Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausweisung eines Asylberechtigten
Beteiligte
Rechtsanwalt K.-H. Bartens-Winter |
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Zwischenurteil vom 25.06.1999; Aktenzeichen 18 B 2159/98) |
VG Düsseldorf (Zwischenurteil vom 09.09.1998; Aktenzeichen 7 L 4526/96) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die sofortige Vollziehung einer ausländerrechtlichen Verfügung, mit der die Ausweisung eines Asylberechtigten angeordnet und ihm die Abschiebung in seinen Heimatstaat angedroht worden ist. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat mangels Zulässigkeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist nach dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde unzulässig. Der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt neben der formalen Erschöpfung des Rechtswegs, dass der Beschwerdeführer alle fachgerichtlichen Möglichkeiten genutzt hat, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 95, 163 ≪171≫; stRspr). Daran fehlt es, wenn er es im Zulassungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht unterlassen hat, einen für maßgeblich erachteten Gesichtspunkt mit einem der gesetzlich vorgesehenen Zulassungsgründe hinreichend substantiiert darzulegen oder die geltend gemachten Zulassungsgründe in einer dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO genügenden Weise vorzutragen.
Vorliegend hat es der Beschwerdeführer zu 1. im Beschwerdezulassungsverfahren versäumt, mehrere in der Verfassungsbeschwerde für maßgeblich erachtete Gesichtspunkte – Verfassungswidrigkeit des § 51 Abs. 3 AuslG wegen Verstoßes gegen Art. 16a Abs. 1 GG, Art. 6 GG – hinreichend substantiiert darzulegen.
Der Beschwerdeführer zu 1. hat unter anderem als ernstliche Zweifel an der Richtigkeit geltend gemacht, der Beschluss des Verwaltungsgerichts verstoße gegen den Wortlaut des § 51 AuslG und hat auf die ausschließliche Kompetenz des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zur Entscheidung über das Vorliegen politischer Verfolgung hingewiesen. Mit diesem Vorbringen werden indes keine ernstlichen Zweifel insoweit dargelegt, als das Verwaltungsgericht einerseits die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 AuslG bejaht und andererseits das Vorliegen von Abschiebungshindernissen insbesondere nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK geprüft und verneint hat. Weder hat der Beschwerdeführer zu 1. im Beschwerdezulassungsverfahren das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 AuslG in Frage gestellt noch die nunmehr behauptete Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift geltend gemacht. Insoweit hätte es auch nahegelegen, den Antrag auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung zu stützen. Ebensowenig hat er im Beschwerdezulassungsverfahren einen Verstoß gegen Art. 6 GG gerügt.
2. Des Weiteren fehlt es an einer den Anforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG genügenden Darlegung einer Verletzung des Asylgrundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts.
Zunächst kann offen bleiben, ob die Ausweisungsverfügung selbst, die nur den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers zu 1. im Inland und damit für sich genommen jedenfalls noch nicht den Kernbereich des Asylgrundrechts betrifft, an Art. 16a Abs. 1 GG zu messen wäre, da insoweit keine Rügen erhoben worden sind.
Eine Verletzung des Asylgrundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG macht der Beschwerdeführer zu 1. nur hinsichtlich der Abschiebungsandrohung und deren sofortiger Vollziehung geltend. Insoweit fehlt es in der Verfassungsbeschwerde aber an einer Auseinandersetzung mit den im Beschluss des Verwaltungsgerichts für die Anwendung des § 51 Abs. 3 AuslG auf den vorliegenden Fall genannten Gründen (vgl. Beschlussabdruck S. 14 ff.).
a) Mit der Abschiebung eines Asylberechtigten wird allerdings der Kernbereich des Asylgrundrechts berührt, denn zu diesem zählt der Schutz des politisch Verfolgten vor einer Abschiebung in den Verfolgerstaat (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1975, BVerwGE 49, 202 ≪205 f.≫; Renner, AuslR, 7. Aufl., Art. 16a GG, Rn. 9; Marx, AsylVfG, 4. Aufl., § 2 Rn. 4). Da der Beschwerdeführer zu 1. als Asylberechtigter anerkannt worden ist, liegen die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots i.S.d. § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Marokkos an sich vor (vgl. § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG). Die Nennung Marokkos als Zielstaat der angedrohten Abschiebung ist daher nur dann rechtmäßig, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist (§ 51 Abs. 3 AuslG).
b) Das Verwaltungsgericht ist offenbar davon ausgegangen, der Beschwerdeführer zu 1., der wegen Handeltreibens mit Heroin zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden ist, bedeute wegen der gegebenen konkreten Wiederholungsgefahr auch eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 51 Abs. 3 2. Alternative AuslG (in der Fassung des Gesetzes vom 29. Oktober 1997, BGBl I S. 2584). Dies ist einfachrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2000 – BVerwG 9 C 6.00 – bisher nur in JURIS). Die Zulassung der Abschiebung eines politisch Verfolgten in den Verfolgerstaat nach § 51 Abs. 3 AuslG ist freilich von Verfassungs wegen nicht unbedenklich (vgl. Renner, AuslR, 7. Aufl., § 51 AuslG Rn. 20 m.w.N). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Möglichkeit der Abschiebung Asylberechtigter in den Verfolgerstaat für mit dem Grundgesetz vereinbar gehalten, weil auch das Asylgrundrecht Begrenzungen aus der gebotenen Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung finde (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1975, a.a.O., zur Vorgängervorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 2 AuslG a.F.; Urteil vom 5. Mai 1998, BVerwGE 106, 351 ≪360 f.≫; Urteil vom 30. März 1999, BVerwGE 109, 1 ≪3 f.≫; Urteil vom 16. November 2000, a.a.O.). Die Einschränkung des Asylgrundrechts sei dann und insoweit rechtmäßig, als sie durch die Berücksichtigung anderer Grundrechte oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechtswerte geboten sei. Auch für die Gewährung von Asylrecht bestehe eine Opfergrenze, die sich nicht abstrakt, sondern nur in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles bestimmen lasse, wobei die Abschiebung von Asylberechtigten in ein Verfolgerland nur als „ultima ratio” in Betracht komme (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1975, a.a.O., S. 208 f.; vgl. dazu auch Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2000 – 2 BvR 1280/99 –, DVBl 2001, S. 66).
c) Ob die Vorschrift des § 51 Abs. 3 AuslG – in dieser restriktiven Auslegung – mit Art. 16a Abs. 1 GG vereinbar ist, bedarf aus Anlass der hier zu prüfenden Verfassungsbeschwerde keiner Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat seinen angegriffenen Beschluss auf eine konkrete – von der Verfassungsbeschwerde nicht in Zweifel gezogene – Abwägung der betroffenen Grundrechte und Rechtsgüter gestützt. Im Rahmen dieser Abwägung war für das Verwaltungsgericht ersichtlich nicht allein die formale Position der Asylanerkennung von Bedeutung, vielmehr hat es unter Zugrundelegung der Feststellungen im Asylverfahren die konkrete Gefahrensituation für den Asylberechtigten berücksichtigt. Es hat sich nämlich im Rahmen der Prüfung, ob sich aus § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK zugunsten des Beschwerdeführers zu 1. ein gemäß § 45 Abs. 2 AuslG bereits bei der Ausweisungsentscheidung zu berücksichtigender Duldungsgrund ergibt, intensiv mit den bei einer Rückkehr nach Marokko drohenden Gefahren befasst. Damit hat es zugleich auch der Bedeutung des Asylgrundrechts Rechnung getragen. Der Beschwerdeführer zu 1. hat sich damit nicht substantiiert auseinandergesetzt, insbesondere fehlt es an näheren Angaben zu den ihm heute in Marokko drohenden Gefahren. Er beruft sich vielmehr ausschließlich auf seine Rechtsposition als Asylberechtigter aus der im Jahre 1981 ausgesprochenen Anerkennung, ohne dass erkennbar wäre, dass ihm bei einer Rückkehr nach Marokko zum jetzigen Zeitpunkt noch politische Verfolgung wegen seiner zeitlich lange zurückliegenden exilpolitischen Betätigung drohte.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Sommer, Osterloh, Di Fabio
Fundstellen