Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 14.06.2007; Aktenzeichen (4) Ausl.A 120/07) |
BezirksG Bialystok (Entscheidung vom 07.03.2006; Aktenzeichen III Kop 138/05) |
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe
Eine einstweilige Anordnung darf nicht ergehen, wenn die Entscheidung über die Hauptsache offensichtlich nicht in die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts fällt oder wenn die in der Hauptsache begehrte Feststellung unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist (BVerfGE 7, 367 ≪371≫; stRspr).
Soweit sich der Antragsteller gegen den Auslieferungshaftbefehl des polnischen Bezirksgerichts wendet, fällt die Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde nicht in die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts. Zur öffentlichen Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG gehören nur Akte der deutschen öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 1, 10 ≪11≫).
Soweit sich der Antragsteller gegen den Beschluss des Kammergerichts zur Aufrechterhaltung der Auslieferungshaft wendet, wäre eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich unbegründet. Gemessen an dem Grundrecht des Antragstellers aus Art. 3 Abs. 1 GG hat das Kammergericht seine Entscheidung nachvollziehbar und vertretbar begründet. Auch verletzt die Prüfung anhand der Vorgaben des § 15 IRG nicht den spezifischen Gehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
Im Rahmen der Prüfung des § 15 Abs. 1 IRG hat das Kammergericht nachvollziehbar dargelegt, es sei damit zu rechnen, dass der Antragsteller untertauche.
Auch hat das Kammergericht in einer summarischen Prüfung gemäß § 15 Abs. 2 IRG vertretbar begründet, dass die Auslieferung nicht von vorneherein als unzulässig erscheint. Es hat insbesondere anhand § 80 Abs. 1 IRG den maßgeblichen Auslandsbezug der Tat, wie sie sich zunächst nach dem Europäischen Haftbefehl darstellt, festgestellt. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 3 IRG hat das Kammergericht Art. 4 des deutsch-polnischen Vertrags vom 17. Juli 2003 (BGBl 2004 II S. 523 ≪524≫; 1339) angewendet und die Möglichkeit der Auslieferung trotz innerstaatlicher Verjährung bejaht. Damit orientiert es sich am Gesetzeswortlaut, auch wenn bei näherer Prüfung die Entstehungsgeschichte für die Anwendbarkeit des § 9 Nr. 2 IRG sprechen kann (vgl. Vorlagebeschluss gemäß § 42 IRG des Oberlandesgerichts Bamberg vom 2. Juli 2007 – 4 Ausl 49/2007 –).
Eine gründliche und abschließende Prüfung der Zulässigkeit bleibt der Entscheidung gemäß § 32 IRG vorbehalten. Hier wird das Kammergericht zu beurteilen haben, ob die gesamte Tat im prozessualen Sinne (§ 264 StPO) nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 Halbsatz 1 IRG einen maßgeblichen Bezug zum ersuchenden Staat aufweist. Außerdem wird es sich mit der Frage zu befassen haben, ob § 9 Nr. 2 IRG anwendbar ist. Falls das Kammergericht dies weiterhin verneint, wird es zu prüfen haben, welche Auswirkungen es hat, dass die Tat nach deutschem Recht bereits verjährt war, als die Auslieferung durch die Änderung des Grundgesetzes sowie die Anwendungs- und Umsetzungsgesetze zu völkerrechtlichen Abkommen zwischenzeitlich ermöglicht wurde. Dabei sind Art. 16 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz GG sowie die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (BVerfGE 25, 269 ff.; 63, 343 ff.) zu beachten. Dauert die Auslieferungshaft länger an, ist angesichts insbesondere der geringen Schwere des Tatvorwurfs der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Auge zu behalten.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen