Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Gefahrenabwehrverordnung – Gefährliche Hunde – des Landes Rheinland-Pfalz.
I.
1. Im Rahmen der Bemühungen von Bund und Ländern, die Regelungen zur Bewältigung von Gefahren, die auf das Vorhandensein gefährlicher Hunde und den Umgang mit ihnen zurückgeführt werden, in den Jahren seit 2000 zu vervollkommnen (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 –, Umdruck S. 5 ff.), ist in Rheinland-Pfalz die genannte Gefahrenabwehrverordnung vom 30. Juni 2000 (GVBl S. 247; im Folgenden: GefAbwV) erlassen worden. Sie definiert in § 1 den Begriff der gefährlichen Hunde:
(1) Als gefährliche Hunde im Sinne dieser Verordnung gelten:
- Hunde, die sich als bissig erwiesen haben,
- Hunde, die durch ihr Verhalten gezeigt haben, dass sie Wild oder Vieh hetzen oder reißen,
- Hunde, die in aggressiver oder Gefahr drohender Weise Menschen angesprungen haben, und
- Hunde, die eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder andere in ihrer Wirkung vergleichbare Eigenschaft entwickelt haben.
(2) Hunde der Rassen Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier sowie Hunde, die von einer dieser Rassen abstammen, sind gefährliche Hunde im Sinne des Absatzes 1.
Daran anknüpfend sehen die §§ 2 ff. GefAbwV Beschränkungen für das Halten gefährlicher Hunde und den Umgang mit ihnen vor. So soll nach § 2 Abs. 2 GefAbwV die örtliche Ordnungsbehörde die Unfruchtbarmachung eines gefährlichen Hundes anordnen, wenn die Gefahr der Heranbildung gefährlicher Nachkommen besteht.
2. Die Beschwerdeführer sind Halter eines Hunderüden der Rasse American Pit Bull Terrier. Sie sind von der zuständigen Behörde aufgefordert worden, die Unfruchtbarmachung dieses Hundes nachzuweisen. Ihre nach erfolglosem Widerspruch erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen:
Der Hund der Beschwerdeführer falle unter § 1 Abs. 2 Gef-AbwV. Deren Einwände gegen die Gefährlichkeitsvermutung in dieser Vorschrift blieben ohne Erfolg. Wie der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz (NVwZ 2001, S. 1273) bindend festgestellt habe, verstoße die Regelung nicht gegen die landesverfassungsrechtlichen Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit, der Eigentumsgarantie, des Gleichheitssatzes und der Berufsfreiheit. Da diese Grundrechte inhaltlich den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG entsprächen, würden auch diese durch die Gefahrenabwehrverordnung nicht verletzt.
Die Anwendung des § 2 Abs. 2 GefAbwV sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Bei dem Hund der Beschwerdeführer bestehe die Gefahr der Heranbildung gefährlicher Nachkommen, weil er zeugungsfähig und die Möglichkeit der Deckung einer Hündin nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen sei. Das befriedete Besitztum der Beschwerdeführer, auf dem der Hund sich unangeleint aufhalten dürfe, sei nicht genügend dagegen gesichert, dass er unbeaufsichtigt entweiche.
Den Antrag der Beschwerdeführer, die Berufung gegen diese Entscheidung zuzulassen, hat das Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils seien nicht gegeben.
3. Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und der Verwaltungsbehörden. Sie rügen die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind vom Bundesverfassungsgericht in dem heutigen Urteil 1 BvR 1778/01 zu dem Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde und dem darin enthaltenen Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz (HundVerbrEinfG) vom 12. April 2001 (BGBl I S. 530) entschieden.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die ihnen zugrunde liegende Regelung des § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 GefAbwV ist mit den geltend gemachten Grundrechten vereinbar.
aa) Sie verletzt nicht Art. 14 Abs. 1 GG.
(1) Die Eigentumsgarantie gewährleistet das Recht, Sacheigentum zu besitzen und zu nutzen (vgl. BVerfGE 97, 350 ≪370≫; 101, 54 ≪75≫; 105, 17 ≪30≫). Dieses Recht wird durch die angegriffene Regelung insofern berührt, als den Eigentümern von Hunden, die unter § 1 Abs. 2 GefAbwV fallen, auferlegt werden kann, ihr Tier unfruchtbar zu machen oder machen zu lassen. Das verändert die Beschaffenheit des betroffenen Hundes und schränkt auch seine Nutzbarkeit ein. Dabei handelt es sich, weil Eigentum nicht entzogen wird, nicht um eine Enteignung, sondern um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪259≫; 102, 1 ≪15 f.≫). Die Zulässigkeit derartiger Regelungen setzt voraus, dass sie kompetenzgemäß erlassen worden sind (vgl. BVerfGE 34, 139 ≪146≫; 58, 137 ≪145≫) und materiell den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entsprechen (vgl. BVerfGE 91, 294 ≪308≫; 98, 17 ≪37≫; 100, 226 ≪240 f.≫).
Dieser Grundsatz belässt dem Normgeber bei der Festlegung der von ihm ins Auge gefassten Regelungsziele wie bei der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung dieser Ziele für geeignet und erforderlich halten darf, einen weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfGE 50, 290 ≪332 ff.≫; 88, 203 ≪262≫), der vom Bundesverfassungsgericht je nach der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann (vgl. BVerfGE 77, 170 ≪214 f.≫; 90, 145 ≪173≫). Allerdings kann es, wenn der Normgeber sich von den tatsächlichen Voraussetzungen oder den Auswirkungen einer Regelung im Zeitpunkt ihres Erlasses ein ausreichend zuverlässiges Bild noch nicht hat machen können, geboten sein, dass er die weitere Entwicklung beobachtet und die Norm überprüft und revidiert, falls sich erweist, dass die ihr zugrunde liegenden Annahmen nicht mehr zutreffen (vgl. BVerfGE 25, 1 ≪12 f.≫; 49, 89 ≪130≫; 95, 267 ≪314≫).
(2) Nach diesen Maßstäben ist § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 GefAbwV mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Die Beschwerdeführer haben gegen die Möglichkeit, die Unfruchtbarmachung von Hunden anzuordnen, die wie der ihre im Sinne des § 1 Abs. 2 GefAbwV gefährlich sind, nur materiellverfassungsrechtliche Einwände erhoben. Diese sind nicht begründet.
(a) Wie das Verwaltungsgericht im Anschluss an das genannte Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz (a.a.O., S. 1277) festgestellt hat, dient die Gefahrenabwehrverordnung – Gefährliche Hunde – und damit auch die angegriffene Regelung dem Zweck, den Schutz der Bevölkerung und den Schutz anderer Tiere vor gefährlichen Hunde zu verbessern. Regelungsziel ist also vor allem der Schutz von Leib und Leben von Menschen. Dabei geht § 1 Abs. 2 GefAbwV mit der darin enthaltenen Gefährlichkeitsvermutung davon aus, dass Hunde der in der Vorschrift aufgeführten Rassen für die genannten Rechtsgüter in besonderer Weise gefährlich werden können. Diese Annahme ist, wie das Bundesverfassungsgericht in dem heutigen Urteil 1 BvR 1778/01 zu dem Bundesgesetz vom 12. April 2001 im Einzelnen ausgeführt hat, vertretbar und nicht offensichtlich unrichtig.
(b) Angesichts dieses Befunds entspricht § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 GefAbwV auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Möglichkeit, Hunde der unter § 1 Abs. 2 GefAbwV fallenden Rassen unfruchtbar zu machen, fördert den vom Verordnungsgeber verfolgten Regelungszweck. Die Regelung ist damit zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und dafür im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen auch erforderlich, weil andere, gleich wirksame Mittel nicht zur Verfügung stehen. Schließlich enthält § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 GefAbwV im Hinblick auf den hohen Rang, den Leben und Gesundheit von Menschen nach dem Grundgesetz haben, eine angemessene, den betroffenen Hundehaltern zumutbare Belastung. Die Regelung verpflichtet als Sollvorschrift nur im Regelfall dazu, beim Vorliegen ihrer Voraussetzungen die Unfruchtbarmachung anzuordnen. Die Ordnungsbehörde hat also hinreichend Spielraum, bei ihrer Entscheidung neben dem Lebens- und Gesundheitsschutz auch Belange des Hundehalters zu berücksichtigen, die es ausnahmsweise rechtfertigen können, von einer Unfruchtbarmachung abzusehen.
(c) Wie der Bundesgesetzgeber im Blick auf § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG (vgl. dazu näher das erwähnte Urteil von heute) ist allerdings auch der rheinland-pfälzische Verordnungsgeber hinsichtlich der angegriffenen Regelung gehalten, die weitere Entwicklung zu beobachten. Insbesondere das Beißverhalten der von § 1 Abs. 2 GefAbwV erfassten Hunde ist künftig mehr noch als bisher zu überprüfen und zu bewerten. Wird dabei die prognostische Einschätzung der Gefährlichkeit dieser Hunde nicht oder nicht in vollem Umgang bestätigt, wird die angegriffene Regelung den neuen Erkenntnissen angepasst werden müssen.
bb) § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 GefAbwV verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Zwar benachteiligt § 2 Abs. 2 GefAbwV die Hundehalter, die einen Hund im Sinne des § 1 Abs. 2 GefAbwV halten, gegenüber denen, die einen nicht unter diese Regelung fallenden Hund besitzen; jenen kommt nicht zugute, dass ihr Hund als gefährlich nur gilt, wenn er nachgewiesenermaßen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 GefAbwV erfüllt. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil sie sachlich gerechtfertigt ist. Wie der Bundesgesetzgeber (vgl. dazu das heutige Urteil im Verfahren 1 BvR 1778/01, Umdruck S. 47) konnte auch der Verordnungsgeber des Landes Rheinland-Pfalz davon ausgehen, hinreichend sichere Anhaltspunkte dafür zu haben, dass Hunde der in § 1 Abs. 2 GefAbwV genannten Rassen für Leib und Leben von Menschen in besonderer Weise gefährlich sind. Gleiches trifft für die Annahme zu, dass bei Hunden anderer Rassen, wie Deutscher Schäferhund oder Deutsche Dogge, eine geringere Gefährlichkeit gegeben ist.
Der Verordnungsgeber ist allerdings auch im Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz gehalten, die weitere Entwicklung zu beobachten. Sollte sich dabei und bei der Überprüfung des Beißverhaltens von Hunden ergeben, dass Hunde anderer als der in § 1 Abs. 2 GefAbwV genannten Rassen ebenso intensive Verletzungen verursachen und im Verhältnis zu ihrer Population bei Beißvorfällen vergleichbar häufig auffällig sind wie Hunde, auf die die Vorschrift bisher beschränkt ist, könnte diese in ihrer gegenwärtigen Fassung nicht länger aufrechterhalten werden. Sie wäre vielmehr aufzuheben oder auf bisher nicht erfasste Rassen zu erstrecken.
cc) § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 GefAbwV steht auch mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot in Einklang. Die Auffassung der Beschwerdeführer, es lasse sich nicht voraussehen, wann im Sinne des § 2 Abs. 2 GefAbwV die Gefahr einer Heranbildung gefährlicher Nachkommen besteht, trifft nicht zu. Wie diese Voraussetzung für die Anordnung einer Unfruchtbarmachung im Einzelfall zu verstehen ist, kann im Wege der Normauslegung mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungsmethoden festgestellt werden. Davon gehen auch die vom Verwaltungsgericht gewürdigten Vorläufigen Hinweise vom 27. Juni 2000 zum Vollzug der Gefahrenabwehrverordnung – Gefährliche Hunde – aus.
b) Es ist schließlich nicht erkennbar, dass die Anwendung des § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 GefAbwV im Ausgangsverfahren verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Von einer Begründung wird insoweit gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 1262385 |
NJW 2004, 3174 |
NVwZ 2004, 975 |
NPA 2004, 0 |