Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter liegt nicht vor.
1. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Ziel der Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte. Darüber hinaus enthält Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch eine materielle Gewährleistung. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtssuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfGE 82, 286 ≪298≫; 89, 28 ≪36≫ m.w.N.).
Der “gesetzliche Richter” muss wirksam zum Richter ernannt (Art. 92 GG) und unabhängig (Art. 97 GG) sein.
Diese Grundsätze gelten auch für die Beteiligung ehrenamtlicher Richter an der rechtsprechenden Gewalt (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Mai 1992 – 2 BvR 528/92 –, juris). Die Entscheidung eines Gerichts verstößt nur dann gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn sie von willkürlichen Erwägungen bestimmt ist. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Gerichts sich bei der Auslegung und Anwendung der Norm so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. BVerfGE 3, 359 ≪364≫; 29, 45 ≪48 f.≫ m.w.N.).
2. Nach diesem Prüfungsmaßstab verletzen die angegriffenen Entscheidungen das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter nicht. Die Auffassung der Fachgerichte, die Auslosung der Schöffen genüge den Erfordernissen der Öffentlichkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 GVG, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Für die Herstellung der Öffentlichkeit bei der Auslosung der Schöffen finden nach herrschender Meinung grundsätzlich die Maßstäbe des § 169 GVG Anwendung (vgl. BGH, NStZ 1984, S. 89; Meyer-Goßner, GVG, 48. Aufl. 2005, § 45 Rn. 4; Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl. 2005, § 45 Rn. 11; a.A. Siolek, in: Löwe-Rosenberg, GVG, 25. Aufl. 2003, § 45 Rn. 15). Danach muss einerseits gewährleistet sein, dass sich jedermann ohne besondere Schwierigkeit Kenntnis von Ort und Zeit der Sitzung verschaffen kann, und andererseits, dass ihm im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten der Zutritt eröffnet wird (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 169 Rn. 3; Pfeiffer, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl. 2003, Einleitung Rn. 21). Auf welche Weise dies sichergestellt wird, schreibt das Gesetz nicht vor. Einen Anspruch auf Anwesenheit in einer bestimmten, ihn interessierenden Sitzung gewährt das Öffentlichkeitsprinzip dem Bürger nicht (vgl. Wickern, in: Löwe-Rosenberg, a.a.O., § 169 Rn. 19).
Als erforderlich für die Herstellung der Öffentlichkeit wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum das Anbringen eines Aushangs angesehen, der vor dem Sitzungsraum während der Dauer der öffentlichen Sitzung auf diese hinweist (vgl. Kissel/Mayer, a.a.O.; Pfeiffer, a.a.O.; Diemer, in: Karlsruher Kommentar, GVG, a.a.O., § 169 Rn. 7; Wickern, a.a.O., § 169 Rn. 23 f.). Ein solcher Aushang ist hier erfolgt. Dem Publikum war es ohne Schwierigkeiten möglich, zu erkennen, dass die Auslosung der Schöffen in öffentlicher Sitzung im Dienstzimmer des Landgerichtspräsidenten stattfand.
Ein allgemeiner Grundsatz, dass der Aushang bereits einige Zeit vor Beginn der Sitzung angebracht werden müsste, lässt sich verfassungsrechtlich nicht begründen. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist vielmehr anerkannt, dass es für die die Öffentlichkeit herstellenden Maßnahmen des Gerichts im Einzelfall darauf ankommt, ob mit interessierten Zuhörern zu rechnen ist (vgl. Diemer, a.a.O., § 169 GVG Rn. 7 m.w.N. zur Rechtsprechung; Wickern, a.a.O., § 169 Rn. 20). Es liegt auf der Hand, dass das Gericht in Verfahren, die auf ein breites Interesse der Öffentlichkeit stoßen, andere Anstrengungen zu deren Herstellung – etwa bei der Auswahl der Räumlichkeiten und dem rechtzeitigen Anbringen von Hinweisschildern – zu unternehmen hat als in Verfahren, bei denen dies nicht der Fall ist.
Erfahrungsgemäß wird öffentlichen Sitzungen, in denen die Reihenfolge bestimmt wird, in der die Schöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen des Jahres teilnehmen, seitens der Öffentlichkeit nur geringes Interesse entgegengebracht. Das Revisionsgericht weist daher zu Recht darauf hin, es könnten gewisse Anforderungen an den interessierten Bürger, der sich Zugang zu einer öffentlichen Sitzung verschaffen will, gestellt werden. Dass es hier an der Auslosung interessierten Bürgern nicht möglich gewesen wäre, sich vorab Kenntnis von Ort und Zeit der Sitzung, z.B. durch eine Anfrage an der Gerichtspforte oder bei der Schöffengeschäftsstelle zu verschaffen (vgl. BGH, NStZ 1985, S. 514; 1984, S. 89), wurde nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich. Da es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Aushang nur während der Dauer der Sitzung erfolgte, kommt dem Umstand, dass auf dem Aushang keine Uhrzeit vermerkt war, keine Bedeutung zu.
Soweit der Beschwerdeführer sich darauf stützt, der Öffentlichkeit sei die Teilnahme an der Sitzung faktisch nicht möglich gewesen, da der Sitzungsraum in einem Verwaltungstrakt des Gerichtsgebäudes liege, in dem Publikumsverkehr nur zu beobachten sei, wenn einzelne Personen – insbesondere Besucher der Bibliothek, Parteien und Rechtsanwälte – ein besonderes Anliegen verfolgten, geht dieser Vortrag fehl, da es auch diesen Personen frei steht, als Vertreter der Öffentlichkeit an dort stattfindenden öffentlichen Sitzungen teilzunehmen. Der tatsächliche Zugang war interessierten Zuhörern über das – während der Sitzung unverschlossene (vgl. Wickern, a.a.O., § 169 Rn. 11) und damit jederzeit betretbare – Vorzimmer möglich.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen