Entscheidungsstichwort (Thema)
Andienungspflicht für Sonderabfälle
Beteiligte
Rechtsanwälte Dr. Helmut Köhler und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Andienungspflicht für Sonderabfälle nach Rheinland-Pfälzischem Landesrecht.
1. Rechtsgrundlage für die Andienungspflicht ist seit 1. Juni 1998 § 8 Abs. 4 Satz 1 des Landesabfallwirtschafts- und Altlastengesetzes vom 2. April 1998 (GVBl S. 97). Die Vorschrift lautet: „Sonderabfälle, die in Rheinland-Pfalz angefallen sind oder in einer in Rheinland-Pfalz gelegenen Anlage entsorgt werden sollen, sind der Zentralen Stelle für Sonderabfälle anzudienen”. Auf Grund der dem § 9 Abs. 1 dieses Gesetzes gleich lautenden Ermächtigungsgrundlage in § 8b Abs. 1 des Landesabfallwirtschafts- und Altlastengesetzes vom 30. April 1991 (GVBl S. 251) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Landesabfallwirtschafts- und Altlastengesetzes vom 14. Juli 1993 (GVBl S. 396) ist die Sonderabfall-Management-Gesellschaft Rheinland-Pfalz mbH in der Landesverordnung über die Andienung von Sonderabfällen vom 2. Dezember 1993 (GVBl S. 617) zur Zentralen Stelle bestimmt worden.
2. Die Beschwerdeführerin ist ein mittelständischer Entsorgungsbetrieb, dessen Geschäftsbetrieb sich räumlich auf die Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz beschränkt. Sie sammelt Altöle, Äthylenglykol, Glykoläther, Kaltreiniger sowie feste fett- und ölverschmutzte Betriebsmittel ein und befördert diese. Gegen Zuweisungsbescheide der Zentralen Stelle hat die Beschwerdeführerin den Rechtsweg beschritten, weil die genannten Stoffe nicht andienungspflichtig seien. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die Klage abgewiesen (NuR 1999, S. 463). Die Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen (NVwZ 2000, S. 1175).
3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die angefochtenen Entscheidungen beruhten auf den Normen über die Andienungspflicht, die mit Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 24, Art. 80 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 4 GG nicht in Einklang stünden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Die mit ihr aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪192 ff.≫; 98, 83 ≪103≫; Beschluss des Zweiten Senats vom 29. März 2000 – 2 BvL 3/96 – NVwZ 2000, S. 1160).
2. Zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin ist die Annahme nicht angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Der Landesgesetzgeber hatte die in Anspruch genommene Gesetzgebungskompetenz sowohl für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Beseitigung (§ 13 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG) als auch für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Verwertung. Die von einer Literaturmeinung (in Anschluss an Ossenbühl DVBl 1996, S. 19 ≪23≫) zu § 13 Abs. 4 Satz 4 KrW-/AbfG vertretene These von der „Selbstblockade” des Gesetzgebers überzeugt, wie das Oberverwaltungsgericht unter Hinweis auf die sachliche Dimension der Sperrwirkung zutreffend ausgeführt hat, nicht. Der Vorbehalt in § 13 Abs. 4 Satz 4 KrW-/AbfG bringt hinreichend zum Ausdruck, dass der Bundesgesetzgeber insoweit keine Sperrwirkung auslösen wollte. Dass er von diesem Willen nicht über die ganze Dauer des Gesetzgebungsverfahrens getragen war, sondern ihn erst zum Abschluss des Kompromisses wegen gefasst hat, ändert nichts an dessen Maßgeblichkeit. Der Rheinland-Pfälzische Landesgesetzgeber durfte 1993 eine Andienungspflicht erlassen, weil das Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz – AbfG) vom 27. August 1986 (BGBl I S. 1410) im Bereich der Organisation der Sonderabfallentsorgung nicht als abschließende Regelung zu verstehen war (vgl. BVerwGE 109, 236 ≪240≫). Der Gesetzgebungsgeschichte ist zu entnehmen, dass es zu einer Einigung über die Organisation der Sonderabfallentsorgung nicht kam, obwohl dieser Punkt für dringend regelungsbedürftig erachtet wurde. Damit kann § 3 Abs. 3 und 4 AbfG keine abschließende Regelung der Selbstverantwortung des Sonderabfallbesitzers entnommen werden, zumal § 3 Abs. 3 AbfG nicht den Interessen der gewerblichen Abfallerzeuger und -besitzer zu dienen bestimmt war, sondern eine Überlastung der entsorgungspflichtigen Körperschaften vermeiden sollte. Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungsfreiheit des Entsorgungspflichtigen ausdrücklich unter den Vorbehalt landesrechtlicher Benutzungs-, Andienungs- oder Überlassungspflichten gestellt (vgl. BVerfGE 98, 83 ≪103≫). Der Rheinland-Pfälzische Landesgesetzgeber hat mit den Bestimmungen zur Andienungspflicht auch nicht den für die Landesgesetzgebung offenen Bereich verlassen. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Beschränkungen ihrer wirtschaftlichen Betätigung beruhen damit auf gesetzlicher Grundlage.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Sommer, Broß, Osterloh
Fundstellen
Haufe-Index 565399 |
NVwZ 2001, 551 |
www.judicialis.de 2000 |