Entscheidungsstichwort (Thema)
Postmortale ärztliche Eingriffe
Beteiligte
Rechtsanwälte Dr. Peter Ahner und Koll. |
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Beschluss vom 13.03.2001; Aktenzeichen 2 Ws 19/01) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
1. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Verwerfung eines Antrags nach § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO, mit dessen Hilfe der Beschwerdeführer, der aus Glaubens- und Pietätsgründen mit seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau übereingekommen war, nach dem Tode des jeweils anderen ärztliche Eingriffe in dessen Körper nicht zuzulassen, versucht hat, die Bestrafung von Ärzten einer Universitätsklinik zu erzwingen, die am Leichnam seiner Ehefrau eine Obduktion vorgenommen haben.
2. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung (vgl. hierzu BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫; 96, 245 ≪248≫) liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig und hat im Übrigen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Der Beschwerdeführer hat die von ihm erhobenen Rügen, mit denen er der Sache nach im eigenen Namen einen über den Tod hinausreichenden Anspruch seiner Ehefrau auf Wahrung ihrer Menschenwürde sowie ein ihm selbst zustehendes, aus seiner Stellung als Totensorgeberechtigter abgeleitetes Recht aus Art. 1 Abs. 1 GG geltend macht, nicht in einer den Anforderungen der §§ 92 und 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG entsprechenden Art und Weise begründet. Er hat weder den Beschwerdebescheid des Generalstaatsanwalts vom 5. Dezember 2000 noch seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 Abs. 2 Satz 1 StPO) vorgelegt und diese auch nicht dem Inhalt nach wiedergegeben. Deshalb kann nicht festgestellt werden, ob er dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) Genüge getan hat, und welchen Inhalt die vom Generalstaatsanwalt angestellten Erwägungen haben, auf die das Oberlandesgericht entscheidungstragend Bezug genommen hat.
b) Die Verfassungsbeschwerde hat jedenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein verfassungsrechtlich verbürgter Anspruch eines Einzelnen auf Strafverfolgung eines Dritten durch den Staat nicht besteht (vgl. BVerfGE 51, 176 ≪187≫). Auch aus Art. 1 Abs. 1 GG ergibt sich ein solcher Anspruch nicht. Dem durch eine Straftat Verletzten, der die Strafverfolgung eines Dritten mit Hilfe eines Antrags nach § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO erzwingen will, steht von Verfassungs wegen nur das Recht zu, dass über sein Begehren unter Beachtung der für das gerichtliche Verfahren geltenden Anforderungen des Grundgesetzes entschieden wird. Er kann verlangen, dass Form und Inhalt seines Antrags nicht überhöhten (Darlegungs-)Lasten unterworfen werden, sein Vorbringen zur Kenntnis genommen und erwogen wird und seine Ausführungen nicht in willkürlicher Weise gewürdigt werden. Diesen Vorgaben wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts gerecht. Insbesondere lässt das ihr zu Grunde liegende Verständnis des Tatbestands von § 168 Abs. 1 StGB sachfremde Erwägungen nicht erkennen.
Das Oberlandesgericht geht davon aus, dass im Zeitpunkt der Obduktion eine tatsächliche Beziehung des Beschwerdeführers zum Leichnam seiner Ehefrau nicht bestanden habe und das Totensorgerecht des Beschwerdeführers allein nicht ausreiche, ihm den Gewahrsam am Leichnam im Sinne von § 168 Abs. 1 StGB zuzusprechen. Eine Auslegung des Begriffs „Gewahrsam”, die auf jedes tatsächliche Element verzichte, übersteige den Wortlaut des Gesetzes. Dieses Verständnis des § 168 Abs. 1 StGB, das frei von Willkür ist und nicht nur mit dem in Bezug genommenen Schrifttum, sondern auch mit der einschlägigen Rechtsprechung in Einklang steht (vgl. insbesondere OLG München, NJW 1976, S. 1805, OLG Stuttgart, Justiz 1977, S. 313, OLG Karlsruhe, Justiz 1977, S. 313, KG Berlin, NJW 1990, S. 782 und OLG Zweibrücken, MDR 1992, S. 503), schließt es aus, die Vorschrift auf Fälle wie den vorliegenden zu erstrecken. Denn der mögliche Wortsinn markiert die äußerste Grenze der zulässigen Auslegung eines Strafgesetzes. Jede diese Grenze missachtende Interpretation wäre mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar (vgl. BVerfGE 64, 389 ≪393≫; 75, 329 ≪341≫; 82, 236 ≪269≫; 92, 1 ≪12 m.w.N.≫; stRspr).
Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob bei der vom Oberlandesgericht gewählten Auslegung eine mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbare Strafbarkeitslücke entsteht (verneinend: OLG München, aaO), ist für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht erheblich.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Jentsch, Di Fabio
Fundstellen
Haufe-Index 743211 |
NJW 2002, 2861 |
NVwZ 2003, 75 |
ZEV 2002, 464 |
NPA 2002, 0 |