Leitsatz (amtlich)
Es ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, auf den Bedarf von Auszubildenden, die bereits eine Ausbildung berufsqualifizierend abgeschlossen haben, Einkommen und Vermögen der Eltern nach § 11 Abs. 2 BAföG anzurechnen, sie aber von der Ausbildungsförderung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BAföG auszuschließen, wenn die Eltern den angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten.
Verfahrensgang
Tenor
§ 11 Absatz 3 Satz 3 in Verbindung mit § 36 Absatz 1 Satz 2 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG –) in der Fassung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (12. BAföGÄndG) vom 22. Mai 1990 (Bundesgesetzblatt I Seite 936) sowie in Verbindung mit § 36 Absatz 1 Satz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der Fassung des Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (18. BAföGÄndG) vom 17. Juli 1996 (Bundesgesetzblatt I Seite 1006) ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.
Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ist § 36 Absatz 1 Satz 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der Fassung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ohne die Einschränkung des Satzes 2 und in der Fassung des Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ohne die Einschränkung des Satzes 3 anzuwenden.
Tatbestand
A.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, in den Fällen einer sogenannten Zweitausbildung Auszubildende auch dann von der Gewährung elternunabhängiger Ausbildungsförderung auszuschließen, wenn die Eltern den nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten.
I.
1. Das Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 (BGBl I S. 645) regelt die Gewährung von finanziellen Leistungen des Staates zur Deckung des Unterhaltsbedarfs Auszubildender.
a) Nach dem gesetzgeberischen Konzept (vgl. §§ 1, 11 BAföG) vollzieht sich die Berechnung der Höhe der staatlichen Förderungsleistung in mehreren Schritten. Ausgangspunkt der Berechnung ist ein pauschalierter Geldbetrag, der grundsätzlich den Lebensunterhalt und die Ausbildungskosten decken soll (vgl. §§ 12–14 a BAföG). Auf diesen Betrag werden – jeweils nach Abzug von Freibeträgen – zunächst Einkommen und Vermögen des Auszubildenden angerechnet, sodann Einkommen und Vermögen seines Ehegatten und zuletzt – mit Einschränkungen – Einkommen und Vermögen seiner Eltern. Hat der Auszubildende aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Anrechnung des Einkommens und des Vermögens seiner Eltern keinen Anspruch auf den Höchstförderungsbetrag, ist auf seinen Antrag hin nach § 36 BAföG zu prüfen, ob Ausbildungsförderung auch ohne Anrechnung des elterlichen Einkommens geleistet wird, wenn die Eltern den nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten.
b) Bei der Anrechnung des elterlichen Einkommens und Vermögens wird die Fähigkeit der Eltern zur Unterhaltsleistung pauschal festgestellt und bei der Bedarfsermittlung (§§ 1, 11 Abs. 1 BAföG) berücksichtigt. Soweit elterliches Einkommen und Vermögen bestimmte Freibeträge (vgl. §§ 25, 29 BAföG) übersteigen, geht der Gesetzgeber generalisierend davon aus, daß die Eltern nach bürgerlichem Recht – einen Bedarf des Auszubildenden unterstellt – unterhaltsverpflichtet sind und diese Verpflichtung auch erfüllen (§ 11 Abs. 2 BAföG).
In bestimmten Fällen wird Ausbildungsförderung ohne Anrechnung des elterlichen Einkommens und Vermögens geleistet (§ 11 Abs. 2 a und 3 BAföG). Die in § 11 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BAföG enthaltenen Ausnahmen von der Anrechnung des elterlichen Einkommens und Vermögens erfassen Fälle, in denen der Gesetzgeber annimmt, daß ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt typischerweise nicht besteht.
Der Vorschrift des § 36 BAföG kommt im Gesamtkonzept des Gesetzgebers die Aufgabe zu, Härten auszugleichen, die entstehen können, wenn die Eltern den nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten. Diese Situation kann eintreten, wenn der bürgerlich-rechtliche Unterhaltsanspruch entweder nicht oder nicht in der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz angerechneten Höhe besteht oder zwar besteht, aber von den Eltern nicht erfüllt wird (vgl. BTDrucks VI/1975, S. 35 f.). Von besonderer Bedeutung ist hier die Gesetzesfassung von 1990, nach der bei Zweitausbildungen diese Härteregelung nicht mehr greift.
c) Die Vorschrift des § 11 BAföG lautete in der Ursprungsfassung des Gesetzes vom 26. August 1971 (BGBl I S. 1409; im folgenden: BAföG 1971):
Umfang der Ausbildungsförderung
(1) Ausbildungsförderung wird für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet (Bedarf).
(2) Auf den Bedarf sind nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Einkommen und Vermögen des Auszubildenden, seines Ehegatten und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen. Einkommen und Vermögen des Ehegatten bleiben außer Betracht, wenn er von dem Auszubildenden dauernd getrennt lebt.
(3) Besucht der Auszubildende ein Abendgymnasium oder ein Kolleg, so sind nur Einkommen und Vermögen des Auszubildenden und seines Ehegatten anzurechnen.
(4) Sind Einkommen und Vermögen einer Person auf den Bedarf mehrerer Auszubildender anzurechnen, so werden sie zu gleichen Teilen angerechnet. Dies gilt bei der Anrechnung des Einkommens nicht, soweit dadurch der Bedarf des Auszubildenden nach § 12 Abs. 1 und 2, § 13 Abs. 1 und 2 und § 14 oder anderen entsprechenden Vorschriften überschritten würde.
Die Vorschrift des § 36 BAföG 1971 hatte folgende Fassung:
Vorausleistung von Ausbildungsförderung
(1) Macht der Auszubildende glaubhaft, daß seine Eltern den nach den Vorschriften dieses Gesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten, und ist dadurch die Ausbildung gefährdet, so wird nach Anhörung der Eltern Ausbildungsförderung ohne Anrechnung dieses Betrags geleistet.
(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn der Auszubildende glaubhaft macht, daß seine Eltern den Bedarf nach den §§ 12 bis 14 nicht leisten und die für die Anrechnung ihres Einkommens und Vermögens erforderlichen Auskünfte nicht erteilen oder Urkunden nicht vorlegen und darum das Einkommen und Vermögen der Eltern nicht angerechnet werden können.
(3) Von der Anhörung der Eltern kann aus wichtigem Grund abgesehen werden.
2. In der Zeit nach 1971 wurde der in § 11 Abs. 3 BAföG enthaltene Katalog der Ausnahmen von der Anrechnung des elterlichen Einkommens und Vermögens mehrfach erweitert. Der Gesetzgeber wollte in Fällen, in denen davon ausgegangen werden mußte, daß ein bürgerlichrechtlicher Anspruch des Auszubildenden gegen seine Eltern auf Tragung der Ausbildungskosten nach § 1610 Abs. 2 BGB dem Grunde nach nicht bestand, der unterhaltsrechtlichen Situation schon im Berechnungsverfahren und nicht erst im Vorausleistungs- und anschließenden Überleitungsverfahren nach §§ 36, 37 BAföG Rechnung tragen. Damit sollte dem Auszubildenden die Durchsetzung seines Rechtsanspruchs auf Förderung wesentlich erleichtert und auch ein verwaltungsökonomischeres Verfahren erreicht werden (vgl. BTDrucks 7/2098, S. 18 f.). Durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (6. BAföGÄndG) vom 16. Juli 1979 (BGBl I S. 1037; im folgenden: BAföG 1979) erhielt § 11 Abs. 3 BAföG schließlich folgende Fassung:
Einkommen und Vermögen der Eltern bleiben ferner außer Betracht, wenn der Auszubildende
- ein Abendgymnasium oder Kolleg besucht,
- bei Beginn des Ausbildungsabschnitts das 30. Lebensjahr vollendet hat,
- bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Vollendung des 18. Lebensjahres fünf Jahre erwerbstätig war,
- bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Abschluß einer vorhergehenden, zumindest dreijährigen berufsqualifizierenden Ausbildung drei Jahre oder im Falle einer kürzeren Ausbildung entsprechend länger erwerbstätig war oder
- eine weitere in sich selbständige Ausbildung beginnt, nachdem seine Eltern ihm gegenüber ihre Unterhaltspflicht erfüllt haben.
Satz 1 Nr. 3 und 4 gilt nur, wenn der Auszubildende in den Jahren seiner Erwerbstätigkeit in der Lage war, sich aus deren Ertrag selbst zu unterhalten.
3. Durch Art. 1 Nr. 8 Buchstabe b des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (12. BAföGÄndG) vom 22. Mai 1990 (BGBl I S. 936; im folgenden: BAföG 1990) wurde § 11 Abs. 3 BAföG erneut geändert. Die Vorschrift erhielt folgende Fassung:
Einkommen und Vermögen der Eltern bleiben ferner außer Betracht, wenn der Auszubildende
1.–4. …
5. eine weitere in sich selbständige Ausbildung beginnt, nachdem seine Eltern ihm gegenüber ihre Unterhaltspflicht erfüllt haben, und die Voraussetzungen des Satzes 3 vorliegen.
Satz 1 Nr. 3 und 4 gilt nur, wenn der Auszubildende in den Jahren seiner Erwerbstätigkeit in der Lage war, sich aus deren Ertrag selbst zu unterhalten. Satz 1 Nr. 5 gilt nur für Auszubildende, deren Ausbildungsabschnitt vor dem 1. Juli 1990 begonnen hat, sowie auf besonderen Antrag für Auszubildende, die zu diesem Zeitpunkt wegen der Ableistung eines der in § 66 a Abs. 4 Nr. 1 bis 4 genannten Dienste gehindert waren, den Ausbildungsabschnitt zu beginnen, aber in unmittelbarem Anschluß hieran diese Ausbildung aufnehmen.
Zur Begründung der Gesetzesänderung ist ausgeführt (vgl. BTDrucks 11/5961, S. 13 f.):
Entsprechend der Empfehlung des Beirates für Ausbildungsförderung soll die Förderung in Zukunft wieder stärker an die wirtschaftliche Leistungskraft der Familien gebunden werden.
Seit Beginn der 70er Jahre ist eine Änderung im Ausbildungsverhalten festzustellen. Neben dem herkömmlichen Ausbildungsweg (Schule-Abitur-Studium) ist in zunehmendem Maße die Alternative getreten, nach dem Schulabschluß zunächst eine praktische berufliche Ausbildung zu absolvieren und erst danach ein Studium aufzunehmen (sogenannte Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Viele Auszubildende durchlaufen auch den in den 70er Jahren neu geschaffenen Bildungsweg über den mittleren Bildungsabschluß, die Lehre und die einjährige Fachoberschule zum Fachhochschulstudium.
Die Entwicklung im Bildungsverhalten hat dazu geführt, daß insbesondere die Vorschriften über die elternunabhängige Förderung (§ 11 Abs. 3 BAföG), die ursprünglich auf Auszubildende des klassischen Zweiten Bildungsweges zugeschnitten waren, heute zunehmend auf Studienberechtigte des Ersten Bildungsweges Anwendung finden. Dies hat seinen Grund darin, daß im Rahmen des § 7 BAföG in großem Umfang Ausbildungen nach einer betrieblichen Ausbildung gefördert werden, und zwar elternunabhängig, wenn die Eltern den Auszubildenden gegenüber ihre Unterhaltspflicht erfüllt haben (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG).
Die derzeitige Regelung der Förderung von Zweitausbildungen nach dem BAföG führt zu einer Schlechterstellung von Auszubildenden in bestimmten Fällen, weil § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG an die Erfüllung der Unterhaltspflicht von Eltern anknüpft. Eine solche Verknüpfung hat zur Konsequenz, daß die Auszubildenden, die – bei wirtschaftlicher Zumutbarkeit für die Eltern – auch noch während einer Zweitausbildung unterhaltsberechtigt sind, weil sie ihre Ausbildung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes planvoll anlegen und zielstrebig durchführen, nur elternabhängig gefördert werden können. Dagegen aber erhalten andere Auszubildende nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG während ihrer gesamten Zweitausbildung eine elternunabhängige Ausbildungsförderung, weil bei ihnen die Eltern ihre Unterhaltspflicht erfüllt haben.
Dieses Ergebnis wird zu Recht als unbillig empfunden und soll durch Streichung der an die Erfüllung der Unterhaltspflicht geknüpften elternunabhängigen Förderung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG in Zukunft vermieden werden. Die elternunabhängige Förderung wird auf Abendgymnasiasten und Kollegialen, über 30jährige Studienanfänger sowie Auszubildende, die vor dem Beginn ihrer Zweitausbildung bereits mehrere Jahre berufstätig waren, begrenzt. Im übrigen werden auch Auszubildende in einer Zweitausbildung in Zukunft elternabhängig gefördert werden.
Übergangsregelungen stellen sicher, daß Auszubildende, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung bereits in einem elternunabhängig geförderten Ausbildungsabschnitt befinden oder die wegen der durch die Ableistung u.a. des Grundwehrdienstes bedingten Verzögerung erst verspätet ihre Ausbildung beginnen können, keine Nachteile erleiden.
Ebenfalls der stärkeren Anbindung der Ausbildungsförderung an die wirtschaftliche Leistungskraft der Eltern dient die vorgesehene Streichung der sogenannten eingeschränkt elternabhängigen Förderung nach § 25 a BAföG.
Die Begrenzung der elternunabhängigen Förderung auf die Fälle des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BAföG erfordert es, die Vorausleistung nach § 36 BAföG auf diejenigen zu beschränken, die noch keine Ausbildung berufsqualifizierend abgeschlossen haben. Anderenfalls müßte in Fällen des bisherigen § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG im Rahmen der Vorausleistung praktisch unverändert elternunabhängige Vollförderung gewährt werden. Die mit der Änderung des § 11 Abs. 3 BAföG angestrebte engere Anbindung der Ausbildungsförderung an die wirtschaftliche Leistungskraft der Eltern würde damit unterlaufen.
Zugleich änderte der Gesetzgeber durch Art. 1 Nr. 29 des 12. BAföGÄndG die seit 1971 bis auf geringe redaktionelle Korrekturen unveränderte Vorschrift des § 36 Abs. 1 BAföG. Sie lautete nun:
Macht der Auszubildende glaubhaft, daß seine Eltern den nach den Vorschriften dieses Gesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten, und ist die Ausbildung – auch unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Ehegatten im Bewilligungszeitraum – gefährdet, so wird nach Anhörung der Eltern Ausbildungsförderung ohne Anrechnung dieses Betrages geleistet. Satz 1 gilt nicht für Auszubildende, die bereits eine Ausbildung berufsqualifizierend abgeschlossen haben. Satz 2 gilt nicht für Auszubildende, die für den Monat Juni 1990 Vorausleistung erhalten haben.
§ 36 BAföG 1990 wurde in der Folgezeit nur redaktionell geändert. Die Sätze 2 und 3 des § 36 BAföG 1990 sind gemäß Art. 1 Nr. 20 des Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (18. BAföGÄndG) vom 17. Juli 1996 (BGBl I S. 1006; im folgenden: BAföG 1996) zu Sätzen 3 und 4 geworden.
II.
1. Im Ausgangsverfahren begehrt der Kläger die Gewährung von Ausbildungsförderung ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens seiner Eltern.
Der am 23. März 1968 geborene Kläger verließ die Hauptschule mit dem Sekundarabschluß I (Realschulabschluß). Anschließend erwarb er den erweiterten Sekundarabschluß I durch den einjährigen Besuch einer Berufsfachschule. Die sich daran anschließende Lehre zum Vermessungstechniker schloß er 1988 ab. Den erlernten Beruf übte er ein Vierteljahr aus. Er besuchte zwischen August 1988 und Juni 1991 ein Fachgymnasium und erwarb dort die allgemeine Hochschulreife. Während dieser Zeit erhielt er elternunabhängige Ausbildungsförderung. Zum Wintersemester 1991/92 begann er ein Studium der Geodäsie an der Universität.
Auf entsprechenden Antrag gewährte das Studentenwerk dem Kläger des Ausgangsverfahrens Ausbildungsförderung unter Berücksichtigung eines anrechenbaren Einkommens seiner Mutter in Höhe von 167,18 DM (ab September 1992 325,33 DM). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit dem Ziel ein, elternunabhängige Ausbildungsförderung zu erhalten. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen, insbesondere unter Hinweis auf § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990.
2. a) Mit seiner gegen die ablehnenden Bescheide erhobenen Klage begehrte der Kläger Ausbildungsförderung ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens seiner Eltern. Zur Begründung führte er aus, seine Mutter sei zur Leistung von Ausbildungsunterhalt nicht verpflichtet und im übrigen auch nicht bereit, ihm Unterhalt in der angerechneten Höhe zu zahlen. Er habe bei Beginn des Besuchs des Fachgymnasiums darauf vertraut, daß er sein auf dem Zweiten Bildungsweg angestrebtes Studium mit Unterstützung elternunabhängig gewährter Ausbildungsförderung abschließen könne. Diesem Vertrauen müsse Rechnung getragen werden.
b) Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat weiter einen Antrag auf Gewährung von Ausbildungsförderung gemäß § 36 BAföG gestellt, der unter Hinweis auf § 36 Abs. 1 Satz 2 und 3 BAföG 1990 abgelehnt worden ist.
c) Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob
§ 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG idF des 12. BAföGÄndG (BGBl I, S. 936) mit Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist.
aa) Das vorlegende Gericht möchte dem Kläger den nach seiner Auffassung dem Grunde nach bestehenden Anspruch auf elternunabhängige Förderung der Zweitausbildung gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG zusprechen. Es sieht sich jedoch daran durch § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 gehindert, der den Kläger, der sein Studium nach dem 30. Juni 1990 begonnen habe, von der elternunabhängigen Förderung ausschließe.
bb) Das vorlegende Gericht ist der Überzeugung, die Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 sei mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, der durch das Grundrecht der Freiheit der Berufswahl gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG eine besondere Ausprägung erfahre. Unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot beschränke sie die Gewährung von Ausbildungsförderung ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens der Eltern nach Maßgabe des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1990 auf die Fälle, in denen der Ausbildungsabschnitt vor dem 1. Juli 1990 begonnen wurde.
Der Kläger, der gegenüber seiner Mutter keinen Anspruch auf Gewährung von Unterhalt zur Durchführung der von ihm aufgenommenen Hochschulausbildung habe, erhalte entgegen dem in § 1 BAföG niedergelegten Grundsatz keine bedarfsdeckende Ausbildungsförderung. Hierdurch werde er gegenüber anderen Auszubildenden, die eine nach § 7 Abs. 1 BAföG förderungsfähige Ausbildung betrieben, in einer Art und Weise benachteiligt, die mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren sei. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liege insoweit vor, als der Kläger des Ausgangsverfahrens mit solchen Auszubildenden gleichbehandelt werde, die für die Ausbildung über einen Unterhaltsanspruch gegenüber leistungsfähigen Eltern verfügten. Ungleich werde er gegenüber Auszubildenden behandelt, die, wie er, keinen Unterhaltsanspruch für die weitere Ausbildung mehr hätten, aber mangels Leistungsfähigkeit der Eltern Ausbildungsförderung in bedarfsdeckender Höhe erhielten.
Die Verweisung des Auszubildenden auf das Einkommen und Vermögen seiner Eltern setze eine Parallelität von bürgerlichrechtlichem Unterhalts- und öffentlich-rechtlichem Ausbildungsanspruch voraus, die gerade hier typischerweise nicht bestehe. Von Anfang an sei die Gewährung von Ausbildungsförderung für die Auszubildenden des Zweiten Bildungsweges ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens der Eltern vorgesehen gewesen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber 1990 diese bildungspolitische Zielsetzung mit dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes habe fallen lassen. Solange aber der Gesetzgeber an dieser bildungspolitischen Zielsetzung festhalte, sei er auch gehalten, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Durchführung dieser Bildungsgänge für alle Auszubildenden nach sachgerechten Kriterien zu schaffen. Insbesondere sei der Gesetzgeber daran gehindert, eine Regelung zu treffen, mit der er einem erheblichen Teil der Auszubildenden des Zweiten Bildungsweges die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Ausbildung entziehe, ohne daß für diese Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund vorläge. Er habe auch die Möglichkeit gehabt, die gleichheitswidrige Benachteiligung dieser Gruppe zu vermeiden. So wäre ohne weiteres eine Beschränkung der Anwendung der Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG auf die Absolventen des Zweiten Bildungsweges (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BAföG) möglich gewesen. Auch der vollständige Ausschluß dieses Personenkreises von Vorausleistungen durch § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 sei in diesem Zusammenhang beachtlich, weil damit alle Möglichkeiten abgeschnitten worden seien, wenigstens im Einzelfall das Nichtbestehen eines Unterhaltsanspruchs nachzuweisen. Eine verfassungskonforme Auslegung der entscheidungserheblichen Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 komme aufgrund des klaren Wortlautes der Vorschrift nicht in Betracht.
III.
Zur Vorlage haben sich das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie namens der Bundesregierung und das Bundesverwaltungsgericht geäußert.
1. Das Bundesministerium hält § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1990 für verfassungsgemäß.
Grund für die Änderung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 seien die Vorschläge des Beirats für Ausbildungsförderung aus dem Herbst 1988 gewesen. Der Beirat sei zu dem Ergebnis gekommen, die elternunabhängige Förderung während einer Zweitausbildung habe sich nicht bewährt. Die Vorschrift sei zunächst auf Auszubildende des klassischen Zweiten Bildungsweges zugeschnitten gewesen. Durch ein geändertes Ausbildungsverhalten von Studienberechtigten des Ersten Bildungswegs, die zunehmend vor Aufnahme eines Studiums eine praktische berufliche Ausbildung durchliefen (sogenannte Abitur-Lehre-Studium-Fälle), seien, entgegen der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers, immer mehr Förderungsberechtigte des Ersten Bildungswegs in den Genuß der elternunabhängigen Förderung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 gekommen. Der Anteil dieser Gruppe sei auf bis zu 40 vom Hundert aller Förderungsempfänger angewachsen. Die Verknüpfung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mit dem bürgerlichrechtlichen Unterhaltsrecht in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 habe – vor dem Hintergrund der geschilderten Änderung des Ausbildungsverhaltens – unerwünschte Konsequenzen gehabt.
Einerseits hätten besonders leistungsstarke Auszubildende, die ihre Ausbildung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes planvoll angelegt und zielstrebig durchführt hätten und daher auch während einer Zweitausbildung unterhaltsberechtigt gewesen seien, nicht gefördert werden können, wenn sie nach der Höhe des Elterneinkommens nicht bedürftig gewesen seien. Elternunabhängige Förderung hätten andererseits – und zwar ungeachtet der Höhe des elterlichen Einkommens – Auszubildende erhalten, die nicht so leistungsstark gewesen seien und deren Eltern infolgedessen ihre Unterhaltspflicht ihnen gegenüber mit Abschluß der Erstausbildung bereits erfüllt gehabt hätten.
Dieses als unbillig empfundene Ergebnis und die nicht unerheblichen sogenannten Mitnahmeeffekte hätten mit der Streichung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 vermieden werden sollen. Die sich daraus ergebenden Härten seien grundsätzlich hinzunehmen. Sie beträfen insbesondere Auszubildende aus finanziell besser gestellten Elternhäusern, wenn auf der einen Seite kein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern mehr bestehe, die elternunabhängige Förderung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 andererseits nicht mehr geleistet werde und die an sich wirtschaftlich leistungsfähigen Eltern die Finanzierung des Studiums nicht freiwillig übernehmen wollten. Demgegenüber könnten Kinder einkommensschwächerer Eltern grundsätzlich elternabhängige (Teil-)Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten. Zudem sei die betroffene Gruppe relativ klein, da seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Juni 1989 (BGHZ 107, 376) Eltern unter bestimmten Voraussetzungen auch die Kosten eines Hochschulstudiums, welches auf eine Lehre folge, zu tragen hätten. Die verbleibende Restgruppe sei von der Regelung zwar hart betroffen. Diese Härte sei im Hinblick auf das weite gesetzgeberische Ermessen jedoch hinzunehmen.
Ihre Benachteiligung sei im übrigen gerechtfertigt durch das Ziel des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, Familien mit mittleren Einkommen zu entlasten. Diese profitierten von direkten staatlichen Transferleistungen – wie den Leistungen nach diesem Gesetz – nur in geringem Umfang, während sich steuerliche Entlastungen für sie kaum auswirkten. Hierfür erforderliche Mittel könnten durch Beschränkung der elternunabhängigen Förderung auf Fälle freigesetzt werden, in denen diese Förderung notwendig sei.
Im übrigen verweist das Bundesministerium auf das in seinem Auftrag erstellte Rechtsgutachten von Professor Dr. Faller zu der vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage. Zur Rechtfertigung der Benachteiligung der hier betroffenen Gruppe von Förderungsempfängern, denen Elterneinkommen angerechnet wird, ohne daß ihnen nach bürgerlich-rechtlichem Unterhaltsrecht ein korrespondierender Unterhaltsanspruch gegen ihre Eltern zusteht, wird dort im wesentlichen die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers angeführt. Die Beseitigung der dadurch entstehenden Härten sei in erster Linie Aufgabe der leistungsfähigen Eltern.
2. Der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts teilt mit, daß er als der für das Ausbildungsförderungsrecht zuständige Senat nach dem 16. März 1994 keine weiteren Entscheidungen zu § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und Satz 3 BAföG 1990 getroffen habe. Einschlägige Verfahren seien auch nicht anhängig. Zur Anwendung des § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 seien Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts weder ergangen noch nach dem derzeitigen Stand zu erwarten.
Entscheidungsgründe
B.
Das Verwaltungsgericht hat nur § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 zur Nachprüfung gestellt und § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 lediglich in die Begründung der Vorlage einbezogen, um die Situation der Auszubildenden des Zweiten Bildungsweges nach der durch § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 geschaffenen Rechtslage zu verdeutlichen. Da sich die von ihm als verfassungswidrig angesehene Rechtslage jedoch aus dem Zusammenhang der genannten Vorschriften ergibt, muß auch die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 als zur Prüfung vorgelegt angesehen werden (vgl. BVerfGE 12, 151 ≪163≫). Mit diesem Inhalt ist die Vorlage zulässig.
C.
§ 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 allein verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (I.). In Verbindung mit der Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 ist jedoch der allgemeine Gleichheitssatz verletzt (II.).
I.
Die Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990, die den in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 erfaßten Kreis von Auszubildenden in der Regel von der elternunabhängigen Forderung ausschließt, sofern deren Ausbildungsabschnitt nach dem 30. Juni 1990 begonnen hat, ist für sich genommen mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
1. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das Grundrecht ist daher vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪88≫; 74, 9 ≪24≫; 87, 1 ≪36≫). Im Rahmen seines Gestaltungsauftrags ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei bei seiner Entscheidung, an welche tatsächlichen Verhältnisse er Rechtsfolgen knüpft und wie er von Rechts wegen zu begünstigende Personengruppen definiert. Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn durch die Bildung einer rechtlich begünstigten Gruppe andere Personen von der Begünstigung ausgeschlossen werden und sich für diese Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden läßt (vgl. BVerfGE 82, 126 ≪146≫ m.w.N.). Dabei ist die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts dafür ausschlaggebend, was sachlich vertretbar oder sachfremd ist (BVerfGE 6, 84 ≪91≫; 75, 108 ≪157≫; 90, 226 ≪239≫). Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit unterliegt die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.
2. Die zur Prüfung vorgelegte Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 bewirkt, daß Auszubildende, die bisher gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 elternunabhängig gefördert wurden, mit Wirkung für die Zukunft in der Regel gemäß § 11 Abs. 2 BAföG nur noch elternabhängig staatliche Leistung erhalten können. Damit werden sie im Verhältnis zu den Auszubildenden, die weiterhin gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BAföG elternunabhängig gefördert werden, ungleich behandelt. Die durch die Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 bewirkte Herausnahme der eine Zweitausbildung anstrebenden Auszubildenden aus der Gruppe der elternunabhängig Geförderten (§ 11 Abs. 3 BAföG) und die Zuordnung zur Gruppe der elternabhängig Geförderten (§ 11 Abs. 2 BAföG) wirkt sich für sie nachteilig aus. Sie erhalten keine Förderung, wenn und soweit die Eltern zur Leistung von Unterhalt nach den Anrechnungsvorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der Lage sind. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob die Eltern nach bürgerlichem Recht zur Finanzierung der Ausbildung (noch) verpflichtet sind und Unterhalt leisten. Nach bisherigen Recht erhielt demgegenüber der Auszubildende die staatliche Förderungsleistung unabhängig davon, ob die Eltern den Unterhaltsbedarf finanzieren wollten, sofern das Amt für Ausbildungsförderung festgestellt hatte, daß ein Unterhaltsanspruch der Eltern dem Grunde nach nicht (mehr) bestand.
3. Diese unterschiedliche Behandlung ist durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.
a) Der Gesetzgeber hatte durch § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 Auszubildenden die Möglichkeit einer staatlichen Förderung ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Eltern eröffnet, wenn diese eine weitere in sich selbständige Ausbildung begonnen und die Eltern ihnen gegenüber ihre Unterhaltspflicht erfüllt hatten. Die zur Prüfung vorgelegte Vorschrift bewirkt ab einem im Gesetz näher bestimmten Zeitpunkt die Beseitigung dieser Begünstigung, die der Gesetzgeber im Rahmen seines förderungspolitischen Ermessens gewährt hatte und zu der er verfassungsrechtlich nicht verpflichtet war. Aus verfassungsrechtlicher Sicht genügen demnach sachbezogene Gründe zur Rechtfertigung seiner Entscheidung, die staatliche Ausbildungsförderung wieder stärker von der wirtschaftlichen Leistungskraft der Eltern abhängig zu machen und damit dem Grundsatz der Subsidiarität öffentlicher Ausbildungsförderung (vgl. §§ 1, 11 Abs. 2 BAföG) mehr als bisher Rechnung zu tragen.
Solche sachlichen Gründe sind gegeben. Als Folge der Änderung des Ausbildungsverhaltens im Zeitraum seit 1979 war – insbesondere durch die Zunahme der sogenannten Abitur-Lehre-Studium-Fälle – die Zahl der Auszubildenden, die elternunabhängig gefördert wurden, bei gleichzeitig sinkender Gefördertenquote kontinuierlich gestiegen. Dies hatte zur Konsequenz, daß in erheblichem Umfang Ausbildungsförderung an Kinder von Familien gezahlt wurde, die wirtschaftlich durchaus in der Lage waren, die Kosten der Ausbildung ihrer Kinder selbst zu tragen. Der Anstieg bewegte sich auf einen Prozentsatz zwischen 30 und 40 vom Hundert der Förderungsfälle hin. Durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur elterlichen Unterhaltspflicht bei einer mit der Erstausbildung fachlich und zeitlich im Zusammenhang stehenden Zweitausbildung (Urteil vom 7. Juni 1989, a.a.O.) wurde zwar die Gruppe der von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 begünstigten Personen kleiner. Sie blieb aber insgesamt groß genug, so daß sich der Gesetzgeber zu einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Reaktion auf die dargestellte Entwicklung veranlaßt sah.
Die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bewirkte im übrigen in Verbindung mit § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 eine Rechtslage, die zu unbefriedigenden Ergebnissen führte. Bei Studierenden, die sich aufgrund eines sehr guten bis guten berufsqualifizierenden Abschlusses für ein damit zusammenhängendes Studium entschieden hatten, festigte sich der Eindruck, Leistung lohne sich nicht, weil bei der sich anschließenden Zweitausbildung die Eltern nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterhaltsrechtlich verpflichtet blieben und der Staat deshalb keine Förderungsleistungen erbrachte, während andere Auszubildende elternunabhängig eine staatliche Ausbildungsförderung erhielten, wenn sie ihre Ausbildung weniger leistungsorientiert und planmäßig betrieben (vgl. Greß, 20 Jahre BAföG, 1991, S. 14 f.). Diese Situation wurde durch § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 auf der Ebene des staatlichen Ausbildungsförderungsrechts beseitigt.
Der Gesetzgeber konnte auch Konsequenzen aus der Erfahrung mit der Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 in der Praxis ziehen. Hier traten nicht unerhebliche Schwierigkeiten dadurch auf, daß die Ämter für Ausbildungsförderung selbständig das Bestehen einer bürgerlichrechtlichen Unterhaltsverpflichtung nachzuprüfen hatten. Auf diese Prüfung war aber ihre personelle und fachliche Ausstattung nicht ausgerichtet. Auch bestand die Gefahr divergierender Entscheidungen der Ämter für Ausbildungsförderung und der Verwaltungsgerichte einerseits und der über den Unterhaltsanspruch entscheidenden Zivilgerichte andererseits.
b) Die in Frage stehende Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht deshalb verfassungsrechtlich zu beanstanden, weil sie die förderungsrechtliche Situation speziell der Auszubildenden im Zweiten Bildungsweg verschlechtert. Die Benachteiligung gerade dieser Gruppe hat das vorlegende Gericht vor allem im Blick. In dieser Gruppe mag ein besonders hoher Anteil von solchen Auszubildenden vertreten sein, bei denen der bürgerlich-rechtliche Unterhaltsanspruch schon verbraucht ist. Ihre „Rückkehr” in den Anwendungsbereich der allgemeinen Vorschrift des § 11 Abs. 2 BAföG hat zur Folge, daß sie trotz Nichtbestehens eines bürgerlichrechtlichen Unterhaltsanspruchs staatliche Ausbildungsförderung nur in dem Umfang erhalten, in dem die Eltern nicht leistungsfähig sind.
Die Verschlechterung der rechtlichen Situation wird aber auch für diesen Personenkreis von den unter a) genannten Gründen getragen. Es steht grundsätzlich im förderungspolitischen Ermessen des Gesetzgebers, ob und inwieweit er die Ausbildung im Zweiten Bildungsweg durch staatliche Leistungen unterstützt, sofern er deren typische Situation zutreffend einschätzt und zwischen den Studierenden im Zweiten Bildungsweg nicht in einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Weise differenziert. Das ist hier nicht der Fall. Im wesentlichen hat der Gesetzgeber in § 11 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BAföG die Studierenden des Zweiten Bildungsweges erfaßt. Die dort genannten Personen haben sich spät zu einem Studium entschlossen und zum Teil schon einmal wirtschaftlich auf eigenen Füßen gestanden. Ob die hier betroffene Gruppe der Studierenden, die aus Gründen der Hochschulsituation oder zur Verbesserung ihrer Berufsaussichten zwischen Abitur und Studium lediglich eine Lehre einschieben, überhaupt als solche des Zweiten Bildungsweges anzusprechen ist, bedarf keiner Entscheidung. Ihre Lebenssituation ähnelt jedenfalls so weitgehend derjenigen der Studierenden, deren Förderung sich nach § 11 Abs. 2 BAföG richtet, daß eine typisierende Gleichbehandlung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Der Gesetzgeber war daher nicht gehindert, die diesem Personenkreis durch § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1990 vormals eingeräumte sozial- und bildungspolitische Bevorzugung wieder zu nehmen.
II.
§ 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 verstößt jedoch in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit danach Auszubildende, die eine berufsqualifizierende Ausbildung abgeschlossen haben, auch in den Fällen auf die elternabhängige Förderung verwiesen und von der staatlichen Förderung ausgeschlossen werden, in denen die Eltern den nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten und die Ausbildung dadurch gefährdet ist.
1. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz hat von Anfang an die Vorschrift des § 36 enthalten. Nach dieser Bestimmung wird in Fällen, in denen der Auszubildende glaubhaft macht, daß seine Eltern den nach den Vorschriften dieses Gesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten, und dadurch die Ausbildung gefährdet ist, nach Anhörung der Eltern Ausbildungsförderung ohne Anrechnung dieses Betrages geleistet. Die Bestimmung schwächt nach ihrer Grundkonzeption die Bindung der staatlichen Förderung an die abstrakt bestimmte wirtschaftliche Leistungskraft der Eltern ab (vgl. BVerwGE 95, 252 ≪262 f.≫) und bindet sie statt dessen an die tatsächliche Unterhaltssituation des Auszubildenden. Der Gesetzgeber fängt auf diese Weise Fälle auf, in denen die typisierende Vorschrift der elternabhängigen Förderung nach § 11 Abs. 2 BAföG zu individuellen Härten führt, wenn eine Anrechnung der elterlichen Leistungskraft auf den Bedarf des Auszubildenden nach dieser Bestimmung erfolgt, der angerechnete Unterhaltsbetrag aber nicht wirklich geleistet wird. Dabei macht es für die Anwendung des § 36 Abs. 1 Satz 1 BAföG keinen Unterschied, ob eine Unterhaltsverpflichtung der Eltern in bezug auf die konkrete Ausbildung nach bürgerlichem Recht besteht, aber nicht erfüllt wird, oder ob sie bereits dem Grunde nach nicht (mehr) gegeben ist.
2. Es gibt gute Gründe für die Annahme, daß die Konzeption des § 11 Abs. 2 BAföG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nur vereinbar ist, wenn zugleich durch eine Vorschrift nach Art des § 36 BAföG vorhersehbare Härtefälle aufgefangen werden können. Diese Konzeption beruht auf der verallgemeinernden Annahme, leistungsfähige Eltern seien gegenüber ihren Kindern auch leistungswillig. Ihr liegt zudem eine verhältnismäßig pauschalierende Bestimmung der elterlichen Unterhaltsfähigkeit zugrunde. Würde § 36 BAföG nicht die individuellen Härten dieser Konzeption ausgleichen, so gäbe es als Folge der Anwendung des § 11 Abs. 2 BAföG eine Gruppe von Auszubildenden, die keine oder nur eine verminderte Förderungsleistung des Staates erhält, weil das elterliche Leistungsvermögen zur Anrechnung kommt, ohne daß ihnen ein realer Unterhalt von Seiten der Eltern zufließt. Diese Gruppe wäre dann gegenüber solchen Auszubildenden benachteiligt, die mangels Leistungsfähigkeit der Eltern staatliche Leistungen zur Finanzierung ihrer Ausbildung erhalten.
3. Diese Frage kann jedoch im Rahmen des vorliegenden Normenkontrollverfahrens unbeantwortet bleiben. Denn Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls deshalb durch § 11 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 verletzt, weil innerhalb der Gruppe der Auszubildenden, deren Förderung sich unter dem Gesichtspunkt der Elternabhängigkeit einheitlich nach § 11 Abs. 2 BAföG bestimmt, diejenigen, die bereits eine Ausbildung berufsqualifizierend abgeschlossen haben, vom Vorausleistungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BAföG ohne hinreichenden sachlichen Grund ausgeschlossen werden.
a) Der Gesetzgeber kann sich zur Begründung des § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 nicht darauf berufen, durch diese Vorschrift werde sichergestellt, daß die angestrebte engere Anbindung der Ausbildungsförderung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern nicht unterlaufen werde (vgl. BTDrucks 11/5961, S. 14). Es liegt zwar grundsätzlich im Ermessen des Gesetzgebers, ob und unter welchen Bedingungen er Fördermittel zugunsten von Auszubildenden einsetzt, die bereits einen berufsqualifizierenden Abschluß haben. Entscheidet er sich aber für deren Förderung dem Grunde nach (vgl. § 7 Abs. 2 BAföG) und gestaltet er diese Förderung elternabhängig aus, so rechtfertigt es die vom Gesetzgeber gegebene Begründung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht, im Unterschied zu allen unter die elternabhängige Förderung fallenden Personen solche Auszubildende mit berufsqualifizierendem Abschluß, deren Eltern den angerechneten Unterhalt nicht leisten, im Ergebnis von der öffentlichen Förderung ganz auszuschließen, indem er den Ausgleich individueller Härtefälle im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BAföG durch die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 unterbindet. Denn dieser Gesichtspunkt träfe für alle nach § 11 Abs. 2 BAföG geförderten Auszubildenden zu.
b) Die Feststellung des Gleichheitsverstoßes gilt auch für solche Auszubildenden mit berufsqualifizierendem Abschluß, deren Eltern nach bürgerlichem Recht zur Finanzierung der konkreten Zweitausbildung verpflichtet sind. Die Verweisung dieser Auszubildenden auf eine – gegebenenfalls gerichtliche – Durchsetzung ihres Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt kann nicht damit begründet werden, es handele sich hier um Personen, die typischerweise lebenserfahrener als „normale” Auszubildende seien und denen deshalb die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs auch unter Berücksichtigung einer größer gewordenen Distanz zum Elternhaus zugemutet werden könne. Denn die Zweitausbildung ist keineswegs regelmäßig Spätausbildung. Der für diese Gruppe typische Ausbildungsweg führt vom Abitur über die Lehre zum Studium.
D.
I.
Die verfassungswidrigen Vorschriften sind als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären. In diese Unvereinbarerklärung ist nach § 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 2 BVerfGG die mit § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 übereinstimmende Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 3 BAföG 1996 einzubeziehen. Eine Nichtigerklärung der verfassungswidrigen Vorschriften scheidet im vorliegenden Fall aus, weil der Gesetzgeber auf verschiedene Weise eine verfassungskonforme Rechtslage herbeiführen kann. Es ist ihm unbenommen, Auszubildende, die eine weitere in sich selbständige Ausbildung beginnen, nachdem ihre Eltern ihnen gegenüber ihre Unterhaltspflicht erfüllt haben, wieder elternunabhängig nach dem Konzept des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1979 zu fördern. Der Gesetzgeber kann aber beispielsweise auch eine Regelung treffen, die diesen Auszubildenden den Zugang zur Förderung nach Maßgabe des § 36 Abs. 1 Satz 1 BAföG eröffnet.
II.
Die auf der Grundlage der verfassungswidrigen Vorschriften ergangenen und im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftigen Bescheide bleiben unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363 ≪384≫). Es ist dem Gesetzgeber aber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen. Er kann die erforderliche Neuregelung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu jedoch nicht.
III.
Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung dürfen § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 und § 36 Abs. 1 Satz 3 BAföG 1996 mit Rücksicht auf die soziale Situation der von diesen Vorschriften betroffenen Auszubildenden nicht angewendet werden. Es erscheint angemessen, in diese Anordnung auch solche Auszubildende einzubeziehen, über deren Antrag auf Gewährung einer Förderleistung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BAföG noch nicht bestands- oder rechtskräftig entschieden ist, was möglicherweise auch dem Kläger des Ausgangsverfahrens noch zugute kommt.
Bis zur gesetzlichen Neuregelung sind Gerichtsverfahren auszusetzen, deren Gegenstand Förderungsentscheidungen auf der Grundlage des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und Satz 3 BAföG 1990 sind, um den Klägern die Möglichkeit offenzuhalten, aus der Neuregelung möglicherweise Nutzen zu ziehen.
Unterschriften
Papier, Grimm, Kühling, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner
Fundstellen
Haufe-Index 1134534 |
BVerfGE, 165 |
NJW 1999, 2030 |
FamRZ 1999, 357 |
NVwZ 1999, 517 |
ZAP 1999, 11 |
ZBR 1999, 214 |
DVP 1999, 124 |
NJ 1999 |
ZfJ 1999, 111 |
DVBl. 1999, 409 |
BGBl. I 1999, 79 |