründung des LSG liege eine Verletzung des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG und zugleich eine Gesetzesverletzung bei Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs. Tatsächlich habe die Kriegsgefangenschaft bis zur Hinrichtung angedauert, was auch im Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 24. September 1955 - Va 2 - 764/55 - (besprochen von Wilke in KOV 1955, 158) angenommen worden sei.

Der Versorgungsanspruch der Kläger sei auch nach § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG begründet, denn die Hinrichtung ihres Ernährers sei durch eine mit dem militärischen Dienst zusammenhängende Strafmaßnahme herbeigeführt worden, die sich den Umständen nach als offensichtliches Unrecht darstelle. Das LSG habe rechtsirrig den Dienst in der Waffen-SS dann nicht als militärischen Dienst angesehen, wenn er in der Bewachung politischer Gefangener bestanden habe. Abgesehen davon, daß der Verstorbene Dienst als zweiter Koch geleistet habe, müsse der während des zweiten Weltkrieges in der Waffen-SS geleistete Dienst schlechthin als Militärdienst angesehen werden. Die Strafe habe im vorliegenden Fall auch mit dem Dienst als Koch in Zusammenhang gestanden, denn es müsse unterstellt werden, daß auch die Bewahrung der Lebensmittelvorräte vor den mit dem Heranrücken der Alliierten zunehmenden Übergriffen der Häftlinge zu den Dienstobliegenheiten des Küchenpersonals gehört habe.

Schließlich habe das LSG auch den aus den §§ 1 Abs. 2 Buchst. a und 5 Abs. 1 Buchst. d BVG folgenden Versorgungsanspruch der Kläger zu Unrecht verneint. § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG enthalte keine zeitliche Begrenzung auf den Vorgang der Besetzung deutschen Gebiets. Das komme in den Rundschreiben des BMA vom 7. September 1951 - IV b 2 - 2358/51 - und vom 19. Dezember 1951 - IV b 2 3575/51 - (abgedruckt bei Schönleiter, Handbuch der Bundesversorgung zu § 5 BVG) zum Ausdruck. Auch das in § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG geforderte Merkmal der besonderen Gefahr sei gegeben. Entgegen der Auffassung des LSG könnten die auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 ergangenen Urteile der Besatzungsgerichte von deutscher Seite nicht ungeprüft hingenommen werden (so auch Bünger, Der Versorgungsbeamte 1957, 95). Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 durchbreche nämlich das Verbot der Rückwirkung strafrechtlicher Normen, behandle deutsche Staatsangehörige gegenüber Angehörigen der Besatzungsmächte ungleich und lasse eine Verurteilung schon wegen der bloßen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Personenkreis zu. Im übrigen habe es sich bei den Urteilen der Besatzungsgerichte um ausländische Urteile gehandelt, weil die Besatzungsmächte ihre Regierungsgewalt in Deutschland aus der eigenen Staatsgewalt abgeleitet, nicht aber deutsche Hoheitsgewalt ausgeübt hätten. Die besondere Gefahr bestehe in dem Unrecht, das dem Angeklagten durch das Todesurteil der Besatzungsmacht zugefügt worden sei und sich in einem unbegründeten Mißverhältnis zwischen der von der Besatzungsmacht verhängten und der von einem deutschen Gericht vermutlich ausgesprochenen Strafe manifestiere. Ein solches Mißverhältnis habe das LSG auf Grund der von ihm im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen nicht übersehen dürfen, denn eine vorsätzliche Körperverletzung in Ausübung des Dienstes wäre vor einem deutschen Gericht nach deutschem Strafrecht niemals mit der Todesstrafe geahndet worden. Das Todesurteil des französischen Militärgerichts gegen P. sei somit ein Willkür- und Gewaltakt der Besatzungsmacht, dessen schädigende Folgen unter dem Versorgungsschutz des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG stünden. Die Kläger verweisen insoweit auf die Ausführungen von Göhring in SGb 1958, 241 sowie auf das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 9. September 1958 - 5 Str. 64/58 - in "Der Versorgungsbeamte" 1958, 142. Sie beantragen, den Beklagten unter Aufhebung der Urteile und Bescheide der Vorinstanzen zu verurteilen, den Tod ihres Ehemannes und Vaters als Schädigungsfolge nach dem BVG anzuerkennen und ihnen Hinterbliebenenrente ab 1. Oktober 1950 zu gewähren; hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist infolge Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164 und 166 SGG). Die demnach zulässige Revision erweist sich sachlich als begründet.

Die Verfahrensrüge der Revision geht allerdings fehl. Als Verletzung des § 103 SGG rügt die Revision, das LSG habe nicht aufgeklärt, ob dem Verstorbenen überhaupt strafbare Handlungen in der Zeit vor seiner Kriegsgefangenschaft zur Last gelegt werden durften, ob Schuldausschließungsgründe vorlagen und ob die Verantwortlichkeit aus anderen Gründen (militärische Befehle) ausgeschlossen war. Die Rüge genügt jedoch nicht den Anforderungen des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG, denn es ist darin nicht hinreichend dargelegt, auf Grund welcher Umstände das LSG sich hätte gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen sowie welche und in welcher Richtung Ermittlungen im einzelnen hätten vorgenommen werden müssen und zu welchem Ergebnis sie nach Auffassung der Revision geführt hätten (vgl. SozR SGG § 164 Bl. Da 7 Nr. 24 und Bl. Da 10 Nr. 28). Ein näheres Eingehen auf diese Rüge ist dem erkennenden Senat deshalb versagt.

Erfolglos muß auch die Rüge bleiben, es sei nicht haltbar, im vorliegenden Fall die im militärgerichtlichen Verfahren verhältnismäßig leichtfertig erhobenen Anschuldigungen im Verhältnis zur Kriegsgefangenschaft mit der Begründung als wesentliche Ursache für die Verurteilung und Hinrichtung anzusehen, unter diesen Umständen wäre auch gegenüber einem Zivilisten die Todesstrafe möglich gewesen. In dieser Begründung des LSG erblickt die Revision zu Unrecht eine Gesetzesverletzung bei Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs (§ 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG) und eine Verletzung des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind als Ursachen und Mitursachen im Rechtssinne nicht alle Bedingungen eines Erfolges im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne zu verstehen, sondern nur diejenigen, die bei Abwägung ihres verschiedenen Wertes nach der Auffassung des praktischen Lebens wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG 1, 76, 156, 270; 6, 193; 7, 55; 8, 277). Die Kriegsgefangenschaft war zwar eine von mehreren Bedingungen für die Hinrichtung des P., denn durch die Gefangennahme gelangte er in den Gewahrsam der Besatzungsmächte. Wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne war sie jedoch nicht, denn nach der Auffassung des praktischen Lebens gehört die Verurteilung und Hinrichtung durch die Gewahrsamsmacht nicht zum Wesen der Kriegsgefangenschaft, es sei denn, die Gewahrsamsmacht verurteilt Kriegsgefangene allein, weil sie sie in Gewahrsam hat, etwa wegen ihrer Teilnahme am Kriege, wegen ihrer Staatszugehörigkeit oder aus Gründen, die weder nach dem für den Kriegsgefangenen noch nach dem für die Gewahrsamsmacht geltenden Recht die Todesstrafe nach sich ziehen. Das trifft jedoch im vorliegenden Fall nicht zu, denn die in den Urteilen der französischen Militärgerichte festgestellten Tatsachen ließen - ungeachtet der Frage ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit - nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 die Verhängung der Todesstrafe zu. Wesentliche Bedingungen für die Hinrichtung waren im vorliegenden Fall also die dem Angeklagten zur Last gelegten Handlungen aus der Zeit vor Beginn der Kriegsgefangenschaft, deren Feststellung im militärgerichtlichen Verfahren, die Bejahung der Schuldfrage, die zurückwirkende Einführung der Todesstrafe im Kontrollratsgesetz Nr. 10 für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Anwendung dieser Strafe durch das Militärgericht. Unter diesen Umständen kann die Kriegsgefangenschaft des P., auch wenn man außer Betracht läßt, daß er zur damaligen Zeit auch ohne Kriegsgefangenschaft hätte erkannt und vor Gericht gestellt werden können, nicht als wesentliche Bedingung für den eingetretenen Erfolg gewertet werden. Das LSG hat demnach mit Recht die Kriegsgefangenschaft des P. nicht als wesentliche Ursache für seine Hinrichtung angesehen. Es hat daher weder die in der Kriegsopferversorgung geltende Kausalitätsnorm noch § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG verletzt. Dem steht die im Rundschreiben des BMA vom 24. September 1955 (vgl. Wilke in KOV 1955, 158) vertretene Ansicht nicht entgegen, der Status des Kriegsgefangenen bleibe bei unmittelbarer Überführung aus der Kriegsgefangenschaft in eine andere Art festen Gewahrsams (Untersuchungs- oder Strafhaft) erhalten, da eine "während der Kriegsgefangenschaft eingetretene Schädigung" nicht stets auch "durch die Kriegsgefangenschaft herbeigeführt" worden sein muß. Im vorliegenden Fall scheidet die Kriegsgefangenschaft als wesentliche Ursache des Todes des P. aus, weil der Tod, wenn auch während der Kriegsgefangenschaft, so doch nicht durch diese herbeigeführt worden ist.

Auch aus § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG kann ein Versorgungsanspruch der Kläger nicht abgeleitet werden. Zwar ist der Wachdienst in einem Konzentrationslager nicht etwa schon deshalb kein militärischer Dienst im Sinne des § 1 BVG, weil es sich um die Bewachung von Zivilpersonen handelte. Nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 1 Buchst. a BVG ist militärischer Dienst jeder nach deutschem Wehrrecht geleistete Dienst als Soldat. Daß dazu auch die Bewachung von Kriegsgefangenen gehört, nimmt das LSG zutreffend an; dasselbe gilt grundsätzlich auch für die Bewachung politischer Gefangener; denn jeder auf Grund deutschen Wehrrechts geleistete Dienst in einem durch Befehl und Gehorsam gekennzeichneten Wehrdienstverhältnis ist ohne Rücksicht auf die im Einzelfall zu verrichtende Tätigkeit als militärischer Dienst anzusehen. Andernfalls würden die Personen aus dem Versorgungsschutz ausscheiden, die auf Grund militärischen Befehls politische Gefangene zu bewachen hatten, obwohl sie sich diesem Befehl wegen ihrer Wehrdienst- und Gehorsamspflicht nicht zu entziehen vermochten, so daß der Versorgungsschutz bei Wachmannschaften davon abhinge, um welche Art von Gefangenen es sich handelte (so auch für Waffen-SS: Wilke, Komm. z. BVG S. 43; aA BVerwG v. 24.6.1959 - V c 288.57 - 9, 23). Ob im vorliegenden Falle etwas anderes zu gelten hat, weil P. der Waffen-SS angehörte, die organisatorisch von den militärischen Verbänden zu unterscheiden war, konnte dahingestellt bleiben; denn es fehlt jedenfalls an dem Zusammenhang der Hinrichtung mit dem militärischen Dienst. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG hat es zwar den Anschein, als genüge jeder, also auch ein nur loser Zusammenhang der Straf- oder Zwangsmaßnahme mit dem militärischen oder militärähnlichen Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen. Eine derart weite Auslegung ist jedoch mit dem Sinn des Gesetzes nicht vereinbar. Ziel des "Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges" (Bundesversorgungsgesetz) ist es, diejenigen Personen zu entschädigen, die militärischen oder militärähnlichen Dienst leisteten und Leben und Gesundheit den mit diesem Dienst verbundenen Gefahren aussetzen mußten. Gleichgestellt werden Personen, die - ohne in einem militärischen Dienstverhältnis zu stehen - durch unmittelbare Kriegseinwirkungen Gesundheitsschäden erlitten, die Kriegsgefangenen sowie die wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten Internierten. Gemeinsames Merkmal der in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a, b und c BVG geschützten Personen ist somit, daß sie in einen der vom Gesetz bezeichneten Gefahrenkreise gerieten und durch die hier herrschende Gefahr einen Gesundheitsschaden davontrugen. Das schädigende Ereignis muß stets aus diesem Gefahrenkreis entstanden sein; dies bestätigen die Ausnahmevorschriften der §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 2 BVG. Einen Anhaltspunkt dafür, daß § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG von diesem Prinzip abweicht, bietet das Gesetz nicht. Deshalb setzt auch der hier geforderte Zusammenhang voraus, daß die Straf- oder Zwangsmaßnahme, die zu einem Gesundheitsschaden führte, unmittelbar aus dem Gefahrenkreis des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder aus dem der allgemeinen Auflösungserscheinungen stammt. Aus diesen Gründen kommt als schädigender Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst d BVG nur diejenige Straf- oder Zwangsmaßnahme in Betracht, die dem Gewaltinhaber im militärischen bzw. militärähnlichen Dienst oder einer die allgemeinen Auflösungserscheinungen bekämpfenden Stelle zuzurechnen ist. Es muß sich daher in den Fällen des § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG stets um Straf- oder Zwangsmaßnahmen deutscher Stellen handeln (Urteil des BSG vom 28. August 1958 in BVBl 1959, 13; van Nuis-Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, II. Teil S. 107 3 a und Wilke, aaO, S. 25). Strafmaßnahmen der Besatzungsmächte entstammen dagegen nicht dem durch diese Vorschrift geschützten Gefahrenkreis und können deshalb Versorgung nach § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG nicht rechtfertigen.

Dagegen ist die Auslegung des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG durch das LSG, wie die Revision zutreffend rügt, nicht frei von Rechtsirrtum. In erster Linie hat das LSG hier den zeitlichen Zusammenhang der Verurteilung und Hinrichtung des P. mit der militärischen Besetzung Deutschlands verneint. Es ist der Auffassung, unter militärischer Besetzung im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG sei nur der Vorgang der Besitznahme deutschen Gebiets durch das Militär der Besatzungsmächte, nicht aber auch der durch die Besetzung geschaffene Zustand, also nicht die Ausübung der Rechtsprechung durch die Besatzungsmächte nach Abschluß des Besetzungsvorganges zu verstehen. Das LSG legt damit den Begriff der militärischen Besetzung zwar richtig aus, löst ihn aber aus seinem Zusammenhang mit dem Gesetzeswortlaut heraus, der sich ausdrücklich auf Vorgänge bezieht, die "in folge " einer mit der Besetzung "zusammenhängenden" Gefahr eingetreten sind. Das Berufungsgericht übersieht deshalb, daß die mit der militärischen Besetzung Deutschlands zusammenhängenden besonderen Gefahren nicht mit dem Vorgang der Besitznahme des deutschen Gebiets durch das Militär der Besatzungsmächte beendet wurden. Verwiesen sei hierzu auf die in BSG 5, 116 und 8, 203 behandelten Bandenüberfälle nach der Kapitulation und auf die Fälle des Schußwaffengebrauchs durch Angehörige der Besatzungsmacht (SozR BVG § 5 Bl. Ca 5 Nr. 16, Bl. Ca 16 Nr. 30). Auch in den von BSG 2, 99 und 4, 234 entschiedenen Fällen ist der schädigende Vorgang nach Abschluß der Besetzung eingetreten. Sinn des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG ist es sonach, ohne eine strenge zeitliche Begrenzung Versorgungsschutz für diejenigen schädigenden Vorgänge zu gewähren, die infolge der aus der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebiets (bzw. aus der zwangsweisen Umsiedlung oder Verschleppung) entstandenen besonderen Gefahr eingetreten sind. Da es Kriegsziel der Alliierten war, den Nationalsozialismus zu beseitigen und zur Erreichung dieses Zieles auch die Bestrafung von Kriegsverbrechern und ähnlichen Rechtsbrechern gehörte (vgl. hierzu BSG 4, 237 sowie Vorwort des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 - Abl. d. Kontr. R. S. 51 -), brachte die alliierte Besetzung Deutschlands für die Wachmannschaften der Konzentrationslager die Gefahr der Anschuldigung und Bestrafung wegen Kriegsverbrechen auf Grund von Besatzungsrecht (KRG Nr. 10) mit sich. Diese Gefahr rechtfertigt die Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG auf Gesundheitsschäden infolge Strafmaßnahmen alliierter Militärgerichte jedoch nur, wenn sie sich als besondere Gefahr darstellt. "Besondere Gefahr" im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine der militärischen Besetzung Deutschlands eigentümliche Gefahr (BSG 2, 103; 4, 236; 5, 118; 8, 204). Ausgenommen vom Versorgungsschutz sind daher schädigende Vorgänge, die ihrer Art nach ebenso hätten eintreten können, wenn sie durch Maßnahmen der deutschen Verwaltung statt der Besatzungsmacht verursacht worden wären (BSG 12, 15). Eine der militärischen Besetzung eigentümliche Gefahr liegt also nicht in Maßnahmen der gesetzgebenden, rechtsprechenden oder vollziehenden Gewalt der Besatzungsmacht, die sich von Maßnahmen einer deutschen Regierung, Rechtsprechung oder Verwaltung nicht wesentlich unterscheiden. Nur insoweit, als die Besatzungsmächte von ihrer damaligen Strafgewalt gegenüber Deutschen in einer Weise Gebrauch gemacht haben, der nach deutscher Rechtsauffassung keinesfalls zugestimmt werden kann, hat es sich um eine "besondere" Gefahr gehandelt, die der militärischen Besetzung eigentümlich gewesen ist. Deshalb ist die von einem Gericht der Besatzungsmacht verhängte Strafe nur dann zu den schädigenden Vorgängen im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG zu rechnen, wenn sie wegen ihres groben Mißverhältnisses zu der Strafe, auf die vermutlich ein deutsches Gericht erkannt hätte, dem Unrechtsgehalt der Straftat nach deutschem Strafrecht unverkennbar nicht entsprochen hat und unter Würdigung aller wesentlichen Umstände ein offensichtliches Unrecht darstellt (vgl. BSG 16, 182). Das gleiche gilt, wenn das Gericht der Besatzungsmacht aus der Animosität des Siegers heraus die Verteidigung des Angeklagten in unangemessener Weise beschränkte, ihn also einem Verfahren unterwarf, das den in den Kulturnationen üblichen Rechtsgarantien für einen Angeklagten nicht entsprach und wenn anzunehmen ist, daß aus diesem Grunde oder wegen der feindlichen Einstellung des Gerichts zugunsten des Angeklagten sprechende wesentliche Umstände unberücksichtigt blieben (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 1961 - 7/9 RV 594/58) --.

Der Prüfung des vorliegenden Falles auf eine der Besetzung deutschen Gebietes eigentümliche Gefahr im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG wäre das LSG nur enthoben gewesen, wenn es das Todesurteil des französischen Militärgerichts als in der Sache verbindlich und eine eigene Nachprüfung des Schuld- und Strafausspruchs ausschließend hätte hinnehmen müssen. Das war jedoch nicht der Fall. Nach Art. 7 Abs. 1 des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (Überleitungsvertrag) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. März 1955 (BGBl II 405) bleiben zwar "alle Urteile und Entscheidungen in Strafsachen, die von einem Gericht oder einer gerichtlichen Behörde der Drei Mächte ... bisher in Deutschland gefällt worden sind ..., in jeder Hinsicht nach deutschem Recht rechtskräftig und rechtswirksam und sind von den deutschen Gerichten und Behörden demgemäß zu behandeln". Das gilt jedoch nach Art. 6 Abs. 11 des Überleitungsvertrages nicht für die in Art. 6 behandelten Angelegenheiten ("Kriegsverbrecher"-Angelegenheiten). Insoweit bestehen nur die in Art. 6 des Überleitungsvertrages festgelegten Verpflichtungen. Die Bundesrepublik hat sich somit nicht bereit gefunden, ausländische Verurteilungen wegen angeblicher Kriegsverbrechen anzuerkennen (vgl. BSG 16, 182 mit weiteren Hinweisen). Die Nichtbindung an Strafurteile folgt für die Sozialgerichtsbarkeit, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (wie etwa in § 903 der Reichsversicherungsordnung - RVO -), im übrigen auch aus der nach § 118 Abs. 1 SGG entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 417 der Zivilprozeßordnung (ZPO), wonach nur der Inhalt eines Strafurteils voll bewiesen ist, nicht aber die Richtigkeit dieses Inhalts (Baumbach/Lauterbach, Komm. z. ZPO 26. Aufl. § 417 Anm. 1; vgl. ferner § 14 Abs. 2 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur ZPO vom 30. Januar 1877 - RGBl 244).

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben daher ohne Bindung an sogenannte Kriegsverbrecherurteile der Besatzungsmächte selbst zu prüfen, welche Strafen die in derartigen Urteilen bestraften Handlungen bei Aburteilung durch ein deutsches Gericht in Anwendung des deutschen Strafrechts nach sich gezogen hätten. Nur wenn zwischen der vom Besatzungsgericht verhängten und der Strafe, auf die ein deutsches Gericht nach deutschem Strafrecht wahrscheinlich erkannt hätte, ein grobes Mißverhältnis besteht, ist der Tatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG erfüllt (vgl. Wilke aaO S. 70). Gleiches gilt, wenn das dem Urteil des Besatzungsgerichts vorangegangene Verfahren nicht auf objektive Wahrheitsermittlung gerichtet war, insbesondere wenn dem Angeklagten ausreichende Verteidigungsmöglichkeiten nicht gewährt wurden und deshalb nicht auszuschließen ist, daß die Strafe bei einem die wesentlichen Rechte des Angeklagten achtenden Verfahren erheblich milder ausgefallen wäre. Hierzu hat das LSG nur festgestellt, die Handlungen des Verurteilten hätten nach deutschem Strafrecht "wenigstens" den Tatbestand einer Körperverletzung ergeben, weshalb die Aburteilung des P. durch ein deutsches Gericht bei Anwendung deutschen Strafrechts (§ 340 des Strafgesetzbuches) "höchstwahrscheinlich" zu einer Freiheitsstrafe geführt hätte. Bei Anwendung des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 hätte aber auch ein deutsches Gericht die Todesstrafe aussprechen können. Das LSG hat sich folglich damit begnügt, die erheblichen Unterschiede zwischen deutschem Recht und Besatzungsrecht allgemein herauszustellen, ohne zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Verhängung der Todesstrafe im vorliegenden Fall ein offensichtliches Unrecht darstellte. Es hat infolge der von ihm zu Unrecht angenommenen Bindung an das Besatzungsurteil auch unterlassen, die dem P. nach deutschem Strafrecht vorwerfbaren Handlungen im einzelnen vollständig festzustellen und auf ihren strafrechtlichen Gehalt zu prüfen. Es hat ferner hinsichtlich des Verfahrens vor dem französischen Militärgericht nur festgestellt, dieses sei "vielleicht" wegen der Nichtanhörung angeblicher Entlastungszeugen mangelhaft und das Urteil fehlerhaft; um ein Nichturteil handle es sich jedoch keineswegs, weil dem Angeklagten immerhin die Möglichkeit des Gehörs, der Verteidigung und der Revision gegeben worden sei. Die Nachprüfung des militärgerichtlichen Urteils hat das LSG mit dem Hinweis abgelehnt, im sozialgerichtlichen Verfahren könne ein förmliches Wiederaufnahmeverfahren wie vor einem ordentlichen Gericht in Strafsachen nicht durchgeführt werden. Diese Ausführungen lassen erkennen, daß das LSG die nach § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG in Verbindung mit den §§ 1 Abs. 2 Buchst. a und 38 BVG erforderliche Prüfung des Versorgungsanspruchs der Kläger nicht vollständig durchgeführt hat. Es hat somit § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG unrichtig angewandt. Das angefochtene Urteil beruht auf dieser Rechtsverletzung, denn es ist nicht auszuschließen, daß die Entscheidung bei zutreffender Gesetzesanwendung anders ausgefallen wäre (§ 162 Abs. 2 SGG). Das Urteil unterliegt deshalb der Aufhebung.

Eine Entscheidung in der Sache ist dem erkennenden Senat nicht möglich, da die tatsächlichen Feststellungen hierzu nicht ausreichen. Der Rechtsstreit mußte deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Vor seiner neuen Entscheidung wird das LSG zu prüfen haben, ob bzw. inwieweit die im Urteil des Besatzungsgerichts enthaltenen Feststellungen strafbarer Handlungen des P. zutreffen. Das LSG wird hierbei den zu dem Todesurteil führenden Sachverhalt soweit möglich feststellen und hierzu klären müssen, ob die Vernehmung im gleichen Kriegsverbrecherprozeß mitangeklagter Personen möglich ist oder eventuell die erneute Vernehmung des Verteidigers zur Aufklärung der von P. im Konzentrationslager Vaihingen begangenen strafbaren Handlungen in Betracht kommt.

Als verwertbare Beweismittel kommen im übrigen die Akten und insbesondere die vollständigen Urteile der Besatzungsgerichte in Betracht (vgl. hierzu: Der Versorgungsbeamte 1962, 35). Auch wird die Vernehmung des inzwischen aus der Strafhaft entlassenen Kommandanten des KZ-Lagers erforderlich sein. Auch die von den Klägern vorgelegte Korrespondenz des Verteidigers mit den Angehörigen des Angeklagten, etwaige Aufzeichnungen des Verteidigers, seine Rechtsmittelbegründung und sein Gnadengesuch wird das LSG im Gegensatz zu seiner ersten Entscheidung in die Würdigung der Gesamtumstände einzubeziehen haben. Sollten sich auf Grund dieser Beweismittel wesentlich andere Feststellungen über die Handlungsweise des P., als sie im Urteil des Besatzungsgerichts enthalten sind, nicht treffen lassen, so wird das LSG seine Prüfung des Versorgungsanspruchs der Kläger jedenfalls nicht mit dem Hinweis abbrechen können, auch ein deutsches Gericht hätte in diesem Fall auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 die Todesstrafe aussprechen "können". Gerade in der besonderen Härte, die das Besatzungsrecht von dem damals geltenden deutschen Strafrecht unterschied, kann bereits eine der militärischen Besetzung Deutschlands eigentümliche Gefahr im Sinne des Versorgungsrechts liegen. Das LSG wird den Versorgungsanspruch der Kläger also nur verneinen können, wenn seine Ermittlungen und Erwägungen ergeben, daß P. auch nach dem damals geltenden deutschen Strafrecht wegen der aus den Strafakten der Besatzungsgerichte zu gewinnenden Feststellungen, also etwa wegen eines oder mehreren Verbrechen des Mordes, wahrscheinlich zum Tode verurteilt worden wäre oder jedenfalls nach deutschem Gesetz hätte verurteilt werden können.

Sollte dies zutreffen, wird das LSG weiter zu prüfen haben, ob das Besatzungsgericht die Rechte des Angeklagten hinreichend gewahrt hat. Auch zur Klärung dieser Frage wird die Verwertung eines großen Teils der bereits angeführten Beweismittel dienlich sein. Das LSG wird daraus entnehmen können, ob es zutrifft, dass das Besatzungsgericht in nicht hinreichend begründeter Weise nur den Aussagen der Belastungszeugen Bedeutung beigemessen und die Verteidigung des Angeklagten ferner dadurch beeinträchtigt habe, daß ein von ihr benannter wichtiger Entlastungszeuge ohne Angabe stichhaltiger Gründe nicht gehört wurde. Hieraus wird sich schließlich beurteilen lassen, ob der Tod des Ehemannes und Vaters der Kläger etwa deshalb einer mit der militärischen Besetzung Deutschlands zusammenhängenden besonderen Gefahr zuzuschreiben ist, weil nicht angenommen werden kann, daß in einem die wesentlichen Rechte des Angeklagten wahrenden Verfahren ein Todesurteil, das nach der damaligen Verfassung des Landes Baden (vom 22. Mai 1947, RegBl 47, 129) an sich noch möglich war, ergangen wäre.

Die Kostenentscheidung bleibt dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 225

NJW 1963, 878

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