Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 22.11.1996; Aktenzeichen 3 T 82/96) |
AG Aachen (Beschluss vom 19.05.1996; Aktenzeichen 24 UR II 410/88) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen des effektiven Rechtsschutzes in einem Scheidungsanerkennungsverfahren.
1. Die Beschwerdeführerin ist niederländische Staatsangehörige. Sie lebt in den Niederlanden und ist auf die Unterstützung der niederländischen Armenhilfe angewiesen. Im Jahre 1988 wurde sie durch ein niederländisches Gericht von ihrem in Deutschland lebenden Ehemann, einem Deutschen, geschieden. Sie begehrt nunmehr die Anerkennung dieses Scheidungsurteils nach deutschem Recht, um in Deutschland einen Versorgungsausgleich durchführen zu können.
2. Zu diesem Zweck beantragte sie Beratungshilfe. Nachdem die ordentlichen Gerichte dies zunächst abgelehnt hatten, wurde ihr aufgrund eines Beschlusses der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. August 1992 (2 BvR 1712/89) Beratungshilfe gewährt. Der zu ihrer Beratung und Vertretung beigeordnete Anwalt beantragte daraufhin die Anerkennung des Scheidungsurteils beim zuständigen Justizministerium. Das Justizministerium forderte ihn in diesem Zusammenhang dazu auf, eine deutsche Übersetzung des niederländischen Scheidungsurteils vorzulegen. Daraufhin beantragte er im Beratungshilfeverfahren einen Kostenvorschuß für die Übersetzungskosten in Höhe von 632,50 DM.
Die Rechtspflegerin lehnte diesen Antrag ab, da für einen Auslagenvorschuß im Beratungshilfeverfahren jede Rechtsgrundlage fehle. Die dagegen erhobene Erinnerung blieb letztlich erfolglos. Das Landgericht wies die Erinnerung in letzter Instanz zurück und führte zur Begründung im wesentlichen aus, daß Vorschüsse im Beratungshilfeverfahren gesetzlich nicht vorgesehen seien. Eine Vorabentscheidung über die spätere Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Auslagen sei gleichfalls in der Regel ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 126 Abs. 2 BRAGO betreffe allein Reisekosten des Anwalts und stelle eine nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift dar. Über die Erstattungsfähigkeit von Übersetzungskosten als Auslagen des Beratungshilfeverfahrens werde daher grundsätzlich nur nachträglich entschieden.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1, 19 Abs. 4, 20 Abs. 3, 101 Abs. 1 Satz 2 und 103 Abs. 1 GG. Die Entscheidungen der Rechtspflegerin und des Landgerichts erschwerten der Beschwerdeführerin den Zugang zu den Gerichten in unzumutbarer Weise. Die Beschwerdeführerin könne ihren Anspruch auf Versorgungsausgleich nur durchsetzen, wenn sie zunächst die Anerkennung des ausländischen Scheidungsurteils nach Art. 7 § 1 FamRÄndG erreiche. Dafür müsse sie nach wiederholter Auskunft des Justizministeriums eine Übersetzung des Urteils vorlegen. Da sie mittellos sei, könne sie die nicht unerheblichen Kosten dieser Übersetzung nicht aufbringen. Im Ergebnis werde es ihr daher durch die ablehnenden Entscheidungen der Rechtspflegerin und des Landgerichts unmöglich gemacht, ihren eigentumsrechtlich geschützten Anspruch auf Versorgungsausgleich durchzusetzen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Es ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, daß der Gleichheitssatz und das Rechtsstaatsprinzip eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes verlangen (Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG). Daher ist es geboten, Vorkehrungen zu treffen, die auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten ermöglichen (BVerfGE 81, 347 ≪356≫).
Ob daraus folgt, daß der Beschwerdeführerin von Verfassungs wegen die Anerkennung des Ehescheidungsurteils (hier: als Voraussetzung für die Durchführung eines erfolgversprechenden Versorgungsausgleichsverfahrens) nicht deshalb verweigert werden darf, weil sie die Kosten für die Übersetzung des Ehescheidungsurteils nicht aufzubringen vermag, bedarf hier keiner Entscheidung.
2. Selbst wenn man nämlich von einer solchen verfassungsrechtlichen Lage ausginge, wäre die Annahme der Verfassungsbeschwerde nach § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG nicht angezeigt.
Die Beschwerdeführerin ist nach der einfachrechtlichen Lage darauf verwiesen, zur Durchsetzung ihres Rechtsschutzzieles mehrere aneinander anschließende, aber jeweils selbständige Verfahren zu beschreiten, nämlich – auch wenn man hier das letztlich angestrebte Versorgungsausgleichsverfahren noch außer Betracht läßt – das Verfahren über die Beratungshilfe und anschließend das Verfahren über die Anerkennung des Ehescheidungsurteils. In einem solchen Fall folgt aus der Verfassung jedenfalls nicht von vornherein, in welchem dieser Verfahren die geltend gemachte finanzielle Notsituation der Beschwerdeführerin in bezug auf die Aufbringung der Übersetzungskosten zu berücksichtigen ist. Dies ist vielmehr eine Frage der Anwendung und Auslegung des einfachen Verfahrensrechts und obliegt grundsätzlich der Entscheidung der dafür allgemein zuständigen Gerichte (BVerfGE 18, 85 ≪92≫).
Im Beratungshilfeverfahren können zwar Übersetzungskosten als Auslagen des Anwalts nach § 133 in Verbindung mit § 126 BRAGO erstattet werden. Eine Anerkennung von Übersetzungskosten ist aber einfachrechtlich nicht zwingend, wenn die Übersetzung nach den eigenen Angaben der Antragstellerin nicht zur anwaltlichen Beratung und Vertretung, sondern zur Ermittlung des Sachverhalts im behördlichen oder gerichtlichen Verfahren erforderlich ist. Bei einer solchen Sachlage ist es im Ergebnis vertretbar, die Kostenerstattung im Rahmen des Beratungshilfeverfahrens abzulehnen. Dagegen bestehen jedenfalls dann keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Entlastung der Beschwerdeführerin von den Übersetzungskosten noch im nachfolgenden Verfahren über die Anerkennung des Ehescheidungsurteils erfolgen kann.
Letzteres ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat im Anerkennungsverfahren die Beibringung einer Übersetzung des Scheidungsurteils nicht zwingend vorgeschrieben. Vielmehr hat er es den Landesjustizverwaltungen zur Aufgabe gemacht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Zwar mögen die Justizbehörden aufgrund des allgemeinen Grundsatzes, daß die Amts- und Gerichtssprache deutsch ist (§ 23 VwVfG, § 184 GVG), bei der Erfüllung dieser Aufgabe berechtigt sein, von den Antragstellern im Regelfall die Beibringung einer deutschen Übersetzung der ausländischen Urteile zu fordern. Die Entscheidung darüber liegt aber jedenfalls in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Sie können auf eine Übersetzung verzichten, wenn der Inhalt der Urkunde zwischen den Beteiligten unumstritten ist, oder von Amts wegen eine teilweise oder völlige Übersetzung der Urkunde einholen. Bei dieser Ermessensentscheidung sind sie an die Grundrechte gebunden und müssen daher auch den Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit beachten. Der Beschwerdeführerin ist es danach zumutbar, auch im Anerkennungsverfahren geltend zu machen, daß sie weder selbst noch mit anderweitigen staatlichen Hilfen in der Lage ist, die geforderte Übersetzung zu bezahlen.
3. Danach kann die Beschwerdeführerin darauf verwiesen werden, zunächst eine verbindliche Entscheidung im Anerkennungsverfahren herbeizuführen und im Falle des Unterliegens dagegen mittels Prozeßkostenhilfe den Rechtsweg zu durchschreiten. Dazu ist sie auch aus Gründen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gehalten (BVerfGE 93, 165 ≪171≫).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Seidl, Hömig, Steiner
Fundstellen
Haufe-Index 1134557 |
NJW 1997, 2040 |
IPRspr. 1997, 194 |