Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert einer Verfassungsbeschwerde unabhängig vom Streitwert vorausgehender finanzgerichtlicher Verfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der nach billigem Ermessen vorzunehmenden Bestimmung des Gegenstandswerts einer Verfassungsbeschwerde kommt in objektiver Hinsicht auch deren Erfolg Bedeutung zu. Wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, über sie also nicht inhaltlich befunden, ist es deshalb im Regelfall nicht gerechtfertigt, über den gesetzlichen Mindestwert von 4.000 € hinauszugehen. Im Streitfall kam es deshalb nicht auf den Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts an, mit dem der Streitwert des finanzgerichtlichen Verfahrens auf 497.001,49 € festgesetzt worden war.

 

Normenkette

RVG § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 30.09.2005; Aktenzeichen VIII B 150/04)

Niedersächsisches FG (Urteil vom 28.04.2004; Aktenzeichen 3 K 316/97)

 

Tenor

Der Gegenstandswert wird auf 4.000 EUR (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Mit Kammerbeschluss vom 31. März 2008 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt waren.

Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2009 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführer den Gegenstandswert auf 47.001,49 EUR festzusetzen. Zur Begründung verweist er in seinem Schriftsatz vom 6. August 2009 auf den Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 30. Januar 2006, mit dem der Streitwert des finanzgerichtlichen Verfahrens auf 497.001,49 EUR festgesetzt worden ist. Daran habe sich auch der Streitwert der Verfassungsbeschwerde zu orientieren.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Der Gegenstandswert ist im Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nach § 37 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen und beträgt mindestens 4.000 EUR. Nach § 14 Abs. 1 RVG zu berücksichtigen sind vor allem Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Dagegen kommt dem Festsetzungsantrag im Rahmen der Gegenstandswertfestsetzung nach § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG nur eine verfahrenseinleitende Bedeutung zu; er ist für die Bestimmung des Gegenstandswerts ebenso wenig binden wie der Streitwert des Ausgangsverfahrens.

Bei der von der Kammer nach billigem Ermessen vorzunehmenden Bestimmung des Gegenstandswerts sind die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 79, 357 ≪361 f.≫ sowie 365 ≪366 ff.≫) entwickelten Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Danach kommt in objektiver Hinsicht auch dem Erfolg der Verfassungsbeschwerde für die Bemessung des Gegenstandswerts Bedeutung zu. Wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, über sie also nicht inhaltlich befunden, ist es deshalb im Regelfall nicht gerechtfertigt, über den gesetzlichen Mindestwert von 4.000 EUR hinauszugehen (vgl. BVerfGE 79, 365 ≪369≫).

2. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Regel abzuweichen. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Anhaltspunkte, die es gleichwohl rechtfertigen könnten, für das Verfassungsbeschwerdeverfahren einen über den gesetzlichen Mindestbetrag hinausgehenden Gegenstandswert festzusetzen, sind mit der Antragsbegründung nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Danach kann dahinstehen, ob der Antrag auf eine Festsetzung des Gegenstandswerts in Höhe von 47.001,49 EUR oder in Höhe von 497.001,49 EUR gerichtet ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2223012

BFH/NV 2009, 2125

HFR 2010, 72

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