Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Entscheidung vom 09.04.2001; Aktenzeichen 2 BvR 504/02) |
LG Mannheim (Entscheidung vom 05.04.2001; Aktenzeichen 2 BvR 291/02) |
LG Karlsruhe (Entscheidung vom 26.10.2000; Aktenzeichen 2 BvR 268/02) |
Tenor
- Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
- Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Dauer gerichtlicher Verfahren auf dem Gebiet des Strafvollzugsrechts. Die Beschwerdeführer stellten beim jeweils zuständigen Landgericht Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 109 ff. StVollzG. Mit ihren Verfassungsbeschwerden beanstanden sie die Untätigkeit des jeweiligen Gerichts.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Ihnen kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführer angezeigt. Die Verfassungsbeschwerden haben keine Aussicht auf Erfolg.
Dabei kann dahinstehen, ob der Vortrag der Beschwerdeführer, soweit es den Ablauf des fachgerichtlichen Verfahrens und die Darlegung eines trotz zwischenzeitlich eingetretener Erledigung fortbestehenden Rechtsschutzinteresses betrifft, noch den aus §§ 23 Abs. 1, 92 BVerfGG folgenden Mindestanforderungen genügt. Denn der Zulässigkeit ihrer Verfassungsbeschwerden steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Dieser Grundsatz verlangt, dass ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg erschöpft und darüber hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern oder eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen (vgl. BVerfGE 68, 384 ≪388 f.≫; 74, 102 ≪113≫; 81, 97 ≪102≫). Der Subsidiaritätsgrundsatz dient nicht nur der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts. Er soll zugleich sicherstellen, dass dem Bundesverfassungsgericht ein fachgerichtlich vorgeprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und ihm die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Fachgerichte vermittelt wird (vgl. BVerfGE 77, 381 ≪401≫).
Fachgerichtlicher Rechtsschutz ist auch dann vorrangig in Anspruch zu nehmen, wenn die Voraussetzungen der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels nach dem aktuellen Stand von Rechtsprechung und Lehre noch nicht abschließend geklärt sind. In derartigen Fällen ist es grundsätzlich die Aufgabe der Fachgerichte, über die offene Zulässigkeitsfrage nach einfachem Recht unter Berücksichtigung der hierzu vertretenen Rechtsansichten sowie unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben zu entscheiden. Es ist daher geboten und einem Beschwerdeführer auch zumutbar, vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde die Statthaftigkeit weiterer einfachrechtlicher Rechtsbehelfe sorgfältig zu prüfen und von ihnen auch Gebrauch zu machen, wenn sie nicht offensichtlich unzulässig sind. Wird der Rechtsbehelf als unzulässig verworfen, weil die Gerichte die umstrittene Zulässigkeitsfrage zuungunsten eines Beschwerdeführers entscheiden, bleibt es ihm unbenommen, im Anschluss an die betreffende fachgerichtliche Entscheidung innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG Verfassungsbeschwerde einzulegen und etwaige Grundrechtsverletzungen durch eine vorangegangene Sachentscheidung zu rügen (BVerfGE 68, 376 ≪381≫).
Danach waren die Beschwerdeführer gehalten, wegen der von ihnen beanstandeten Untätigkeit des jeweiligen Landgerichts zunächst das im Rechtszug übergeordnete Beschwerdegericht anzurufen. Die Einlegung einer entsprechenden Beschwerde wäre nicht offensichtlich unzulässig gewesen. § 116 Abs. 1 StVollzG eröffnet die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer. Im Anwendungsbereich der Strafprozessordnung, deren Vorschriften für das gerichtliche Verfahren in Strafvollzugssachen entsprechend anzuwenden sind (vgl. §§ 116 Abs. 4, 120 Abs. 1 StVollzG), ist anerkannt, dass hinsichtlich der Zulässigkeit einer Beschwerde die bloße Untätigkeit eines Gerichts unter bestimmten Voraussetzungen einer positiven gerichtlichen Entscheidung gleichzuachten sein kann. Eine Untätigkeitsbeschwerde wird ausnahmsweise als nach den Vorschriften über die Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen zulässig erachtet, wenn die Unterlassung der gebotenen Entscheidung einer endgültigen Ablehnung gleichkommt oder faktisch eine Form der Rechtsverweigerung darstellt (vgl. bereits BGH NJW 1993, S. 1279 ≪1280≫; im Anschluss hieran zur Untätigkeitsbeschwerde in Strafvollzugssachen OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, S. 188 sowie – im Ergebnis weniger restriktiv – Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 3. Juni 2002 – 3 Vollz (WS) 46/02; aus der Kommentarliteratur siehe nur Plöd in KMR, Kommentar zum Strafprozessrecht, Stand März 1998, zu § 304 StPO Rn. 2 m.w.N.). In Anbetracht dieser Sach- und Rechtslage hätten die Beschwerdeführer vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde im Wege der Rechtsbeschwerde gegen die Untätigkeit des jeweiligen Landgerichts vorgehen müssen. Da die Verfassungsbeschwerden somit schon nicht in zulässiger Weise erhoben wurden, muss offen bleiben, ob die Dauer der Verfahren der Beschwerdeführer vor den Landgerichten sich noch in den Grenzen des verfassungsrechtlich Hinzunehmenden hielt.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Jentsch, Broß, Lübbe-Wolff
Fundstellen