Verfahrensgang
Tenor
Die Vorlage ist unzulässig.
Tatbestand
I.
Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob § 6 Satz 1 des Gesetzes über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz – DrittelbG) vom 18. Mai 2004 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit danach die gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG durch Tarifvertrag für im Flugbetrieb Beschäftigte errichteten Vertretungen nicht wahlvorschlagsberechtigt sind.
1. In Unternehmen mit in der Regel mehr als 500, aber nicht mehr als 2000 Arbeitnehmern regelt das Drittelbeteiligungsgesetz die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Das Recht, zur Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Wahlvorschläge einzureichen, ergibt sich aus § 6 DrittelbG. Er lautet:
„Die Wahl erfolgt auf Grund von Wahlvorschlägen der Betriebsräte und der Arbeitnehmer. Die Wahlvorschläge der Arbeitnehmer müssen von mindestens einem Zehntel der Wahlberechtigten oder von mindestens 100 Wahlberechtigten unterzeichnet sein.”
Angelegenheiten der Betriebsräte sind im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt. Dieses findet auf Landbetriebe in Luftfahrtunternehmen Anwendung, aber nicht auf deren im Flugbetrieb Beschäftigte (§ 117 Abs. 1 BetrVG). Allerdings kann durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden, die für diese Beschäftigten betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrnimmt (§ 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG).
2. Dem Ausgangsverfahren liegt die Anfechtung der Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat eines Luftfahrtunternehmens zugrunde. Für das Cockpit-Personal ist dort auf tarifvertraglicher Grundlage eine Personalvertretung gebildet worden, die in Vorbereitung der Aufsichtsratswahl einen Wahlvorschlag eingereicht hatte. Der Unternehmenswahlvorstand ließ diesen Wahlvorschlag unter Berufung auf § 6 DrittelbG nicht zur Wahl zu, weil die Personalvertretung kein Betriebsrat im Sinne des Gesetzes sei. Die Personalvertretung beantragt die Feststellung, dass sie berechtigt ist, bei Aufsichtsratswahlen gemäß § 6 Satz 1 DrittelbG Wahlvorschläge zu machen.
3. Das Landesarbeitsgericht hat das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 6 Satz 1 DrittelbG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei. Eine verfassungskonforme Auslegung von § 6 Satz 1 DrittelbG komme nicht in Betracht. Nach dem fachspezifischen Sprachgebrauch in der parallel erlassenen „Verordnung zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Drittelbeteiligungsgesetz – Wahlordnung zum Drittelbeteiligungsgesetz” (WODrittelbG) und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes erfasse die Norm nur Betriebsräte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Norm verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie die Chancengleichheit aller bei der Wahl antretenden Gruppen nicht wahre. § 6 Satz 1 DrittelbG versage 25 % der Gesamtbelegschaft, die die Personalvertretung Cockpit repräsentiere, und im Hinblick auf die Personalvertretung Kabine insgesamt der Hälfte der Belegschaft die Möglichkeit, Wahlvorschläge einzureichen, was auch nicht organisatorischer Effizienz diene.
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt.
1. Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt.
Um den Begründungsanforderungen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen, muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift abhängt. Dazu muss es den entscheidungserheblichen Sachverhalt aus sich heraus verständlich schildern und sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 88, 187 ≪194≫ m.w.N.), die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Auffassungen berücksichtigen und auf unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten der Vorschrift eingehen (vgl. BVerfGE 127, 335 ≪356≫ m.w.N.). Der Beschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nennen und die für die Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 86, 71 ≪77 f.≫). Das vorlegende Gericht muss auch die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung erörtern, wenn offensichtlich mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen, die zu unterschiedlich starken Eingriffen in grundrechtlich geschützte Positionen führen und den verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts nicht in gleicher Weise ausgesetzt sind (vgl. BVerfGE 85, 329 ≪333 f.≫; 124, 251 ≪262≫). Es muss insoweit vertretbar begründen, dass es eine verfassungskonforme Auslegung der zur Prüfung gestellten Norm nicht für möglich hält (BVerfGE 121, 108 ≪117≫ m.w.N.).
2. Diesen Anforderungen genügt die Vorlage nicht. Es kann dabei offen bleiben, ob die Darlegungen des Landesarbeitsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Norm hinreichend wären (a), denn es fehlt an einer hinreichenden Begründung, warum eine verfassungskonforme Auslegung der vorgelegten Norm zwingend ausgeschlossen sein soll, die grundrechtlich geschützte Positionen der Beteiligten weniger stark beeinträchtigt (b).
a) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Überzeugung des Landesarbeitsgerichts von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Regelung im Vorlagebeschluss hinreichend dargelegt worden ist. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit der Grundsatz der Wahlgleichheit aus dem Bereich von allgemeinpolitischen Wahlen auf Wahlen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich übertragen werden kann und muss, inwieweit der Gesetzgeber die Möglichkeit hat, auf das Gewicht bestimmter Gruppen Rücksicht zu nehmen, und inwieweit bei Aufsichtsratswahlen auch Praktikabilitätsgesichtspunkte zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfGE 111, 289 ≪300 f.≫), fehlt insoweit jedenfalls. Zudem fehlt eine Auseinandersetzung mit der in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutierten Frage, ob der Gesetzgeber das im Flugbetrieb beschäftigte Personal – jenseits etwaiger europarechtlicher Bedenken (vgl. Bayreuther, NZA 2010, 262; Kania, in: ErfK, 14. Aufl. 2014, § 117 BetrVG, Rn. 1; a.A. Thüsing, in: Richardi, BetrVG, 13. Aufl. 2012, § 117, Rn. 2; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Oktober 2009 – 6 TaBVGa 2284/09 –, juris, Rn. 26) – überhaupt vom Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausnehmen darf (bejahend BAG, Beschluss vom 5. November 1985 – 1 ABR 56/83 –, juris, Rn. 33 ff. = AP Nr. 4 zu § 117 BetrVG 1972, nicht in amtlicher Sammlung veröffentlicht; Kania, in: ErfK, 14. Aufl. 2014, § 117 BetrVG, Rn. 1; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, 13. Aufl. 2012, § 117, Rn. 2; a.A. Däubler, in: Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, 13. Aufl. 2012, § 117 Rn. 4 ff.; differenzierend Fitting, BetrVG, 26. Aufl. 2012, § 117, Rn. 5 ff., wonach ein Tarifvertrag zwingend die Vertretung zulassen müsse). Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage hätte jedenfalls nahe gelegen, denn sie ist eng mit dem hier entscheidungserheblichen Wahlvorschlagsrecht verbunden. Nach verbreiteter Auffassung ist es verfassungsrechtlich zulässig, das fliegende Personal, sofern keine besondere tarifvertragliche Regelung besteht, vollständig von der betrieblichen Mitbestimmung auszunehmen. Damit wären auch Wahlvorschläge durch ein Vertretungsorgan des fliegenden Personals ausgeschlossen. Die fehlende Möglichkeit einer bestehenden Personalvertretung, Vorschläge zur Wahl des Aufsichtsrats zu unterbreiten, schränkt die Mitbestimmungsrechte des fliegenden Personals demgegenüber weit weniger schwerwiegend ein. Daher bedürfte es der Erklärung, aus welchen Gründen eine umfassende Einschränkung der betrieblichen Mitbestimmungsrechte verfassungsrechtlich zulässig sein sollte, die hier entscheidungserhebliche punktuelle Einschränkung in Bezug auf das Wahlvorschlagsrecht dagegen nicht.
b) Auch wenn den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts verfassungsrechtliche Bedenken zu entnehmen sein sollten, hat es jedenfalls nicht hinreichend überzeugend dargelegt, warum eine verfassungskonforme Auslegung der streitentscheidenden Norm aus seiner Sicht nicht in Betracht kommt. Der fachspezifische Sprachgebrauch in § 2 Abs. 4 WODrittelbG, der zwischen Betriebsrat und Personalvertretung differenziert, zwingt nicht ohne weiteres dazu, auch § 6 Satz 1 DrittelbG derart eng zu verstehen. Es handelt sich um unterschiedliche Normgeber und Rechtsquellen unterschiedlicher Ebenen, denn das Drittelbeteiligungsgesetz ist ein förmliches Parlamentsgesetz, wohingegen die Verordnung zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Drittelbeteiligungsgesetz durch die Bundesregierung erlassen wurde. Zudem normiert die Durchführungsverordnung durchaus ein wenngleich eingeschränktes Mitwirkungsrecht einer Personalvertretung bei der Durchführung von Aufsichtsratswahlen, was dafür sprechen könnte, dies auch beim Vorschlagsrecht anzuerkennen. Darüber hinaus gibt es weitere Regelungen, die eine verfassungskonforme Auslegung der Begrifflichkeit des § 6 Abs. 1 DrittelbG zumindest als möglich erscheinen lassen. So findet nach dem hier anwendbaren § 1 Abs. 3 Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 vom 25. Juli 2007 das Betriebsverfassungsgesetz grundsätzlich auch für das Cockpit-Personal und dessen Personalvertretung Anwendung. Jedenfalls nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien ist also die Stellung der Personalvertretung derjenigen des Betriebsrats angenähert. Auch hat das Bundesarbeitsgericht in anderem Zusammenhang die Personalvertretung für das fliegende Personal unter den Begriff des Betriebsrats subsumiert (BAG, Teilurteil vom 26. April 2007 – 8 AZR 695/05 –, juris, Rn. 50 = ZIP 2007, 2136 ff., nicht in amtlicher Sammlung veröffentlicht). Die dort tragenden Überlegungen zur Effizienz des Insolvenzverfahrens liegen auch hier nahe, denn Wahlvorschläge lassen sich, wie das vorlegende Gericht selbst ausführt, durchaus effizient auch über die Personalvertretungen organisieren.
Für die Möglichkeit verfassungskonformer Auslegung der streitentscheidenden Norm spricht zudem, dass diese in der Fachliteratur angesprochen und unterschiedlich gesehen, jedenfalls aber entgegen der Darstellung im Vorlagebeschluss auch befürwortet wird (dagegen Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Aufl. 2013, § 6 DrittelbG Rn. 4; dafür im Ergebnis Wißmann, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2009, § 285 Rn. 17).
Einer weiten Auslegung der Norm steht ihre historische Deutung nicht entgegen. Nach den Darlegungen des vorlegenden Gerichts bleibt offen, ob der Gesetzgeber die Vertretungen für das fliegende Personal bewusst vom Vorschlagsrecht nach § 6 Satz 1 DrittelbG ausgenommen hat. Jedenfalls deckt die gesetzgeberische Vorstellung, das Wahlvorschlagsrecht der Betriebsräte solle als organisatorisch einfaches Verfahren erhalten bleiben, wie das Gericht überzeugend darlegt, durchaus auch ein Vorschlagsrecht der Personalvertretungen nach § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Auch die in der vorgelegten Norm erfolgte Nennung der Arbeitnehmer neben den Betriebsräten ließe sich als Hinweis auf die Möglichkeit einer weiten, Betriebsräte und vergleichbare Vertretungen berücksichtigenden Auslegung verstehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Masing, Baer
Fundstellen
Haufe-Index 6746795 |
NZA 2014, 981 |