Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 19.10.1999; Aktenzeichen 13 UF 518/98) |
AG Münster (Urteil vom 26.11.1998; Aktenzeichen 39 F 53/98) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Zurückweisung seines Scheidungsantrages und rügt eine Verletzung von Art. 1 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 1 GG.
Der Beschwerdeführer ist seit 1971 mit seiner seit früher Jugend unter einer schweren psychischen Krankheit leidenden Ehefrau verheiratet. Seit dem Auszug der Ehefrau 1995 leben die Eheleute getrennt. Der Beschwerdeführer lebt in Ungarn und möchte seine neue Lebensgefährtin heiraten. 1997 wurde die Scheidungsklage des Beschwerdeführers wegen Vorliegens einer schweren Härte zurückgewiesen. Seine erneute Scheidungsklage 1999 hatte ebenfalls unter Verweis auf das Vorliegen einer schweren Härte keinen Erfolg. Gemäß dem Sachverständigengutachten könnte eine Scheidung für die Ehefrau des Beschwerdeführers aufgrund ihres Gesundheitszustandes eine existenzbedrohende Wirkung mit Suizidgefährdung haben. Denn eine Scheidung würde bei ihr zu einer Veränderung der äußeren Strukturen führen, welche bislang die ihr innerlich fehlenden Strukturen kompensierten. Zu diesen äußeren Strukturen gehörten auch die Sicherstellung der medizinischen Versorgung und deren finanzielle Absicherung im bisherigen Umfang. Nach einer Scheidung sei die Ehefrau des Beschwerdeführers nicht mehr beihilfeberechtigt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die von ihr aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen zum Schutz der Ehe und zur Eheschließungsfreiheit sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt (vgl. BVerfGE 31, 58 ≪67 und 82 f.≫; 53, 224 ≪250 f.≫; 55, 134 ≪143≫).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung seines als verletzt gerügten Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
Art. 6 Abs. 1 GG gebietet den besonderen Schutz von Ehe und Familie. Die Ehe ist grundsätzlich eine auf Lebenszeit geschlossene Gemeinschaft; sie ist aber nur „grundsätzlich”, nicht absolut unauflöslich. Das Schutzgebot der Verfassung gewährleistet die Institution der Ehe nicht abstrakt, sondern in der Ausgestaltung, wie sie den herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht. Demgemäß liegt der Verfassung zwar das Bild der „verweltlichten” bürgerlich-rechtlichen Ehe zugrunde, zu dem es auch gehört, dass die Ehegatten unter den vom Gesetz normierten Voraussetzungen geschieden werden können und damit ihre Eheschließungsfreiheit wiedererlangen können (BVerfGE 31, 58 ≪82 f.≫). Der Gesetzgeber ist aber auch gehalten, das Scheidungsrecht so zu regeln, dass die Scheidung von Ehen vermieden wird, die nicht gescheitert sind (BVerfGE 53, 224 ≪248≫). Aus Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich zudem als Folge einer auf Lebenszeit angelegten Ehe und zum Schutz des nicht scheidungsbereiten Partners die Pflicht, auch bei gescheiterten Ehen eine Scheidung zur Unzeit zu verhindern und dem nicht scheidungsbereiten Ehegatten eine Umstellung auf die veränderte Lage zu erleichtern (BVerfGE 53, 224 ≪250 f.≫). Ein darüber hinausgehendes Recht auf Scheidung gewährt Art. 6 Abs. 1 GG hingegen nicht.
Dem trägt § 1568 BGB mit seiner verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Härteklausel Rechnung, auf den die Gerichte die Versagung der vom Beschwerdeführer begehrten Ehescheidung zu diesem Zeitpunkt gestützt haben. Eine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf Eheschließungsfreiheit aus Art. 6 Abs. 1 GG ist darin nicht erkennbar.
Soweit der Beschwerdeführer erneut einen Scheidungsantrag stellen sollte, wäre von den Instanzgerichten jedoch bei der Frage nach der Schutzbedürftigkeit dieser Ehe eine Abwägung zwischen den Rechten des Beschwerdeführers und den Rechten seiner Ehefrau vorzunehmen. Hierbei wäre insbesondere zu prüfen, ob die Ehefrau des Beschwerdeführers, die sich selbst von ihm 1995 getrennt hat, überhaupt noch eine eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Beschwerdeführer anstrebt oder ihr Festhalten an der Ehe allein in der Sorge um ihre insbesondere gesundheitliche Versorgung begründet ist. Des Weiteren wäre zu prüfen, ob es Möglichkeiten zur Milderung oder sogar Beseitigung der schweren Härte im Sinne des § 1568 BGB gibt. In diesem Rahmen wäre zu klären, ob die äußeren Strukturen, die die Ehefrau des Beschwerdeführers zum Ersatz der mangelnden inneren Strukturen benötigt, durch geeignete andere Maßnahmen als allein den Ausschluss der Scheidung gesichert werden könnten. Hierbei wäre insbesondere von Bedeutung, ob die ärztliche Versorgung auch nach einer Scheidung anderweitig gewährleistet werden könnte. Auch wäre zu prüfen, ob die Bestellung eines Betreuers der Ehefrau beim Erhalt ihrer äußeren Strukturen behilflich sein könnte.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Haas, Hohmann-Dennhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1267212 |
NJW 2001, 2874 |
FamRZ 2001, 986 |
FuR 2002, 177 |