Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen, in denen um ein Zutrittsrecht der antragstellenden Gewerkschaft zum Betrieb der Beschwerdeführerin gestritten wurde.
I.
Die antragstellende Gewerkschaft begehrte Zutritt zum Betrieb der Beschwerdeführerin, um eine Einladung zu einer Betriebsversammlung, in der ein Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebsratswahl gewählt werden sollte, aushängen zu können. Voraussetzung dafür war der Nachweis, daß die Gewerkschaft im Betrieb vertreten war, das heißt mindestens ein Mitglied hatte. Die Gewerkschaft nannte den Namen ihres Mitglieds nicht, sondern stützte sich auf eine notarielle Erklärung, in der bescheinigt wurde, vor dem Notar sei eine Person erschienen, die eidesstattlich versichert habe, daß sie derzeit in einem Werk der Beschwerdeführerin beschäftigt sei und in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehe. Diese Person habe dem Notar einen gültigen Reisepaß sowie einen bankverbuchten Überweisungsträger, bei dem es sich nach Form und Gestaltung um einen Überweisungsträger gehandelt habe, vorgelegt. Der Überweisungsträger betreffe den Monat vor Erstellung der Bescheinigung. Als Auftraggeber sei die Beschwerdeführerin, als Empfänger der Name des Erschienenen angegeben. Das Landesarbeitsgericht vernahm den Notar über den Inhalt des Überweisungsträgers sowie darüber, ob sich der Name der erschienenen Person auf einer Mitgliederliste der antragstellenden Gewerkschaft befand. Außerdem vernahm es einen Sekretär der antragstellenden Gewerkschaft zu der Frage, ob die Person, auf die sich die notarielle Bescheinigung bezog, Mitglied seiner Gewerkschaft war.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben dem Antrag statt. Das Bundesarbeitsgericht wies die Rechtsbeschwerde zurück. Die Beweisführung durch eine notarielle Urkunde verletze keine verfahrensrechtlichen Grundsätze. Die Beweisaufnahme sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Ansprüche der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör und auf effektiven Rechtsschutz seien durch die Verwertung mittelbarer Beweismittel nicht verletzt. Von den bestehenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Entkräftung des Beweiswerts der mittelbaren Beweismittel habe sie keinen Gebrauch gemacht. Sie sei auch nicht zum bloßen Objekt des Verfahrens gemacht geworden. Der Anspruch auf ein faires Verfahren sei daher nicht verletzt. Die mittelbare Beweisführung sei zum Schutz der Koalitionsfreiheit der bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Arbeitnehmer erforderlich gewesen. Schließlich sei auch die prozessuale Waffengleichheit nicht verletzt. Für eine Beschränkung der Beweisführung hätten sachliche, von der Beschwerdeführerin selbst gesetzte Gründe vorgelegen.
II.
Mit ihrer gegen alle arbeitsgerichtlichen Entscheidungen eingelegten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, daß die Gerichte versucht hätten, ein beweisrechtliches Geheimverfahren zu entwickeln, und sie dadurch zum Objekt staatlichen Handelns degradiert hätten. Das von den Arbeitsgerichten gewählte Verfahren habe grundlegend auf die verfahrensmäßige Ausschaltung der Beschwerdeführerin gezielt. Die Möglichkeit zum Gegenbeweis sowie zur Stellungnahme zum Beweisergebnis sei ihr abgeschnitten worden. Sie sei daher in ihren Rechten auf prozessuale Waffengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG), auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG), auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG) sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Außerdem hätten die Arbeitsgerichte die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschritten und gegen das Willkürverbot verstoßen.
III.
Über die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist gemäß Art. 8 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 2. August 1993 (BGBl. I S. 1442) – ÄndG – nach §§ 93a, 93b BVerfGG in der Fassung des Art. 1 ÄndG zu entscheiden. Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Diese ist nur gegeben, wenn die Verfassungsbeschwerde eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten läßt und noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt oder die durch veränderte Verhältnisse erneut klärungsbedürftig geworden ist. Über die Beantwortung der verfassungsrechtlichen Frage müssen also ernsthafte Zweifel bestehen. An ihrer Klärung muß zudem ein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse bestehen (Beschluß des Ersten Senats vom 8. Februar 1994, 1 BvR 1693/92).
a) Es ist bereits geklärt, daß jedes der vom Landesarbeitsgericht verwerteten Beweismittel für sich genommen verfassungsrechtlich unbedenklich ist.
aa) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, daß Art. 103 Abs. 1 GG weder ein Recht auf ein bestimmtes Beweismittel noch bestimmte Arten von Beweismitteln gewährt (BVerfGE 57, 250 ≪274≫). Auch bestimmte Beweisregeln, wie z.B. die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, werden nicht verfassungsrechtlich durch Art. 103 Abs. 1 GG, sondern nur einfachrechtlich garantiert (BVerfGE 1, 418 ≪429≫). Es ist auch bereits geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Erhebung mittelbarer und damit sachfernerer Beweise mit dem Grundsatz auf ein faires Verfahren, der auch im Zivilverfahren gilt (BVerfGE 78, 123 ≪126≫m.w.N.), vereinbar ist. Das Bundesverfassungsgericht hat mittelbare Beweismittel jedenfalls dann für zulässig gehalten, wenn der Beweis durch sachnähere Beweismittel unmöglich ist, weil diese z.B. unerreichbar sind. Wann ein grundsätzlich vorhandenes Beweismittel rechtsstaatlich unbedenklich als unerreichbar anzusehen ist, z.B. bei Fehlen einer Aussagegenehmigung, ist ebenfalls bereits verfassungsrechtlich geklärt (BVerfGE 57, 250 ≪276-290≫). Der Richter muß bei der freien Beweiswürdigung dann allerdings den geringeren Beweiswert des mittelbaren Beweismittels berücksichtigen (BVerfGE 57, 250 ≪277, 278≫).
Diese Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts betreffen zwar die Beweiserhebung im Strafverfahren. Wenn jedoch bereits im Strafverfahren, durch das viel tiefer als durch das Zivilverfahren in die Rechte des einzelnen eingegriffen wird, mittelbare Beweismittel nicht gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und gegen den Grundsatz auf ein faires Verfahren verstoßen, so gilt dies erst recht im Zivilverfahren (ebenso Teske, Anm. zu BAG, EzA Nr. 14 zu § 2 BetrVG, S. 26).
bb) Die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge einer Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wirft ebenfalls keine Fragen auf, die weiterer Klärung durch das Bundesverfassungsgericht bedürfen (vgl. etwa BVerfGE 69, 141 ≪143≫m.w.N. und BVerfGE 64, 135 ≪144≫m.w.N.).
cc) Dasselbe gilt für den Anspruch des Rechtssuchenden auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG (BVerfGE 61, 82 ≪111≫), die Voraussetzungen, unter denen der Anspruch auf ein faires Verfahren gemäß Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG verletzt ist (BVerfGE 78, 123 ≪126≫), das sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Verbot willkürlicher Gerichtsentscheidungen (umfassend zuletzt BVerfGE 87, 273 ≪278, 279≫), der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit (BVerfGE 69, 248 ≪254≫) und die Voraussetzungen, unter denen eine unzulässige Rechtsfortbildung vorliegt (BVerfGE 34, 269 ≪287, 288≫; 69, 315 ≪371, 372≫).
b) Die Frage der Vereinbarkeit der Vernehmung eines Zeugen vom Hörensagen mit dem Grundsatz auf ein faires Verfahren, die vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls für das Strafverfahren unter bestimmten Voraussetzungen bejaht worden ist (BVerfGE 57, 250 ≪292, 293≫), stellt sich vorliegend nicht. Die Gerichte haben im Ausgangsverfahren einen solchen Beweis nicht erhoben. Ein Zeuge vom Hörensagen gibt die Bekundungen eines dem Gericht und den Beteiligten unbekannt bleibenden Gewährsmannes wieder, ohne die Richtigkeit dieser Bekundungen prüfen zu können. Hier hat dagegen ein Notar über eigene, nachgeprüfte Wahrnehmungen eine öffentliche Urkunde erstellt und eine eidesstattliche Versicherung aufgenommen, die vom Gericht verwertet worden sind.
c) An der Klärung der durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen besteht zudem kein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse. Die Arbeitsgerichte haben ihrer Entscheidung im konkreten Einzelfall mehrere nach der Zivilprozeßordnung in Verbindung mit § 83 Abs. 2 ArbGG zulässige Beweismittel zugrundegelegt und aus der Gesamtschau dieser Beweismittel die Überzeugung gewonnen, die antragstellende Gewerkschaft habe ihre Vertretung im Betrieb der Beschwerdeführerin nachgewiesen. Ihre Beweiserhebung und -würdigung ist auf den Einzelfall bezogen und läßt keine darüber hinausgehende Klärung erwarten.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das ist der Fall, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existentieller Weise betrifft. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine geltend gemachte Grundrechtsverletzung hat ferner dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht oder rechtsstaatliche Grundsätze kraß verletzt. Eine existentielle Betroffenheit des Beschwerdeführers kann sich vor allem aus dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung oder seiner aus ihr folgenden Belastung ergeben. Ein besonders schwerer Nachteil ist jedoch dann nicht anzunehmen, wenn die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder wenn deutlich abzusehen ist, daß der Beschwerdeführer auch bei einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (Beschluß des Ersten Senats vom 8. Februar 1994, 1 BvR 1693/92).
a) Daß die antragstellende Gewerkschaft durch die angegriffenen Entscheidungen ein Zutrittsrecht zum Betrieb der Beschwerdeführerin zur Einleitung des Verfahrens zur Wahl eines Betriebsrats erlangt hat, trifft die Beschwerdeführerin nicht in existentieller Weise. Selbst wenn im Anschluß an die Einleitung des Wahlverfahrens durch die antragstellende Gewerkschaft ein Betriebsrat gewählt worden ist oder noch gewählt werden sollte, bedeutet das Bestehen eines Betriebsrats für die Beschwerdeführerin keinen Nachteil im Rechtssinne.
b) Die angegriffenen Entscheidungen verletzen auch nicht in besonders krasser Weise rechtsstaatliche Grundsätze. Die Beschwerdeführerin hat von den ihr in diesen Entscheidungen aufgezeigten Möglichkeiten eines Gegenbeweises keinen Gebrauch gemacht. Sie ist nicht zu einem bloßen Objekt staatlichen Handeln gemacht worden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Herzog, Söllner, Kühling
Fundstellen
Haufe-Index 1084311 |
NJW 1994, 2347 |
NZA 1994, 891 |