Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses des Beschwerdeführers zu 1) als Verteidiger des Beschwerdeführers zu 2) nach § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO.
I.
1. Gegen den Beschwerdeführer zu 2) werden Ermittlungen wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Kreditvermittlungs- und Sozialleistungsbetruges geführt. Er soll über das Internet und über Zeitungsannoncen Kreditvermittlungen angeboten haben, wobei die angebotenen Leistungen im Ergebnis wertlos gewesen seien. Ihm sei es lediglich darum gegangen, die Anzahlungen seitens der Kunden zu erhalten. Obgleich er selbst Empfänger von Sozialleistungen gewesen sei, habe er die aus seinen Geschäften erzielten Einnahmen gegenüber der zuständigen Behörde nicht angegeben. Der Beschwerdeführer zu 1) wurde durch Beschluss vom 31. Oktober 2007 zum Pflichtverteidiger bestellt. Am 29. November 2007 wurde dem Beschwerdeführer zu 2) ein weiterer Pflichtverteidiger bestellt. Der Beschwerdeführer zu 2) hatte einen Brief an einen Verwandten verfasst, in dem es unter anderem heißt:
„…Räume bitte alle Konten komplett ab,…. Hebe auch dieses Geld für mich auf. Wiederhole diesen Vorgang nochmals Anfang Januar…„
Diesen Brief übersandte er mittels Verteidigerpost an den Beschwerdeführer zu 1), der eine Kopie zur Handakte nahm und das Original vereinbarungsgemäß an den Verwandten des Beschwerdeführers zu 2) weiterleitete. Dem Adressaten kamen Bedenken, weswegen er sich an die Staatsanwaltschaft wandte. Diese leitete ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Begünstigung ein und durchsuchte Kanzlei und Wohnräume des Beschwerdeführers zu 1). Schließlich beantragte die Staatsanwaltschaft, den Beschwerdeführer zu 1) von der Mitwirkung im Strafverfahren auszuschließen.
Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juni 2008 wurde der Beschwerdeführer zu 1) als Verteidiger des Beschwerdeführers zu 2) ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer zu 1) sei hinreichend verdächtig, eine Handlung begangen zu haben, die im Fall der Verurteilung des Beschwerdeführers zu 2) eine Begünstigung wäre (§ 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO). Die Begünstigungshandlung bestehe darin, dass der Beschwerdeführer zu 1) das Schreiben mit der Anweisung zur Kontoräumung als Verteidigerpost getarnt an der Briefkontrolle vorbei erhielt, es nach Erhalt mit einem anwaltlichen Begleitschreiben versah und weiterleitete. Diese Hilfeleistung sei objektiv geeignet gewesen, eine Vorteilssicherung zu erreichen. Eine erst Tage später angeordnete Arrestierung der Konten wäre ins Leere gegangen. Aus den festgestellten Umständen ergebe sich, dass der Beschwerdeführer zu 1) im Wissen um die Vortat und mit dem Willen, dem Beschwerdeführer zu 2) die Vorteile hieraus zu sichern, die Begünstigungshandlung vorgenommen habe.
Mit Beschluss vom 22. Oktober 2008 verwarf der Bundesgerichtshof die sofortigen Beschwerden beider Beschwerdeführer. Der Vortrag des Beschwerdeführers zu 1), das Schreiben des Beschwerdeführers zu 2) sei infolge eines kanzleiorganisatorischen Fehlers ungeprüft weitergeleitet worden, sei zwar geeignet den Nachweis des Vorsatzes der Begünstigung auszuschließen. Gegen die sachliche Richtigkeit dieses Vortrages spreche jedoch, dass der Beschwerdeführer zu 1) sich erstmals im Beschwerdeverfahren in diesem Sinne geäußert habe.
2. Der Beschwerdeführer zu 1) rügt eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 2 und Abs. 4 GG, Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 103 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer zu 2) rügt eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 2 und Abs. 4 GG, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 104 GG. Die Gerichte hätten im Ausschlussverfahren ebenso wie im gesamten vorangegangenen Verfahren ohne jede kritische Prüfung die pauschalen Behauptungen der Staatsanwaltschaft ungeprüft übernommen. Darauf könne eine Ausschlussentscheidung mit dieser Tragweite nicht gestützt werden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24≫; 96, 245 ≪248≫). Dabei kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde mangels einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 GG genügenden Begründung bereits unzulässig ist. Die Beschwerdeführer haben nämlich lediglich pauschal die Verletzung einer Vielzahl von Grundrechten gerügt, ohne sich mit Grund und Inhalt der angegriffenen Entscheidungen eingehend auseinanderzusetzen.
Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Der Beschwerdeführer zu 1) ist durch die angegriffenen Entscheidungen nicht in seinem Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt.
a) Die dem Eingriff zugrunde liegende gesetzliche Regelung des § 138a Abs. 1 StPO ist als solche verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschluss vom 4. Juli 1975 – 2 BvR 482/75 –, NJW 1975, S. 2341; vgl. zur Entstehungsgeschichte BTDrucks 7/2526, S. 10 ff.).
b) Auch die Anwendung der gesetzlichen Ausschlussregelung im vorliegenden Fall ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Gerichte haben Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der freien Berufsausübung nicht verkannt. So setzt sich das Oberlandesgericht in einer ausführlich begründeten und auf sämtliche Einwände eingehenden Entscheidung mit der Reichweite des Schutzbereichs des Art. 12 Abs. 1 GG und der Stellung des Verteidigers auseinander. Ob der Tatverdacht, auf den sich der Ausschluss des Verteidigers gründet, zu Recht besteht, ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zu prüfen, da die Feststellung des Sachverhalts ebenso wie seine rechtliche Würdigung den allgemein dafür zuständigen Gerichten obliegt (vgl. BVerfGE 39, 238 ≪247≫; BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschluss vom 4. Juli 1975 – 2 BvR 482/75 –, NJW 1975, S. 2341). Nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen des Oberlandesgerichts ist im Ausschlussverfahren auch nicht zu prüfen, ob eine Verurteilung des Beschwerdeführers zu 2) wegen der Haupttat wahrscheinlich ist.
Anhaltspunkte dafür, dass das Oberlandesgericht im Rahmen der Feststellungen zum Tatverdacht willkürlich gehandelt hat, liegen nicht vor. Es werden sämtliche Voraussetzungen des § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO geprüft und mit sachlichen Argumenten bejaht. Gegen den Beschwerdeführer zu 1) ist bereits Anklage erhoben (vgl. zu den Voraussetzungen BGHSt 36, 133). Hat eine erschöpfende Sachaufklärung ergeben, dass gegen den Verteidiger das Hauptverfahren eröffnet werden könnte (§ 203 StPO), erfordert das Interesse an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, dem Verteidiger eine weitere Mitwirkung in diesem Verfahren zu versagen (BTDrucks 7/2526, S. 21). Der hinreichende Tatverdacht wurde in den angegriffenen Entscheidungen willkürfrei dargelegt. Daran ändert auch der Einwand des Beschwerdeführers zu 1), es sei nur deshalb gegen ihn Anklage wegen Begünstigung erhoben worden, um die Verdachtsschwelle zu senken, nichts. Zum einen stellt dieser Vortrag eine bloße Vermutung dar, die ausgehend von den angegriffenen Entscheidungen einer tauglichen Tatsachengrundlage ermangelt. Zum anderen ist der Beschwerdeführer in diesen Fällen durch die in § 138a Abs. 3 Nr. 3 StPO statuierte Pflicht zur Aufhebung der Ausschließung bei unterbliebener Eröffnung des Hauptverfahrens binnen Jahresfrist (vgl. hierzu BTDrucks 8/976, S. 31) angemessen geschützt.
c) Auch liegt keine unverhältnismäßige Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten vor (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. April 2000 – 1 BvR 1331/99 –, NJW 2000, S. 2660, für den Fall des Ausschlusses eines Zeugenbeistandes). Zwar stellt der Ausschluss eines Verteidigers einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf freie Berufsausübung dar (vgl. BVerfGE 34, 293 ≪299, 302≫), da dieser umfassend sowohl von der Vertretung des Beschuldigten, als auch von dem Auftreten im betreffenden Verfahren insgesamt ausgeschlossen ist, § 138a Abs. 4 und Abs. 5 StPO (vgl. abweichend im Falle des bloßen Widerrufs einer Pflichtverteidigerbestellung, BVerfGE 39, 238 ≪242≫). Dieser ist vorliegend jedoch gerechtfertigt.
Der Ausschluss eines Verteidigers soll dem Interesse einer geordneten Strafrechtspflege dienen (vgl. BVerfGE 34, 293 ≪306≫) und verfolgt damit ein legitimes Ziel. Diesem gegenüber steht unter anderem das Interesse des Verteidigers an der freien Ausübung seines Berufs. Beide Belange wurden vorliegend berücksichtigt und in einer Art und Weise zum Ausgleich gebracht, die zu verfassungsrechtlichen Beanstandungen keinen Anlass gibt. Das allgemeine Interesse an einer geordneten Strafrechtspflege verlangt den Ausschluss eines Verteidigers in den Fällen, in denen dessen Verhalten den Zwecken der Verteidigung widerspricht (vgl. hierzu BTDrucks 7/2526, S. 10). Der Ausschluss ist keine Strafe, sondern eine prozessuale Maßnahme, die der Gefahr vorbeugen soll, dass im Strafverfahren ein Verteidiger mitwirkt, der wegen seines Verhaltens außerstande ist, die Verteidigung so wahrzunehmen, wie es seiner Stellung als Beistand des Beschuldigten und als Organ der Rechtspflege entspricht (vgl. BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschluss vom 4. Juli 1975 – 2 BvR 482/75 –, NJW 1975, S. 2341). Er ist aufgrund seiner Beistandsverpflichtung gegenüber dem Beschuldigten zwar gehalten, dessen Interessen umfassend wahrzunehmen, darf sich jedoch in keinem Fall mit unerlaubten Mitteln der Wahrheitsfindung hindernd in den Weg stellen und hat die Verteidigung den Zwecken des Strafverfahrens entsprechend zu führen. Dies tut er nicht, wenn sein Verhalten den Tatbestand der strafbaren Begünstigung seines Mandanten erfüllt (vgl. BTDrucks 7/2526, S. 20).
Gegen den einschlägig vorbestraften Beschwerdeführer zu 2) wurde erneut ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Kreditmittel- und Sozialleistungsbetruges eingeleitet. Die Sicherung der möglicherweise betrügerisch erlangten Geldbeträge stand im Vordergrund der Handlung. Beteiligt sich ein Rechtsanwalt an einer solchen Vereitelung, so ist das Vertrauen, welches ihm als Organ der Rechtspflege zukommt, erschüttert und seinem weiteren Auftreten im Strafverfahren die Grundlage damit regelmäßig entzogen.
d) Selbst wenn man entgegen der herrschenden Meinung davon ausgehen sollte, § 138a StPO sei auf den Pflichtverteidiger nicht anwendbar, begründet die Heranziehung dieser Vorschrift in vorliegendem Fall keinen Grundrechtsverstoß. § 138a StPO statuiert für das Ausschließungsverfahren höhere Anforderungen als an die einfache Rücknahme der Bestellung zum Pflichtverteidiger. Damit erfährt der Beschwerdeführer zu 1) vorliegend sogar einen weitergehenden gesetzlichen Schutz (vgl. Laufhütte, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, § 138a Rn. 2 unter Bezug auf BVerfGE 39, 238 ≪245≫, m.w.N.).
2. Der Ausschluss des Beschwerdeführers zu 1) verletzt den Beschwerdeführer zu 2) nicht in seinem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Recht auf ein faires Verfahren.
Der Anspruch auf ein faires Verfahren umfasst das Recht des Beschuldigten, sich im Strafprozess von einem gewählten Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen (vgl. BVerfGE 39, 156 ≪163≫). Es verlangt, die Wünsche eines Beschuldigten auf Beiordnung eines bestimmten Verteidigers – soweit wie möglich – zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 68, 237 ≪256≫). Das Recht der freien Verteidigerwahl ist wesentliche Voraussetzung eines fairen Strafverfahrens, in dem der Beschuldigte eben nicht zum Objekt staatlichen Handelns wird, sondern seine Stellung als Prozesssubjekt behauptet und die damit verbundenen Rechte auch wirksam zu nutzen vermag (vgl. BVerfGE 34, 293 ≪302≫). Da im Rahmen der Beurteilung einer fairen Verfahrensgestaltung in einer Gesamtschau auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen sind (vgl. BVerfGE 47, 239 ≪250≫; 80, 367 ≪375≫), besteht für den Beschuldigten jedoch kein bindender Anspruch auf Beiordnung eines bestimmten Rechtsbeistandes (vgl. BVerfGE 9, 36 ≪38≫) und auch kein Recht, dass der Pflichtverteidiger seines Vertrauens stets im Verfahren verbleibt ohne Rücksicht auf mögliches zweckfremdes Verteidigungsverhalten (vgl. BVerfGE 39, 238 ≪243≫). Die aus einem Verteidigerausschluss folgenden Nachteile für den Beschwerdeführer zu 2) hat das Oberlandesgericht ausreichend berücksichtigt. Dem Interesse an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege wird hier angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers zu 1) zu Recht Vorrang vor dem Interesse des Beschwerdeführers zu 2) an einer wunschgemäßen Verteidigung eingeräumt. Dieser kann gerade nicht verlangen, dass er weiterhin von einem Rechtsanwalt vertreten wird, der der Begehung einer Begünstigungshandlung hinreichend verdächtig ist. Der gesetzliche Verlauf des Strafverfahrens mit dem Ziel der Wahrheitserforschung würde ansonsten erheblich beeinträchtigt. Da ein anderer Pflichtverteidiger bestellt wurde, ist dem Erfordernis effektiver Verteidigung des Beschwerdeführers zu 2) Rechnung getragen.
3. Mit der Ablehnung der Annahme wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos, § 40 Abs. 3 GOBVerfG.
4. Von einer weiteren Begründung der Nichtannahmeentscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Landau
Fundstellen