Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Berücksichtigung so genannter Überentgelte im Rahmen der Berechnung von Renten aus Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach § 256 a SGB VI.
I.
Nach § 256 a Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl I S. 754) werden für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 8. Mai 1945 Entgeltpunkte ermittelt, indem der mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigte Verdienst (Beitragsbemessungsgrundlage) durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. § 256 a Abs. 3 Satz 1 SGB VI bestimmt hierzu, dass als Verdienst auch die nachgewiesenen beitragspflichtigen Arbeitsverdienste und Einkünfte vor dem 1. Juli 1990 zählen, für die wegen der im Beitrittsgebiet jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenzen oder wegen in einem Sonderversorgungssystem erworbener Anwartschaften Pflichtbeiträge oder Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung nicht gezahlt werden konnten. Für Versicherte, die berechtigt waren, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten, gilt dies für Beträge oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung nur, wenn die zulässigen Höchstbeiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind (§ 256 a Abs. 3 Satz 2 SGB VI).
Entscheidungsgründe
II.
1. Der 1932 geborene Beschwerdeführer war in der Deutschen Demokratischen Republik von 1957 bis 1985 als selbständiger Friseurmeister tätig. Bis zum 31 März 1966 zahlte er nach der 10. Durchführungsbestimmung (10. DB) zum Gesetz zur Förderung des Handwerks vom 30. Juni 1958 (GBl I S. 565) pauschale Sozialversicherungsbeiträge, die sich nach seiner Berufsgruppe, seiner Ortsklasse und der Lohnsumme seines Betriebes richteten. Von April 1966 an entrichtete er Sozialversicherungsbeiträge in alleiniger Abhängigkeit von seinem Gewinn, wie dies die 11. Durchführungsbestimmung zum Gesetz zur Förderung des Handwerks vom 26. März 1966 vorsah (GBl II S. 229). Unbeschadet dieser unterschiedlichen Art der Beitragsberechnung war der jährliche Höchstbeitrag zur Sozialversicherung durchgängig auf 1.440 Mark begrenzt; er entsprach der allgemeinen monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Deutschen Demokratischen Republik von 600 Mark. Höchstbeiträge in der Sozialversicherung des Beschwerdeführers (jährlich 1.440 Mark bzw. monatlich 120 Mark) sind unter anderem für die Jahre 1960 und 1962 bis 1966 nachgewiesen. Von der Möglichkeit einer „Höherversicherung” seines Einkommens durch den Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR), die dem Beschwerdeführer ab dem 1. März 1971 offen stand (Verordnung über die Verbesserung der freiwilligen Zusatzrentenversicherung und der Leistungen der Sozialversicherung bei Arbeitsunfähigkeit vom 10. Februar 1971 – FZRVO 1971 –, GBl II Nr. 17, S. 121), machte er erst 1985 Gebrauch.
2. Auf seinen Antrag erhielt der Beschwerdeführer ab dem 1. Januar 1995 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von monatlich 1.618,82 DM. Sein auf die Berücksichtigung höherer Entgelte für die Zeit von 1957 bis 1966 gerichteter Widerspruch blieb ohne Erfolg. Das Sozialgericht Berlin verurteilte die beklagte Landesversicherungsanstalt, bei der Berechnung der Rente für das Jahr 1965 höhere Entgelte zu berücksichtigen, und wies die Klage im Übrigen ab. Im Berufungsverfahren berechnete die Beklagte die Altersrente des Beschwerdeführers nach Maßgabe des Urteils des Sozialgerichts neu. Daraufhin erweiterte der Beschwerdeführer den Gegenstand seiner Klage und begehrte, die vom 1. März 1971 bis 1985 erzielten Überentgelte zu berücksichtigen, obwohl sein Beitritt zur FZR erst 1985 erfolgte. Ferner verlangte der Beschwerdeführer, ihm aufgrund dieses Beitritts eine Zusatzrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewähren.
Das Landessozialgericht Berlin verurteilte die Beklagte, zusätzlich für das Jahr 1960 und für die Zeit von 1962 bis März 1966 weitere Überentgelte zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer habe in diesen Zeiträumen jeweils genau den Höchstbeitrag zur Sozialversicherung entrichtet. Dies mache es wahrscheinlich, dass sein tatsächliches Einkommen über dem aus dem Höchstbeitrag errechenbaren Einkommen gelegen habe. Im Übrigen wies das Landessozialgericht die Berufung des Beschwerdeführers und die Anschlussberufung der Beklagten zurück. Ein Anspruch auf höhere Rente ohne Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze Ost beziehungsweise unter Berücksichtigung einer höheren Beitragsbemessungsgrenze für die Zeit ab dem 1. März 1971 bestehe nicht, da diese Obergrenze für die Anrechnung des erzielten Einkommens nicht zu beanstanden sei. Ebenso wenig bestehe aufgrund der ab 1985 gezahlten FZR-Beiträge ein Anspruch auf höhere Rente oder eine Zusatzrente. Denn diese Beiträge würden bei der Rentenberechnung nach dem SGB VI berücksichtigt. Für eine zusätzliche Rentenleistung aufgrund der FZR-Beiträge fehle es an einer Rechtsgrundlage. Die Gewährung einer solchen Zusatzleistung sei auch nicht verfassungsrechtlich geboten (mit Hinweis auf BSG, SGb 1997, S. 518 f.).
3. Das Bundessozialgericht hob das Urteil des Landessozialgericht insoweit auf, als die Beklagte darin zur Berücksichtigung so genannter Überentgelte verurteilt und ihre Anschlussberufung zurückgewiesen worden war. Insoweit wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Dem Urteil des Landessozialgerichts sei nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, ob den rechtlichen Vorgaben bei der Glaubhaftmachung der Überentgelte Rechnung getragen worden sei. Insbesondere bleibe auch unklar, ob das Landessozialgericht alle Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall ausgeschöpft habe. Im Übrigen wurde die Revision des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Die Regelung des § 256 a Abs. 3 Satz 1 SGB VI und die so genannte Systementscheidung seien mit dem Grundgesetz vereinbar.
4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1, Art. 2, Art. 3, Art. 12, Art. 14, Art. 19, Art. 20 und Art. 72 GG durch die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen und Verwaltungsentscheidungen geltend.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer mit ihr die Berücksichtigung höherer Entgelte für die Zeit von 1957 bis 1966 anstrebt. Insoweit ist nach der teilweisen Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts und der Zurückverweisung der Rechtsweg im Sinne von § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht erschöpft. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage mit seinem Begehren Erfolg hat.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, wirft sie grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen im Sinne des § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG nicht auf. Der Umfang des Schutzes, den Art. 14 GG und Art. 3 Abs. 1 GG im Rahmen der Überleitung in der Deutschen Demokratischen Republik erworbener Rentenansprüche und Rentenanwartschaften gewähren, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 100, 1; 100, 59; 100, 104; 100, 138).
3. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Sie hat keine Aussicht auf Erfolg. Die mittelbar angegriffene Regelung des § 256 a Abs. 3 Satz 1 SGB VI ist verfassungsgemäß.
a) Der Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erstreckt sich auch auf die in der Deutschen Demokratischen Republik erworbenen und nach Maßgabe des Einigungsvertrages als Rechtspositionen der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannten Ansprüche und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. August 2002 – 1 BvR 586/98). Allerdings gilt auch für diese Ansprüche und Anwartschaften, dass die Entscheidung des Gesetzgebers für die Gewährung nur einer Rente und für die Beschränkung der versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen durch die Beitragsbemessungsgrenze West verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG, a.a.O.). Auch die vorliegend angegriffene mittelbare Weitergeltung der Beitragsbemessungsgrenze Ost nach § 256 a Abs. 3 Satz 1 SGB VI für die Versicherten, die von der Möglichkeit einer Höherversicherung durch ihren Beitritt zur FZR keinen Gebrauch gemacht haben, ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Es ist nicht erkennbar, inwiefern der Gesetzgeber die Rechtspositionen oder Rechtsanwartschaften solcher Versicherter in einer Art. 14 Abs. 1 GG berührenden Weise eingeschränkt hat.
aa) Die Vorschrift des § 256 a Abs. 3 Satz 1 SGB VI soll nach dem Willen des Gesetzgebers gewährleisten, dass Versicherten im Beitrittsgebiet keine Nachteile durch das in der Vergangenheit unzureichende Beitragsrecht in der Deutschen Demokratischen Republik erleiden (Polster, in: Kasseler Kommentar, § 256 a SGB VI Rn. 23 ≪Bearbeitungsstand: April 2000≫). Dies wäre der Fall, wenn die Ermittlung der Entgeltpunkte sich ausschließlich an den wegen der niedrigen Beitragsbemessungsgrenze der Sozialpflichtversicherung entsprechend niedrig versicherten Entgelten orientiert hätte. Deshalb sollen grundsätzlich die tatsächlich erzielten Entgelte maßgeblich sein, sofern die Versicherten im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten von der höchstmöglichen Versicherung Gebrauch gemacht haben (vgl. BTDrucks 12/405, S. 127). An diesem Konzept hat der Gesetzgeber auch nach der Neufassung des § 256 a SGB VI durch das Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz – Rü-ErgG) vom 30. Juni 1993 (BGBl I S. 1038) festgehalten (vgl. BTDrucks 12/4810, S. 24). Dieser Gedanke wird in der Vorschrift des § 256 a Abs. 3 Satz 2 SGB VI konsequent fortgeführt, wenn für die Berücksichtigung von Entgelten über der Beitragsbemessungsgrenze der FZR gefordert wird, dass Höchstbeiträge zu dieser gezahlt wurden.
bb) Demnach hat § 256 a Abs. 3 S. 1 und 2 SGB VI keine grundsätzlich andere Schutzrichtung als die FZRVO 1971. Auch er bietet einen Ausgleich für die niedrige Beitragsbemessungsgrenze in der Deutschen Demokratischen Republik. Er macht den Schutz durch die genannte Vorschrift davon abhängig, dass die Betroffenen von der Möglichkeit der Höherversicherung aufgrund der FZRVO 1971 Gebrauch gemacht haben (so auch Polster, a.a.O., Rn. 23 ff.). Der Beschwerdeführer hat die nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik bestehende Möglichkeit der Höherversicherung seines Arbeitseinkommens nicht genutzt. Daran kann der gesamtdeutsche Gesetzgeber anknüpfen, ohne Eigentumsrechte des Beschwerdeführers zu beeinträchtigen. Der Bezug zur persönlichen Arbeits- und Beitragsleistung und die grundsätzliche existenzsichernde Funktion der Renten sind gewahrt.
b) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Die Vorschrift gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er bei Regelungen, die Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 102, 41 ≪54≫; stRspr). Dabei war dem Gesetzgeber bei der Neuordnung sozialrechtlicher Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung ein besonders großer Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪94 f.≫). Die angegriffene Regelung hält sich innerhalb dieses Spielraums.
aa) Gegenüber Versicherten, die der FZR beigetreten sind, liegt eine sachlich begründete Differenzierung vor, denn diese haben in der Deutschen Demokratischen Republik eine höhere Beitragslast getragen. Ebenso wenig kann der Beschwerdeführer einen Gleichheitsverstoß mit dem Argument begründen, so genannte Westrentner mit vergleichbarem Beruf, aber einer anderen Altersversorgung seien im Verhältnis zu den Inhabern entsprechender Berufe in der Deutschen Demokratischen Republik begünstigt. Denn der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, den Beschwerdeführer rückwirkend und kostenfrei so zu stellen, als hätte er die Voraussetzungen erfüllt, von denen die Altersversorgung eines westdeutschen Berufskollegen abhängt (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪45≫).
bb) Soweit sich der Beschwerdeführer in der Deutschen Demokratischen Republik als selbständig tätiger Friseurmeister in einer besonderen Situation befand, kann daraus ein Gleichheitsverstoß ebenfalls nicht hergeleitet werden. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehalten, allen Einzelregelungen des Rentenversicherungsrechts der Deutschen Demokratischen Republik Rechnung zu tragen; vielmehr stand ihm angesichts der besonderen historischen Lage bei der Vereinheitlichung des Rentenrechts im Zuge der Wiedervereinigung ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪37≫).
4. Auf eine weitere Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG verzichtet.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hoffmann-Riem
Fundstellen