Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 21.02.2008; Aktenzeichen III ZR 201/07) |
OLG Bamberg (Urteil vom 15.06.2007; Aktenzeichen 9 BAU U 3/06) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerden betreffen eine Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
I.
1. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer von Grundstücken in einem ca. 6,5 ha großen Wohngebiet, das durch eine etwa 500 m lange und im Süden als Sackgasse endende Straße erschlossen wird. Diese Straße soll verlängert werden, um für das Wohngebiet eine zweite verkehrsmäßige Erschließung zu schaffen. Ein Bebauungsplan der Gemeinde sieht hierfür eine über Grundstücke der Beschwerdeführer führende Verkehrsfläche vor. Einen nur vom Beschwerdeführer zu II.1 gegen den Bebauungsplan gestellten Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof rechtskräftig ab.
2. Mit dem angefochtenen Enteignungsbeschluss hat das Landratsamt den Entzug des Eigentums der Beschwerdeführer an Teilflächen ihrer Grundstücke ausgesprochen. Im Rahmen einer Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB habe die Enteignungsbehörde als Vorfrage eigenverantwortlich zu prüfen, ob ein wirksamer Bebauungsplan mit der den beantragten Zweck konkretisierenden Aussage vorliege. Sei jedoch die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans in einem Normenkontrollverfahren bestätigt worden, so habe die Enteignungsbehörde die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans zu unterstellen. Die Frage, ob ein anderes Grundstück für das Vorhaben geeigneter gewesen wäre, sei mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verbindlich verneint worden. Das Landratsamt habe dieses Urteil in seiner Entscheidung zu beachten.
Der hiergegen gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb in allen Instanzen erfolglos. In seinem die Berufung der Beschwerdeführer zurückweisenden Urteil hat das Oberlandesgericht ausgeführt: Der Enteignungsbeschluss sei rechtmäßig. Der Bebauungsplan sei eine ausreichende Grundlage für eine planakzessorische Enteignung. Die vom Baulandgericht inzidenter zu prüfende Gültigkeit des Bebauungsplans sei gegeben. Bezüglich des Beschwerdeführers zu II.1 folge dies aus der Rechtskraft des Normenkontrollurteils des Verwaltungsgerichtshofs. Bezüglich der übrigen Beschwerdeführer, die am Normenkontrollverfahren nicht beteiligt gewesen seien, bestehe zwar keine Rechtskraftwirkung, die zulässige Inzidentkontrolle des Bebauungsplans führe aber auch diesen gegenüber nicht zur Annahme der Unwirksamkeit der Satzung. Ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot liege nicht vor.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer Enteignung aufgrund eines Bebauungsplans sei nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise geprüft worden, ob das Enteignungsziel nicht auf andere, schonendere Weise erreicht werden könne. Das Oberlandesgericht habe seine Rechtsauffassung zur Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht auf eine rechtliche Kontrolle der Abwägungsüberlegungen der Gemeinde gestützt, sondern auf eine angemaßte eigene Abwägungsentscheidung.
2. Die Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung, die betroffene Gemeinde, der Bundesgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht hatten Gelegenheit, zu den Verfassungsbeschwerden Stellung zu nehmen.
III.
Gründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG, die eine Annahme der Verfassungsbeschwerde erfordern, liegen nicht vor. Eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts der Beschwerdeführer ist nicht feststellbar.
1. Das private Eigentum kann nach Art. 14 Abs. 3 GG nur zum Wohle der Allgemeinheit enteignet werden. Der Zugriff auf das Eigentum ist nur zulässig, wenn er einem besonderen, im öffentlichen Nutzen liegenden Zweck dient. Dabei reicht nicht jedes beliebige öffentliche Interesse aus. Die freiheitssichernde Funktion des Eigentums verlangt ein besonders schwerwiegendes, dringendes öffentliches Interesse; nur um dessen Erfüllung willen dürfen private Rechte entzogen werden. Es kommt nicht darauf an, ob ein Vorhaben in einem allgemeinen Sinne dem Wohl der Allgemeinheit dient, sondern ob die konkrete Enteignung hierfür notwendig ist (vgl. BVerfGE 45, 297 ≪321 f.≫; 66, 248 ≪257≫; 74, 264 ≪289≫).
Für welche Vorhaben und unter welchen Voraussetzungen eine Enteignung zulässig sein soll, hat der parlamentarisch-demokratische Gesetzgeber gesetzlich festzulegen. Bei Administrativenteignungen können weder die staatliche noch die kommunale Verwaltung anstelle des Gesetzgebers die eine Enteignung rechtfertigenden Gemeinwohlaufgaben bestimmen. Bei einer Enteignung zur Umsetzung eines Bebauungsplans ist die Enteignungsbehörde zwar an den Bebauungsplan in seiner städtebaulichen Zielsetzung gebunden. Da die Bauleitplanung jedoch keine verbindliche Aussage über die Zulässigkeit einer Enteignung trifft, müssen die Enteignungsbehörden das Vorliegen der Enteignungsvoraussetzungen eigenständig und unabhängig davon prüfen (vgl. BVerfGE 56, 249 ≪261≫; 74, 264 ≪282 ff., 293≫).
Der Enteignungsbetroffene hat einen aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektive gerichtliche Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, ob der konkrete Zugriff auf sein Eigentum den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (vgl. BVerfGE 45, 297 ≪322, 333≫; 95, 1 ≪22≫). Aus dem Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Akte der öffentlichen Gewalt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen (vgl. BVerfGE 103, 142 ≪156 f.≫; 113, 273 ≪310≫).
2. Gemessen an diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) der Beschwerdeführer zu I. und II. 2 nicht vor. Im Hinblick auf ihre Rechtsposition hat das Oberlandesgericht die gebotene Prüfung der Enteignungsvoraussetzungen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise durchgeführt. Dabei war das Oberlandesgericht verpflichtet und befugt, die Rechtmäßigkeit des Enteignungsbeschlusses des Landratsamts vollständig nachzuprüfen, da es sich hierbei um eine reine Rechtskontrolle handelt und der Enteignungsbehörde kein Entscheidungsspielraum zukommt, der gerichtlich nur beschränkt überprüfbar wäre (a). Diese Überprüfung der Entscheidung des Landratsamts hat das Oberlandesgericht ohne eigenen Verstoß gegen Art. 14 GG vorgenommen (b). Auf eine etwaige Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer zu I. und II.2 aus Art. 14 GG durch den Enteignungsbeschluss des Landratsamts kommt es daher im Ergebnis nicht an (c).
a) aa) Nach der Rechtsprechung der Baulandgerichte hat die Enteignungsbehörde die Enteignungsvoraussetzungen nach § 85 Abs. 1 Nr. 1, § 87 BauGB selbständig zu prüfen; dazu gehört die inzidente Prüfung der Wirksamkeit des Bebauungsplans auch im Hinblick auf die in Frage kommenden Planungsalternativen (vgl. BGHZ 66, 322 ≪325 ff.≫; 67, 320 ≪325 f.≫; Urteil vom 6. Mai 1982 – III ZR 24/81 –, WM 1982, S. 1058 f.). Im Hinblick auf die dabei gebotene Prüfungstiefe haben die Baulandgerichte sich der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur – eingeschränkten – gerichtlichen Kontrolle der gemeindlichen Abwägung angeschlossen. Dies begegnet ebenso wenig verfassungsrechtlichen Bedenken wie der Umstand, dass die Baulandgerichte auch die Vorschriften der §§ 214, 215 BauGB über die Planerhaltung anwenden (vgl. BGH, WM 1982, S. 1058 f.; Breuer, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 85 Rn. 29)
bb) Die Rechtmäßigkeit der bauplanerischen Entscheidung ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Zulässigkeit der Enteignung. Erst wenn – über das allgemeine und plantypische Interesse hinausgehend – ein gesteigertes und vordringliches öffentliches Interesse an einem bestimmten plankonformen Vorhaben besteht, dient dessen Verwirklichung und die dafür erforderliche Inanspruchnahme eines Grundstücks dem Wohl der Allgemeinheit im Sinne des § 87 Abs. 1 BauGB (vgl. Breuer, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 87 Rn. 11). Deshalb hat die Enteignungsbehörde neben der Inzidentkontrolle der bauplanerischen Entscheidung in einem zweiten Schritt nach § 87 Abs. 1 BauGB zu prüfen, ob das Wohl der Allgemeinheit gerade bezogen auf den einzelnen Fall die Enteignung des konkreten Grundstücks erfordert und der Enteignungszweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann.
Diese Entscheidung der Enteignungsbehörde über die Enteignungsvoraussetzungen ist, wie sich bereits aus den § 87 BauGB ergibt, keine Ermessensentscheidung. § 223 BauGB über die beschränkte Nachprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen findet daher keine Anwendung. Auch kommt der Enteignungsbehörde kein Planungsspielraum zu, vielmehr entscheidet die Behörde in Anwendung und Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe (vgl. nur Stadler, Die Enteignung zur Verwirklichung von Festsetzungen eines Bebauungsplans, 2001, S. 221 f.; Halama, in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, § 87 Rn. 106 ≪Stand: Juli 2004≫; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 87 Rn. 9; Breuer, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 87 Rn. 36). Diese Anwendung und Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe können und müssen die Gerichte vollständig nachprüfen. Die gerichtliche Prüfungsdichte entspricht dem aus Art. 14 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anspruch des Enteignungsbetroffenen auf effektive gerichtliche Prüfung der Enteignung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Entscheidung über die Enteignung eine Abwägung der Gemeinwohlbelange mit denen des betroffenen Eigentümers erfordert. Die spezifisch enteignungsrechtliche Gesamtabwägung aller Gemeinwohlgesichtspunkte ist nicht mit einer planerischen Abwägung gleichzusetzen.
cc) Diese Prüfungsanforderungen an Enteignungsbehörde und Gerichte bei einer planakzessorischen Enteignung tragen den verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen des Eigentumsgrundrechts Rechnung. Sie haben ihre Ursache darin, dass der Bebauungsplan keine enteignungsrechtliche Vorwirkung entfaltet und die Feststellung der Enteignungsvoraussetzungen nach Art. 14 Abs. 3 GG nicht vorwegnimmt (vgl. nur BVerfGE 74, 262 ≪282≫; BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 22. Februar 1999 – 1 BvR 565/91 –, NVwZ 1999, S. 979; 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 16. Dezember 2002 – 1 BvR 171/02 –, NVwZ 2003, S. 726 ≪727≫; BGHZ 68, 100 ≪102≫; 105, 94 ≪97≫; BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1987 – BVerwG 4 NB 4.87 –, NVwZ 1988, S. 727 ≪728≫; Beschluss vom 21. Februar 1991 – BVerwG 4 NB 16.90 –, NVwZ 1991, S. 873; Beschluss vom 25. August 1997 – BVerwG 4 BN 4.97 –, NVwZ-RR 1998, S. 483 ≪484≫); das gilt auch dann, wenn – wie hier – der Bebauungsplan eine isolierte Straßenplanung enthält (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 1998 – BVerwG 4 BN 6.98 –, NVwZ 1998, S. 845 ≪846≫). Die beschriebene zweistufige Prüfung im Enteignungsverfahren bietet die von Verfassungs wegen gebotene Gewähr, dass eine fachlich qualifizierte Behörde in einem geeigneten Verfahren eine enteignungsrechtliche Gesamtabwägung aller Gemeinwohlgesichtspunkte und widerstreitenden Interessen unter Prüfung auch der Erforderlichkeit des Vorhabens vornimmt (vgl. BVerfGE 74, 264 ≪293 f.≫). Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelt dem Enteignungsbetroffenen außerdem einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektive gerichtliche Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, ob der konkrete Zugriff auf sein Eigentum den genannten Voraussetzungen genügt (vgl. BVerfGE 45, 297 ≪322, 333≫). Dabei müssen die Enteignungsbehörden und die Gerichte das Vorliegen eigenständig und unabhängig von der planerischen Gemeinwohlkonkretisierung prüfen, da sich die Bauleitplanung nicht an den Anforderungen ihrer zwangsweisen Verwirklichung orientiert (vgl. BVerfG, NVwZ 2003, S. 726 f.).
b) Das Urteil des Oberlandesgerichts ist auf dieser Grundlage im Hinblick auf die Rechte der Beschwerdeführer aus Art. 14 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat sowohl – im Hinblick auf § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB – die gebotene Kontrolle der Wirksamkeit des Bebauungsplans (aa) als auch die nach § 87 Abs. 1 BauGB erforderliche Überprüfung der Erforderlichkeit der konkreten Enteignungsmaßnahme (bb) vorgenommen.
aa) Im Hinblick auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans hat das Oberlandesgericht seine Prüfungspflicht erkannt, denn es hat ausgeführt, dass die inzidenter zu prüfende Gültigkeit des Bebauungsplans gegeben sei. Die von ihm vorgenommene Prüfung ist auch in der Sache verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Ohne Erfolg rügen die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang, das Oberlandesgericht habe seine Auffassung, der Bebauungsplan sei wirksam, nicht auf eine rechtliche Kontrolle der Abwägungsüberlegungen der Gemeinde gestützt, sondern unter Verstoß gegen Art. 14 GG auf eine angemaßte eigene Abwägungsentscheidung. Zwar ist bei der fachgerichtlichen wie der verfassungsgerichtlichen Überprüfung einer Planungsentscheidung zu beachten, dass die Gerichte die Planung im Ergebnis nur einer eingeschränkten Kontrolle unterwerfen. Denn dem Plangeber ist gesetzlich eine Gestaltungsbefugnis und damit die Kompetenz eingeräumt, die erforderliche Abwägung selbst vorzunehmen. Die Gerichte können ihre eigene Abwägung nicht an die Stelle derjenigen des Plangebers setzen; sie haben nur zu prüfen, ob sich diese in den rechtlich vorgezeichneten Grenzen hält (vgl. BVerfGE 76, 107 ≪121 f.≫; 95, 1 ≪22 f.≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2008 – 1 BvR 2722/06 –, NVwZ 2008, S. 780 ≪783≫; BVerwGE 34, 301 ≪308 f.≫; BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1988 – BVerwG 4 C 32 und 33.86 –, NVwZ 1989, S. 152 ≪153≫ m.w.N. zum Planfeststellungsrecht). Eine unzulässige Ersetzung der Abwägung des Plangebers liegt jedoch – nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte – nicht vor, wenn das Gericht im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle des Abwägungsergebnisses und des Abwägungsvorgangs eigene Feststellungen trifft. Das Gericht verletzt nicht den planerischen Gestaltungsspielraum der Behörde, wenn es auf der Grundlage eigener Ermittlungen und Feststellungen den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis überprüft. Erst wenn sich dabei herausstellt, dass eine Abwägung nicht oder auf der Grundlage eines nur unzureichend ermittelten Abwägungsmaterials stattgefunden hat, darf das Gericht daraus den Schluss auf die Rechtswidrigkeit der Abwägung ziehen (vgl. BVerwG, NVwZ 1989, S. 152 ≪153≫).
Nach diesem Maßstab liegt hier eine zulässige gerichtliche Kontrolle der gemeindlichen Abwägungsentscheidung vor. Das Oberlandesgericht hat sich nur mit den von der Gemeinde erwogenen Alternativen beschäftigt. Seine Ausführungen stellen keine Ersetzung der Abwägung der Gemeinde, sondern eine Nachprüfung des Ergebnisses dieser Abwägung dar, die im Kern die Überlegungen der Gemeinde widerspiegeln und diese lediglich um einzelne eigene Feststellungen ergänzen.
Ohne Erfolg führen die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang aus, das Oberlandesgericht habe mit dem Abstellen auf eine „eindeutig vorzugswürdige” Lösung die Anforderungen des Art. 14 GG verkannt. Sie machen geltend, für den hier streitigen Fall einer Enteignung müsse anderes gelten, weil eine Enteignung unzulässig sei, wenn im konkreten Fall andere rechtlich und wirtschaftlich vertretbare Lösungen zur Verfügung stünden, mit denen der gleiche Zweck auf weniger einschneidende Weise erreicht werden könne. Aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführer ist bereits nicht erkennbar, dass ein – unterstellt – verfassungswidriger Maßstab des Oberlandesgerichts sich hier im Ergebnis ausgewirkt hätte. Im Übrigen ist die – im Wesentlichen denselben Grundsätzen wie das Oberlandesgericht folgende – ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der eine Standort- oder Variantenwahl erst dann rechtswidrig ist, wenn sich die verworfene Alternative entweder als eindeutig vorzugswürdige Lösung hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist, verfassungsgerichtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, NVwZ 2008, S. 780 ≪783≫).
bb) Ebenso hat das Oberlandesgericht sich im Rahmen des § 87 Abs. 1 BauGB unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der Frage befasst, ob – über die Rechtmäßigkeit der Planung hinaus – das Eigentum der Beschwerdeführer im konkreten Fall benötigt werde, um besonders schwerwiegende und dringende öffentliche Interessen zu verwirklichen, und sie ohne Verstoß gegen Art. 14 GG bejaht. Es hat ausführlich dargelegt, dass die Enteignungsmaßnahme im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs dringend geboten sei, weil die bisherige Sackgassen-Situation vielfältige Gefahren berge, denen auf andere Weise als durch die Enteignung nicht abgeholfen werden könne.
Einer erneuten eigenständigen Alternativenprüfung über die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme der Grundstücke der Beschwerdeführer bedurfte es auf der Ebene der Enteignungsentscheidung nach § 87 Abs. 1 BauGB insofern nicht mehr, als sie von der Gemeinde im Rahmen ihrer bauplanerischen Abwägungsentscheidung mit dem Bebauungsplan bereits vorgenommen und auf der ersten Ebene (vorstehend aa) einer Inzidentprüfung auf ihre Rechtmäßigkeit unterworfen war.
Unbegründet ist hierbei das Vorbringen der Beschwerdeführer zu II. zum Vorrang der Inanspruchnahme von Grundstücken der öffentlichen Hand. Zwar weisen die Beschwerdeführer zu II. zutreffend darauf hin, dass eine Enteignung unzulässig ist, wenn im konkreten Fall andere rechtlich und wirtschaftlich vertretbare Lösungen zur Verfügung stehen, mit denen der gleiche Zweck auf weniger einschneidende Weise erreicht werden kann (vgl. BVerfGE 24, 367 ≪404 f.≫; 45, 297 ≪322≫; 56, 249 ≪264≫) und dass daher vorrangig Grundstücke der öffentlichen Hand in Anspruch zu nehmen sind, wenn das Vorhaben auf ihnen ebenso gut verwirklicht werden kann; denn in der Abwägung hat das Eigentum der öffentlichen Hand ein geringeres Gewicht als das Eigentum Privater, weil Hoheitsträger nicht Inhaber des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG sind (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 16. Dezember 2002 – 1 BvR 171/02 –, NVwZ 2003, S. 726 ≪727≫; BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 – BVerwG 4 CN 6.01 –, NVwZ 2002, S. 1506 ≪1507≫, mit zahlreichen Nachweisen; BGH, Urteil vom 16. März 1978 – III ZR 145/75 –, juris, Rn. 18). Jedoch haben die Beschwerdeführer zu II. weder mit der Berufung noch mit der Verfassungsbeschwerde eine nur auf öffentlichen Flächen zu realisierende Alternative vorgetragen. Zudem hat das Oberlandesgericht die anderen Lösungen nicht als gleich, sondern als weniger geeignet angesehen, den verfolgten Zweck einer zweiten Erschließungsstraße für das Baugebiet zu erreichen.
c) Auf einen etwaigen Verstoß des Enteignungsbeschlusses des Landratsamts gegen Art. 14 Abs. 1 GG wegen des Umstands, dass die Behörde sich auch im Hinblick auf die Beschwerdeführer zu I. und II.2 an die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs im Normenkontrollverfahren gebunden glaubte und deshalb insofern keine Inzidentprüfung des Bebauungsplan vornahm, kommt es damit im Ergebnis nicht an. Denn das Urteil des Oberlandesgerichts trägt den verfahrensmäßigen und den materiellen Anforderungen des Eigentumsgrundrechts Rechnung (vorstehend b). Die Prüfung der Voraussetzungen einer Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1, § 87 BauGB kann und muss das Baulandgericht in gleicher Weise wie die Behörde vollständig leisten. Steht die gerichtliche Entscheidung im Einklang mit Art. 14 GG, so liegt eine Verletzung dieses Grundrechts im Ergebnis nicht vor, da dem Anspruch des von der Enteignung Betroffenen darauf, dass der konkrete Zugriff auf sein Eigentum mit Art. 14 GG vereinbar sein muss, ebenso genügt ist wie dem Gebot einer effektiven gerichtlichen Kontrolle. Ein behördlicher Enteignungsbeschluss, der diesen Anforderungen an die inhaltliche Überprüfung der Enteignungsvoraussetzungen nicht in vollem Umfang genügt, wird in einem solchen Fall von einer nachfolgenden gerichtlichen Entscheidung, die den genannten Voraussetzungen entspricht, prozessual überholt.
3. Der Beschwerdeführer zu II.1 ist ebenfalls nicht in seinem Recht aus Art. 14 GG verletzt. Das Landratsamt durfte, nachdem der Normenkontrollantrag des Beschwerdeführers zu II.1 rechtskräftig abgelehnt worden war, von der Bindungswirkung der ablehnenden Normenkontrollentscheidung ausgehen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a), gegen die verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen (b). An einer Verletzung der Rechte des Beschwerdeführer zu II.1 fehlt es daher (c).
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bindet eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO, dass ein Bebauungsplan gültig ist, im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkungen auch den Zivilrichter, für den die Wirksamkeit des Bebauungsplans nur eine Vorfrage bildet. Die Bindung soll auch insoweit bestehen, als die Entscheidung die Erforderlichkeit der Planung zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung generell und einen Bedarf für die konkrete Planung bejaht hat. Die Frage, ob ein anderes Grundstück für das Vorhaben geeigneter gewesen wäre, soll mit dem Normenkontrollurteil verbindlich verneint sein. Soweit die stadtplanerische Neugestaltung nach Maßgabe des Bebauungsplans für zulässig erklärt worden sei, könne das (gesteigerte) öffentliche Interesse an der Durchführung dieser Planung nicht mehr mit der Begründung verneint werden, es wäre seinerzeit auch eine andere, alternative Planungsentscheidung möglich gewesen. Zu prüfen bleibt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch, ob die Enteignung zum Vollzug des Bebauungsplans im Einzelfall zulässig ist, mithin ob das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann (vgl. BGHZ 105, 94 ≪97≫; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2001 – III ZR 76/01 –, juris, Rn. 6).
b) Diese Rechtsprechung begegnet entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie beruht auf einem Verständnis des § 121 VwGO zur Bindungswirkung rechtskräftiger verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen, das den Rechtsschutz sachgerecht und in vergleichbarer Art wie in anderen Verfahrensordnungen ausgestaltet.
c) Durch die Bindungswirkung des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs steht im Hinblick auf den Beschwerdeführer zu II.1 die Wirksamkeit des Bebauungsplans fest. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Bindungswirkung entfallen ist. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer entscheidungserheblichen nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage hat der Beschwerdeführer zu II.1 nur behauptet, jedoch nicht hinreichend dargelegt.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Eichberger, Masing
Fundstellen
NVwZ 2009, 1283 |
BayVBl. 2010, 107 |