Entscheidungsstichwort (Thema)
Subsidiarität verfassungsgerichtlicher Rechtsbehelfe
Beteiligte
Rechtsanwälte Hans-Jochen Michels und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerdeverfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden betreffen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zu einem Versammlungsverbot.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Den Verfassungsbeschwerden kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist die Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerden bieten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Hinsichtlich der geltend gemachten Rüge der Verletzung des Grundrechts aus Art. 8 GG steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden der Grundsatz der Subsidiarität verfassungsgerichtlicher Rechtsbehelfe entgegen. Die Beschwerdeführer sind gehalten, ihr Rechtsschutzanliegen im – bereits beschrittenen – Verwaltungsrechtsweg durch weiteres Betreiben des anhängigen Hauptsacheverfahrens zu verfolgen.
Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes kann allerdings selbständig Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein. Insoweit war hier nach der abschlägigen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss vom 9. Dezember 1994 der Rechtsweg erschöpft. Der Grundsatz der Subsidiarität verlangt jedoch über die Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus, dass ein Beschwerdeführer die ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts zu erwirken. Für Entscheidungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes folgt hieraus, dass auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten sein kann, wenn sich dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Chance bietet, der verfassungsgerichtlichen Beschwer abzuhelfen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn mit der Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen. Allerdings müssen Beschreitung und Erschöpfung des Hauptsacherechtswegs für den Beschwerdeführer zumutbar sein (vgl. BVerfGE 77, 381 ≪401 f.≫; 79, 275 ≪278 f.≫; BVerfG, Erster Senat, Beschluss vom 9. Oktober 2001 – 1 BvR 622/01 –).
Im vorliegenden Fall sind die von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen einer fachgerichtlichen Klärung in einem verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren zugänglich. Dies gilt auch für die auf die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bezogene Rüge. Denn der Sache nach geht es auch hier um die Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten und der rechtlichen Vorgaben für den Erlass des verfügten Demonstrationsverbotes.
Die weitere Beschreitung des Hauptsacherechtswegs ist für die Beschwerdeführer auch zumutbar. Sie ist nicht von vornherein aussichtslos. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht haben ihre Eilrechtsschutzentscheidungen auf das Ergebnis der von ihnen durchgeführten „summarischen” Prüfungen der Sach- und Rechtslage gestützt. Seitens der Fachgerichte ist keine das Hauptsacheverfahren vorwegnehmende abschließende Sach- und Rechtsprüfung durchgeführt worden. Ein Erfolg der Beschwerdeführer im Hauptsacheverfahren bleibt damit möglich. Hinzu kommt, dass die Beantwortung der hier aufgeworfenen Fragen einer weiteren Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bedarf, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob unter den Initiatoren Einigkeit in Bezug auf die Friedlichkeit der von ihnen angemeldeten Demonstration bestand und ob tatsächlich konkrete Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass mit der Teilnahme mehrerer Tausend gewaltbereiter Demonstranten gerechnet werden musste. Auch sind gegebenenfalls noch schwierige einfachrechtliche Fragen zu klären, etwa hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen und Wirkungen einer Sperrung behördlicher Ermittlungsergebnisse durch ihre Einstufung als Verschlusssache („VS-NfD”).
Eine verfassungsgerichtliche Prüfung der angegriffenen Eilrechtsschutzentscheidungen kann somit allenfalls dahin gehen, ob sich die Gerichte bei der von ihnen vorgenommenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage von Erwägungen haben leiten lassen, die der Bedeutung und der Reichweite von Grundrechten nicht ausreichend Rechnung tragen und die für die Versagung des fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes ausschlaggebend gewesen sein können (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 20. Dezember 2000 – 1 BvR 2045/00, 2166/00 –). Dabei ist das Vorbringen der Beschwerdeführer von Bedeutung, der gerichtliche Eilrechtsschutz sei durch eine zu späte Sachentscheidung der Behörde faktisch vereitelt worden (vgl. dazu BVerfGE 69, 315 ≪363 f.≫). Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die Fachgerichte bei der Prüfung dieses Gesichtspunktes Bedeutung und Reichweite von Art. 8 GG offensichtlich verkannt haben.
2. Soweit die Beschwerdeführer ohne nähere verfassungsrechtliche Spezifizierung rügen, durch „das Verfahren, insbesondere das verwaltungsgerichtliche Verfahren … in ihren Grundrechten” verletzt worden zu sein, genügt ihr Vorbringen nicht den Begründungserfordernissen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hoffmann-Riem
Fundstellen