Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Februar 2002 – L 2 EG 1/01 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des Bundessozialgerichts vom 13. November 2002 – B 10 EG 4/02 B – gegenstandslos.
Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Nichtgewährung von Erziehungsgeld an Ausländer, die lediglich über eine Aufenthaltsbefugnis verfügen.
I.
1. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen § 1 Abs. 1 a Satz 1 des Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (BErzGG) in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl I S. 944). Nach dieser Regelung stand Ausländern, die lediglich über eine Aufenthaltsbefugnis verfügten, seit dem 27. Juni 1993 anders als zuvor kein Anspruch auf Erziehungsgeld zu. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 (vgl. BVerfG, NVwZ 2005, S. 319 ≪319 ff.≫) verwiesen.
2. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann verfügten zur Zeit des Ausgangsverfahrens über eine Aufenthaltsbefugnis. Für den Ehemann der Beschwerdeführerin waren die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) in der Fassung vom 9. Juli 1990 (BGBl I S. 1354) festgestellt. Beide Ehepartner besaßen eine Arbeitserlaubnis und waren erwerbstätig. Der Ehemann der Beschwerdeführerin erwarb 2001 die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Beschwerdeführerin erhielt eine Aufenthaltserlaubnis.
Im April 1999 brachte die Beschwerdeführerin eine Tochter zur Welt. Ihr Antrag auf Bewilligung von Erziehungsgeld wurde abgelehnt, weil sie nur im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sei. Auch im Klagverfahren hatte die Beschwerdeführerin keinen Erfolg. Das Landessozialgericht wies ihre Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts zurück. § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG in der Fassung des FKPG sei verfassungsgemäß. Das Bundessozialgericht verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig.
3. In ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG.
4. Die Äußerungsberechtigten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde nach § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG statt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.
1. Durch die Versagung des Erziehungsgeldes, das im fraglichen Zeitraum für zwei Jahre gewährt wurde und 600 DM im Monat betrug, ist der Beschwerdeführerin ein hinreichend schwerer Nachteil entstanden. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Der Erste Senat hat mit Beschluss vom 6. Juli 2004 die Vorschrift des § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG in der angegriffenen Fassung mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt (vgl. BVerfG, NVwZ 2005, S. 319 ≪320 f.≫).
2. Hiernach beruht das mit der Verfassungsbeschwerde unmittelbar angegriffene Urteil des Landessozialgerichts auf einer mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Norm (vgl. BVerfG, NvwZ 2005, S. 319 ≪321≫). Es ist nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. Der Beschluss des Bundessozialgerichts vom 13. November 2002, mit dem nur über die Zulassung der Revision entschieden wurde, wird gegenstandslos (vgl. BVerfGE 76, 143 ≪170≫). Das Landessozialgericht hat das Verfahren bis zu einer Ersetzung der verfassungswidrigen Regelung durch eine Neuregelung, längstens bis zum 1. Januar 2006, auszusetzen. Kommt eine Neuregelung bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu Stande, so ist auf das Verfahren das bis zum 26. Juni 1993 geltende Recht anzuwenden (vgl. BVerfG, a.a.O.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen