Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Gesetz zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes und zur Anwendung dieser Regelung in verwaltungsrechtlichen Entscheidungen
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich mittelbar gegen Art. 3 Abs. 6 und 7 des Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 20. Dezember 1974 (BGBl I S. 3714 - RuStAÄndG 1974 -) sowie unmittelbar gegen die Anwendung dieser Regelung in verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen.
A. - I.
Die Beschwerdeführer wurden 1970, 1973 und 1974 in der Schweiz als eheliche Kinder einer Deutschen und eines Schweizers geboren. Sie besitzen seitdem die Staatsbürgerschaft der Schweiz.
1. Nach § 4 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 (im folgenden: RuStAG) in der im Zeitpunkt der Geburt der Beschwerdeführer geltenden Fassung konnte nur ein deutscher Vater die Staatsangehörigkeit an seine Kinder weitergeben. Durch Beschluß vom 21. Mai 1974 (BVerfGE 37, 217 ff.) beanstandete das Bundesverfassungsgericht diese Regelung für die Zeit ab 1. April 1953 als gleichheitswidrig. Für die bis zu einer Neuregelung geborenen Kinder müßten für die Zukunft die fortwirkenden Folgen für ihren Status beseitigt werden, d.h. auch die bisher ausgeschlossenen Kinder deutscher Mütter müßten die deutsche Staatsangehörigkeit uneingeschränkt erhalten können. Hierfür genüge grundsätzlich die Einräumung eines Rechts, durch Erklärung (Option) die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben (vgl. BVerfGE, a.a.O., S. 262 ff.).
Mit der Neuregelung bestimmte der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG n.F., daß die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben wird, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Das Gesetz trat am 1. Januar 1975 in Kraft. Für die Kinder deutscher Mütter, die in der Zeit vom 1. April 1953 bis 31. Dezember 1974 geboren worden waren, sieht der gleichzeitig in Kraft getretene Art. 3 RuStAÄndG 1974 auszugsweise folgende Regelung vor:
(1) Das nach dem 31. März 1953, aber vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ehelich geborene Kind einer Mutter, die im Zeitpunkt der Geburt des Kindes Deutsche war, erwirbt durch die Erklärung, deutscher Staatsangehöriger werden zu wollen, die Staatsangehörigkeit, wenn es durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erworben hat …
(2) bis (3) …
(4) Wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, gibt die Erklärung selbst ab.
(5) Wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wer zwar 18 Jahre alt ist, aber wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen die Erklärung nicht selbst abgeben kann, wird bei der Abgabe der Erklärung durch den Inhaber der Sorge für die Person des Kindes vertreten. Die Erklärung kann mit Genehmigung des deutschen Vormundschaftsgerichts auch von den nach Satz 1 nicht vertretungsberechtigten Eltern oder einem danach nicht oder nicht allein vertretungsberechtigten Elternteil abgegeben werden. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn das Wohl des Kindes dem Erwerb der Staatsangehörigkeit entgegensteht. Das Recht der Sorge für die Person des Kindes richtet sich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Im Genehmigungsverfahren darf das Vormundschaftsgericht von einer Anhörung des ausländischen Elternteils absehen, wenn schwerwiegende Gründe zum Wohl des Kindes dies gebieten.
(6) Das Erklärungsrecht kann nur bis zum Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgeübt werden.
(7) Wer ohne sein Verschulden außerstande war, die Erklärungsfrist einzuhalten, kann die Erklärung noch bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Fortfall des Hindernisses abgeben. Als unverschuldetes Hindernis gilt auch der Umstand, daß der Erklärungsberechtigte durch Maßnahmen des Aufenthaltsstaates gehindert ist, seinen Aufenthalt in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zu verlegen.
(8) bis (10) …
2. Im April 1988 wandte sich die Mutter der Beschwerdeführer an das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Genf mit der Bitte um Aufklärung, ob ihre Kinder deutsche Pässe erhalten könnten. Das Generalkonsulat informierte sie über die am 1. Januar 1975 in Kraft getretene Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts. Im Oktober 1988 gaben die Eltern für die minderjährigen Beschwerdeführer die Erklärungen über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach Art. 3 RuStAÄndG 1974 ab.
Das Bundesverwaltungsamt lehnte die Anträge ab. Den Widerspruch der Beschwerdeführer wies es zurück: Es könne nicht festgestellt werden, daß ihre Eltern ohne Verschulden außerstande gewesen seien, die dreijährige Erklärungsfrist einzuhalten. Bloße Rechtsunkenntnis lasse die Fristversäumung nicht als unverschuldet erscheinen. Es sei den Beteiligten in einem Land wie der Schweiz jederzeit möglich gewesen, sich durch die Medien über die aktuelle – sie betreffende – Rechtslage in der benachbarten Bundesrepublik zu informieren.
3. Das Verwaltungsgericht Köln gab der hiergegen gerichteten Klage statt und stellte fest, daß die Beschwerdeführer die deutsche Staatsangehörigkeit durch Erklärung erworben hätten. Auf die Berufung wies das Oberverwaltungsgericht die Klage ab.
4. Die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision der Beschwerdeführer hatte keinen Erfolg. In dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die mit drei Jahren nicht zu kurz bemessene Erklärungsfrist des Art. 3 Abs. 6 RuStAÄndG 1974 stehe im Einklang mit dem Grundgesetz. Sie folge aus der Notwendigkeit, die staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse alsbald zu klären und damit Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Zur Auslegung des Art. 3 Abs. 7 Satz 1 RuStAÄndG 1974, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Nacherklärungsfrist eröffne, wenn der Erklärungsberechtigte ohne Verschulden außerstande gewesen sei, die Erklärungsfrist einzuhalten, könne auf entsprechende Regelungen in den Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 32 VwVfG, § 60 VwGO, § 233 ZPO, § 22 FGG) sowie auf die zu diesen Vorschriften vorliegende Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden. Es sei allgemein anerkannt, daß Rechtsirrtum und Unkenntnis des Gesetzes das Verschulden an einer Fristversäumung grundsätzlich nicht ausschlössen und daher keinen Wiedereinsetzungsgrund bildeten. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall komme eine abweichende Beurteilung in Betracht. Wer mit den einschlägigen Rechtsvorschriften nicht vertraut sei, habe sich zu erkundigen, anderenfalls treffe ihn an der Rechtsunkenntnis grundsätzlich ein Verschulden. Dies gelte auch für Ausländer und im Ausland wohnende Personen. Entscheidend sei, ob ein Betroffener sich – etwa durch Einholung einer Auskunft bei der deutschen Auslandsvertretung oder einer sonst rechtskundigen Stelle – die erforderliche Rechtskenntnis hätte verschaffen können. Ein Betroffener, der aus einer gemischt-nationalen Ehe mit einem deutschen Elternteil stamme, habe Anlaß, sich um Fragen seiner Staatsangehörigkeit zu kümmern. Dabei müsse der noch nicht volljährige Abkömmling sich das Verschulden des für ihn nach Art. 3 Abs. 5 RuStAÄndG 1974 Erklärungsberechtigten zurechnen lassen.
Im vorliegenden Fall hätten die Eltern der Beschwerdeführer die Erklärungsfrist schuldhaft versäumt, so daß eine Nacherklärungsfrist gemäß Art. 3 Abs. 7 Satz 1 RuStAÄndG 1974 nicht eingeräumt werden könne. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätten die Eltern von der Erklärungsfrist zwar keine Kenntnis gehabt. Sie hätten aber bis zum Ablauf der Erklärungsfrist am 31. Dezember 1977 nicht die erforderlichen Rechtsauskünfte hinsichtlich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse der Beschwerdeführer eingeholt. Mit der Geburt der Beschwerdeführer habe eine Obliegenheit ihrer Eltern bestanden, sich durch Einholung von Auskünften über die staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse zu vergewissern.
II.
Mit ihrer gegen die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts eingelegten Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und 2 GG, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Auch hätten die Verwaltungsgerichte die Ausstrahlung des Art. 16 Abs. 1 GG auf die Anwendung des Art. 3 Absätze 6 und 7 RuStAÄndG 1974 vernachlässigt. Sollte die von den Fachgerichten gewählte Auslegung zwingend sein, so sei Art. 3 Absätze 6 und 7 RuStAÄndG 1974 verfassungswidrig.
Es sei verfassungsrechtlich zwar nicht zu beanstanden, daß die vor dem 1. Januar 1975 geborenen Abkömmlinge deutscher Mütter im Gegensatz zu den Abkömmlingen deutscher Väter die deutsche Staatsangehörigkeit nur durch Erklärung erwerben könnten. Zu beanstanden sei aber die Fristbindung für die Abgabe dieser Erklärung und die Auslegung, daß eine Unkenntnis von der Rechtsänderung als Verschulden zu werten sei, das eine Befreiung von der Einhaltung der Frist ausschließe. Damit würden die Kinder einer deutschen Mutter aus einer gemischt-nationalen Ehe, die im Zeitpunkt der Geburt ihre Staatsangehörigkeit nicht von der Mutter hätten erwerben können, ein weiteres Mal anders behandelt als die im gleichen Zeitraum geborenen Kinder deutscher Väter; um deren deutsche Staatsangehörigkeit müßten sich die Eltern nicht besonders kümmern.
B.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG hierfür nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Mit der Verfassungsbeschwerde werden keine Fragen zur Auslegung und Tragweite der als verletzt gerügten Grundrechte aufgeworfen, die noch einer Klärung durch das Bundesverfassungsgericht bedürften. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die gesetzliche Regelung, die Grundlage der angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen ist, ist verfassungsrechtlich ebensowenig zu beanstanden (I.) wie ihre Auslegung und Anwendung durch die Verwaltungsgerichte (II.).
I.
Die in Art. 3 Absätze 6 und 7 RuStAÄndG 1974 getroffene Übergangsregelung steht mit dem Grundgesetz in Einklang.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat es in seinem Beschluß vom 21. Mai 1974 (BVerfGE 37, 217 ≪262 f.≫) als erforderlich – aber auch ausreichend – angesehen, daß eine Übergangsregelung den bisher von der deutschen Staatsangehörigkeit ausgeschlossenen Kindern deutscher Mütter das Recht einräumt, durch Erklärung die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. Diese Betroffenen müßten nicht schon kraft Gesetzes deutsche Staatsangehörige werden.
2. Diesen Anforderungen genügt die Regelung des Art. 3
RuStAÄndG 1974. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer begründet es auch keinen Verfassungsverstoß, daß die eingeräumte Option auf die deutsche Staatsangehörigkeit nur innerhalb einer Frist ausgeübt werden konnte.
a) Die Frist dient der Rechtssicherheit. Sie soll bewirken, daß alsbald Gewißheit darüber erlangt wird, wer von der Möglichkeit des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit Gebrauch macht (vgl. BTDrucks 7/2175, S. 14). Mit dieser Zielsetzung findet die Frist eine verfassungsrechtliche Grundlage. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, daß der Gesetzgeber bei den Folgeregelungen, die aufgrund der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. für die während seiner Geltung Geborenen notwendig werden, die Interessen der betroffenen Familien, besonders das Vertrauen der Beteiligten und Dritter auf die bisherige Rechtslage, sowie das Bestreben, Schwierigkeiten mit den ausländischen Heimatstaaten zu vermeiden, angemessen berücksichtigt werden dürfen (vgl. BVerfGE, a.a.O., S. 263 f.).
Auch im übrigen mißt das Bundesverfassungsgericht dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit gerade auch bei Statusfragen ein erhebliches Gewicht zu (vgl. BVerfGE 90, 263 ≪271≫). Hier kann die – auch zeitliche – Einschränkung der Möglichkeiten, bestimmte Rechte wahrzunehmen, durch Setzung von Fristen im Interesse der Beteiligten und der Allgemeinheit liegen (vgl. BVerfGE 38, 241 ≪250 ff.≫; 90, 263 ≪271≫).
Hiernach erscheint die Befristung des durch Art. 3 RuStAÄndG 1974 eingeräumten Optionsrechts durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, den staatsangehörigkeitsrechtlichen Status der durch die verfassungswidrige Ungleichheit Betroffenen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu klären und damit einen Schwebezustand zu beenden, der andernfalls während der gesamten Lebenszeit der Betroffenen andauern würde.
b) Die in Art. 3 Abs. 6 RuStAÄndG 1974 vorgesehene Erklärungsfrist war mit drei Jahren so weiträumig bemessen, daß sie für den Normalfall den Betroffenen ausreichend Zeit ließ, auf die gesetzliche Regelung zu reagieren und sich über die Frage der Ausübung des Erklärungsrechts schlüssig zu werden. Soweit sich aus dieser Fristbestimmung gleichwohl Härten ergeben konnten, trug der Gesetzgeber dem dadurch Rechnung, daß unter den Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 7 RuStAÄndG 1974 eine Nachfrist eingeräumt wurde. Dabei ermöglicht die – weitgefaßte – Voraussetzung „… ohne sein Verschulden außerstande …” die Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen, wie es bei einer Kollision von Grundrechten und dem Grundsatz der Rechtssicherheit von Verfassungs wegen geboten ist. Damit ist es in jedem Einzelfall möglich, die Vorschrift unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen anzuwenden.
c) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat der Gesetzgeber auch nicht insoweit gegen Grundrechte verstoßen, als er die Ausübung des Erklärungsrechts dem Sorgeberechtigten zugewiesen hat, ohne Sicherungen vor dem Verlust des Optionsrechts minderjähriger Abkömmlinge vorzusehen, wie dies etwa bei der Entlassung eines Minderjährigen aus der Staatsangehörigkeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 RuStAG der Fall ist.
Entsprechende Erwägungen dazu, ob die Erklärungsfrist für die bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht volljährigen Kinder verlängert oder mit Erreichen der Volljährigkeit neu in Gang gesetzt werden sollte, hat der Gesetzgeber angestellt (vgl. BTDrucks 7/2175, S. 14 zu Abs. 7). Letztlich hielt er eine solche Regelung jedoch nicht für notwendig, weil die vorgesehene Vertretung durch die Eltern so umfassend sei, daß der Erwerb der Staatsangehörigkeit stets sichergestellt sei, wenn dies im Kindesinteresse liege. Der Gesetzgeber durfte auch in diesem Zusammenhang dem Interesse an der alsbaldigen Klärung der Statusfrage der Staatsangehörigkeit ein besonderes Gewicht beimessen.
Die Gleichstellung der betroffenen Abkömmlinge deutscher Mütter mit denen deutscher Väter erforderte nicht – wie die Beschwerdeführer meinen – eine Einschaltung des Vormundschaftsgerichts. Die in §§ 19, 26 Abs. 4 RuStAG geregelten Fallgruppen des Verlustes der Staatsbürgerschaft sind mit dem Fall des durch Art. 3
RuStAÄndG 1974 ermöglichten Erwerbs der Staatsbürgerschaft nicht vergleichbar. Es ist auch nicht ersichtlich, wie das Vormundschaftsgericht in Fällen tätig werden sollte, in denen die im Ausland lebenden Eltern des Kindes untätig bleiben. Für den Fall fehlender oder nicht ausreichender Vertretungsberechtigung der Eltern sieht Art. 3 Abs. 5 RuStAÄndG 1974 eine Einschaltung des Vormundschaftsgerichts ohnehin vor.
II.
Die Auslegung und Anwendung der – mit dem Grundgesetz vereinbaren – Regelung des Art. 3 Absätze 6 und 7 RuStAÄndG 1974 in den angegriffenen Entscheidungen läßt keinen verfassungsrechtlich relevanten Fehler erkennen.
1. Die Übergangsregelung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsänderungsgesetzes 1974 soll die verfassungswidrige Ungleichbehandlung nach § 4 RuStAG a.F. ausgleichen. Diesen Gesetzeszweck haben die Verwaltungsgerichte – ohne daß es dazu eines Rückgriffs auf Art. 16 Abs. 1 GG bedarf – bei der Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften zu beachten. Dabei müssen sie jedoch auch in Rechnung stellen, daß die gesetzlich angeordnete Befristung des Erklärungsrechts das Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch der Betroffenen auf Gleichbehandlung und dem Grundsatz der Rechtssicherheit auflösen soll.
Innerhalb dieses von der Verfassung vorgegebenen Rahmens ist die Auslegung einfachen Rechts und seiner Anwendung auf den einzelnen Fall Sache der dafür zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht weitgehend entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 85, 248 ≪257 f.≫).
2. Hiervon ausgehend sind die angegriffenen Entscheidungen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „ohne Verschulden” hat sich das Bundesverwaltungsgericht an den Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in den verschiedenen Verfahrensordnungen orientiert. Danach schließt Rechtsunkenntnis das Verschulden an einer Fristversäumung grundsätzlich nicht aus. Das ist verfassungsrechtlich bedenkenfrei. Die dem zugrundeliegende Auffassung, wer mit den einschlägigen Rechtsvorschriften nicht vertraut sei, habe sich zu erkundigen, verlangt dem Betroffenen nichts Unzumutbares ab. Sie wird auch dem Zweck der hier anzuwendenden Übergangsregelung gerecht.
Das Bundesverwaltungsgericht nimmt weiterhin an, ein Verschulden an der Fristversäumung scheide aus, wenn die Beteiligten auf die Rechtslage berechtigterweise vertraut hätten, insbesondere wenn sie weiter von der inzwischen überholten Rechtslage nach § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. hätten ausgehen dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt dabei auch, daß die Situation, in der sich ein Erklärungsberechtigter im Ausland befindet, Besonderheiten aufweist. Ferner geht es sachgerecht davon aus, daß die Ausgangslage bei einer Rechtsbehelfsfrist zumeist eine andere ist als bei einer kraft Gesetzes in Lauf gesetzten Frist. Es berücksichtigt, daß im letztgenannten Fall die Frist ohne einen individuellen Einzelakt gegenüber dem Betroffenen in Lauf gesetzt wird, so daß der Betroffene in solchen Fällen grundsätzlich keinen Anlaß hat, Erkundigungen über eine möglicherweise veränderte Rechtslage einzuholen.
Wenn das Bundesverwaltungsgericht letztlich zu der Auffassung gelangt ist, hier sei gleichwohl die Einholung von Erkundigungen zumutbar gewesen, so trägt dies nicht nur dem verfassungsrechtlichen Zweck der Übergangsregelung, sondern auch der Ausgangslage im konkreten Fall Rechnung. In verfassungsrechtlich nicht zu beanstandener Weise hebt es dabei auf den Umstand ab, daß die Betroffenen aus einer gemischt-nationalen Ehe mit einem deutschen Elternteil stammen. Bereits dies legt eine Initiative zur Klärung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse nahe und bietet hinreichend Anlaß, sich bei der Geburt des Kindes oder in angemessener Zeit danach über dessen Staatsangehörigkeit Gedanken zu machen und Rechtsauskünfte einzuholen. Hier hätte jedenfalls nach der Geburt des Beschwerdeführers zu 3., im Dezember 1974, ein solcher Anlaß bestanden. Zu diesem Zeitpunkt wären die Eltern der Beschwerdeführer bereits auf die veränderte Rechtslage hingewiesen worden. Dabei fällt auch ins Gewicht, daß die Beschwerdeführer sich zum fraglichen Zeitpunkt mit ihren Eltern in dem Nachbarland Schweiz aufgehalten haben, wo Informationsquellen in deutscher Sprache zur Verfügung stehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Sommer, Broß, Osterloh
Fundstellen
Haufe-Index 543537 |
NVwZ-RR 1999, 403 |