Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Verpflichtung der Gerichte zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG setzt ferner voraus, daß der Bundesgerichtshof seine ihn aus Art. 177 Abs. 3 EWGV treffende Verpflichtung zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof willkürlich außer acht gelassen hat.Allerdings ist der Willkürmaßstab außer am GG und dem innerstaatlichen Recht auch an die Besonderheiten von Art. 177 EWGV und des Gemeinschaftsrechts im übrigen auszurichten.
2. Eine willkürliche Verkennung der Vorlagepflicht ist gegeben, wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht trotz der – seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Frage eine Vorlage überhaupt nicht in Erwägung zieht, oder bewußt von der Rechtsprechung des EuGH abweicht und gleichwohl nicht vorlegt oder den ihm notwendig zukommenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise bei Fällen überschritten hat, in denen eine einschlägige Rechtsprechung des EuGH noch nicht oder noch nicht erschöpfend vorliegt oder ihre Fortentwicklung nicht ganz fernliegend ist; der Beurteilungsspielraum ist unvertretbar überschritten, wenn Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechtes gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind.
3. Die richterliche Anwendung von Verfahrensrecht (hier: Nichtannahme zur Revision gem. § 554b ZPO) kann gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wenn sie fehlerhaft und bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen; insoweit verbleibt es – auch wenn bei Nichtannahme zur Revision die grundsätzliche Bedeutung einer gemeinschaftsrechtlichen Frage verneint wird – beim herkömmlichen Willkürmaßstab, da es sich insoweit allein um die Auslegung deutschen Zivilprozeßrechts handelt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103 Abs. 1; EWGV Art. 177 Abs. 2; EWGV Art. 177 Abs. 3; EWGV Art. 30; EWGV Art. 36; ZPO § 554b; EWGV 2727/75; EWGRL 524/70
Verfahrensgang
BGH (Entscheidung vom 25.03.1982; Aktenzeichen X ZR 47/81) |
Gründe
Die Beschwerdeführerin, die Beklagte des Ausgangsverfahrens, vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland ein aus den Niederlanden bezogenes Mischfuttermittel, das einen Zusatzstoff enthält, für den die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland ein Patent besitzt; in den Niederlanden hatte die Klägerin des Ausgangsverfahrens ein Patent nicht erwirkt, obwohl dies grundsätzlich möglich gewesen wäre. Der vom niederländischen Hersteller für sein Mischfuttermittel verwendete Zusatzstoff ist nicht von der Klägerin des Ausgangsverfahrens oder einer ihr zugehörigen Gesellschaft in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft auf den Markt gebracht worden. Im Ausgangsverfahren vertrat die Klägerin die Auffassung, die Beschwerdeführerin verstoße mit dem Vertrieb des betreffenden Futtermittels gegen Schutzansprüche der Klägerin aus ihrem deutschen Bundespatent; die Beschwerdeführerin machte geltend, die Berufung auf diesen patentrechtlichen Schutzanspruch verletze Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 30 EWGV. Die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts wurde vom Oberlandesgericht als unbegründet zurückgewiesen, da die Beschwerdeführerin das Patent der Klägerin verletzt habe und der Geltendmachung der patentrechtlichen Schutzansprüche auch keine Vorschriften des Gemeinschaftsrechts entgegenstünden; angesichts der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hielt das Oberlandesgericht eine Vorlage gemäß Art. 177 Abs. 2 EWGV für nicht angemessen. Die Annahme der Revision wurde vom Bundesgerichtshof gemäß § 554b ZPO abgelehnt.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist vor allem die Frage, ob die Beschwerdeführerin dadurch ihrem gesetzlichen Richter entzogen und somit in ihrem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist, daß der Bundesgerichtshof in seinem Nichtannahmebeschluß gemäß § 554b ZPO eine nach Auffassung der Beschwerdeführerin klärungsbedürftige Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts nicht dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV vorgelegt und somit seine aus dieser Bestimmung folgende Vorlagepflicht willkürlich außer acht gelassen hat.
Der angegriffene Nichtannahmebeschluß des Bundesgerichtshofs verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten.
I.
Der Nichtannahmebeschluß des Bundesgerichtshofs verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. Der Europäische Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 73, 339 ≪366 ff.≫).
2. Eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG setzt ferner voraus, daß der Bundesgerichtshof seine ihn aus Art. 177 Abs. 3 EWGV treffende Verpflichtung zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof willkürlich außer acht gelassen hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., Rs 283/81, Slg. 1982, S. 3415 ≪3431≫) muß gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV „ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts gestellt wird, es sei denn, es hat festgestellt, daß die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, daß die betreffende gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder daß die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt; ob ein solcher Fall gegeben ist, ist unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft zu beurteilen”.
aa) Das Kriterium der mangelnden Offenkundigkeit der Anwendung und Auslegung des in Frage stehenden Gemeinschaftsrechts bedeutet, daß, ausgehend von dem vornehmlich in der französischen Lehre und Rechtsprechung entwickelten acte clair-Begriff, ein möglichst objektivierter Klarheitsbegriff zugrundezulegen ist. Es bedeutet eine Absage an die Meinung, es komme allein auf die subjektive Auffassung der mit der Entscheidung befaßten Richter über die „Klarheit” der Auslegung einer bestimmten gemeinschaftsrechtlichen Norm an. In der Tat ist nur dieses Verständnis des Klarheitsbegriffs der prinzipiellen Vorlagepflicht angemessen, die auf der integrationsrechtlichen Notwendigkeit des grundsätzlichen Auslegungsmonopols des Europäischen Gerichtshofs beruht.
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, daß ein innerstaatliches Gericht nur dann davon ausgehen darf, daß ein Fall vorliegt, in dem die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt und deshalb die grundsätzliche Vorlagepflicht ausnahmsweise entfällt, wenn es überzeugt ist, „daß auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedsstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewißheit bestünde. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf das innerstaatliche Gericht davon absehen, diese Frage dem Gerichtshof vorzulegen und sie stattdessen in eigener Verantwortung lösen” (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Oktober 1982, a.a.O., S. 3430). Diese Auffassung entspricht auch der von der EG-Kommission vertretenen (Antwort auf die schriftliche Anfrage Nr. 608/78 des Abgeordneten Krieg in ABl. Nr. C 28/8 vom 31. Januar 1979) und einer im Schrifttum weit verbreiteten Meinung (vgl. statt aller Daig, in von der Groeben u.a., Kommentar zum EWG-Vertrag ≪3. Aufl., 1983≫, Anm. 42 zu Art. 177, m.w.N.), wonach die Vorlagepflicht dann entfällt, wenn es auf die sich stellende Frage für jeden erfahrenen Juristen offensichtlich und vernünftigerweise nur eine Antwort geben kann.
bb) Aus diesem Verständnis der Vorlagepflicht des Art. 177 EWGV folgt, daß diese nicht schon deswegen besteht, weil eine Partei geltend macht, die Auslegung einer für den Rechtsstreit entscheidungserheblichen Vorschrift des Gemeinschaftsrechts sei nicht klar und bedürfe daher einer inhaltlichen Bestimmung durch den Gerichtshof. Die innerstaatlichen Gerichte sind vielmehr zu einer an objektiven Maßstäben ausgerichteten Prüfung verpflichtet, ob die entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Norm in der Tat mehrere, für einen kundigen Juristen vernünftigerweise gleichermaßen mögliche Auslegungen zuläßt, wobei auch das gesamte Gemeinschaftsrecht, seine Ziele und sein Entwicklungsstand zur Zeit der Anwendung der betroffenen Vorschrift heranzuziehen sind.
b) Anders als bei den gesetzlichen Formvorschriften des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG, deren Wahrung das Bundesverfassungsgericht, wenn auch unter Beachtung eines Beurteilungsrahmens der Fachgerichte, voll durchprüft, hat das Gericht in ständiger Rechtsprechung die fachgerichtliche Anwendung und Auslegung der einfachrechtlichen Vorschriften, nach denen sich im Einzelfall der gesetzliche Richter bestimmt, immer nur auf Willkür überprüft. Durch eine Maßnahme, Unterlassung oder Entscheidung eines Gerichts wird der gesetzliche Richter mithin nur dann entzogen und damit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn diese Maßnahme, Unterlassung oder Entscheidung auf Willkür beruht (BVerGE 19, 38 ≪43≫; 29, 198 ≪207≫; 31, 145 ≪169≫). Dies gilt auch, wenn ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht, das über eine bestimmte Rechtsfrage zu entscheiden hat, außer acht läßt (st. Rspr. seit BVerfGE 29, 198 ≪207≫). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG schützt nicht gegen Verfahrensfehler, die infolge eines Irrtums des Gerichts unterlaufen, sondern nur gegen Willkür (st. Rspr. seit BVerfGE 29, 198 ≪207≫). Als Willkür im Sinne dieser Rechtsprechung wird es nur gewertet, wenn die Entscheidung sich bei der Anwendung und Auslegung von Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese Normen bestimmenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, daß die Gerichtsentscheidung nicht mehr zur rechtfertigen ist (st. Rspr. seit BVerfGE 29, 198 ≪207≫). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird nur durch solche gerichtlichen Entscheidungen verletzt, die bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (st. Rspr. seit BVerfGE 29, 198 ≪207≫).
aa) An diesem grundsätzlichen Erfordernis der willkürlichen Unterlassung der Erfüllung der Vorlagepflicht ist auch im Fall des Art. 177 EWGV festzuhalten. Die Frage nach dem gesetzlichen Richter ist auch hier eine Frage des innerstaatlichen Rechts, die in allen Fällen der Vorlageverpflichtung unter gleichen Maßstäben geprüft werden muß. Auffassungen im europarechtlichen Schrifttum (vgl. statt vieler z.B. Nicolaysen, Europarecht 1985, S. 372; Hilf, EuGRZ 1987, S. 5 ff.) die für eine mehr oder weniger umfassende Durchprüfung der Vorlageverpflichtung aus Art. 177 EWGV und ihrer Nichtbeachtung im Einzelfall eintreten, kann nicht gefolgt werden; sie würden das Bundesverfassungsgericht entgegen seiner eigentlichen Aufgabe in die Rolle eines nationalen obersten „Vorlagen-Kontroll-Gerichts” versetzen.
Dies schließt es indes nicht aus, den Willkürmaßstab auch an den Besonderheiten des in Rede stehenden Rechtsgebietes – nämlich des Art. 177 EWGV und des Gemeinschaftsrechts im übrigen mit auszurichten; Willkür ist kein „frei schwebender” Maßstab, sondern auf die Sachgesichtspunkte bezogen, welche die einschlägige Rechts- und Tatsachenlage auszeichnen. Gewiß bestimmt sich die Frage einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und des Prüfungsmaßstabes hierfür, mithin auch der Willkürmaßstab, nach dem Grundgesetz und dem innerstaatlich anwendbaren Recht. Dies bedeutet indessen auch, daß für die konkrete inhaltliche Bestimmung dessen, was im Einzelfall Willkür ist, auch das Gemeinschaftsrecht und die völkervertragliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland aus Art. 177 Abs. 2 und 3 EWGV zu beachten sind. Die teilweise funktionale Eingliederung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in die Gerichtsbarkeit der Mitgliedsstaaten, die sich insbesondere in Art. 177 EWGV ausdrückt, ist erfolgt, um im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsanwendungsgleichheit eine möglichst einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten (BVerfGE 73, 339 ≪368≫ m.w.N. aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs). Die Einheit einer Rechtsordnung ist im Kern bedroht, wenn gleiches Recht ungleich gesprochen wird; Gleichheit der Rechtsanwendung aber ist nicht zuletzt ein Element des Willkürmaßstabs (vgl. BVerfGE 54, 277 ≪291; 296≫).
Hinzu kommt hier, daß die Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorlagepflicht die Gefahr einer vertragsrechtlichen Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland begründen kann. Zwar wird nicht jede irrige Nichtbeachtung der Vorlagepflicht durch ein deutsches Gericht einer Verletzung des EWG-Vertrages durch die Bundesrepublik Deutschland gleichkommen; bei einer grundsätzlichen Verkennung oder bewußten Mißachtung einer im Einzelfall gegebenen Vorlagepflicht ist eine solche Gefahr indessen nicht von der Hand zu weisen. Alle Gerichte der Bundesrepublik Deutschland sind gehalten, eine derartige Gefahr nach Möglichkeit nicht herbeizuführen (vgl. BVerfGE 58, 1 ≪34≫). Die beste Gewähr hierfür besteht in der strikten Beachtung der Vorlagepflicht nach Maßgabe der vom Europäischen Gerichtshof hierzu entwickelten Maßstäbe.
Dies bedeutet, daß auch zufolge des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ein Gericht der Bundesrepublik Deutschland, gegen dessen Entscheidungen Rechtsmittel des innerstaatlichen Rechts nicht mehr statthaft sind, die sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren zur Hauptsache stellenden, entscheidungserheblichen Fragen im Sinne des Art. 177 Abs. 1 EWGV, auf die es für jeden erfahrenen und kundigen Juristen offensichtlich und vernünftigerweise nicht lediglich eine zweifelsfreie Antwort gibt, dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen hat. Dies entspricht der vom Europäischen Gerichtshof (Urteil vom 6. Oktober 1982, a.a.O., S. 3415 ff.) gegebenen Auslegung des Art. 177 EWGV, wonach die Vorlage die Regel, ihr Unterbleiben die Ausnahme zu sein hat.
bb) Diese Momente bestimmen mit den Willkürmaßstab im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bei der verfassungsgerichtlichen Prüfung einer Verletzung der Vorlagepflicht aus Art. 177 Abs. 2 und 3 EWGV. Als hauptsächliche Falltypen einer willkürlichen Verkennung der Vorlagepflicht kommen dabei in Betracht zum einen Fälle, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage nach Art. 177 Abs. 3 EWGV trotz der – seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt; zum anderen Fälle, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewußt von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu in Rede stehenden, entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (vgl. auch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1987, 2 BvR 687/85, S. 29 des Umdrucks). Der erste Fall stellt eine grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht dar; der zweite Fall ist als per-se-Willkürtatbestand zu qualifizieren. Eine weitere im Rahmen der Prüfung unter Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG willkürliche Verkennung der Vorlagepflicht aus Art. 177 Abs. 3 EWGV kann schließlich typischerweise in Fällen bestehen, in denen entweder zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht vorliegt oder solche Rechtsprechung zwar ergangen ist, aber möglicherweise die entscheidungserhebliche Frage noch nicht erschöpfend beantwortet hat oder eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit erscheint. In diesen Fällen ist eine willkürliche Verkennung der Vorlagepflicht aus Art. 177 Abs. 3 EWGV und somit eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann gegeben, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat; dies ist dann der Fall, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind.
3. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
a) Die Bestimmungen der Ratsverordnung (EWG) Nr. 2727/85 (Getreidemarktordnung) und der Zusatzstoffrichtlinie 70/524/EWG bieten keinen Anlaß zu eine Vorlagepflicht begründenden, objektiv vernünftigen Zweifeln; vielmehr überzeugt die vom Bundesgerichtshof gebilligte Auffassung des Oberlandesgerichts, es handele sich insoweit um lediglich gegen öffentlich-rechtliche Handelshemmnisse gerichtete Vorschriften. Dies folgt aus Inhalt und Regelungszusammenhang dieser Normen: Die Zusatzstoffrichtlinie zielt, wie aus ihrer Präambel ersichtlich, ausschließlich auf die Harmonisierung der mitgliedsstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Zusatzstoffe bei der Tierernährung, was die Geltendmachung gewerblicher Eigentumsschutzrechte vernünftigerweise nicht ausschließt; die Getreidemarktordnung besteht aus einer Preisregelung (Art. 2 ff.) und Vorschriften über den Handel mit Drittländern (Art. 12 ff.), beschäftigt sich aber nicht mit dem freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft, so daß die Auffassung der Beschwerdeführerin unverständlich bleiben muß, weshalb die Geltendmachung von Patentschutz für einen Zusatzstoff eines Getreideerzeugnisses mit solchen Marktordnungsbestimmungen unvereinbar sein soll.
b) Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Frage, ob der Grundsatz des freien Warenverkehrs nach Art. 30 EWGV durch die nach Art. 36 EWGV grundsätzlich mögliche Ausübung nationaler Schutzrechte des gewerblichen Eigentums auch in Fällen verdrängt wird, in denen sich der nationale Schutzrechtsinhaber gegen die Einfuhr eines zwar im Einfuhrstaat, nicht aber im Ausfuhrstaat geschützten Erzeugnisses wendet, obwohl die Erwirkung eines solchen Schutzrechtes dort grundsätzlich möglich gewesen wäre, mögen sich eine Vorlagepflicht nach Art. 177 Abs. 3 EWGV begründende, objektiv vernünftige Zweifel nicht ausschließen lassen; jedoch ergibt sich aus dem Gemeinschaftsrecht und der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht eine Rechtsauffassung, die möglichen Gegenauffassungen eindeutig vorzuziehen wäre. Das Unterlassen einer Vorlage kann mithin nicht als willkürlich erfolgt im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewertet werden.
aa) Aus der bisherigen einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich, daß die Ausübung nationaler gewerblicher Schutzrechte eine mißbräuchliche Behinderung des freien Warenverkehrs im Sinne der Art. 30 und 36 EWGV darstellen kann; andererseits hat er die Erforderlichkeit der Gewährung von Patentschutz trotz der damit verbundenen Beschränkung des freien Warenverkehrs in zwei Fällen anerkannt, wenn nämlich zum einen das fragliche Erzeugnis aus einem Mitgliedstaat stammt, in dem es nicht patentfähig ist und von Dritten ohne Zustimmung des Patentinhabers hergestellt wurde, und wenn es sich zum anderen um Patente handelt, deren originäre Inhaber rechtlich und wirtschaftlich selbständig sind. Diese Grundaussage, daß eine mißbräuchliche Ausübung eines gewerblichen Schutzrechtes dann anzunehmen ist, wenn sich der Patentinhaber durch dieses Vorgehen mit seinem eigenen oder ihm zurechenbaren Verhalten – Inverkehrbringen in einem anderen Mitgliedsstaat mit dem Ziel in Widerspruch setzt, die Verkehrsfähigkeit solcher Erzeugnisse zu beschränken, hat der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung bestätigt (vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 31. Oktober 1974, Slg. 1984, S. 1163 ff. und Urteil vom 14. Juli 1981, Rs 187/80, Slg. 1981, S. 2063 ≪2083≫).
Aus dieser Rechtsprechung folgt mithin, daß die genannte Zurechnungsgrundlage einmal entfällt, wenn das fragliche Erzeugnis im anderen Mitgliedsstaat, dem Ausfuhrstaat, von Dritten unter Ausnützung eines anderen, eines Parallelpatents, in den Verkehr gebracht wurde, weil dann zwei nationale Schutzrechte mit der Folge ihrer territorialen Beschränkung, aber auch territorial begrenzten Wirkung als Ausschließlichkeitsrechte miteinander konkurrieren; weiter entfällt die Zurechnungsgrundlage dann, wenn in dem Staat, in dem das Erzeugnis in den Verkehr gebracht wird, mangels Patentfähigkeit ein Schutz nicht möglich ist und das Erzeugnis ohne Mitwirkung des Patentinhabers von Dritten, also unter Ausnutzung der fehlenden Schutzmöglichkeit, in den Verkehr gebracht wird. In beiden Fällen, die durch anfänglich-objektive Unmöglichkeit der Schutzerlangung gekennzeichnet sind, führt die mangelnde, objektiv nicht zu erwirkende Einflußmöglichkeit des nationalen Patentinhabers zur gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit der Ausübung des Schutzrechtes.
bb) Die dem Ausgangsverfahren zugrundeliegende Fallkonstellation zeichnet sich demgegenüber dadurch aus, dass eine Einflussmöglichkeit des Inhabers des nationalen deutschen Patents auf dem ausländischen (niederländischen) Territorium deshalb fehlt, weil er die zur Zeit der Erwirkung des deutschen Patents an sich auch mögliche Erlangung eines niederländischen Patentes unterlassen hat. Im Gegensatz zu den Fällen anfänglich-objektiver Unmöglichkeit der Schutzerlangung, die zur Zulässigkeit der Schutzrechtsausübung führt, handelt es sich vorliegend um einen Fall der nachträglich, nämlich durch Zeitablauf, eingetretenen, objektiven Unmöglichkeit, über den vom Europäischen Gerichtshof noch nicht entschieden ist.
Im Ausgangsverfahren konnten beide Parteien mit guten Gründen Parallelen zu den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Kriterien ziehen, die zu jeweils entgegengesetzten Ergebnissen führen mußten: Für die Auffassung der Klägerin und der Vorinstanzen des Ausgangsverfahrens spricht, daß ihr nach der jetzigen niederländischen Rechtslage keine Einflußmöglichkeit auf Herstellung und Inverkehrbringen des in der Bundesrepublik Deutschland geschützten Erzeugnisses mehr zustand, worin eine Parallele zu den Fällen mangelnder, weil gesetzlich ausgeschlossener Patentfähigkeit oder eines in dritter Hand liegenden Parallelpatentes gesehen werden kann. Die im Fall des dem Patentinhaber zurechenbaren Inverkehrbringens im anderen Mitgliedsstaat gegebenen Manipulationsmöglichkeiten des freien Warenverkehrs könnten daher ausgeschlossen werden. Diese Auffassung läßt sich ferner auf die Erwägung stützen, daß zum Zeitpunkt der Patenterlangung in der Bundesrepublik Deutschland und der Unterlassung der möglichen Patenterwirkung in den Niederlanden nicht abzusehen war, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die damals bestehenden, auf einer strikten Beachtung des territorialen Patentschutzes beruhenden Patentrechtsordnungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften durch die Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts, nicht zuletzt aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, beeinflußt werden würden.
Für die Auffassung der Beschwerdeführerin ließe sich anführen, daß die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit hatte, zum damaligen Zeitpunkt auch in den Niederlanden Patentschutz zu erwirken, ihr also damals eine Einflußmöglichkeit eröffnet war. Es erscheint jedenfalls nicht von vornherein als völlig abwegig, gemeinschaftsrechtswidrige Manipulationsmöglichkeiten auch im Zusammenhang mit einer unterlassenen Patenterwirkung zu sehen. Auch die Überlegung, es verstoße als „venire contra factum proprium” gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Klägerin des Ausgangsverfahrens den freien Vertrieb ihres in der Bundesrepublik Deutschland patentrechtlich geschützten Erzeugnisses in den Niederlanden freiwillig dulde, den deutschen Markt aber abschotten wolle, erscheint im Hinblick auf die Erwägung, daß der Grundsatz von Treu und Glauben auch eine besondere Rücksichtnahme auf das Gemeinschaftsrecht umfassen könnte, nicht als schlechthin ausgeschlossen.
c) Angesichts dieses Umstandes, daß im vorliegenden Fall für die vom Bundesgerichtshof gebilligte Auffassung der Klägerin und der Vorinstanzen des Ausgangsverfahrens ebenso wie für die Auffassung der Beschwerdeführerin gute Gründe sprechen, eine der Auffassung des Bundesgerichtshofs eindeutig vorzuziehende Gegenauffassung also nicht festzustellen ist, sind die Voraussetzungen einer willkürlichen Verkennung der sich aus Art. 177 Abs. 3 EWGV aufgrund der objektiv bestehenden vernünftigen Zweifel hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Gemeinschaftsrechts ergebenden Vorlagepflicht und damit eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erfüllt.
II.
Die Beschwerdeführerin ist auch nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
Die Rüge, der Bundesgerichtshof habe sie nicht auf seine Absicht hingewiesen, die Begründung seines Nichtannahmebeschlusses auf Art. 6 Ziffer 4 des Vertrages über die Errichtung und Verfassung eines Benelux-Gerichtshofes vom 31. März 1965 zu stützen, geht schon deswegen fehl, weil der Hinweis auf diese Bestimmung erkennbar nicht der Begründung des Beschlusses, sondern allein der Absicht diente, die Auffassung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich des Eintretens seiner Vorlageverpflichtung nach Art. 177 Abs. 3 EWGV zu verdeutlichen. Zwar geht dieser Hinweis insofern fehl, als nach Art. 6 Ziffer 4 dieses Vertrages im Unterschied zu Art. 177 Abs. 3 EWGV, der auf das Bestehen objektiv vernünftiger Zweifel abstellt, schon die subjektive Überzeugung des Gerichtes, es lägen keine vernünftigen Zweifel vor, dieses von seiner Vorlageverpflichtung entbindet; eine nach Art. 103 Abs. 1 GG möglicherweise zu beanstandende Überraschungsentscheidung liegt aber schon deshalb nicht vor, weil die Frage des Bestehens einer Vorlagepflicht nach Art. 177 Abs. 3 EWGV, die erkennbar vom Bundesgerichtshof nach summarischer Prüfung seinem Nichtannahmebeschluß gemäß § 554b ZPO zugrunde liegt, schon Gegenstand der Urteile der Vorinstanzen und der Revisionsbegründung war.
III.
Die Verneinung der grundsätzlichen Bedeutung der im Ausgangsverfahren aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Frage gemäß § 554b ZPO verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Auch die richterliche Anwendung von Verfahrensrecht kann gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wenn sie willkürlich gehandhabt wird; dies ist dann der Fall, wenn die Auslegung des einfachen Rechts fehlerhaft ist und zugleich die fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 42, 64 ≪74≫). An diesen Voraussetzungen des Willkürbegriffs ist im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG festzuhalten; sie sind hier nicht erfüllt.
Die Notwendigkeit der Beibehaltung des herkömmlichen Willkürbegriffs im Bereich des Art. 3 Abs. 1 GG, im Gegensatz zu der Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Entzugs des gesetzlichen Richters im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, beruht auf den folgenden Gründen: Die gemeinschaftsrechtlich gebotene und verfassungsrechtlich gebilligte Pflicht der letztinstanzlichen Gerichte, die besondere Stellung des Europäischen Gerichtshofs genau zu beachten, um die Begründung einer gemeinschaftsrechtlichen Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden, verlangt es, die Anforderungen an die Erfüllung der Voraussetzungen des willkürlichen Entzugs des gesetzlichen Richters in diesem besonderen Fall, in dem es um die Wahrung des Rechts des Gemeinschaftsbürgers auf Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof als dem allein zuständigen Gericht geht, strikt zu handhaben; bei der Frage, ob der Bundesgerichtshof willkürlich-fehlerhaft die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen verneint und infolgedessen die Ablehnung der Revision nach § 554b ZPO beschlossen hat, handelt es sich hingegen um eine solche der Auslegung deutschen Zivilprozeßrechts, für welche die Beachtung der besonderen Stellung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 177 Abs. 3 EWGV nicht von Bedeutung ist. Daher ist hier an den herkömmlichen Anforderungen an die Erfüllung des Willkürbegriffes festzuhalten, die darauf beruhen, daß Auslegung und Anwendung des einfachen materiellen und formellen Rechts Sache der Fachgerichte ist und vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht nachgeprüft wird (vgl. BVerfGE 42, 64 ≪74≫).
2. Offenbleiben kann hier, ob die Verneinung der grundsätzlichen Bedeutung der im Ausgangsverfahren aufgeworfenen Rechtsfrage durch den Bundesgerichtshof fehlerhaft war; in jedem Fall ist sie nicht „als bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich” anzusehen; insbesondere lassen sich keine Anhaltspunkte erkennen, die den Schluß aufdrängen, der angefochtene Beschluß beruhe auf sachfremden Erwägungen.
a) Zum einen lassen sich gute Gründe für die Auffassung des Bundesgerichtshofs finden, die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 30 und 36 EWGV enthalte ausreichende Kriterien, um die im Ausgangsverfahren aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen im Einklang mit dieser Rechtsprechung beantworten zu können, ohne den Europäischen Gerichtshof anzurufen; zum anderen entbehrt die Ansicht der Beschwerdeführerin, der Ablehnungsbeschluß beruhe allein auf dem Bestreben des Bundesgerichtshofs, seine Geschäftsbelastung gering zu halten, jeglicher tatsächlichen Grundlage. Schließlich ist auch der Hinweis auf Art. 6 des „Benelux”-Abkommens erkennbar nicht Entscheidungsgrundlage gewesen.
b) Die knappe Begründung des Ablehnungsbeschlusses gemäß § 554b ZPO ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht die Begründungspflicht für Entscheidungen, die mit ordentlichen Rechtsbehelfen statthafterweise nicht mehr angegriffen werden können, von Verfassungs wegen weniger weit als in anderen Fällen. Daraus folgt indes keine Lockerung des materiell-verfassungsrechtlichen Willkürmaßstabs, an dem sich jede Gerichtsentscheidung messen lassen muß (vgl. BVerfGE 50, 287 ≪289≫). Dieser aus Art. 3 Abs. 1 GG gewonnene Maßstab (vgl. BVerfGE 58, 163 ≪167 f.≫) verlangt eine Begründung auch der letztinstanzlichen Entscheidung jedenfalls dann und insoweit, als von dem eindeutigen Wortlaut einer Rechtsnorm abgewichen werden soll und der Grund hierfür sich nicht schon unzweifelhaft aus den den Beteiligten bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Besonderheiten des Falles ergibt. Zwar ist der Bundesgerichtshof gehalten, die Frage seiner Vorlagepflicht nach Art. 177 Abs. 2 und 3 EWGV voll durchzuprüfen, sofern davon abhängt, ob die Revision im Endergebnis Aussicht auf Erfolg hat; die Entscheidung muß auch erkennen lassen, daß diese Frage gegebenenfalls geprüft worden ist; im Rahmen des der Entlastung des Revisionsgerichts dienenden Verfahrens nach § 554b ZPO stellt es indes keinen Verfassungsverstoß – und zwar weder gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 noch gegen Art. 103 Abs. 1 noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG – dar, wenn das Revisionsgericht zur Begründung seiner Auffassung, daß eine Vorlage nicht in Betracht komme, auf die insoweit einschlägige Begründung der Berufungsentscheidung erkennbar Bezug nimmt und sich diese insoweit zu eigen macht, nicht aber selbst ausführlich begründet, warum eine Vorlage nicht geboten sei.
IV.
Der Ablehnungsbeschluß des Bundesgerichtshofs verletzt die Beschwerdeführerin auch nicht in ihrem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip).
1. Aus den Gründen des die Annahme der Revision ablehnenden Beschlusses des Bundesgerichtshofs ergibt sich, daß der Bundesgerichtshof auch geprüft hat, ob ihn eine Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV trifft. Er hat dies verneint. Für die von der Beschwerdeführerin geforderte verfassungskonforme Auslegung des § 554b ZPO dahin, daß „die Annahme einer Revision mit gemeinschaftsrechtlichen Fragen nicht allein deshalb abgelehnt werden darf, weil die Revision über grundsätzliche Fragen des Gemeinschaftsrechts nach nicht näher begründeter Auffassung des Bundesgerichtshofs im Ergebnis erfolglos” sein wird, besteht angesichts dieser Sachlage kein Anlaß.
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist gegenüber Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) die speziellere Norm. Die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer nur summarischen Prüfung im Sinne des § 554b ZPO, ob eine Vorlagepflicht nach Art. 177 Abs. 3 EWGV besteht, führt, weil Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG diese Frage vollständig erfaßt, nicht zu weiteren verfassungsrechtlichen Maßstäben (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪275 f.≫).
2. Ein über den Schutzbereich des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG möglicherweise hinausgehender, nämlich den im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Anspruch auf ein faires Verfahren betreffender Verfahrensverstoß wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der Bundesgerichtshof bei einer summarischen Prüfung des Bestehens objektiv vernünftiger Zweifel hinsichtlich der Anwendung und Auslegung des entscheidungserheblichen Gemeinschaftsrechts solche Zweifel zwar bejaht, von der dann notwendigen Anrufung des Europäischen Gerichtshofs aber mit der Begründung abgesehen hätte, dieser werde im Ergebnis hinsichtlich der Beantwortung dieser objektiv vernünftigen Zweifelsfragen zum gleichen Ergebnis wie der Bundesgerichtshof kommen. Dies war hier nicht der Fall.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Haufe-Index 1560996 |
EuR 1988, 190 |