Zur Zulässigkeit einer unmittelbar gegen presserechtliche Vorschriften gerichteten Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerden werden verworfen.
A.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen Änderungen des Gegendarstellungsrechts im Saarländischen Pressegesetz.
Durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Saarländischen Pressegesetzes (SPresseG) und des Rundfunkgesetzes für das Saarland (Landesrundfunkgesetz) vom 11. Mai 1994 (ABl S. 834) wurde § 11 des Saarländischen Pressegesetzes vom 12. Mai 1965 (ABl S. 409; zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Juli 1992, ABl S. 838) geändert. § 11 SPresseG hat nun folgenden Wortlaut (die Novellierungen sind im Schriftbild kenntlich gemacht):
§ 11
Gegendarstellungsanspruch
(1) Der verantwortliche Redakteur und der Verleger eines periodischen Druckwerks sind verpflichtet, eine Gegendarstellung der Person oder Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist. Die Verpflichtung erstreckt sich auf alle Nebenausgaben des Druckwerks, in denen die Tatsachenbehauptung erschienen ist.
(2) Die Pflicht zum Abdruck einer Gegendarstellung besteht nicht, wenn die Gegendarstellung ihrem Umfang nach nicht angemessen ist oder bei Anzeigen, die ausschließlich dem geschäftlichen Verkehr dienen. Überschreitet die Gegendarstellung nicht den Umfang des beanstandeten Textes, so gilt sie als angemessen. Die Gegendarstellung muß sich auf tatsächliche Angaben beschränken (Streichung von: und darf keinen strafbaren Inhalt haben). Sie bedarf der Schriftform und muß von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter unterzeichnet sein. Der Betroffene oder sein Vertreter kann den Abdruck nur verlangen, wenn die Gegendarstellung dem verantwortlichen Redakteur oder dem Verleger unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung zugeht.
(3) Die Gegendarstellung muß in der nach Empfang der Einsendung nächstfolgenden, für den Druck nicht abgeschlossenen Nummer an gleichwertiger, der Seite der Erstmitteilung entsprechender Stelle, mit gleicher Schrift und gleicher Aufmachung (bisher: in dem gleichen Teil des Druckwerks und mit gleicher Schrift wie der beanstandete Text) ohne Einschaltungen und Weglassungen abgedruckt werden (Streichung von: ;sie darf nicht in der Form eines Leserbriefes erscheinen). Sie soll bei Verwendung grafischer oder fotografischer Mittel, die in einem Zusammenhang mit dem beanstandeten Text stehen, bei einem berechtigten Interesse der betroffenen Person oder Stelle mit gleichwertigen grafischen oder fotografischen Bestandteilen erfolgen. Der Abdruck ist kostenfrei. Zusätze zur Gegendarstellung sind nicht statthaft. Eine Erwiderung darf nicht auf derselben Seite erfolgen und muß sich, sofern sie in derselben Nummer des Druckwerkes oder am selben Tag erscheint, auf tatsächliche Angaben beschränken (bisher: Wer sich zu der Gegendarstellung in derselben Nummer äußert, muß sich auf tatsächliche Angaben beschränken.). Das Gegendarstellungsverlangen kann abgelehnt werden, wenn die Gegendarstellung ihrem Inhalt nach offensichtlich unrichtig ist, einen strafbaren Inhalt hat oder wenn sie in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch verletzt, daß sie Personen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe diskriminierend angreift. Der Anspruch entfällt, wenn der verantwortliche Redakteur oder der Verleger eine eigene Richtigstellung verbreitet.
(4) Für die Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Auf Antrag des Betroffenen kann das Gericht anordnen, daß der verantwortliche Redakteur und der Verleger in der Form des Absatzes 3 eine Gegendarstellung veröffentlichen. Auf dieses Verfahren sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung entsprechend anzuwenden. Eine Gefährdung des Anspruchs braucht nicht glaubhaft gemacht zu werden. Ein Hauptverfahren findet nicht statt. Der Betroffene darf das Abdruckverlangen in dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ohne die Beschränkungen des Absatzes 2 Satz 4 und 5 ändern.
§ 22 SPresseG lautet unverändert:
§ 22
Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1. und 2. …,
3. gegen die Verpflichtung aus § 11 Abs. 3 Satz 3 verstößt,
4. …
(2) bis (4) …
Schwerpunkte der Änderung des Gegendarstellungsrechts sind somit:
– die Plazierung der Gegendarstellung an gleichwertiger, der Seite der Erstmitteilung entsprechender Stelle mit gleicher Aufmachung (§ 11 Abs. 3 Satz 1 SPresseG),
– das Gebot der gleichen optischen Ausgestaltung bei Verwendung grafischer oder fotografischer Mittel im Falle eines berechtigten Interesses der betroffenen Person (§ 11 Abs. 3 Satz 2 SPresseG),
– das Verbot unmittelbar nachfolgender redaktioneller Anmerkungen (§ 11 Abs. 3 Satz 4 und 5 SPresseG),
– die Möglichkeit der Änderung der Gegendarstellung im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung (§ 11 Abs. 4 Satz 6 SPresseG).
In der Begründung zum Regierungsentwurf des Änderungsgesetzes ist unter anderem ausgeführt worden, das Ziel der Neuregelung sei es, das Gegendarstellungsrecht als Mittel des Einzelnen gegen Einwirkungen der Medien auf seine verfassungsrechtlich geschützte Individualsphäre zu effektivieren (LTDrucks 10/1764, S. 1).
Die Beschwerdeführerin zu 1) ist ein Zeitungsverlag im Saarland. Die Beschwerdeführer zu 2) sind verantwortliche Redakteurinnen und Redakteure der “Saarbrücker Zeitung”. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sie sich unmittelbar gegen die Ergänzungen des Saarländischen Pressegesetzes. Sie rügen die Verletzung ihres Grundrechts auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
Zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden führen sie im wesentlichen aus:
Die Gesetzesänderung betreffe sie selbst, gegenwärtig und unmittelbar. Aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit als Zeitungsverlegerin und als verantwortliche Redakteure seien sie Adressaten des Saarländischen Pressegesetzes. Seit dem Inkrafttreten der Änderungen seien sie gegenwärtig betroffen. Sie seien auch unmittelbar betroffen. § 11 SPresseG bedürfe zu seiner Umsetzung keines weiteren Vollzugsaktes.
Die Beschwerdeführerin zu 1) weist dazu – neben fiktiven Beispielen – auf einen Fall aus dem Sommer 1994 hin, in dem sie nach einem Bericht über eine von ihrem Ehemann mißhandelte Frau dessen Gegendarstellung ohne redaktionelle Anmerkung habe abdrucken müssen, daraufhin einen Tag später die Gegendarstellung in einem redaktionellen Beitrag behandelt habe, wogegen sich der Betroffene mit einer weiteren Gegendarstellung gewandt habe. Auf diese Weise seien die Leser der von ihr verlegten “Saarbrücker Zeitung” mit zwei falschen Gegendarstellungen konfrontiert worden, ohne daß die Redaktion deren Unrichtigkeit auf derselben Seite habe erwähnen können. Die Beschwerdeführer zu 2) tragen vor, § 11 SPresseG entfalte unabhängig von einem konkreten Gegendarstellungsbegehren unmittelbare Rechtswirkungen ihnen gegenüber, da sie ein gesetzliches Rechtsverhältnis neu gestalteten, das sie gegenüber jedermann verpflichte.
Die Betroffenheit bereits durch das Gesetz ergebe sich im übrigen daraus, daß § 11 Abs. 3 SPresseG durch den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 22 Abs. 1 Nr. 3 SPresseG bußgeldbewehrt sei. Zwar habe die Regelung aufgrund eines legislativen Versehens ihren ursprünglichen Bezug verloren, so daß derzeit kein Bußgeld verhängt werden könne. Es sei aber zu erwarten, daß der Landesgesetzgeber das Redaktionsversehen alsbald, nämlich nach einer Entscheidung über die anhängigen Verfassungsbeschwerden, korrigieren werde. Darauf müßten sie sich bereits jetzt einrichten und die Möglichkeit der Bußgeldandrohung bei ihren künftigen Dispositionen berücksichtigen.
Ferner führe das neue Gegendarstellungsrecht schon jetzt zu einer Veränderung der redaktionellen Arbeit, weil der Möglichkeit von Gegendarstellungen mit ihren negativen Auswirkungen auf das Image der Zeitung vorgebeugt werden müsse. Personenbezogene Tatsachenbehauptungen mit hohem Nachrichtenwert für die Öffentlichkeit könnten nicht mehr als Hauptschlagzeile oder in anderer exponierter Weise auf der Titelseite einer Zeitung veröffentlicht werden, ohne daß das Risiko einer “Enteignung” der Titelseite durch den Abdruck der Gegendarstellung eingegangen werde. Das gelte um so mehr, als nun auch grafische und fotografische Mittel in die Gegendarstellung einbezogen werden könnten. Die in § 11 Abs. 3 Satz 4 und 5 SPresseG getroffene Regelung, die den sogenannten Redaktionsschwanz verbiete, eine Erwiderung auf eine andere Seite oder eine andere Nummer der Zeitung verdränge und so die redaktionelle Anmerkung als berechtigtes Schutzmittel gegen die Veröffentlichung unwahrer Gegendarstellungen entwerte, lasse ebenfalls eine präventiv disziplinierende Tendenz erkennen.
Bereits die gesetzliche Statuierung eines derart weitgehenden Eingriffs in das redaktionelle Konzept, wie § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 SPresseG ihn erlaube, habe für den Gebrauch der Pressefreiheit eine einschüchternde und disziplinierende Wirkung. Die freie Entscheidung über Auswahl und Plazierung von Nachrichten sei durch die unnötige Überdehnung und grundrechtswidrige Verschärfung des Gegendarstellungsrechts unmittelbar eingeschränkt. Daher könne die Verfassungsbeschwerde auch unter Subsidiaritätsgesichtspunkten nicht für unzulässig gehalten werden. Es sei ihnen nicht zuzumuten, zunächst eine Verurteilung in einem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung abzuwarten.
Die Beschwerdeführer zu 2) tragen ergänzend vor, daß das geänderte Gegendarstellungsrecht nicht der vorherigen fachgerichtlichen Interpretation bedürfe. Der Wortlaut des geänderten Gesetzes sei klar und unmißverständlich. Bestehende Auslegungsspielräume der Rechtsprechung seien durch die Änderungen ausgeschlossen worden.
Daß ein Gegendarstellungsbegehren nach § 11 Abs. 4 Satz 6 SPresseG ohne weiteres im gerichtlichen Eilverfahren geändert werden könne, stehe nicht nur in Widerspruch zu den bundesgesetzlichen zivilprozessualen Regelungen über eine Klage- oder Antragsänderung, sondern verfehle darüber hinaus die Anforderungen, die sich unter dem Aspekt des Grundrechtsschutzes durch Verfahren ergäben. Der aus dem Gegendarstellungsanspruch Verpflichtete müsse ein Gegendarstellungsbegehren, das den gesetzlichen Voraussetzungen nicht entspreche, ablehnen können oder die Möglichkeit behalten, einem neuen rechtmäßigen Gegendarstellungsbegehren freiwillig zu entsprechen. Die Regelung des § 11 Abs. 4 Satz 6 SPresseG bewirke dagegen, daß er, obwohl die Ablehnung des ursprünglichen Gegendarstellungstextes rechtmäßig gewesen sei, aufgrund des abgeänderten Verfügungsantrages verurteilt werden könne und die Kostenlast trage.
Diese Verschlechterung der verfahrensrechtlichen Position trete unmittelbar kraft Gesetzes ein und gelte für alle künftigen gerichtlichen Gegendarstellungsverfahren. § 11 Abs. 4 Satz 6 SPresseG sei Bestandteil des Gesamtkonzepts des saarländischen Gesetzgebers. Er habe Anteil an der einschüchternden und disziplinierenden Wirkung, die den angegriffenen Bestimmungen für den Gebrauch der Pressefreiheit objektiv anhafte. Es sei ihnen nicht zuzumuten, in den auf Beschleunigung angelegten gerichtlichen Gegendarstellungsverfahren immer wieder die Verfassungswidrigkeit des § 11 Abs. 4 Satz 6 SPresseG zu rügen, sobald es zu einer Änderung des Gegendarstellungstextes im gerichtlichen Eilverfahren komme.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Subsidiarität sei auch deshalb geboten, weil die Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts analog § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vorlägen. Der Verfassungsbeschwerde komme allgemeine Bedeutung zu. Zum einen würden grundsätzliche verfassungsrechtliche Probleme des Gegendarstellungsrechts aufgeworfen. Zum anderen würde eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Klarheit über die Rechtslage für eine Vielzahl künftiger Fälle schaffen. Dabei sei auch die erklärte Vorreiterfunktion des saarländischen Gegendarstellungsrechts zu berücksichtigen, die eine Nachahmung der saarländischen Regelungen durch andere Landesgesetzgeber besorgen lasse.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben der Saarländische Landtag und die CDU-Fraktion, die Regierung des Saarlandes sowie der Deutsche Presserat, der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation, der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und der Deutsche Journalisten-Verband Stellung genommen.
1. Der Saarländische Landtag hält die Verfassungsbeschwerden für unzulässig. Die Beschwerdeführer seien zwar möglicherweise selbst, nicht aber gegenwärtig und unmittelbar von der Neuregelung betroffen. Es sei ihnen zuzumuten, den akuten Konflikt abzuwarten, der die angeblich verfassungswidrige Wirkung des Gesetzes für sie erst spürbar mache. Soweit die Verfassungsbeschwerden nicht schon aus den genannten Gründen unzulässig seien, scheiterten sie am Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Die angegriffenen Normen seien fachgerichtlicher Klärung zugänglich und bedürftig.
2. Die Regierung des Saarlandes hält die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden ebenfalls unter den Gesichtspunkten der Unmittelbarkeit und der Subsidiarität für zweifelhaft. Allerdings sei der Regierung des Saarlandes auch an einer raschen Klärung der verfassungsrechtlichen Vorwürfe gelegen, die die Beschwerdeführer gegen die novellierte Fassung des Saarländischen Pressegesetzes erhoben hätten.
3. Die übrigen Stellungnahmen gehen nur auf die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Vorschriften ein.
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig.
1. Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voraus, daß der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffene Rechtsnorm in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 1, 97 ≪101 ff.≫). Eine Selbstbetroffenheit liegt jedenfalls dann vor, wenn der Beschwerdeführer Adressat der angegriffenen Norm ist (vgl. BVerfGE 74, 297 ≪318≫). Gegenwärtig ist der Beschwerdeführer von einer Norm betroffen, wenn diese ihre Wirkung auf ihn aktuell und nicht nur virtuell entfaltet (vgl. BVerfGE 1, 97 ≪102≫). Von einer gegenwärtigen Betroffenheit geht das Bundesverfassungsgericht aber auch dann aus, wenn das Gesetz die Normadressaten mit Blick auf seine künftig eintretende Wirkung zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt (vgl. BVerfGE 43, 291 ≪387≫) oder wenn klar abzusehen ist, daß und wie der Beschwerdeführer in der Zukunft von der Regelung betroffen sein wird (vgl. BVerfGE 74, 297 ≪320≫). Eine unmittelbare Betroffenheit liegt vor, wenn die angegriffene Vorschrift, ohne eines weiteren Vollzugsaktes zu bedürfen, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verändert. Der Beschwerdeführer muß also geltend machen können, daß er gerade durch die Norm und nicht erst durch ihren Vollzug in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 1, 97 ≪102 f.≫). Eine unmittelbare Betroffenheit wird aber auch dann bejaht, wenn die Norm ihren Adressaten bereits vor konkreten Vollzugsakten zu später nicht mehr korrigierbaren Dispositionen veranlaßt (vgl. BVerfGE 43, 291 ≪386≫). Bei Rechtsbeziehungen, die nicht das Verhältnis des Einzelnen zum Staat, sondern die Beziehungen von Privatrechtssubjekten untereinander regeln und also nicht auf Vollzug im engeren Sinn angelegt sind, folgt die unmittelbare Betroffenheit aus einer sich im Verhältnis der Beteiligten unmittelbar auswirkenden Änderung der Rechtslage oder aus der Notwendigkeit von Dispositionen zur Einstellung auf die neue Rechtslage (vgl. BVerfGE 88, 384 ≪399 f.≫; 91, 294 ≪305≫).
2. Auch für Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze gilt aber der Grundsatz der Subsidiarität. Danach ist die Verfassungsbeschwerde eines von der angegriffenen Rechtsnorm selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffenen Grundrechtsträgers dann unzulässig, wenn er in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Gerichte erlangen kann (vgl. BVerfGE 68, 319 ≪325 f.≫; 74, 69 ≪74≫). Damit soll erreicht werden, daß das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen trifft (vgl. BVerfGE 79, 1 ≪20≫). Ein Verweis auf den Rechtsweg ist danach besonders dann geboten, wenn das angegriffene Gesetz den Gerichten Entscheidungsspielräume beläßt, die für die Frage seiner Verfassungsmäßigkeit Gewicht erlangen können (vgl. BVerfGE 71, 25 ≪34 f.≫). Der Grundsatz der Subsidiarität verlangt allerdings nicht, daß ein Betroffener vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm verstößt und dann im Straf- oder Bußgeldverfahren die Verfassungswidrigkeit der Norm geltend macht (vgl. BVerfGE 81, 70 ≪82 f.≫).
1. Die Beschwerdeführer sind durch § 11 Abs. 3 SPresseG selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Die Selbstbetroffenheit ergibt sich daraus, daß sie als Verleger und verantwortliche Redakteure Adressaten des Gesetzes sind. Sie sind auch gegenwärtig betroffen. Zwar treten die Rechtsfolgen des Gesetzes nicht ohne weiteres ein, sondern treffen die Beschwerdeführer erst dann, wenn ein Gegendarstellungsverlangen aus Anlaß einer bestimmten Meldung erhoben wird. Der Eintritt eines solchen Falles kann aber als sicher gelten. Überdies erschöpfen sich die Wirkungen der Norm nicht in der Regelung konkreter Streitfälle. Vielmehr handelt es sich um eine Vorschrift, die das Verhalten der im Pressewesen Tätigen schon im Vorfeld eines bestimmten Gegendarstellungsverlangens zu beeinflussen geeignet ist. Gerade angesichts der – verglichen mit anderen Landespressegesetzen einschneidenderen – Beschränkung der Pressefreiheit durch das novellierte Gegendarstellungsrecht können sie sich veranlaßt sehen, ihre Berichterstattung so einzurichten, daß Gegendarstellungsverlangen möglichst vermieden werden. Die Unmittelbarkeit der Betroffenheit in dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist angesichts der veränderten Rechtsstellung der Presse ebenfalls nicht zu verneinen.
Dagegen geht von § 11 Abs. 4 Satz 6 SPresseG, der den Antragsteller zur Änderung des Gegendarstellungstextes im Prozeß berechtigt, keine Wirkung aus, die zu einer gegenwärtigen und unmittelbaren Betroffenheit der Beschwerdeführer führt. Weder kann die Norm sich in einer § 11 Abs. 3 SPresseG vergleichbaren Weise nachteilig auf die redaktionelle Arbeit auswirken noch ist der Eintritt eines Anwendungsfalls annähernd so gewiß wie bei § 11 Abs. 3 SPresseG. Auch die von den Beschwerdeführern befürchtete Kostenfolge vermag keine gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit zu begründen.
2. Soweit die Beschwerdeführer von der angegriffenen Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sind, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden jedoch der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Sie können Abhilfe auf dem Rechtsweg erlangen. Kommen sie einem Gegendarstellungsverlangen nicht nach, so entscheiden über dessen Berechtigung auf Antrag des von der Mitteilung Betroffenen die Zivilgerichte. Diese haben die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage zu prüfen und gegebenenfalls die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Halten sie sie für vereinbar mit dem Grundgesetz, so müssen sie bei der Auslegung und Anwendung von § 11 Abs. 3 SPresseG das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beachten (vgl. Beschluß vom heutigen Tag in den Verfahren 1 BvR 1861/93 u.a.).
Die Norm läßt für eine Berücksichtigung dieses Grundrechts auch ausreichenden Spielraum. Sie ist nicht so zwingend abgefaßt, daß das Ergebnis ihrer Anwendung auf den konkreten Streitfall restlos vorherbestimmt wäre. Die Gerichte werden vielmehr zu klären haben, was die Pflicht, die Gegendarstellung an gleichwertiger, der Seite der Erstmitteilung entsprechender Stelle, mit gleicher Schrift und gleicher Aufmachung zu veröffentlichen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 SPresseG), bedeutet und wie bei ihrer Auslegung und Anwendung die Anforderungen der Pressefreiheit mit dem Persönlichkeitsschutz des von der Presseberichterstattung Betroffenen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden können.
Das gilt ebenfalls für die Verpflichtung, bei grafischer oder fotografischer Anreicherung der Meldung auch die Gegendarstellung mit gleichwertigen grafischen oder fotografischen Bestandteilen auszustatten (§ 11 Abs. 3 Satz 2 SPresseG). Bei dieser Verpflichtung handelt es sich nicht nur um eine Sollvorschrift, die der Berücksichtigung widerstreitender Interessen und den Umständen des konkreten Falles in besonderem Maß offensteht. Sie ist auch von einem berechtigten Interesse des Betroffenen abhängig, ohne daß in der Vorschrift näher bestimmt würde, wann ein solches Interesse anzunehmen ist. Ebenso lassen das Verbot von Zusätzen und die Beschränkung von Erwiderungen nach ihrem Sinn und Zweck noch Auslegungsspielräume.
Der Verweis auf die fachgerichtliche Klärung ist den Beschwerdeführern auch zumutbar. Die verhaltenssteuernde Wirkung, die von den novellierten Teilen des Pressegesetzes ausgeht, erscheint jedenfalls nicht derart gewichtig, daß sie eine Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigen würde. Daß die Beschwerdeführer Meldungen, die ihnen aus publizistischen Gründen mitteilenswert erscheinen, allein aus Furcht vor dem verschärften Gegendarstellungsrecht unterlassen, ist nicht anzunehmen. Daß sie die neue Rechtslage möglicherweise bei Aufmachung und Plazierung von Meldungen berücksichtigen, bei denen sie mit einem Gegendarstellungsverlangen rechnen, schränkt die Redaktionsarbeit jedenfalls nicht in einem solchen Maß ein, daß ein Verweis auf den Zivilrechtsweg unzumutbar wäre. Das Risiko einer zivilgerichtlichen Verurteilung haben die Beschwerdeführer zu tragen.
Ein Bußgeldrisiko, das ihnen nicht zuzumuten wäre, besteht nicht. Zwar enthält § 22 Abs. 1 Nr. 3 SPresseG eine Bußgeldandrohung bei Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 11 Abs. 3 Satz 3 SPresseG. Diese Bußgeldregelung läuft aber leer. § 11 Abs. 3 Satz 3 SPresseG besagt, daß der Abdruck der Gegendarstellung kostenfrei ist. Die Unstimmigkeit beruht auf einem gesetzgeberischen Versehen. Bei der Novellierung des Pressegesetzes ist § 22 Abs. 1 Nr. 3 SPresseG nicht angepaßt worden. Eine im Wege der Auslegung vorgenommene Anwendung dieser Bestimmung auf diejenige Vorschrift, die an die Stelle des bisherigen Absatzes 3 Satz 3 getreten ist, wäre wegen Art. 103 Abs. 2 GG verfassungswidrig und braucht deshalb nicht in die Zumutbarkeitserwägungen einbezogen zu werden.
Die Verfassungsbeschwerden bedürfen auch unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Bedeutung im Sinn von § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG keiner sofortigen Entscheidung. Zwar werfen die Verfassungsbeschwerden Fragen auf, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht beantwortet sind. Insbesondere hat das Glossierungsverbot noch keine verfassungsrechtliche Prüfung erfahren. Das allein verleiht den Verfassungsbeschwerden aber keine allgemeine Bedeutung. Das Glossierungsverbot hat bislang nicht in einer größeren Zahl von Fällen zu Streit oder Zweifeln bei der Anwendung der presserechtlichen Bestimmungen geführt. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Subsidiarität ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht geboten.