Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 09.10.2008; Aktenzeichen III-4 Ausl (A) 90/07 - 414/08 III) |
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 05.09.2008; Aktenzeichen III-4 Ausl (A) 90/07 - 370/08 III) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 1.500 EUR (in Worten: eintausendfünfhundert Euro) auferlegt.
Tatbestand
Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslieferung des Beschwerdeführers nach Italien zum Zwecke der Strafvollstreckung.
I.
Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 2005 mit Urteil eines italienischen Gerichts wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Auslieferung des Beschwerdeführers zur Vollstreckung dieses Urteils erklärte das Oberlandesgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 5. September 2008 für zulässig. Einen vom 18. September 2008 datierenden Antrag des Beschwerdeführers, den Beschluss vom 5. September 2008 abzuändern und die Auslieferung für unzulässig zu erklären, wies das Oberlandesgericht mit dem ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 9. Oktober 2008 zurück. Anlass hierzu bestehe insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 33 IRG, da sämtliche in dem Antrag vom 18. September 2008 mitgeteilten Tatsachen bereits bei der Zulässigkeitsentscheidung berücksichtigt worden seien.
Entscheidungsgründe
II.
Der Beschwerdeführer hat, gestützt auf Art. 6, 12 und 14 GG, zunächst am Montag, 27. Oktober 2008, Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss vom 5. September 2008 eingelegt und dabei ausgeführt, dieser sei ihm am 25. September 2008 zugegangen. Unter dem 5. November 2008 hat der Beschwerdeführer zusätzlich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, weil sie unzulässig ist.
Hinsichtlich des Beschlusses vom 5. September 2008 lässt der Vortrag des Beschwerdeführers nicht erkennen, dass die Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG gewahrt wäre. Die Begründungsanforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 92 BVerfGG erfordern die substantiierte Darlegung der Fristwahrung, sofern diese nicht ohne weiteres aus den Unterlagen ersichtlich ist (vgl. etwa BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Juli 1999 – 2 BvR 1177/99 –, juris; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. September 2008 – 2 BvR 1682/08 –; zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Zwar hat der Beschwerdeführer angegeben, dass ihm der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 5. September 2008 erst am 25. September 2008 zugegangen sei. Träfe dies zu, so wäre mit der am Montag, den 27. Oktober 2008 um 23:55 Uhr eingegangenen Verfassungsbeschwerde die Frist gerade noch eingehalten worden. Allerdings hat der Beschwerdeführer bereits am 18. September 2008 bei dem Oberlandesgericht einen Abänderungsantrag gegen den Beschluss vom 5. September 2008 gestellt. Dem Beschwerdeführer muss daher zu diesem Zeitpunkt der Beschluss vom 5. September 2008 bereits bekannt gewesen sein, mit der Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nach Ablauf der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG erhoben worden ist. Die Frist wurde auch nicht durch den Antrag des Beschwerdeführers vom 18. September 2008 offen gehalten. Zwar kann ein Antrag auf erneute Entscheidung über die Auslieferung im Sinne des § 33 IRG grundsätzlich die Frist zur Erhebung einer gegen die Zulässigkeitsentscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde insofern offen halten respektive wieder eröffnen, als sich eine fristgerecht gegen die den Antrag nach § 33 IRG zurückweisende Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde wegen des inneren Zusammenhangs auch auf die ursprüngliche Zulässigkeitsentscheidung erstreckt. Dies gilt jedoch nur, wenn das Oberlandesgericht in Folge des Antrags nach § 33 IRG tatsächlich eine neue sachliche Prüfung der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Auslieferung vorgenommen hat (vgl. zu der früheren, dem jetzigen § 33 IRG entsprechenden Vorschrift des § 29 DAG BVerfGE 9, 174 ≪179≫; 50, 244 ≪252≫ sowie zur geltenden Rechtslage BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Mai 2008 – 2 BvR 733/08 –, juris). Dies ist hier indes nicht erfolgt, denn das Oberlandesgericht hat in seinem Beschluss vom 9. Oktober 2008 bereits das Vorliegen oder Bekantwerden neuer Umstände im Sinne des § 33 Abs. 1 und 2 IRG verneint und daher gerade keine neue Sachprüfung vorgenommen. Sofern der Antrag des Beschwerdeführers vom 18. September 2008 (zugleich) als bloße Gegenvorstellung anzusehen sein sollte, hätte dies auf den Lauf der Frist bezüglich des Beschlusses vom 5. September 2008 ebenfalls keinen Einfluss, da die Erhebung solcherart gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelfe nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist (vgl. BVerfGE 107, 395 ≪417≫). Den sich damit aus den Akten ergebenden Eindruck der Verfristung der Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer zumindest nicht widerlegt.
Hinsichtlich des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 9. Oktober 2008 hat der Beschwerdeführer nicht ansatzweise dargetan, inwiefern ihn diese allein auf das prozessuale Kriterium der fehlenden neuen oder neu bekannt gewordenen Umstände im Sinne des § 33 Abs. 1 und 2 IRG gestützte Entscheidung in seinen Rechten im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG verletzen soll.
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
IV.
Die Auferlegung einer Missbrauchsgebühr beruht auf § 34 Abs. 2 BVerfGG. Danach kann das Bundesverfassungsgericht eine Gebühr bis zu 2.600 EUR auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt. Die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde stellt unter anderem dann einen Missbrauch dar, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (stRspr; vgl. etwa BVerfGK 6, 219; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweitens Senats vom 22. Oktober 1995 – 2 BvR 2344/95 –, NStZ-RR 1996, S. 112). Ein Missbrauch des Verfassungsbeschwerderechts liegt auch vor, wenn gegenüber dem Bundesverfassungsgericht falsche Angaben über entscheidungserhebliche Umstände gemacht werden. Dabei genügt es, wenn die Falschangabe unter grobem Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten erfolgt, ein vorsätzliches Verhalten oder gar eine absichtliche Täuschung ist nicht erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses vom 5. Dezember 1984 – 2 BvR 568/84 –, NJW 1985, S. 355; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. Januar 2006 – 1 BvR 1904/05 –, juris; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. November 2007 – 2 BvR 308/06 –, juris). Die Missbrauchsgebühr kann dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers auferlegt werden, wenn die Missbräuchlichkeit diesem zuzurechnen ist (vgl. BVerfGK 6, 219 ≪220≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Juni 2004 – 1 BvR 915/04 –, NJW 2004, S. 2959; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2006 – 2 BvR 2357/06, 2 BvR 2389/06 –, juris; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. November 2007, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen für die Verhängung einer Missbrauchsgebühr sind erfüllt. Die Angabe des Bevollmächtigten in der Verfassungsbeschwerdeschrift, der Beschluss vom 5. September 2008 sei erst am 25. September 2008 zugegangen, ist im Zusammenhang mit dem Umstand, dass der Bevollmächtigte bereits am 18. September 2008 einen Antrag auf Abänderung dieses Beschlusses gestellt hat, wenn nicht objektiv falsch so doch jedenfalls in hohem Maße geeignet, das Bundesverfassungsgericht über die entscheidungserhebliche Tatsache des Beginns der Verfassungsbeschwerdefrist in die Irre zu führen. Eine derartige Missachtung der einem Bevollmächtigten obliegenden Sorgfaltspflichten hat das Bundesverfassungsgericht nicht hinzunehmen. Sie stellt einen Missbrauch des Verfassungsbeschwerderechts dar, der die Auferlegung einer angemessenen Gebühr in Höhe von 1.500 EUR rechtfertigt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Landau
Fundstellen