Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht der Bundesrepublik Deutschland für während der Besetzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg von Angehörigen der deutschen Streitkräfte verübte “Vergeltungsmaßnahmen”.
I.
1. Die Beschwerdeführer sind griechische Staatsangehörige. Ihre Eltern wurden am 10. Juni 1944 im Zuge einer an den Einwohnern der griechischen Ortschaft Distomo verübten “Vergeltungsaktion” von Angehörigen einer in die deutschen Besatzungstruppen eingegliederten SS-Einheit erschossen, nachdem es zuvor zu einer bewaffneten Auseinandersetzung mit Partisanen gekommen war. Insgesamt töteten die Soldaten zwischen 200 und 300 der – an den Partisanenkämpfen unbeteiligten – ca. 1.800 Dorfbewohner. Unter den Opfern befanden sich vor allem alte Menschen, Frauen, Kinder und Säuglinge. Das Dorf wurde niedergebrannt. Die damals minderjährigen Beschwerdeführer überlebten nur aufgrund des glücklichen Umstandes, dass ihnen ein deutscher Soldat bedeutet hatte, sich zu verstecken. Sie erlitten infolge des Verlustes ihrer Eltern – von materiellen Schäden aus übergegangenem Recht abgesehen – psychische Schäden sowie Nachteile im Rahmen ihrer späteren beruflichen Ausbildung und im Fortkommen.
2. Im September 1995 erhoben die Beschwerdeführer Klage vor dem Landgericht. Sie beantragten festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sei, den materiellen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch den Einsatz der SS-Einheit am 10. Juni 1944 in Distomo entstanden sei. Das Landgericht wies ebenso wie das im Berufungswege angerufene Oberlandesgericht die Klage ab. Auch die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beschwerdeführer vor dem Bundesgerichtshof blieb ohne Erfolg. Demgegenüber hatte in einem in Griechenland geführten Parallelverfahren, an dem u.a. die Beschwerdeführer beteiligt waren, das zuständige Landgericht Levadeia im Oktober 1997 entschieden, dass die wegen desselben Sachverhalts geltend gemachten Schadensersatzansprüche begründet seien.
II.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 sowie Art. 103 Abs. 1 GG.
1. Da die geltend gemachten Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche begründet seien und insofern vermögenswerte subjektive Rechte verkörperten, liege in ihrer Nichtbeachtung durch die deutschen Gerichte eine Verletzung der Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG. Die im Rahmen der “Sühnemaßnahme” begangenen Taten verstießen gegen Art. 23 lit. b, Art. 23 lit. g, Art. 46 und Art. 50 der dem Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907 (IV. Haager Abkommen, RGBl 1910, S. 107) als Anlage beigefügten Haager Landkriegsordnung. Deutschland sei nach Art. 3 des IV. Haager Abkommens bei Verstößen gegen das in der Haager Landkriegsordnung kodifizierte humanitäre Völkerrecht zum Schadensersatz verpflichtet. Entgegen der von den deutschen Gerichten vertretenen Rechtsauffassung ergebe sich aus der Vorschrift dabei ein von den Beschwerdeführern unmittelbar einklagbarer Individualanspruch.
Ein Ersatzanspruch der Beschwerdeführer sei ferner gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 131 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) bzw. Art. 34 GG begründet. Das Bundesverfassungsgericht habe die Parallelität von individuellen Ansprüchen der Verletzten einerseits und zwischenstaatlichen Ansprüchen auf völkerrechtlicher Ebene andererseits ausdrücklich anerkannt. Indem die Gerichte einen bestimmten Lebenssachverhalt vom Schutzzweck des § 839 BGB in Verbindung mit Art. 131 WRV beziehungsweise Art. 34 GG ausgenommen hätten, sei nicht nur die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts missachtet, sondern zugleich die Grenze richterlicher Kompetenz überschritten worden. Dies gelte vor allem mit Blick auf die Argumentation des Bundesgerichtshofs, nach welcher der Krieg einen Ausschlussgrund für die Amtshaftung darstelle. Auch der in § 7 des Gesetzes über die Haftung des Reichs für seine Beamten (Reichsbeamtenhaftungsgesetz ≪RBHG≫) normierte Haftungsausschluss sei nicht anwendbar, weil die Norm Fälle völkerrechtswidrigen Unrechts nicht erfasse.
Überdies verfügten die Beschwerdeführer über einen Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs, der in Idealkonkurrenz zum Amtshaftungsanspruch stehe, sowie über einen Aufopferungsanspruch.
2. Die Beschwerdeführer würden ferner in ihrem Recht auf Zugang zu den Gerichten gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt, indem die erkennenden Gerichte fälschlicher Weise davon ausgegangen seien, dass aus Art. 3 des IV. Haager Abkommens keine Schadensersatzansprüche Einzelner folgten. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
3. Für die Gerichte habe die Pflicht bestanden, die Frage, ob das Völkerrecht Individuen, die während des Krieges oder einer militärischen Besetzung Schäden erlitten hätten, einen einklagbaren Anspruch auf Schadensersatz gegen den ausländischen Staat gewähre, gemäß Art. 100 Abs. 2 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Das Unterlassen der Vorlage verletze die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
4. Dass ihnen trotz schwerster völkerrechtswidriger Verbrechen Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche verweigert worden seien, verstoße überdies gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG.
5. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten die Beschwerdeführer schließlich in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Zum einen verkörpere das in § 7 RBHG a.F. geregelte Gegenseitigkeitserfordernis eine willkürliche Ungleichbehandlung der Beschwerdeführer gegenüber deutschen Staatsangehörigen sowie den Angehörigen dritter Staaten, bezüglich derer die Gegenseitigkeit verbürgt gewesen sei. Zum anderen stelle die Nichtgewährung von Schadensersatz und Entschädigung eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Beschwerdeführer gegenüber anderen Opfern nationalsozialistischer Herrschaft, die unter den Voraussetzungen spezialgesetzlicher Regelungen entschädigt würden, dar.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen sind im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Die – fristgemäß eingelegte – Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig.
a) Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG rügen, genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den sich aus §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG ergebenden Begründungsanforderungen. Die Beschwerdeführer tragen nicht hinreichend substantiiert vor, durch die Ablehnung eines Schadensersatzanspruchs aus Art. 3 des IV. Haager Abkommens in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden zu sein. Wie die Beschwerdeführer selbst einräumen, haben sich die Fachgerichte eingehend mit der Frage befasst, ob sich im Falle der Verletzung von Normen der Haager Landkriegsordnung ein Individualanspruch unmittelbar aus Art. 3 des IV. Haager Abkommens ergibt. Damit rügen die Beschwerdeführer, dass die Gerichte ihrer abweichenden Rechtsansicht nicht gefolgt seien, was vom Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG jedoch nicht erfasst ist (vgl. BVerfGE 64, 1 ≪12≫; 87, 1 ≪33≫).
Gleiches gilt hinsichtlich der gerügten Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Diese Vorschrift schützt nicht davor, dass das als verletzt gerügte Recht vom Gericht möglicherweise unzutreffend ausgelegt und dadurch im Ergebnis – etwa durch unberechtigte Verneinung der geltend gemachten Rechtsposition – der Rechtsschutz verkürzt wird (vgl. BVerfGE 97, 298 ≪315 f.≫).
b) Die von den Beschwerdeführern gerügte Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit ist gleichfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Es erscheint nach dem Vortrag der Beschwerdeführer nicht möglich, dass sie durch die Nichtgewährung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen in den gerügten Rechten verletzt wurden. Weder dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht noch dem Recht auf körperliche Unversehrtheit kann ein Anspruch auf Erlass gerichtlicher Entscheidungen entnommen werden, die der Rechtsauffassung der Beschwerdeführer entsprechen. Die Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 49, 304 ff.) führt zu keinem anderen Ergebnis, weil nach dem Vortrag der Beschwerdeführer nicht ersichtlich ist, dass die Fachgerichte im vorliegenden Fall eine den Boden der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen verlassende Rechtsfortbildung betrieben hätten.
2. Die Verfassungsbeschwerde hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer nicht in Grundrechten.
a) Die Ablehnung einer Bindung an das Urteil des griechischen Landgerichts Livadeia vom 30. Oktober 1997 durch den Bundesgerichtshof begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach geltendem Völkerrecht kann ein Staat Befreiung von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates beanspruchen, wenn und soweit es um die Beurteilung seines hoheitlichen Verhaltens – so genannter acta iure imperii – geht (vgl. BVerfGE 16, 27 ≪36 ff.≫; dazu auch EGMR, Nr. 35763/97, Urteil vom 21. November 2001, EuGRZ 2002, S. 403 Ziff. 66 – Al-Adsani). Da die am Geschehen in Distomo beteiligte SS-Einheit den Streitkräften des Deutschen Reiches eingegliedert war, sind die Übergriffe, unabhängig von der Frage ihrer Völkerrechtswidrigkeit, als Hoheitsakte einzuordnen. Der Bundesgerichtshof hat eine Bindung an das Urteil des griechischen Landgerichts daher zu Recht abgelehnt.
b) Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG rügen, würden gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Ersatz- und Entschädigungsansprüche – ihr Bestehen vorausgesetzt – zwar vom Schutzbereich der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfGE 42, 263 ≪293≫; 112, 93 ≪107≫). Die Beschwerdeführer haben jedoch weder völkerrechtliche noch amtshaftungs- oder aufopferungsrechtliche Ersatz- und Entschädigungsansprüche.
aa) Art. 3 des IV. Haager Abkommens begründet keinen unmittelbaren individuellen Entschädigungsanspruch bei Verstößen gegen das Kriegsvölkerrecht (vgl. BVerfGE 112, 1 ≪32≫; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juni 2004 – 2 BvR 1379/01 –, NJW 2004, S. 3257 ≪3258≫). Zwar zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass sie dem Schutz des Einzelnen bestimmt und damit mittelbar menschenrechtsschützender Natur ist (vgl. BVerfGE 112, 1 ≪33≫; Kalshoven, State Responsibility for Warlike Acts of the Armed Forces, ICLQ 40 ≪1991≫, S. 827 ≪837≫). Daraus folgt indes nicht, dass die Vorschrift als Grundlage eines unmittelbaren, originär völkerrechtlichen Ersatzanspruchs des betroffenen Individuums gegen den Staat in Betracht käme.
Hiergegen spricht zum einen bereits der Wortlaut, wonach eine Kriegspartei im Falle eines Verstoßes gegen die Haager Landkriegsordnung “gegebenen Falles” zum Schadensersatz verpflichtet ist. Da Art. 3 des IV. Haager Abkommens angesichts des einschränkenden Zusatzes insofern nicht vollzugsfähig (“self executing”) ist, scheitert ein Verständnis der Norm als Anspruchsgrundlage für Individualansprüche bereits an ihrer fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit. Zum anderen wurde der Einzelne nach traditioneller Völkerrechtskonzeption nicht als Rechtssubjekt qualifiziert (vgl. Mosler, Die Erweiterung des Kreises der Völkerrechtssubjekte, ZaöRV 22 ≪1962≫, S. 1 ≪23, 29 ff.≫). Ungeachtet von Entwicklungen auf der Ebene des Menschenrechtsschutzes, die zur Anerkennung einer partiellen Völkerrechtssubjektivität des Individuums sowie zur Etablierung vertraglicher Individualbeschwerdeverfahren geführt haben, stehen sekundärrechtliche Schadensersatzansprüche wegen völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates gegenüber fremden Staatsangehörigen grundsätzlich nach wie vor nur dem Heimatstaat zu.
Im vorliegenden Fall haben eventuelle Rechtsentwicklungen oder veränderte Rechtsanschauungen auf verfassungs- und völkerrechtlicher Ebene für die Beurteilung von Geschehnissen des Jahres 1944 ohnehin außer Betracht zu bleiben. Die abweichende Rechtsauffassung der Beschwerdeführer beruht auf einem unzutreffenden Verständnis von Art. 135a Abs. 1 Nr. 1 GG. Nach dieser Vorschrift ist zwar die Entscheidung über das Ob der Gewährung staatlicher Leistungen für Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches vom Bundesgesetzgeber zu treffen. Daraus folgt jedoch nicht, dass die gleichsam vorgelagerte Frage nach dem Bestehen einer Verbindlichkeit des Reiches nach der Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Geltendmachung zu beurteilen wäre. Diesbezüglich ist grundsätzlich auf die Rechtsvorschriften abzustellen, die im Zeitpunkt der haftungsbegründenden Tatsachen in Kraft waren.
bb) Die Beschwerdeführer verfügen auch nicht über einen Anspruch gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 131 WVR. Eine Haftung der Bundesrepublik Deutschland scheitert im Ergebnis an der fehlenden Verbürgung der Gegenseitigkeit gemäß § 7 RBHG a.F.
Der Bundesgerichtshof hat mit Bezug auf den haftungsbegründenden Tatbestand im Wesentlichen darauf abgestellt, dass ein Anspruch gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 131 WVR vom spezifisch völkerrechtlichen Haftungsregime zwischen den Staaten, das im Zeitpunkt des Geschehens gegolten habe, überlagert worden sei. Es kann dahinstehen, ob eine solche Überlagerung der Notwendigkeit gerecht wird, die Einhaltung der Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts auch in nationalen Rechtsordnungen durch parallele Sanktionsmöglichkeiten zu sichern (vgl. OLG Köln, Urteil vom 28. Juli 2005 – 7 U 8/04 –, NJW 2005, S. 2860 ≪2862 f.≫; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juni 2004 – 2 BvR 1379/01 –, NJW 2004, S. 3257 ≪3258≫). Denn im Ergebnis gelangt im vorliegenden Fall – wie der Bundesgerichtshof zu Recht festgestellt hat – der Haftungsausschluss in § 7 RBHG a.F. zur Anwendung (vgl. Kämmerer, Kriegsrepressalie oder Kriegsverbrechen? Zur rechtlichen Beurteilung der Massenexekutionen von Zivilisten durch die deutsche Besatzungsmacht im Zweiten Weltkrieg, ArchVR 37 ≪1999≫, S. 283 ≪311≫; Randelzhofer/Dörr, Entschädigung für Zwangsarbeit?, 1994, S. 43 ff.). Nach dieser Vorschrift, die sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit den allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG vereinbar war (vgl. BVerfGE 30, 409 ≪413≫; Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Oktober 1982 – 2 BvR 459/82 –, EuGRZ 1982, S. 508 ff.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1991 – 2 BvR 595/87 –, NVwZ 1991, S. 661 f.), stand nach ihrer bis zum 30. Juni 1992 anzuwendenden Fassung Angehörigen eines ausländischen Staates ein Amtshaftungsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland nur dann zu, wenn durch Gesetzgebung des ausländischen Staates oder durch Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt war. Eine solche Verbürgung seitens Griechenlands gegenüber Deutschland erfolgte erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (vgl. Bekanntmachung vom 31. Mai 1957, BGBl 1957 I S. 607).
Der Anwendung von § 7 RBHG a.F. steht Art. 25 GG nicht entgegen. Es besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die allgemein die Gleichbehandlung von Ausländern und Inländern gebietet. Zwar wird es regelmäßig gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen des humanitären Völkerrechts zuwiderlaufen, wenn dem rechtswidrig geschädigten Einzelnen jeder Ersatz versagt wird (vgl. Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Oktober 1982 – 2 BvR 459/82 –, EuGRZ 1982, S. 508 ff.). Diese Voraussetzung ist vorliegend indes nicht gegeben, weil § 7 RBHG a.F. nicht die Amtshaftung generell, sondern nur die Haftungsüberleitung auf den Staat gemäß Art. 34 GG beziehungsweise Art. 131 WVR ausschloss (vgl. Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 4. Aufl. 2004, § 839 Rn. 344; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 100).
Ein Rückgriff auf § 7 RBHG a.F. ist auch deshalb nicht ausgeschlossen, weil die Vorschrift auf einen Sachverhalt angewendet wird, in dem es um die von einer SS-Einheit verübten Kriegsverbrechen geht. Die Vorschrift sollte das Deutsche Reich nicht vor Ansprüchen schützen, die aus spezifisch nationalsozialistischem Unrecht folgten (vgl. BVerfGE 54, 53 ≪68≫). Ob ein anderer Maßstab in Sachverhalten zu gelten hat, denen willkürlich rassenideologische Überlegungen zugrunde liegen, bedarf hier keiner Entscheidung. Das Geschehen in Distomo ist als formell dem Kriegsvölkerrecht unterliegender Sachverhalt zu qualifizieren, dem kein spezifisch nationalsozialistisches Unrecht eigen und der deshalb nicht dem getrennt geregelten Bereich der Wiedergutmachung von NS-Unrecht zuzuordnen ist. Vergeltungsmaßnahmen gegen die am Kampfgeschehen unbeteiligte Zivilbevölkerung waren zwar häufig nach Art und Ausmaß auch nach damals geltendem Rechtsverständnis völkerrechtswidrig, galten aber während des Zweiten Weltkrieges dem Grunde nach auch bei den Alliierten als erlaubt (Oeter, in: Fleck ≪Hrsg.≫, Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, Nr. 479). Der unerlaubte Exzess von Vergeltungsmaßnahmen kann deshalb nicht ohne weiteres als spezifisch nationalsozialistisches Unrecht qualifiziert werden, es sei denn, dass bestimmte rassenideologische Umstände ausschlaggebend waren. An solchen besonderen Umständen, die einen hinreichend engen Zusammenhang zwischen den von den Beschwerdeführern erlittenen Völkerrechtsverstößen und der NS-Ideologie belegen, fehlt es jedoch vorliegend.
Mangels Betroffenheit des Anwendungsbereichs des EG-Vertrags verstößt die Bezugnahme auf den Haftungsausschluss des § 7 RBHG a.F. auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG).
cc) Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet schließlich die Ablehnung von Entschädigungsansprüchen aus enteignungsgleichem Eingriff und Aufopferung. Die Entstehungsgeschichte beider Institute zeigt, dass der in den §§ 74, 75 der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten (EinlALR) zum Ausdruck kommende Aufopferungsgedanke für Sachverhalte des alltäglichen Verwaltungshandelns entwickelt wurde. Die Anspruchsgrundlage kann nach der maßgeblichen deutschen Rechtsordnung auf Kriegsschäden nicht angewendet werden (vgl. Janssen, Der Anspruch auf Entschädigung bei Aufopferung und Enteignung, 1961, S. 88 ff.; Randelzhofer/Dörr, a.a.O., S. 48; Ossenbühl, a.a.O., S. 126 f.). Die sich aus der kriegerischen Besetzung eines anderen Staates ergebenden Schäden sind nicht Ausdruck “echter” verwaltungsrechtlicher Tätigkeit, sondern die Folge eines nach dem Völkerrecht zu beurteilenden Zustandes. Art. 14 GG verlangt demgegenüber nicht, dass für jede denkbare Form staatlichen Handelns, aus dem sich ein Unrecht ergeben kann, Entschädigungsansprüche bereitgestellt werden.
c) Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Insbesondere verletzen sie den allgemeinen Gleichheitssatz nicht in seiner Bedeutung als Willkürverbot. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 4, 1 ≪7≫; 80, 48 ≪51≫). Im vorliegenden Fall haben sich die Gerichte detailliert mit den aufgeworfenen Rechtsfragen beschäftigt und Ansprüche der Beschwerdeführer im Ergebnis zutreffend verneint. Anhaltspunkte für die Verletzung des Willkürmaßstabes sind nicht erkennbar.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Gesetzgeber im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht verwehrt ist, zwischen einem allgemeinen, wenn auch harten und mit Verstößen gegen das Völkerrecht einhergehenden Kriegsschicksal einerseits und Opfern von in besonderer Weise ideologisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen des nationalsozialistischen Unrechtsregimes andererseits zu unterscheiden (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juni 2004 – 2 BvR 1379/01 –, NJW 2004, S. 3257 ≪3258≫). Es widerspricht daher nicht dem Gleichheitsgrundsatz, wenn Verfolgte im Sinne von § 1 Abs. 1 des Bundesentschädigungsgesetzes ebenso wie leistungsberechtigte Zwangsarbeiter nach § 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung “Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” entschädigungsberechtigt sind, während die Beschwerdeführer vom Kreis der Berechtigten nicht erfasst werden. Des Weiteren hat sich die Bundesrepublik Deutschland durch Reparationsleistungen im allgemeinen und Entschädigungszahlungen auf der Grundlage bilateraler Abkommen im Besonderen ihrer völkerrechtlichen Verantwortung gestellt. Bei aller prinzipiellen Unzulänglichkeit der Wiedergutmachung menschlichen Leids durch finanzielle Mittel ist dadurch – und mittels der internationalen und europäischen Zusammenarbeit – versucht worden, einen Zustand näher am Völkerrecht herzustellen (vgl. BVerfGE 112, 1 ≪24 ff.≫). Dieser Zusammenhang kommt auch durch den Abschluss des Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland (Zwei-plus-Vier-Vertrag) zum Ausdruck, den Deutschland in dem Verständnis einer endgültigen Erledigung der Reparationsfrage abgeschlossen hat (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage, BTDrucks 15/414, S. 16).
d) Soweit der Bundesgerichtshof es abgelehnt hat, die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit aus Art. 3 des IV. Haager Abkommens ein unmittelbar anwendbarer Individualanspruch abzuleiten ist, gemäß Art. 100 Abs. 2 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, liegt darin kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Zwar erfasst die nach Art. 100 Abs. 2 GG bestehende Vorlagepflicht ihrem Wortlaut nach auch die Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts (vgl. BVerfGE 15, 25 ≪31 f.≫; 16, 27 ≪32 f.≫; 23, 288 ≪318≫; 64, 1 ≪13≫). Die Pflicht zur Vorlage gelangt aber erst dann zur Anwendung, wenn das Gericht bei Prüfung der Frage, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gilt, auf ernstzunehmende Zweifel in Rechtsprechung und Literatur stößt (vgl. BVerfGE 23, 288 ≪LS 2≫). Hierfür sind keine hinreichenden Anhaltspunkte erkennbar. Im Übrigen hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts bereits in einem völkerrechtlichen Normenverifikationsverfahren entschieden, dass in den Jahren 1943 bis 1945 auch für die Verletzung von Menschenrechten das Prinzip der ausschließlichen Staatenberechtigung galt. Der Einzelne konnte grundsätzlich weder die Feststellung des Unrechts noch eines Unrechtsausgleichs verlangen (BVerfGE 94, 315 ≪329≫).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen
NJW 2006, 2542 |
ZAP 2006, 314 |
DÖV 2006, 516 |
JuS 2006, 835 |
DVBl. 2006, 622 |