Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf die Verpflichtung zur Übereignung eines Ersatzgrundstücks nach Vermögensgesetz
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen in einem Verfahren, in dem die Klage des Beschwerdeführers auf Verpflichtung zur Übereignung eines Ersatzgrundstücks nach § 9 des Vermögensgesetzes (VermG) mit der Begründung abgewiesen worden ist, mit der Streichung dieser Vorschrift durch das Vermögensrechtsergänzungsgesetz vom 15. September 2000 (BGBl I S. 1382) sei die Grundlage für das Klagebegehren entfallen. Der Beschwerdeführer hält die Aufhebung der Ersatzgrundstücksregelung und die angegriffenen Gerichtsentscheidungen wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG für verfassungswidrig.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu, weil die für ihre Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind (vgl. insbesondere BVerfGE 83, 201 ≪212≫; 101, 239 ≪259≫; 102, 254). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten Verfassungsrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Rüge einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist schon unzulässig. Sie genügt nicht dem Begründungserfordernis des § 92 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVerfGG, weil sie sich auf die Verwaltungspraxis unter der Geltung des § 9 VermG bezieht, aber nicht deutlich macht, inwiefern die angegriffenen Entscheidungen gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen könnten.
2. Die Rüge einer Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG ist unbegründet. Die Verwaltungsgerichte haben im Ausgangsverfahren zu Recht angenommen, dass die Streichung des § 9 VermG durch den Gesetzgeber nicht der Eigentumsgarantie widerspricht. Dabei kann dahinstehen, ob der Anspruch auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks nach dem früheren § 9 VermG überhaupt in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG fiel (verneinend BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2001 – BVerwG 8 C 13.00 – NJW 2001, S. 3065 ≪3066 f.≫). Denn jedenfalls wäre die Aufhebung jener Regelung als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen.
a) Bei dem Anspruch nach § 9 VermG handelte es sich nach Wortlaut und Systematik dieser Vorschrift um einen Entschädigungsanspruch besonderer Art. Die Streichung der Regelung führte dazu, dass Entschädigung nur noch in der Form der geldwerten Leistung nach dem Entschädigungsgesetz gewährt werden kann, der Berechtigte also nicht mehr zwischen dieser Leistung und einer Entschädigung in der Form eines Ersatzgrundstücks wählen kann. In dieser Beschränkung der Wahlmöglichkeit liegt nicht die – eine Enteignung kennzeichnende – Entziehung subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪259≫ m.w.N.). Vielmehr ist nur der Entschädigungsanspruch desjenigen, dessen Grundstück aus Gründen des § 4 Abs. 2 VermG nicht restituiert werden kann, in genereller und abstrakter Weise neu geordnet und damit eine Inhalts- und Schrankenregelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG getroffen worden (vgl. BVerfGE 52, 1 ≪27≫; 98, 17 ≪37≫).
b) Die Voraussetzungen, unter denen eine solche Regelung zulässig ist, wenn mit ihr bisher bestehende Rechtspositionen umgestaltet oder beseitigt werden (vgl. insbesondere BVerfGE 83, 201 ≪212), sind dabei gewahrt worden. Insbesondere genügt die Streichung des § 9 VermG den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
Mit der Regelung wurden legitime Ziele verfolgt. Vermieden werden sollten zum einen erhebliche finanzielle Belastungen, die der Bund bei einer Umsetzung der Ersatzgrundstücksregelung befürchtete, und zum anderen Verzögerungen bei der Bearbeitung vermögensrechtlicher Entschädigungsanträge sowie ganz allgemein der beträchtliche Verwaltungsaufwand, der bei dieser Umsetzung den Gemeinden und Vermögensämtern gedroht hätte (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Vermögensrechtsergänzungsgesetzes, BTDrucks 14/1932, S. 9 f.; BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2001, a.a.O., S. 3067). Außerdem sollte mit der Streichung des § 9 VermG auch erreicht werden, dass alle Entschädigungsberechtigten gleichbehandelt werden und nicht die Gruppe derer, die als Entschädigung ein Ersatzgrundstück erhalten hätten, bevorzugt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2001, a.a.O., S. 3067, mit Hinweis auf die dort angeführten Ausschussprotokolle). Zur Erreichung dieser Ziele ist das gewählte Mittel geeignet. Der Gesetzgeber durfte auch davon ausgehen, dass es hierfür erforderlich war. Weniger belastende Mittel sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann weder in der Abschaffung des Aufwendungsersatzanspruchs, der den die Ersatzgrundstücke zur Verfügung stellenden Gemeinden gegen den Bund zustand (vgl. BVerwGE 107, 205 ≪212 ff.≫), noch in einer Erhöhung der Einnahmen des Entschädigungsfonds ein derartiges Mittel gesehen werden. Die Beschränkung auf die geldwerte Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz ist schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne. Durch sie werden die Rechte der Entschädigungsberechtigten nicht unangemessen beeinträchtigt, weil die für diese Entschädigung grundlegenden gesetzlichen Regelungen ihrerseits verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (vgl. BVerfGE 102, 254 ≪299 ff.≫).
Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes führen zu keiner anderen Beurteilung. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung liegt nicht vor. Die durch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 17. September 1998 (BVerwGE 107, 205) ausgesprochene Verpflichtung der Behörde zur Neubescheidung des Antrags des Beschwerdeführers nach § 9 VermG hatte die Fortsetzung eines noch laufenden Verfahrens zur Folge, das auch bis zum In-Kraft-Treten des Vermögensrechtsergänzungsgesetzes noch keinen bestandskräftigen Abschluss gefunden hatte. Mithin entfaltete die Streichung des § 9 VermG nur eine unechte Rückwirkung, deren Zulässigkeit durchgreifende Vertrauensschutzaspekte nicht entgegenstehen, zumal sich ein Vertrauen auf eine Umsetzung des § 9 VermG nicht hat bilden können, weil diese Vorschrift während ihres Bestandes nie in größerem Umfang angewandt worden ist.
Der Beschwerdeführer hat, indem er in realistischer Einschätzung des Prozessrisikos den ursprünglich geltend gemachten Restitutionsanspruch nicht weiter verfolgte, sondern allein Entschädigung in der Form eines Ersatzgrundstücks begehrte, auch keine schützenswerte Vermögensdisposition getroffen. Schutzwürdiges Vertrauen des Beschwerdeführers kann sich schließlich nicht aus der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (BGBl II S. 1237) ergeben (vgl. BVerfGE 102, 254 ≪300≫).
3. Art. 2 Abs. 1 GG kann dem Beschwerdeführer einen weitergehenden Schutz nicht gewähren (vgl. auch BVerfGE 101, 54 ≪74≫ m.w.N.).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 771818 |
NJW 2003, 58 |
VIZ 2002, 621 |
WM 2002, 1931 |
ZAP 2002, 1213 |
NJ 2002, 533 |
www.judicialis.de 2002 |