Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Ausschluss vermögensrechtlicher Ansprüche österreichischer Staatsangehöriger vom Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes.
I.
1. Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) schloss in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit mehreren westeuropäischen Staaten so genannte Globalentschädigungsabkommen. Mit dem Vertrag zur Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen vom 21. August 1987 (Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus ≪Hrsg.≫, VermG, Bd. 2, Anh II 6) verpflichtete sich die DDR gegenüber der Republik Österreich zur Zahlung einer Globalentschädigungssumme “zur Abgeltung von vermögensrechtlichen Ansprüchen, die der Republik Österreich, österreichischen Staatsbürgern oder österreichischen juristischen Personen dadurch erwachsen sind, dass ihr Vermögen durch Übernahme in staatliche Verwaltung oder durch sonstige staatliche Maßnahmen der Deutschen Demokratischen Republik in deren ausschließliche Verfügungsgewalt gelangt ist” (Art. 1). Nach Art. 7 des Vertrags sollten mit der – zwischenzeitlich erfolgten – Bezahlung des Betrags alle vom Vertrag erfassten vermögensrechtlichen Ansprüche endgültig erledigt sein.
2. a) Die Beschwerdeführer sind österreichische Staatsangehörige. Als Rechtsnachfolger ihrer 1974 verstorbenen Mutter waren sie Eigentümer eines Grundstücksanteils in Ostberlin, der 1964 in staatliche Verwaltung genommen worden war. Im Rahmen der Verhandlungen zwischen der DDR und der Republik Österreich über den Abschluss eines Globalentschädigungsabkommens reichte die österreichische Seite zugunsten der Beschwerdeführer eine Anmeldung ein. Diese hatte zur Folge, dass der Grundstücksanteil bei der Festlegung der Globalentschädigungssumme berücksichtigt wurde.
b) Im August 1995 stellte die Oberfinanzdirektion fest, dass die Bundesrepublik Deutschland (Entschädigungsfonds) gemäß § 1b Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsgesetz – VZOG, BGBl 1994 I S. 709) in Verbindung mit § 1 Abs. 8 lit. b des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG, BGBl 1997 I S. 1974) Eigentümerin des Grundstückanteils sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage der Beschwerdeführer wies das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil vom 13. August 2004 ab.
c) Das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde mit dem angegriffenen Beschluss vom 27. Juni 2005 zurück. Die Beschwerdeführer seien im Rahmen der Anfechtung der Vermögenszuordnung auf den Einwand beschränkt, dass der Grundstücksanteil nicht Gegenstand einer zwischenstaatlichen Vereinbarung im Sinne von § 1 Abs. 8 lit. b VermG geworden sei. Es komme daher nicht darauf an, ob Österreich mit dem Abschluss des Globalentschädigungsabkommens auf Ansprüche seiner Staatsangehörigen verzichtet habe. Art. 14 GG sei nicht verletzt, weil der vollständige Entzug sämtlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte vor Inkrafttreten des Grundgesetzes für das Gebiet der DDR die Rechtsstellung der Beschwerdeführer faktisch ausgehöhlt habe, sodass nicht vom Fortbestand eines materiellen Eigentumsrechts ausgegangen werden könne. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor, da der – von den Beschwerdeführern nicht bestrittene – Einbezug des Grundstücksanteils in das Globalentschädigungsabkommen einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Personen, deren Vermögen durch Maßnahmen der DDR geschädigt worden seien, darstelle.
II.
Mit ihrer fristgemäß eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 14 und Art. 3 Abs. 1 GG.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzten sie in ihrer Eigentumsfreiheit, weil ihnen das Eigentum an dem Grundstücksanteil nicht mit dem Inkrafttreten des Vertrags zur Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen, sondern erst mit der Zuordnung an die Bundesrepublik Deutschland im August 1995 entzogen worden sei. § 1b Abs. 1 Satz 1 VZOG genüge jedoch nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die gemäß Art. 14 Abs. 3 GG an eine zulässige Enteignung zu stellen seien. Die Auslegung der deutschen Gerichte, der zufolge Österreich mit dem Abschluss des Vertrags wirksam auf Individualansprüche seiner Staatsangehörigen verzichtet habe, habe die Verfassungswidrigkeit des Vertrags nach österreichischem Recht zur Folge. Da dies nicht mit völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätzen vereinbar sei, könne mit dem Vertrag lediglich ein Interventionsverzicht Österreichs, künftig keine Ansprüche mehr zu erheben oder zu unterstützen, geregelt worden sein. Dies habe auch der Österreichische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25. Juni 1992 festgestellt.
Die angegriffenen Entscheidungen verstießen auch gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beschwerdeführer würden infolge der Auslegung von § 1b Abs. 1 Satz 1 VZOG in Verbindung mit § 1 Abs. 8 lit. b VermG im Sinne eines Ausschlusstatbestands zu Lasten österreichischer Staatsangehöriger gegenüber deutschen und anderen ausländischen Antragstellern benachteiligt. Diese Ungleichbehandlung könne sachlich nicht gerechtfertigt werden, weil sie auf einer fehlerhaften Auslegung des Globalentschädigungsabkommens beruhe.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, § 93a Abs. 2 BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihrer Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 GG. Mit ihren Rügen machen sie nicht die Verfassungswidrigkeit von § 1b Abs. 1 Satz 1 VZOG und § 1 Abs. 8 lit. b VermG geltend. Sie wenden sich vielmehr gegen die in den angegriffenen Entscheidungen zum Ausdruck kommende Annahme, dass es sich bei dem Grundstücksanteil um einen Vermögenswert handele, der Gegenstand einer zwischenstaatlichen Vereinbarung im Sinne von § 1 Abs. 8 lit. b VermG sei. Damit richtet sich ihr Vorbringen gegen die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts, die das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nur daraufhin überprüft, ob sie willkürlich sind oder auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen oder mit anderen verfassungsrechtlichen Vorschriften unvereinbar sind.
Dieser Prüfungsmaßstab gilt auch für den Vertrag zur Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. November 2006 – 2 BvR 194/05 –, JURIS). Für eine Überprüfung des Vertrags am Maßstab der Eigentumsfreiheit bleibt kein Raum, weil Art. 14 GG in dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag mit seinem Inkrafttreten Rechtswirkungen entfaltete, für die staatlichen Organe der DDR nicht maßgeblich war (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪122 f.≫; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 2003 – 2 BvR 1867/00 –, VIZ 2003, S. 280 f.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Dezember 1997 – 1 BvR 2339/95 u.a. –, VIZ 1998, S. 139 ≪140≫).
2. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als allgemeines Willkürverbot. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass die in der Rechtsprechung der Fachgerichte vertretene Auffassung zur Wirkung der Globalentschädigungsabkommen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. BVerfGK 3, 367 ≪372≫; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14 Februar 2003 – 2 BvR 1867/00 –, VIZ 2003, S. 280; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Dezember 1997 – 1 BvR 2339/95 u.a. –, VIZ 1998, S. 139 ≪140≫). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung Melchior gegen Deutschland vom 2. Februar 2006 (Beschwerde Nr. 66783/01, EuGRZ 2006, S. 249 ≪252≫) auf eine Beschwerde gegen den Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Oktober 2000 (– 2 BvR 36/00 –, VIZ 2001, S. 33 f.) im Hinblick auf das zwischen der DDR und Dänemark geschlossene Globalentschädigungsabkommen festgestellt, dass die vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Auslegung des Abkommens durch die Fachgerichte, die im Wesentlichen derjenigen des vorliegenden Verfahrens entsprach, nicht willkürlich war. Die Auffassung, nach der die betreffenden Staaten mit dem Abschluss der Globalentschädigungsabkommen mit Wirkung für ihre Staatsangehörigen auf mögliche Rückforderungsansprüche verzichtet haben, findet in dem völkerrechtlichen Institut des diplomatischen Schutzes einen normativen Anknüpfungspunkt. Sie beruht daher nicht auf sachfremden Erwägungen (vgl. Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Oktober 2000 – 2 BvR 36/00 –, VIZ 2001, S. 33 f.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. November 2006 – 2 BvR 194/05 –, JURIS).
Es begegnet vor diesem Hintergrund auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Fachgerichte hier davon ausgegangen sind, der Grundstücksanteil sei wirksam in ein zwischenstaatliches Entschädigungsabkommen im Sinne von § 1 Abs. 8 lit. b VermG einbezogen worden. Selbst die Literaturansicht, die mit dem Österreichischen Verfassungsgerichtshof meint, das Globalentschädigungsabkommen habe nicht zum Verlust individueller Rechtspositionen geführt (vgl. Entscheidung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 25. Juni 1992 – B 214/92-11; G 21/92-11 –, VIZ 1993, S. 360 ≪361≫), erkennt an, dass das Abkommen zu den von § 1 Abs. 8 lit. b VermG erfassten Vereinbarungen gehört (vgl. Säcker/Hummert, in: Säcker ≪Hrsg.≫, Vermögensrecht, 1995, § 1 VermG Rn. 304, 307).
3. Die angegriffenen Entscheidungen sind schließlich mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Da die fachgerichtliche Auslegung des Globalentschädigungsabkommens keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, ist in dem Einbezug des Grundstücksanteils in den Geltungsbereich des Abkommens ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung der Beschwerdeführer zu sehen (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. November 2006 – 2 BvR 194/05 –, JURIS).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 1676487 |
WM 2007, 472 |