Entscheidungsstichwort (Thema)
Verurteilung wegen Nötigung nach Versperren einer Straße
Beteiligte
Rechtsanwälte Jürgen Arnold und Koll. |
Verfahrensgang
LG Amberg (Zwischenurteil vom 26.05.1997; Aktenzeichen 1 Qs 53/97) |
AG Amberg (Zwischenurteil vom 11.02.1997; Aktenzeichen 113 Cs 7 Js 1504/88) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens, in dem die Beschwerdeführerin, die bei einer Protestaktion gegen den geplanten Bau einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage zusammen mit anderen Demonstranten Tapeziertische quer über die Zufahrtsstraße zur Baustelle aufgebaut hatte, wegen Nötigung gemäß § 240 StGB verurteilt worden war.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist und daher die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen aus §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG. Die Beschwerdeführerin setzt sich nicht mit den tragenden Erwägungen der angegriffenen Entscheidungen zum Umfang der Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Januar 1995 (BVerfGE 92, 1 ff.) und zum Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne des § 79 Abs. 1 BVerfGG auseinander. Die Wiederaufnahmegerichte haben ausgeführt, dass die Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Annahme von Gewalt im Sinne des § 240 StGB verbiete, wenn das Verhalten des Betroffenen lediglich in körperlicher Anwesenheit bestehe und die Zwangswirkung auf den Genötigten nur psychischer Natur sei, dass ein solcher Fall aber bei der Beschwerdeführerin, die zusammen mit anderen Demonstranten durch die Tapeziertische ein physisches Hindernis errichtet habe, nicht vorliege. Darauf geht die Beschwerdeführerin nicht ein; weder stellt sie den von den Wiederaufnahmegerichten angenommenen Umfang der Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung in Frage, noch legt sie dar, dass in ihrem Fall die Bindungswirkung zum Tragen komme. Ausführungen hierzu waren nicht etwa deshalb entbehrlich, weil es auf der Hand gelegen hätte, dass das erkennende Urteil gegen die Beschwerdeführerin auf der vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärten Auslegung des § 240 StGB beruhte. Die Bindungswirkung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 31 BVerfGG umfasst die Entscheidungsformel und die sie tragenden Gründe (vgl. BVerfGE 20, 56 ≪87≫; 40, 88 ≪93 f.≫). Im Beschluss vom 10. Januar 1995 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Annahme, bereits die körperliche Anwesenheit an einer Stelle, die ein anderer einnehmen oder passieren wolle, genüge zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Gewalt, falls der andere durch die Anwesenheit des Täters psychisch gehemmt werde, seinen Willen durchzusetzen, entgrenze das Tatbestandsmerkmal der Gewalt in einer Weise, dass es die ihm vom Gesetzgeber zugedachte Funktion, unter den notwendigen, unvermeidlichen oder alltäglichen Zwangseinwirkungen auf die Willensfreiheit Dritter die strafwürdigen zu bestimmen, weitgehend verliere (BVerfGE 92, 1 ≪17≫). Dieser Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde, bei dem Teilnehmer an einer Blockade-Aktion wegen Nötigung verurteilt worden waren, die sich insgesamt zu fünf Personen auf die Fahrbahn gesetzt hatten.
Weitere Hilfsmittel, wie im Fall der Beschwerdeführerin die Tapeziertische, waren nicht eingesetzt worden.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Hassemer, Di Fabio
Fundstellen