Verfahrensgang
LG Gera (Beschluss vom 02.04.2007; Aktenzeichen 2 Qs 54/07) |
LG Gera (Beschluss vom 20.02.2007; Aktenzeichen 2 Qs 54/07) |
AG Gera (Beschluss vom 19.12.2006) |
Tenor
Die Beschlüsse des Landgerichts Gera vom 20. Februar 2007 und vom 2. April 2007 – 2 Qs 53/07, 2 Qs 54/07 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Gera zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Freistaat Thüringen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
Der Beschwerdeführer beanstandet unter anderem die Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Telefonüberwachungsmaßnahme.
I.
1. Die Staatsanwaltschaft führt gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Zusammenhang mit dem Absatz unverzollter Zigaretten. Im Dezember 2006 ordnete das Amtsgericht die Überwachung von Telefonanschlüssen des Beschwerdeführers an. Von dieser Maßnahme, die dem Beschwerdeführer nicht förmlich bekannt gegeben worden war, erlangte er Ende Januar 2007 auf unbekannte Weise Kenntnis. Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 legte er gegen den Beschluss des Amtsgerichts Beschwerde ein und beantragte bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht in die Ermittlungsakte.
2. Mit Schreiben vom 7. Februar 2007 teilte die Staatsanwaltschaft dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers mit, dass “die unverzügliche Beendigung der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen betreffend” den Beschwerdeführer veranlasst worden sei.
3. Mit weiterem Schreiben vom 8. Februar 2007 beantragte der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers erneut Akteneinsicht in die Ermittlungsakte sowie die Übersendung des die Telefonüberwachung anordnenden Beschlusses des Amtsgerichts. Diese Anfrage blieb unbeantwortet.
4. Mit angegriffenem Beschluss vom 20. Februar 2007 verwarf das Landgericht die Beschwerde als unbegründet. Von einer vollständigen Mitteilung des in der Akte enthaltenen Beschlusses werde in entsprechender Anwendung von § 33 Abs. 4 und § 147 Abs. 5 Satz 3 StPO abgesehen.
5. Am 14. März 2007 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 33a StPO. Er beantragte zudem die Mitteilung der von der Staatsanwaltschaft zur Begründung des Telefonüberwachungsbeschlusses vorgetragenen Ausführungen und Tatsachen, der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zur Beschwerde des Beschwerdeführers sowie der Stellungnahme des Amtsgerichts zur Beschwerde des Beschwerdeführers.
6. Gleichzeitig beantragte er bei der Staatsanwaltschaft erneut erfolglos die Gewährung von Akteneinsicht. Die Staatsanwaltschaft lehnte die Akteneinsicht gemäß § 147 Abs. 5 StPO ab; privilegierte Aktenbestandteile lägen nicht vor.
7. Mit angegriffenem Beschluss vom 2. April 2007 wies das Landgericht den Antrag auf Durchführung des Nachverfahrens nach § 33a StPO als unzulässig zurück.
Zwar sei dem Beschwerdeführer entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft kein vollständiges rechtliches Gehör im Sinne des grundgesetzlich geschützten Anspruchs eines jeden Betroffenen auf einen möglichst effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG gewährt worden. Allein die Tatsache, dass er Gelegenheit gehabt habe, sich grundsätzlich gegenüber der Staatsanwaltschaft und dem Gericht schriftsätzlich zu äußern, erreiche noch nicht die Qualität der Gewährung rechtlichen Gehörs im Rechtssinne.
Der Antrag nach § 33a StPO sei aber deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer nicht schlüssig rügen könne, dass das Gericht mit seinem Beschluss vom 20. Februar 2007 seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt habe. Das Gericht habe bei dem jetzigen Verfahrensstand nicht anders entscheiden können. Zum einen habe die Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens nach wie vor die Akteneinsicht versagt und noch nicht freigegeben. An diese Vorgaben sei das Gericht gebunden; ihm stehe insoweit kein Entscheidungsspielraum zu. Anhaltspunkte dafür, dass die Akteneinsicht bislang fehlerhaft versagt worden wäre, seien nicht ersichtlich und seien auch in diesem Verfahren vor der Beschwerdekammer nicht zu klären.
Ebenso könnten dem Beschwerdeführer derzeit die maßgeblichen und vollständigen Entscheidungsgründe der Beschwerdeentscheidung erst nach Abschluss der Ermittlungen zur Kenntnis gebracht werden. Eine nur teilweise Gehörsverschaffung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sei ohne die Gefährdung des Ermittlungserfolgs nicht möglich.
Darüber hinaus stehe der Anspruch eines Betroffenen auf rechtliches Gehör auch nicht isoliert im Rechtsraum, sondern sei als wesentliches Merkmal eines Rechtsstaats eingebunden in die Rechtsordnung selbst. Diese besage somit auch, dass nur derjenige sich umfassend auf dieses Rechtsinstitut berufen könne, der im Rahmen der Rechtsordnung von gegen ihn laufenden Ermittlungsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt worden sei und seinerseits die Rechtsordnung respektiere. Nach der Aktenlage hätte der Beschwerdeführer von dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren und der gegen ihn getroffenen Ermittlungsmaßnahmen in legaler Hinsicht keine Kenntnis haben dürfen. Es bestehe der Verdacht, dass sich der Beschwerdeführer diese Kenntnisse auf unlautere Weise verschafft habe. Dies führe in der Konsequenz nicht dazu, dass ihm allein aufgrund dieser Kenntnisse weitere Informationen seitens der Staatsanwaltschaft offenbart werden müssten. Anhaltspunkte dafür, dass das Ermittlungsverfahren selbst gegen die Rechtsordnung verstoßen haben könnte, seien nicht ersichtlich.
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer den Telefonüberwachungsbeschluss des Amtsgerichts sowie die Entscheidungen des Landgerichts vom 20. Februar 2007 und vom 2. April 2007 an. Er rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Zugleich beantragt er, im Wege der einstweiligen Anordnung die Strafverfolgungsbehörden zu verpflichten, alle etwa gegen ihn bereits erwirkten oder geschalteten Abhörmaßnahmen sofort zu beenden, auf der bisherigen Erkenntnislage keine weiteren Abhörmaßnahmen zu erwirken und dem Beschwerdeführer die mit der Anordnung und Anfechtung der ihn betreffenden Telefonüberwachungsbeschlüsse verbundenen Antragsbegründungen der Staatsanwaltschaft sowie die angefochtenen Gründe des Amtsgerichts und des Landgerichts in ihrem vollständigen Wortlaut bekannt zu geben.
Die Ermittlungsbehörden hätten willkürlich die Voraussetzungen für den Tatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB angenommen. Dem Beschwerdeführer werde die Beteiligung am Absatz unverzollter Zigaretten vorgeworfen. Im Raum stehe damit allein die banden- und gewerbsmäßige Steuerhehlerei nach § 373 Abs. 1 und Abs. 2 AO. Da dieser Tatbestand aber keine Katalogtat im Sinne des § 100a StPO sei, habe die Staatsanwaltschaft die haltlose Behauptung aufgestellt, es bestehe der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung, um somit eine Telefonüberwachungsmaßnahme möglich zu machen. Damit sei an den engen Vorgaben des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Voraussetzungen des Tatbestands der Bildung einer kriminellen Vereinigung vorbei, sehenden Auges und ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte eine Verdachtssituation fingiert worden. Die Abhörmaßnahme unter Missachtung der Vorgaben des § 100a StPO verletze den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 GG.
Sein Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, weil ihm im gerichtlichen Verfahren die Akteneinsicht in die Ermittlungsakten verwehrt worden sei. Zwar sei die Telefonüberwachung zum jetzigen Zeitpunkt bereits beendet. Es handle sich aber hier um einen tief greifenden Grundrechtseingriff, dessen Berechtigung auch nach dessen Erledigung überprüft werden könne. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör komme hier besondere Bedeutung zu, weil die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer strafprozessualen Ermittlungen die gerichtliche Anordnung von Eingriffsmaßnahmen ohne vorherige Anhörung des Betroffenen erwirke. In diesem Fall sei dem Betroffenen das rechtliche Gehör jedenfalls im Beschwerdeverfahren nachträglich zu gewähren. Für den Betroffenen nachteilige Gerichtsentscheidungen dürften jedenfalls in der Beschwerdeinstanz nur auf der Grundlage solcher Tatsachen und Beweismittel getroffen werden, über die dieser zuvor sachgemäß unterrichtet worden sei und zu denen er sich habe äußern können. Ein “in camera”-Verfahren vertrage sich im Bereich des Strafprozesses nicht mit den besonderen Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit dieses Verfahrens. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er sich bei Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen wirksamer hätte verteidigen können und neue, drohende Eingriffe hätte unterbinden können.
Zudem werde er durch die Vorgehensweise der Ermittlungsbehörden rechtsschutzlos gestellt. Er werde jeder Möglichkeit beraubt, neue, mit fingierter Begründung erwirkte Abhörbeschlüsse zu unterbinden.
III.
Der Freistaat Thüringen hatte Gelegenheit zur Äußerung. Er hat eine Stellungnahme nicht abgegeben.
Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten 820 Js 7075/04 der Staatsanwaltschaft Gera vorgelegen.
IV.
Die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist in einer die Kammerzuständigkeit eröffnenden Weise offensichtlich begründet, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts wendet. Diese Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG.
1. a) Das Grundgesetz sichert das rechtliche Gehör im gerichtlichen Verfahren durch Art. 103 Abs. 1 GG. Rechtliches Gehör ist nicht nur ein prozessuales Urrecht des Menschen, sondern auch ein objektivrechtliches Verfahrensprinzip, das für ein rechtsstaatliches Verfahren im Sinne des Grundgesetzes konstitutiv und grundsätzlich unabdingbar ist (vgl. BVerfGE 55, 1 ≪6≫). Der Einzelne soll nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um als Subjekt Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 9, 89 ≪95≫). Rechtliches Gehör sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess selbstbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Art. 103 Abs. 1 GG steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 81, 123 ≪129≫). Dem kommt besondere Bedeutung zu, wenn im strafprozessualen Ermittlungsverfahren Eingriffsmaßnahmen ohne vorherige Anhörung des Betroffenen gerichtlich angeordnet werden (§ 33 Abs. 4 StPO). Dann ist das rechtliche Gehör jedenfalls im Beschwerdeverfahren nachträglich zu gewähren (vgl. BVerfGK 3, 197 ≪204≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Januar 2006 – 2 BvR 1075/05 –, NJW 2006, S. 1048).
b) Ist – wie hier im Bereich des Strafprozesses – ein “in camera”-Verfahren mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbar, so folgt daraus, dass eine dem Betroffenen nachteilige Gerichtsentscheidung jedenfalls in der Beschwerdeinstanz nur auf der Grundlage solcher Tatsachen und Beweismittel getroffen werden kann, über die er zuvor sachgemäß unterrichtet wurde und zu denen er sich äußern konnte. §§ 33, 33a StPO beschränken die gebotene Anhörung nicht auf Tatsachen und Beweisergebnisse; vielmehr ist über den Wortlaut der Bestimmungen im engeren Sinn hinaus jeder Aspekt des rechtlichen Gehörs davon erfasst (vgl. BVerfGE 42, 243 ≪250≫). Zum Anspruch auf Gehör vor Gericht gehört demnach auch die Information über die entscheidungserheblichen Beweismittel. Namentlich für Haftfälle gehen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und in ähnlicher Weise auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden darf, die dem Beschuldigten durch Akteneinsicht der Verteidigung bekannt sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 1994 – 2 BvR 777/94 –, NJW 1994, S. 3219 ≪3220 f.≫; EGMR, NJW 2002, S. 2013 ≪2014≫). Auf Haftfälle ist die Anwendung des Art. 103 Abs. 1 GG aber nicht beschränkt (vgl. BVerfGK 3, 197 ≪205 f.≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Januar 2006 – 2 BvR 1075/05 –, NJW 2006, S. 1048 ≪1049≫).
c) Ein ausreichender Grund für eine Entscheidung auf der Grundlage eines Akteninhalts, der dem Beschuldigten nicht zugänglich ist, besteht im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht. Die Gewährung von Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren richtet sich nach § 147 StPO. Danach kann im Einzelfall die Akteneinsicht verweigert werden, wenn bestimmte Strafverfolgungsinteressen dies gebieten. Staatlichen Geheimhaltungsbedürfnissen könnte für sich genommen dadurch Rechnung getragen werden, dass die Kenntnisnahme von den maßgeblichen Informationen auf das Gericht beschränkt bliebe (vgl. bezogen auf ein verwaltungsgerichtliches “in camera”-Verfahren unter ausdrücklichem Ausschluss des Strafverfahrens BVerfGE 101, 106 ≪128 ff.≫). Das verträgt sich jedoch im Bereich des Strafprozesses nicht mit den besonderen Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit dieses Verfahrens (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪288 f.≫; 67, 100 ≪133 ff.≫; BGH, NStZ 2000, S. 265 ≪266≫; und für das strafprozessähnliche Parteiverbotsverfahren BVerfGE 107, 339 ≪369≫). Im Strafverfahren wirken Geheimhaltungsinteressen der Exekutive “in dubio pro reo” (vgl. BVerfGE 101, 106 ≪130≫). Der Rechtsstaatsgedanke gebietet es, dass der von einer strafprozessualen Eingriffsmaßnahme betroffene Beschuldigte jedenfalls nachträglich, aber noch im gerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Eingriffs, Gelegenheit erhält, sich in Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen gegen die Eingriffsmaßnahme und den zu Grunde liegenden Vorwurf zu verteidigen (vgl. BVerfGE 18, 399 ≪404≫; BVerfGK 3, 197 ≪204≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Januar 2006 – 2 BvR 1075/05 –, NJW 2006, S. 1048 ≪1049≫). Auch eine Telefonüberwachungsmaßnahme greift in die grundrechtlich geschützte (Art. 10 Abs. 1 GG) persönliche Lebenssphäre schwerwiegend ein. Hier wurde die Telefonüberwachungsmaßnahme ausweislich des Schreibens der Staatsanwaltschaft vom selben Tag bereits am 7. Februar 2007 beendet. Hinweise darauf, dass weitere Abhörmaßnahmen durchgeführt werden, bestehen nicht. Der Eingriff dauerte hier während des Laufs des Beschwerdeverfahrens nicht mehr an. Das Beschwerdeverfahren diente damit nur der nachträglichen Überprüfung eines beendeten Eingriffs in Grundrechte des Betroffenen, nicht der Beendigung eines während des Verfahrens noch fortdauernden Eingriffs.
Das öffentliche Interesse, weiter im Verborgenen zu ermitteln, kann in einem solchen Fall mit dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen dadurch zum Ausgleich gebracht werden, dass die Beschwerdeentscheidung nicht ergeht, bevor die aus sachlichen Gründen zunächst verwehrte Akteneinsicht gewährt wurde und der Beschwerdeführer sich äußern konnte. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) wird dadurch nicht verletzt. Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf eine angemessene zügige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des beendeten Grundrechtseingriffs; diesem Feststellungsinteresse muss aber nicht mit gleicher Eilbedürftigkeit nachgekommen werden wie dem Anfechtungsbegehren, das sich gegen einen fortdauernden Eingriff richtet. Das Geheimhaltungsinteresse der Strafverfolgungsbehörden kann ein sachgerechter Verzögerungsgrund sein.
2. Nach diesen Maßstäben verletzen die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts das grundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers aus Art. 103 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer konnte bis zur letzten Entscheidung im Beschwerdeverfahren nicht die von den Fachgerichten ausgewerteten Akten einsehen, und er konnte sich zu den Beweisgrundlagen der Entscheidungen nicht äußern. Die Akteneinsicht muss dem Beschuldigten auch dazu dienen können zu überprüfen, ob die bezeichneten Beweismittel vollständig und richtig verwendet und beschrieben wurden und ob ihre vom befassten Gericht dargelegte Bewertung und Einordnung in den sachlichen und rechtlichen Zusammenhang überzeugt oder andere Deutungen näher liegen. Dazu müssen dem Beschuldigten die Beweismittel auf die gleiche Art und Weise zugänglich und anschaulich sein wie dem Richter (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Januar 2006, a.a.O.). Wenn die Versagung der Akteneinsicht in der Vorschrift des § 147 Abs. 2 StPO eine Stütze fand und das Beschwerdegericht an die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach § 147 Abs. 5 StPO gebunden war, dann hätte es daraus den Schluss ziehen müssen, die Entscheidung über die Beschwerde aufzuschieben.
Etwas anderes kann auch nicht deshalb gelten, weil der Beschwerdeführer möglicherweise auf illegale Weise von dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren und den ihn betreffenden Telefonüberwachungsmaßnahmen Kenntnis erlangt hat. Denn dadurch geht der Beschwerdeführer nicht seines Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verlustig.
V.
Die Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) durch das Landgericht führt zur Aufhebung der im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschlüsse. Ob die Anordnung der Telefonüberwachung durch das Amtsgericht den an sie zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, hat zuerst das Landgericht bei der Wiederholung des Beschwerdeverfahrens unter Beachtung des Art. 103 Abs. 1 GG zu prüfen. Ist das Geheimhaltungsinteresse der Strafverfolgungsbehörden entfallen, ist Akteneinsicht zu gewähren; anderenfalls ist mit der Beschwerdeentscheidung zuzuwarten. Das Bundesverfassungsgericht kann sich einer Überprüfung der Anordnung der Telefonüberwachung erst annehmen, wenn das fachgerichtliche Verfahren bei Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten abgeschlossen ist; denn die Wahrung und Durchsetzung der Grundrechte obliegt nach der Funktionenteilung zwischen Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit zuvörderst den Fachgerichten (vgl. BVerfGE 104, 220 ≪236≫; BVerfGK 2, 290 ≪297 f.≫; stRspr).
Da in Bezug auf den Beschluss des Amtsgerichts der Rechtsweg noch nicht erschöpft ist (§ 90 Abs. 2 BVerfGG), fehlt der Verfassungsbeschwerde insoweit die Erfolgsaussicht, und sie wird deshalb nicht zur Entscheidung angenommen.
VI.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden begehrt, “alle etwa gegen den Beschwerdeführer noch erwirkten und geschalteten TÜ-Maßnahmen sofort zu beenden, auf der bisherigen Erkenntnislage keine weiteren TÜ-Beschlüsse zu erwirken und dem Beschwerdeführer die mit der Anordnung und Anfechtung der ihn betreffenden TÜ-Beschlüsse” verbundenen Anträge und Begründungen in ihrem vollständigen Wortlaut bekannt zu geben, ist abzulehnen. Dieser Antrag hat sich mit der teilweisen Stattgabe der Verfassungsbeschwerde nicht erledigt.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geht ins Leere, soweit der Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht die Beendigung aller gegen ihn erwirkten und geschalteten Telefonüberwachungsmaßnahmen begehrt. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Beschwerdeführer bereits mit Schreiben vom 7. Februar 2007 mitgeteilt, dass die Telefonüberwachungsmaßnahmen betreffend den Beschwerdeführer unverzüglich beendet worden seien. Anhaltspunkte dafür, dass entgegen dieser Mitteilung weitere Maßnahmen betreffend diese Telefonanschlüsse vorgenommen wurden, sind nicht ersichtlich.
Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, präventiv tätig zu werden und den Strafverfolgungsbehörden das Ergreifen weiterer Ermittlungsmaßnahmen auf der Grundlage des von ihnen angenommenen Tatverdachts zu verbieten.
VII.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG. Da die Verfassungsbeschwerde überwiegend erfolgreich war, ist die Erstattung der gesamten Kosten angemessen.
Unterschriften
Broß, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen