Verfahrensgang

BSG (Urteil vom 31.07.1997; Aktenzeichen 4 RA 35/97)

LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 06.06.1996; Aktenzeichen L 1 An 25/95)

SG Halle (Saale) (Teilurteil vom 14.11.1994; Aktenzeichen S 6 An 137/93)

 

Tenor

Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. Juli 1997 – 4 RA 35/97 – und das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 6. Juni 1996 – L 1 An 25/95 – sowie der Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 26. Juli 1994 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Urteile werden aufgehoben, soweit in dem Bescheid vom 26. Juli 1994 die Rente nach Maßgabe des § 307b Absatz 1 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch berechnet ist. Die Sache wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Land Sachsen-Anhalt hat dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

 

Gründe

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik in die gesetzliche Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschlands. Sie betrifft vor allem das im Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) geregelte Verfahren für die Berechnung solcher Renten, die aus Bestandsrenten mit Zusatzversorgung der Deutschen Demokratischen Republik abgeleitet werden.

I.

In der Sache greift der Beschwerdeführer die Höhe der Rente an, die in Abänderung früherer Bescheide auf der Grundlage von § 307b Abs. 1 SGB VI mit Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 26. Juli 1994 festgesetzt worden ist; dieser umfaßt auch den Anspruch auf Zusatzversorgung. Daneben werden die Bescheide angegriffen, die aufgrund der Übergangsbestimmungen des § 23 Abs. 1 des Gesetzes zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen (Rentenangleichungsgesetz – RAnglG) vom 28. Juni 1990 (GBl I S. 495), des § 6 der Ersten Verordnung zur Anpassung der Renten in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (1. Rentenanpassungsverordnung – 1. RAV) vom 14. Dezember 1990 (BGBl I S. 2867), des § 8 der Zweiten Verordnung zur Anpassung der Renten und zu den maßgeblichen Rechengrößen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (2. Rentenanpassungsverordnung – 2. RAV) vom 19. Juni 1991 (BGBl I S. 1300) sowie des § 307b Abs. 5 SGB VI für die Übergangszeit ab 1. Juli 1990 bis zur Neuberechnung erlassen wurden.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die hierzu ergangenen Entscheidungen der Verwaltung und der Sozialgerichtsbarkeit sowie mittelbar gegen die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtsvorschriften.

II.

1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung maßgebliche Frage der Vereinbarkeit von § 307b Abs. 1 SGB VI mit dem allgemeinen Gleichheitssatz hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (Urteil vom 28. April 1999, 1 BvR 1926/96 und 1 BvR 485/97, Umdruck S. 33 ff., 47).

a) Nach dieser Entscheidung ist die Vorschrift des § 307b Abs. 1 SGB VI, auf die die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteile des Bundessozialgerichts und des Landessozialgerichts sowie der Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 26. Juli 1994 gestützt sind, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit danach bei der Neuberechnung von Bestandsrenten aus Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem der Deutschen Demokratischen Republik für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) die während der gesamten Versicherungszeit bezogenen tatsächlichen Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen zugrunde gelegt werden, während für die sonstigen Bestandsrentner im Beitrittsgebiet nach § 307a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ein 20-Jahres-Zeitraum maßgeblich ist. Die Entscheidungen und der Bescheid verletzen deshalb den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung, da nicht auszuschließen ist, daß das Berechnungsverfahren des § 307b Abs. 1 SGB VI für ihn nachteilig ist.

b) Die angegriffenen Urteile des Bundessozialgerichts und des Landessozialgerichts sind aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

2. Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie keine grundsätzliche Bedeutung hat. Mit den Urteilen vom 28. April 1999 (1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95, Umdruck S. 74 ff.; 1 BvR 1926/96 und 1 BvR 485/97, Umdruck S. 32 ff., 35 ff., 39 ff.) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß die Übergangsvorschriften des § 23 Abs. 1 RAnglG, des § 6 1. RAV, des § 8 2. RAV und des § 307b Abs. 5 SGB VI mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Weiterhin hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 (in Verbindung mit Anlage 3) AAÜG über die Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze nicht zu beanstanden ist (Urteile vom 28. April 1999, 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95, Umdruck S. 60 f.; 1 BvR 1926/96 und 1 BvR 485/97, Umdruck S. 31 f., 45). Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde hat nur teilweise Erfolg. Deshalb ist es angemessen, wenn dem Beschwerdeführer nur die Hälfte seiner notwendigen Auslagen erstattet wird (§ 34a Abs. 2 BVerfGG).

 

Unterschriften

Kühling, Jaeger, Steiner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1276209

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