Verfahrensgang

BSG (Urteil vom 23.09.1999; Aktenzeichen B 12 KR 16/98 R)

SG Lüneburg (Urteil vom 15.06.1998; Aktenzeichen S 9 KR 35/98)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen den im Jahre 1997 von den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen erhobenen zusätzlichen Beitrag in Höhe von 20 DM (so genanntes Krankenhausnotopfer).

1. Grundlage des Beitrags ist Art. 17 § 2 des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-Neuordnungsgesetz – 2. GKV-NOG) vom 23. Juni 1997 (BGBl I S. 1520). Die Vorschrift, die am 1. Juli 1997 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 19 Abs. 6 2. GKV-NOG), lautete:

In den Jahren 1997, 1998 und 1999 haben die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen einen zusätzlichen Beitrag in Höhe von jährlich 20 Deutsche Mark selbst zu tragen. Dies gilt nicht, wenn das Mitglied nach § 61 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch von Zuzahlungen befreit ist. Die Zahlungspflicht entfällt für Mitglieder, die ihren Wohnsitz in einem Land haben, in dem nach § 17 Abs. 4 b Satz 4 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes die Pflegesatzfähigkeit von Instandhaltungskosten entfallen ist. Das Nähere regelt die Satzung.

Sie wurde durch Art. 3 des Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV Solidaritätsstärkungsgesetz – GKV-SolG) vom 19. Dezember 1998 (BGBl I S. 3853; vgl. auch BTDrucks 14/24, S. 15, 21) mit Wirkung zum 1. Januar 1998 dahingehend geändert, dass der Beitrag nur für das Jahr 1997 von den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen erhoben werden konnte.

2. Die Beschwerdeführer wurden von ihren Krankenkassen jeweils zur Entrichtung des Beitrags für das Jahr 1997 herangezogen. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Bundessozialgericht führte in den angegriffenen Urteilen aus, Art. 17 § 2 des 2. GKV-NOG sei eine nach Art. 74 Nr. 12 GG kompetenzgerecht erlassene Regelung. Bei dem Krankenhausnotopfer handele es sich weder um eine Sonderabgabe noch um eine Steuer, sondern um einen Sozialversicherungsbeitrag. Die Vorschrift verletze nicht Art. 3 Abs. 1 GG, insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Beitrag von den privat Krankenversicherten nicht erhoben werde. Wegen der geringfügigen Belastung der Versicherten, die zwischen 0,25 % und 1 % des Jahresbeitrags liege, seien an den rechtfertigenden Grund geringe Anforderungen zu stellen. Diesen Anforderungen genüge das Gesetz.

3. Mit den Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gruppe der gesetzlich Krankenversicherten werde gleichheitswidrig gegenüber der Gruppe der privat Krankenversicherten benachteiligt. Auch liege eine Ungleichbehandlung der beitragspflichtigen Gruppe gegenüber der Gruppe der nach Art. 17 § 2 Satz 3 2. GKV-NOG in Verbindung mit § 17 Abs. 4 b Satz 4 KHG nicht beitragspflichtigen Landeskinder vor. Schließlich sei ein Verstoß gegen die durch Art. 3 Abs. 1 GG verbürgte „Steuergleichheit” gegeben, denn das Notopfer sei eine Steuer, die nur ein Teil der Steuerpflichtigen zu entrichten habe.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerden nach § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).

1. Die Verfassungsbeschwerden haben keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (vgl. § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Für nicht mehr anzuwendendes Recht besteht in der Regel kein über den Einzelfall hinausgreifendes Interesse an der Klärung der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 91, 186 ≪200≫). Dies gilt grundsätzlich unabhängig von der Zahl der Personen, die von der Regelung während der Dauer ihrer Geltung erfasst wurden. Vorliegend wirkt Art. 17 § 2 2. GKV-NOG zwar nach Art. 3 GKV-SolG als Rechtsgrundlage für die Erhebung des Krankenhausnotopfers im Jahre 1997 fort. Ein Bedürfnis für die Klärung der durch die Vorschrift aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht besteht gleichwohl nicht. Ihr Anwendungsbereich ist zeitlich eng begrenzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 – 2 BvR 1167/96). Ob die Möglichkeit der Wiederholung einer Vorschrift ein Bedürfnis nach Klärung ihrer Verfassungsmäßigkeit begründet, kann offen bleiben. Denn eine Wiederholungsgefahr ist hier weder dargelegt noch ersichtlich.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerden ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten der Beschwerdeführer angezeigt (vgl. § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG würde hier keinen besonders gewichtigen Grundrechtsverstoß bewirken, da die von dem mittelbar angegriffenen Gesetz ausgehende einmalige Belastung in Höhe von 20 DM im Jahre 1997 nicht besonders schwer wiegt (vgl. BVerfGE 91, 186 ≪200≫). Eine generelle Vernachlässigung oder krasse Verkennung von Grundrechten durch die angegriffenen Entscheidungen ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Beschwerdeführer haben auch nicht geltend gemacht, sie seien durch die finanzielle Belastung in existentieller Weise betroffen. Die angegriffene Regelung vermeidet im Übrigen eine Überforderung im Einzelfall, indem sie für Härtefälle einen Befreiungstatbestand vorsieht (vgl. Art. 17 § 2 Satz 2 2. GKV-NOG).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Steiner, Hoffmann-Riem

 

Fundstellen

Haufe-Index 1251232

AuA 2001, 229

b&b 2001, 340

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge