Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verurteilung der Beschwerdeführerinnen zur Unterlassung von Zeitschriftenwerbung.
I.
Die Beschwerdeführerinnen erstellen und vertreiben die Zeitschrift “Neue Revue”. In dem Heft Nr. 51 vom 12. Dezember 1996 berichtete die Zeitschrift auf zwei Seiten unter der Rubrik “Politik & Wirtschaft” über die Möglichkeit, Arzneimittel billig aus dem Ausland zu beziehen.
Der Bericht trägt die Überschriften: “Diese Seite ist bares Geld wert” sowie “Medikamente aus dem Ausland – es geht ganz einfach” und “Antibaby-Pille zum halben Preis”. Als Bezugsquelle für die Arzneimittel wird auf die Firma “E.” (im Folgenden: “Firma E.”) hingewiesen. Es wird im Einzelnen unter Angabe von Telefonnummern, entstehenden Telefongebühren, Bürozeiten und dem weiteren Ablauf einer Bestellung mit Zahlungs- und Lieferbedingungen beschrieben, auf welche Weise Kunden von Deutschland aus Arzneimittel bei der Firma E. bestellen können. Auf der rechten Seite befindet sich unter der Überschrift “Günstig-Angebote auf einen Blick” eine Gegenüberstellung der Preise der Firma E.… und der in Deutschland verlangten Preise für insgesamt 26 Arzneimittel und frei verkäufliche Drogerieartikel. Auf etwa der Hälfte der linken Seite sind der Geschäftsführer der Firma E.… sowie in Gestalt eines vergrößerten Expressversandaufklebers der Firmenname “E.” abgebildet.
Mit der angegriffenen Entscheidung verurteilte das Landgericht die Beklagten, es zu unterlassen, derartige Presseartikel zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen. Zur Begründung führte es aus, dass der so genannte Service-Journalismus von der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG zwar gedeckt sei. Insofern sei eine Berichterstattung über den Versandhandel der Firma E.… als solche nicht zu beanstanden, auch wenn dabei Einzelheiten des Bezugssystems beschrieben und Preise gegenüber gestellt würden. Die konkrete Ausgestaltung des Artikels verstoße aber gegen § 1 UWG. Er sei objektiv geeignet, den Wettbewerb der Firma E.… zu fördern. Unter Berücksichtigung der Struktur, des Stils und der der Leserschaft einer Boulevardzeitschrift angepassten Berichterstattung ergebe die Gesamtbeurteilung des Artikels, dass die Beschwerdeführerinnen die Firma E. im Rahmen des dargestellten Vertriebssystems zumindest auch in Wettbewerbsförderungsabsicht werbend herausgestellt hätten. Durch die überdimensional blickfangartige Herausstellung des Geschäftsführers der Firma mit der ebenso überdimensionalen “plakativen” Hervorhebung des Firmennamens sei die Grenze der presserechtlich geschützten sachlichen Informationsaufgabe überschritten. Dies sei den Beschwerdeführerinnen bewusst gewesen.
Die dagegen von den Beschwerdeführerinnen erhobenen Berufungen wies das Oberlandesgericht mit dem ebenfalls angegriffenen Urteil zurück und schloss sich dabei im Wesentlichen den Ausführungen des Landgerichts an.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihrer Grundrechte auf Presse- und Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Die angegriffenen Entscheidungen machten der Boulevardpresse die sachgerechte Aufgabenwahrnehmung im Bereich des so genannten Servicejournalismus praktisch unmöglich. Sie werde durch die Verurteilung in ihrer publizistischen Verantwortung auf den Sektoren des Ratgeber-Journalismus und der Verbraucheraufklärung ebenso behindert wie bei ihrem Ziel, sich in Angelegenheiten öffentlichen Interesses politisch einzumischen. Die Gerichte hätten verkannt, dass der Artikel in seiner Aufmachung und Platzierung journalistischer Art sei. Verfehlt sei insbesondere die Annahme der Gerichte, in der Abbildung des Geschäftsführers und der Namensnennung der Firma liege eine Herausstellung. Die “Neue Revue” arbeite als Medium der Boulevardpresse mit Bildern, die immer plakativ und hervorhebend seien. Die Gerichte hätten verkannt, dass auch die Darstellungsform unter Berücksichtigung der Eigengesetzlichkeit der Boulevardpresse durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt sei. Bei ihrer Beurteilung hätten die Gerichte sich im Übrigen auf einen falschen Sachverhalt gestützt. Sie hätten ihrer Entscheidung nämlich eine Schwarz-Weiß-Kopie des Beitrags zu Grunde gelegt, nicht aber das farbige Original. Dadurch sei eine vollständig verzerrte Optik entstanden. Auch sei es fehlerhaft, nur die Veröffentlichung in Heft 51, 1996 zu Grunde zu legen, nicht aber auch den Folgebeitrag in Heft 52, 1996. Damit hätten die Gerichte keine Gesamtwürdigung des Sachverhalts vorgenommen, sondern nur einzelne Sachverhaltselemente herausgegriffen und aus ihrer Isolierung eine unzulässige Förderung fremden Wettbewerbs abgeleitet.
Schließlich verstoße die Verurteilung gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Der von ihnen angetretene Beweis, dass sie keine Absicht gehabt hätten, fremden Wettbewerb zu fördern, sei zu Unrecht nicht erhoben worden. Nur die willkürliche Beurteilung des Sachverhalts habe dazu geführt, dass der angebotene Beweis als unerheblich behandelt worden sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Annahmevoraussetzung des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Auch ist die Annahme nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Gerichte haben die Veröffentlichung in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise am Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gemessen. Dieses Grundrecht ist allerdings nicht schrankenlos gewährt. Es findet eine Schranke in § 1 UWG (vgl. BVerfGE 62, 230 ≪245≫; 85, 248 ≪263≫; 102, 347 ≪360≫).
§ 1 UWG ist im Lichte von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auszulegen und anzuwenden, damit die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪208 f.≫; 62, 230 ≪244≫). Die Abwägung zwischen dem Grundrecht und dem vom allgemeinen Gesetz erfassten Schutzgut leidet an einem Grundrechtsverstoß, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, wenn das Fachgericht den grundrechtlichen Einfluss nicht berücksichtigt oder unzutreffend einschätzt oder wesentliche Abwägungsgesichtspunkte übergeht und die Entscheidung auf der Verkennung des Grundrechtseinflusses beruht (vgl. BVerfGE 97, 391 ≪401≫; stRspr).
2. Gemessen an diesen Maßstäben sind die angegriffenen Entscheidungen nicht zu beanstanden.
Mit der Lauterkeit des Wettbewerbs, deren Schutz § 1 UWG bezweckt, verfolgt der Gesetzgeber einen legitimen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfGE 32, 311 ≪316≫). Es ist verfassungsrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn dem Grundsatz der Lauterkeit des Wettbewerbs das Gebot entnommen wird, Werbung und redaktionellen Text zu trennen. Auch widerspricht es nicht dem Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 GG, dass getarnte Werbung grundsätzlich wettbewerbswidrig ist. Mit dem Gebot, redaktionelle Beiträge und Werbung in Zeitungen zu trennen, darf aber keine übermäßige Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit einhergehen. Der Presse muss es möglich bleiben, in ihrem redaktionellen Teil über bestimmte Unternehmen sowie über ihre Produkte und Erzeugnisse zu berichten. Auch bedeutet nicht schon jede positive Erwähnung eines Firmennamens oder Vertriebsweges eine rechtlich zu beanstandende getarnte Werbung.
Diese Anforderungen hat das Landgericht und ihm folgend das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall beachtet. Das Landgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass es der “Neuen Revue” unbenommen bleibt, auch unter Namensnennung der Firma E.… sowie unter Angabe weiterer Details über die Bezugsmöglichkeit von Arzneimitteln aus dem Ausland zu berichten. Es hat jedoch wegen der aus seiner Sicht blickfangmäßigen Herausstellung des Geschäftsführers und des Namens der Firma eine Wettbewerbswidrigkeit angenommen. Diese Auffassung, der sich das Oberlandesgericht im Wesentlichen angeschlossen hat, beruht nicht auf einer grundlegenden Verkennung des Schutzgehalts von Art. 5 Abs. 1 GG.
Auch sind die Gerichte bei ihrer Einschätzung nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen ist das Landgericht offensichtlich bei seiner Beurteilung nicht von der Schwarz-Weiß-Kopie, die es zur Klarstellung des Tenors seinem Urteil beigefügt hat, ausgegangen, sondern von der Originalveröffentlichung, die ihm von den Beschwerdeführerinnen im Ausgangsverfahren zur Verfügung gestellt worden war.
Auch ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht bei der Würdigung der umstrittenen Berichterstattung das Folgeheft 52/1996 nicht einbezogen hat. Die Klage bezog sich allein auf die Veröffentlichung in Heft 51/1996. Es verletzt die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Deutung einer umstrittenen Äußerung oder Berichterstattung nicht, wenn allein ein Artikel der Beurteilung zu Grunde gelegt wird, auch wenn der Bericht in einem späteren Heft fortgesetzt wird.
Für die gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist nichts ersichtlich. Die Beschwerdeführerinnen führen selbst aus, dass dieses Grundrecht nicht einen Anspruch darauf gewährt, dass einem Beweisantrag stets nachgegangen wird. Vorliegend hat das Landgericht auf Grund seiner Rechtsauffassung den Beweisantrag der Beschwerdeführerinnen offensichtlich für unerheblich gehalten. Letztlich rügen die Beschwerdeführerinnen die dem zu Grunde liegende Rechtsauffassung des Landgerichts, aber nicht, dass ihr Vortrag nicht hinreichend wahrgenommen worden sei.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem
Fundstellen
NJW 2005, 3201 |
AfP 2006, 39 |
ZUM-RD 2006, 7 |