Verfahrensgang

BSG (Beschluss vom 24.03.1998; Aktenzeichen B 4 RA 154/97 B)

LSG Berlin (Urteil vom 12.08.1997; Aktenzeichen L 12 An 102/94)

SG Berlin (Urteil vom 17.06.1994; Aktenzeichen S 5 An 4838/93)

 

Tenor

 

Gründe

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik in die gesetzliche Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschlands. Sie betrifft vor allem das im Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) geregelte Verfahren für die Berechnung solcher Renten, die aus Bestandsrenten mit Zusatzversorgung der Deutschen Demokratischen Republik abgeleitet werden.

  • In der Sache greift die Beschwerdeführerin die Höhe der Rente an, die in Abänderung früherer Bescheide auf der Grundlage von § 307b Abs. 1 SGB VI mit Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 15. Mai 1996 festgesetzt worden ist; er umfaßt auch den Anspruch auf Zusatzversorgung. Daneben werden die Bescheide angegriffen, die aufgrund der Übergangsbestimmungen des § 23 Abs. 1 des Gesetzes zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen (Rentenangleichungsgesetz – RAnglG) vom 28. Juni 1990 (GBl I S. 495), des § 6 der Ersten Verordnung zur Anpassung der Renten in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (1. Rentenanpassungsverordnung – 1. RAV) vom 14. Dezember 1990 (BGBl I S. 2867), des § 8 der Zweiten Verordnung zur Anpassung der Renten und zu den maßgeblichen Rechengrößen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (2. Rentenanpassungsverordnung – 2. RAV) vom 19. Juni 1991 (BGBl I S. 1300) sowie des § 307b Abs. 5 SGB VI für die Übergangszeit ab 1. Juli 1990 bis zur Neuberechnung erlassen wurden.

    Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die hierzu ergangenen Entscheidungen der Verwaltung und der Sozialgerichtsbarkeit sowie mittelbar gegen die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtsvorschriften.

  • 1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 14 und Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (Urteile vom 28. April 1999, 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95 sowie 1 BvR 1926/96 und 1 BvR 485/97).

    a) Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, die Vorschrift des Einigungsvertrages über die Zahlbetragsgarantie verstoße nicht gegen Art. 14 und Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie verfassungskonform dahin ausgelegt wird, daß der hier garantierte Zahlbetrag für Bestandsrentner ab 1. Januar 1992 an die Lohn- und Einkommensentwicklung anzupassen ist, sofern er über diesen Zeitpunkt hinaus Bedeutung erhält (Urteil vom 28. April 1999, 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95, Umdruck S. 59 f., 64 f.; Urteil vom 28. April 1999, 1 BvR 1926/96 und 1 BvR 485/97, Umdruck S. 32).

    Weiter ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 28. April 1999, 1 BvR 1926/96 und 1 BvR 485/97, Umdruck S. 42 ff.) § 307b Abs. 1 SGB VI mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit danach bei der Neuberechnung von Bestandsrenten aus Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem der Deutschen Demokratischen Republik für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) die während der gesamten Versicherungszeit bezogenen tatsächlichen Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen zugrunde gelegt werden, während für die sonstigen Bestandsrentner im Beitrittsgebiet nach § 307a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ein 20-Jahres-Zeitraum maßgeblich ist.

    b) Nach dieser Rechtsprechung verletzen das Urteil des Landessozialgerichts und der Bescheid vom 15. Mai 1996 die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 14 und Art. 3 Abs. 1 GG. Aus der verfassungsrechtlich gebotenen Anpassung des Zahlbetrags an die Lohn- und Einkommensentwicklung ab 1. Januar 1992 kann sich für die Beschwerdeführerin eine Erhöhung des Zahlbetrags ihrer Rente ergeben. Auch ist nicht auszuschließen, daß das Berechnungsverfahren des § 307b Abs. 1 SGB VI für sie nachteilig ist.

    c) Das angegriffene Urteil des Landessozialgerichts ist aufzuheben und die Sache an dieses Gericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Der zugleich mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Beschluß des Bundessozialgerichts ist damit gegenstandslos (vgl. BVerfGE 69, 233 ≪248≫).

    2. Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie keine grundsätzliche Bedeutung hat. Mit den Urteilen vom 28. April 1999 (1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95, Umdruck S. 74 ff.; 1 BvR 1926/96 und 1 BvR 485/97, Umdruck S. 32 ff., 35 ff., 39 ff.) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß die Übergangsvorschriften des § 23 Abs. 1 RAnglG, des § 6 1. RAV, des § 8 2. RAV und des § 307b Abs. 5 SGB VI mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

  • Da die Verfassungsbeschwerde nur teilweise Erfolg hat, ist es angemessen, wenn der Beschwerdeführerin die Hälfte der notwendigen Auslagen erstattet wird (§ 34a Abs. 2 BVerfGG).
 

Unterschriften

Kühling, Jaeger, Steiner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1276161

SozSi 2000, 364

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