Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Erwerbsunfähigkeit

 

Verfahrensgang

BSG (Beschluss vom 17.02.1999; Aktenzeichen B 5 RJ 38/98 B)

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 17.12.1997; Aktenzeichen L 8 J 83/96)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht nur zur Entscheidung anzunehmen, da sie – unbeschadet ihrer Zulässigkeit – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen und die diesen zugrundeliegenden Vorschrift des § 44 Abs. 3 SGB VI verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten.

1. Die Beschwerdeführerin hat einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nur, wenn sie – was nicht der Fall ist – die besondere Wartezeit von 240 Monaten nach § 44 Abs. 3 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (seit dem 1. Januar 2001: § 43 Abs. 6 SGB VI) erfüllt. Dieses Erfordernis ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehalten, Versicherten, welche bereits beim Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung erwerbsunfähig waren, nach Erfüllung einer kürzeren Wartezeit oder unter auf sonstige Art erleichterten Voraussetzungen den Bezug einer solchen Rente zu ermöglichen. § 44 Abs. 3 SGB VI und nunmehr § 43 Abs. 6 SGB VI enthalten bereits eine Begünstigung von Behinderten. Denn es widerspricht grundsätzlich dem Versicherungsprinzip, in eine Versicherung mit einem Risiko einzutreten, welches sich bereits verwirklicht hat (vgl. BVerfGE 103, 197 ≪219≫). Es ist nicht ersichtlich, dass darin eine Verletzung des Benachteiligungsverbots des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG liegt (vgl. auch BSGE 78, 163 m.w.N.). Bei von Anfang an erwerbsunfähigen Behinderten liegt wegen der geminderter Leistungsfähigkeit regelmäßig eine geringere Beitragsleistung zur Rentenversicherung vor, die es rechtfertigt, den Zugang zu dem Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit von der Erfüllung einer längeren Wartezeit abhängig zu machen. Eine weitere Begünstigung von Behinderten ergibt sich zudem aus der beanstandeten Regelung insofern, als sie das Erfordernis der so genannten Drei-Fünftel-Belegung des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfüllen müssen und durch freiwillige Beiträge die Wartezeit erfüllen können (vgl. hierzu Niesel, Kasseler Kommentar, SGB VI § 44 Rn. 36 ≪Stand: 1996≫).

2. Auch das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG gebietet keine weiter gehenden Ansprüche der Beschwerdeführerin. Grundsätzlich ergeben sich aus diesem Prinzip wegen seiner Weite und Unbestimmtheit nur ausnahmsweise bestimmte Leistungsrechte (vgl. BVerfGE 82, 60 ≪80≫), auch wenn nach Auffassung des Schrifttums die Gehalte des Sozialstaatsprinzips zugunsten Behinderter durch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verstärkt und ergänzt werden (vgl. Osterloh, in Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 305; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 105).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Steiner, Hoffmann-Riem

 

Fundstellen

Dokument-Index HI780419

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