Beteiligte
Rechtsanwälte Dr. Karl-Heinz Christoph und Dr. Ingeborg Christoph |
Verfahrensgang
Tenor
1. Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 16. Februar 1998 - L 16 An 19/97 - und die Bescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 28. November 1996 und 10. Dezember 1996 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil vom 16. Februar 1998 wird aufgehoben, soweit in den Bescheiden vom 28. November 1996 und 10. Dezember 1996 die Rente nach Maßgabe des § 307 b Absatz 1 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch berechnet ist. Die Sache wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Der Beschluß des Bundessozialgerichts vom 12. Januar 1999 - B 4 RA 71/98 B - ist damit gegenstandslos.
Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
2. Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik in die gesetzliche Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschlands. Sie betrifft vor allem das im Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) geregelte Verfahren für die Berechnung solcher Renten, die aus Bestandsrenten mit Zusatzversorgung der Deutschen Demokratischen Republik abgeleitet werden.
I.
In der Sache greift der Beschwerdeführer die Höhe der Rente an, die in Abänderung früherer Bescheide auf der Grundlage von § 307 b Abs. 1 SGB VI mit den Bescheiden der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 28. November 1996 und 10. Dezember 1996 festgesetzt worden ist; diese umfassen auch den Anspruch auf Zusatzversorgung. Daneben werden die Bescheide angegriffen, die aufgrund der Übergangsbestimmungen des § 23 Abs. 1 des Gesetzes zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen (Rentenangleichungsgesetz – RAnglG) vom 28. Juni 1990 (GBl I S. 495), des § 6 der Ersten Verordnung zur Anpassung der Renten in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (1. Rentenanpassungsverordnung – 1. RAV) vom 14. Dezember 1990 (BGBl I S. 2867), des § 8 der Zweiten Verordnung zur Anpassung der Renten und zu den maßgeblichen Rechengrößen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (2. Rentenanpassungsverordnung – 2. RAV) vom 19. Juni 1991 (BGBl I S. 1300) sowie des § 307 b Abs. 5 SGB VI für die Übergangszeit ab 1. Juli 1990 bis zur Neuberechnung erlassen wurden.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die hierzu ergangenen Entscheidungen der Verwaltung und der Sozialgerichtsbarkeit sowie mittelbar gegen die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtsvorschriften.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung maßgebliche Frage der Vereinbarkeit von § 307 b Abs. 1 SGB VI mit dem allgemeinen Gleichheitssatz hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (Urteil vom 28. April 1999, 1 BvR 1926/96 und 1 BvR 485/97, Umdruck S. 33 ff., 47).
a) Nach dieser Entscheidung ist die Vorschrift des § 307 b Abs. 1 SGB VI, auf die das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil des Landessozialgerichts und die Bescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 28. November 1996 und 10. Dezember 1996 gestützt sind, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit danach bei der Neuberechnung von Bestandsrenten aus Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem der Deutschen Demokratischen Republik für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) die während der gesamten Versicherungszeit bezogenen tatsächlichen Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen zugrunde gelegt werden, während für die sonstigen Bestandsrentner im Beitrittsgebiet nach § 307 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ein 20-Jahres-Zeitraum maßgeblich ist. Die Entscheidung des Landessozialgerichts und die Bescheide verletzen deshalb den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung, da nicht auszuschließen ist, daß das Berechnungsverfahren des § 307 b Abs. 1 SGB VI für ihn nachteilig ist.
b) Das angegriffene Urteil des Landessozialgerichts ist aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Der zugleich angegriffene Beschluß des Bundessozialgerichts ist damit gegenstandslos (vgl. BVerfGE 69, 233 ≪248≫).
2. Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie keine grundsätzliche Bedeutung hat. Mit den Urteilen vom 28. April 1999 (1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95, Umdruck S. 74 ff.; 1 BvR 1926/96 und 1 BvR 485/97, Umdruck S. 32 ff., 35 ff., 39 ff.) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß die Übergangsvorschriften des § 23 Abs. 1 RAnglG, des § 6 1. RAV, des § 8 2. RAV und des § 307 b Abs. 5 SGB VI mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
III.
Die Verfassungsbeschwerde hat nur teilweise Erfolg. Deshalb ist es angemessen, wenn dem Beschwerdeführer nur die Hälfte seiner notwendigen Auslagen erstattet wird (§ 34 a Abs. 2 BVerfGG).
Unterschriften
Kühling, Jaeger, Steiner
Fundstellen