Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 4a Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) pflichtgemäßem behördlichen Ermessen entspricht.
I.
1. Die Beschwerdeführerin betreibt beziehungsweise betrieb unter anderem zwei immissionsschutzrechtlich genehmigte Abfallentsorgungsanlagen in D. und H..
Mit Bescheid vom 5. August 2002 gab das Regierungspräsidium der Beschwerdeführerin auf, für die Anlage in D. eine Sicherheit in Höhe von 14.000 EUR zu leisten. Für die Wertstoffsortieranlage in H. wurde der Beschwerdeführerin unter dem 13. Juni 2003 eine Änderungsgenehmigung erteilt. In den Nebenbestimmungen zu dieser Genehmigung verpflichtete das Regierungspräsidium die Beschwerdeführerin zur Leistung einer Sicherheit für die Gesamtanlage in Höhe von 100.000 EUR. Die gegen die Auferlegung der Sicherheitsleistungen gerichteten Widersprüche der Beschwerdeführerin wies das Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheiden vom 17. Juli 2003 und vom 6. April 2004 zurück und setzte hinsichtlich der Anlage in D. die zu erbringende Sicherheit auf 14.600 EUR fest.
2. Die Klagen der Beschwerdeführerin wurden mit Urteilen des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. September 2005 (betreffend die Anlage in D.) und des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Mai 2006 (betreffend die Anlage in H.) abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin legte jeweils Berufung ein. Mit Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Mai 2007 (6 UE 42/06; veröffentlicht in ZUR 2007, S. 485) wurden das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. September 2005 abgeändert und der Bescheid des Regierungspräsidiums vom 5. August 2002 sowie der Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2003 aufgehoben. Als Rechtsgrundlage für die nachträgliche Auferlegung einer Sicherheitsleistung komme zwar § 17 Abs. 4a in Verbindung mit § 5 Abs. 3 und § 12 Abs. 1 BImSchG in Betracht. Die Anordnung der Sicherheitsleistung sei jedoch ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Nach der Zielrichtung des Gesetzes bedürfe es zur Anordnung einer Sicherheitsleistung stichhaltiger Anhaltspunkte für das Fehlen eines Verwertungskonzepts oder begründeter Zweifel an der Seriosität des Betreibers, die in Bezug auf die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt dargelegt worden seien.
Mit Beschluss vom 16. Juli 2007 (6 UE 1527/06) änderte der Verwaltungsgerichtshof mit im Wesentlichen derselben Begründung das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Mai 2006 ab und hob die die Sicherheitsleistung betreffenden Nebenbestimmungen des Änderungsgenehmigungsbescheides vom 13. Juni 2003 sowie den Widerspruchsbescheid vom 6. April 2004 auf.
Die jeweils gegen die Nichtzulassung der Revision erhobenen Beschwerden des Landes Hessen hatten Erfolg.
Das Bundesverwaltungsgericht hob mit Urteil vom 13. März 2008 (BVerwG 7 C 44.07; veröffentlicht in NVwZ 2008, S. 681) das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Mai 2007 insoweit auf, als es der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. September 2005 stattgegeben hat. Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde in vollem Umfang zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs setze die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG weder Zweifel an der Seriosität beziehungsweise der Liquidität des Betreibers noch Anhaltspunkte für das Fehlen eines Verwertungskonzepts voraus. Vielmehr reiche das allgemein latent vorhandene Liquiditätsrisiko grundsätzlich aus, um von Betreibern einer Abfallentsorgungsanlage eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Dies ergebe eine Auslegung der Bestimmung nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie Systematik des Gesetzes.
Mit § 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG betreffendem Urteil vom selben Tage (BVerwG 7 C 45.07; veröffentlicht in juris) hob das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Juli 2007 auf und wies die Berufung der Beschwerdeführerin zurück.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greift die Beschwerdeführerin unmittelbar die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und (hilfsweise) mittelbar § 12 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG an. Sie rügt eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫) nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die angegriffenen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG. Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht gegen seine Bindung an Recht und Gesetz verstoßen.
a) Die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts einschließlich der Wahl der hierbei anzuwendenden Methode ist Sache der Fachgerichte und vom Bundesverfassungsgericht nicht umfassend auf ihre Richtigkeit zu untersuchen. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt seine Kontrolle, auch soweit es um die Wahrung der Kompetenzgrenzen aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG geht, auf die Prüfung, ob das Fachgericht bei der Rechtsfindung die gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert und von den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in vertretbarer Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfGE 82, 6 ≪13≫; 96, 375 ≪394 f.≫; 111, 54 ≪81 f.≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, NJW 2009, S. 1469 ≪1470≫).
b) Diese verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfindung sind hier gewahrt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seiner Leitentscheidung vom 13. März 2008 (BVerwG 7 C 44.07) ausführlich mit dem Regelungsgehalt der § 12 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG auseinandergesetzt (vgl. NVwZ 2008, S. 681 ≪682 f.≫). Es hat seine Rechtsauffassung, das allgemein latent vorhandene Liquiditätsrisiko reiche grundsätzlich aus, um von Betreibern einer Abfallentsorgungsanlage eine Sicherheitsleistung zu verlangen, mit vertretbaren Argumenten unter Anwendung der allgemein anerkannten Auslegungsregeln (Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie Systematik des Gesetzes) begründet. Zwar kann auch die Beschwerdeführerin beachtliche einfachrechtliche Argumente für die von ihr vertretene Gegenauffassung ins Feld führen. Dass das Bundesverwaltungsgericht die in § 12 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Interessenbewertung grundlegend verkannt oder missachtet hätte und die angegriffenen Urteile daher verfassungsrechtlich zu beanstanden wären, ist allerdings nicht ersichtlich.
2. Auch eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als allgemeiner Gleichheitssatz liegt nicht vor.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 101, 54 ≪101≫; 103, 172 ≪193≫; 116, 135 ≪160≫). Ein strenger Prüfungsmaßstab ist insbesondere dann angezeigt, wenn eine gesetzliche Regelung zu einer Differenzierung zwischen Personengruppen und nicht lediglich zwischen Sachverhalten führt (vgl. BVerfGE 90, 46 ≪56≫; 91, 346 ≪362 f.≫; 99, 367 ≪388≫; 100, 195 ≪205≫; 103, 310 ≪318 f.≫; 116, 135 ≪160 f.≫). Das Bundesverfassungsgericht prüft dann im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 110, 274 ≪291≫; 118, 1 ≪26≫). Entscheidend ist dabei auch, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 95, 267 ≪316 f.≫; 110, 141 ≪167≫; 116, 135 ≪161≫; 118, 1 ≪26≫).
Ein Gleichheitsverstoß in diesem Sinne kann nicht nur vom Gesetzgeber begangen werden. Ein solcher liegt auch dann vor, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften oder der Lückenfüllung zu einer dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen (vgl. BVerfGE 58, 369 ≪374≫; 84, 197 ≪199≫).
b) Gemessen hieran ist auch bei Zugrundelegung eines strengen Prüfungsmaßstabes eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht festzustellen.
aa) Dies gilt zunächst, soweit die Beschwerdeführerin dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Mai 2008 (BVerwG 7 C 44.07; vgl. NVwZ 2008, S. 681 ≪682≫) entnimmt, dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung unterbleiben könne, wenn eine Abfallentsorgungsanlage von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts betrieben werde. Die unterschiedliche Behandlung von Abfallentsorgungsanlagen, die von privaten Betreibern einerseits und von Körperschaften des öffentlichen Rechts andererseits betrieben werden, ist sachlich gerechtfertigt.
Nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts besteht der Sinn und Zweck der § 12 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG darin, sicherzustellen, dass die öffentliche Hand bei Zahlungsunfähigkeit des Betreibers einer Abfallentsorgungsanlage nicht die zum Teil erheblichen Sicherungs-, Sanierungs- und Entsorgungskosten zu tragen hat (vgl. NVwZ 2008, S. 681 ≪682≫). Bei solchen Anlagenbetreibern, bei denen – wie bei Körperschaften des öffentlichen Rechts – eine Insolvenz ausgeschlossen ist, besteht ausgehend hiervon kein Bedürfnis für die Anordnung einer Sicherheitsleistung. Eine derartige Anordnung wäre im Übrigen sinnlos, da auch die Sicherheitsleistung von der öffentlichen Hand zu erbringen wäre.
In wirtschaftlicher Hinsicht unterscheiden sich beide Konstellationen maßgeblich dadurch, dass beim Betrieb einer Abfallentsorgungsanlage durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts diese während der Betriebsphase die Entgelte für die Annahme der Abfälle vereinnahmt. Im Falle der Insolvenz eines privaten Anlagenbetreibers besteht demgegenüber die Gefahr, dass die öffentliche Hand die Kosten für die Erfüllung der Nachsorgepflichten nach § 5 Abs. 3 BImSchG tragen muss, ohne zuvor während der Betriebsphase Einnahmen erzielt zu haben.
bb) Das Bundesverwaltungsgericht hat entgegen dem Rügevorbringen auch nicht dadurch Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, dass es Abfallentsorgungsanlagen wie die von der Beschwerdeführerin betriebenen in sachwidriger Weise Deponien und Langzeitlagern gleichgestellt hätte.
Ausgehend von der nachvollziehbaren und durch die Beschwerdeführerin in der Sache nicht widerlegten Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, die Gefahr einer Kostenbelastung der öffentlichen Hand bestehe bei Deponien und Langzeitlagern einerseits und bei den sonstigen Abfallentsorgungsanlagen andererseits grundsätzlich in gleicher Weise (vgl. NVwZ 2008, S. 681 ≪683≫), gebietet Art. 3 Abs. 1 GG insoweit keine differenzierende Behandlung dieser Vergleichsgruppen.
cc) Eine gleichheitswidrige Benachteiligung der Betreiber von Abfallentsorgungsanlagen im Verhältnis zu Produktionsbetrieben, die nicht in den Anwendungsbereich der § 12 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG fallen, liegt ebenfalls nicht vor.
Das vom Bundesverwaltungsgericht herausgestellte besondere Kostenrisiko der öffentlichen Hand (vgl. NVwZ 2008, S. 681 ≪683≫), das mit dem Betrieb von Abfallentsorgungsanlagen durch private Betreiber typischerweise verbunden ist und das sich ausweislich der Gesetzesmaterialien (vgl. BRDrucks 408/00 ≪Beschluss≫ S. 3; BTDrucks 14/4599, S. 128 f.; BTDrucks 14/4926, S. 1) in der Verwaltungspraxis offenbar gerade in der Abfallentsorgungsbranche in beträchtlichem Ausmaß realisiert hat, stellt insoweit ein sachgerechtes Differenzierungskriterium dar.
3. Dass das Bundesverwaltungsgericht Bedeutung und Tragweite der Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG grundlegend verkannt hätte, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
4. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass auch die von der Beschwerdeführerin hilfsweise erhobene Rüge eines Verstoßes der § 12 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG gegen Art.12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG nicht durchgreift.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Bryde, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 2222995 |
NVwZ 2009, 1484 |
BayVBl. 2010, 46 |
KommJur 2010, 280 |