Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherungsmäßige Beitragspflichtigkeit von Versorgungsbezügen, die im Rahmen des Versorgungsausgleichs an den geschiedenen Ehepartner abgetreten sind
Verfahrensgang
BSG (Zwischenurteil vom 29.12.1994; Aktenzeichen 12 BK 63/94) |
Hessisches LSG (Zwischenurteil vom 11.04.1994; Aktenzeichen L-1/Kr-94/92) |
SG Gießen (Urteil vom 29.11.1991; Aktenzeichen S-9/Kr 4/91) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Diese Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob in der Krankenversicherung Versorgungsbezüge auch insoweit beitragspflichtig bleiben, als sie im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs an den geschiedenen Ehepartner abgetreten sind.
I.
Der Beschwerdeführer ist als Rentner krankenversichert. Neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht er eine Betriebsrente von seiner früheren Arbeitgeberin. Auf Grund einer Abtretung im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erhält er die Betriebsrente nur zum Teil; den anderen Teil bekommt seine geschiedene Ehefrau. Sein Begehren, die Betriebsrente nur insoweit zur Beitragsbemessung heranzuziehen, als er sie tatsächlich erhält, hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht nahm zur Begründung seines die Berufung zurückweisenden Beschlusses auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 21. Dezember 1993 (SozR 3-2500 § 237 Nr. 3) Bezug. Danach bleiben in der Krankenversicherung Versorgungsbezüge auch insoweit beitragspflichtig, als sie im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs an den geschiedenen Ehepartner abgetreten worden sind. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich wirke – so das Bundessozialgericht – trotz gewisser Elemente, die er mit den anderen („dinglichen”) Formen des Versorgungsausgleichs gemeinsam hat, nicht wie eine Übertragung des Stammrechts auf Versorgung. Entsprechend sei auch die Beitragspflicht nicht zu mindern oder aufzuspalten.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts wurde vom Bundessozialgericht als unzulässig verworfen. Mit seiner Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sämtliche in seiner Sache ergangenen Gerichtsentscheidungen angegriffen.
II.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor.
1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG rügt, fehlt es bereits an einer Begründung der Verfassungsbeschwerde, die den Anforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 93 BVerfGG genügt.
2. Soweit er sinngemäß auch eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG rügt, fehlt es zusätzlich an der Erschöpfung des Rechtswegs. Rechtsweg im Sinne von § 90 Abs. 2 BVerfGG ist jeder in der Rechtsvorschrift vorgesehene Instanzenzug, der als Rechtsweg ausgestaltet ist (vgl. BVerfGE 4, 193 ≪198 f.≫). Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gebietet es, daß der Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpft, um es gar nicht erst zu dem Verfassungsverstoß kommen zu lassen oder um die geschehene Grundrechtsverletzung zu beseitigen (vgl. BVerfGE 81, 97 ≪102≫). Der Rechtsweg ist so lange nicht erschöpft, als der Beschwerdeführer die Möglichkeit hat, im Verfahren vor den Gerichten des zuständigen Gerichtszweiges die Beseitigung des Hoheitsaktes zu erreichen, dessen Grundrechtswidrigkeit er geltend macht. Auch die Erhebung der Beschwerde wegen Nichtzulassung eines Rechtsmittels ist in diesem Sinne eine Möglichkeit, im Verfahren vor dem Gericht des zuständigen Gerichtszweiges die Beseitigung der behaupteten Grundrechtsverletzungen zu erreichen. Dementsprechend ist der Rechtsweg nicht erschöpft, wenn eine Nichtzulassungsbeschwerde statthaft und nicht offenbar aussichtslos ist (vgl. BVerfGE 16, 1; 28, 314 ≪319 f.≫; st. Rspr.). Der Rechtsweg ist auch dann nicht erschöpft, wenn ein Beschwerdeführer zwar von der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde Gebrauch gemacht hat, das Rechtsmittel aber aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (vgl. BVerfGE 1, 12 ≪13≫; 34, 204 ≪205≫).
Letzteres ist hier der Fall. Maßstab für die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig war § 160 a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz. Der Beschwerdeführer hat nicht behauptet oder dargetan, daß das Bundessozialgericht diese Vorschrift unzutreffend ausgelegt oder in einem Sinne angewandt hat, daß dies auch unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich der Schluß aufdrängt, daß die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 70, 93 ≪97≫).
Andererseits liegt der Fall auch nicht so, daß der Beschwerdeführer auf die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde zur Erschöpfung des Rechtsweges hätte von vornherein verzichten können, weil die Nichtzulassungsbeschwerde als aussichtslos hätte erscheinen müssen. Zwar wurden vom Bundessozialgericht im Urteil vom 21. Dezember 1993 auf Art. 3 Abs. 1 GG gestützte verfassungsrechtliche Bedenken gegen die unterschiedliche Beitragsbelastung des jeweils Ausgleichsverpflichteten beim schuldrechtlichen und dinglichen Versorgungsausgleich mit Hinweis auf materiell-rechtliche Unterschiede zwischen den genannten Ausgleichsarten verneint. Diese Ausführungen schließen es indessen nicht aus, daß das Bundessozialgericht bei entsprechendem Vorbringen zu einer Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gelangt wäre. Rechtliche Unterschiede zwischen dem schuldrechtlichen und dem dinglichen Versorgungsausgleich ändern nämlich nichts daran, daß sich der schuldrechtliche Versorgungsausgleich, solange und soweit er durchgeführt wird, auf die finanzielle Situation des verpflichteten Ehegatten faktisch nicht anders auswirkt als ein dinglicher Ausgleich. Der Beitragsbelastung auf Seiten des ausgleichsverpflichteten Ehegatten steht kein entsprechender Krankenversicherungsschutz auf der Seite des Ausgleichsberechtigten gegenüber, vielmehr hat dieser gegebenenfalls seinerseits nochmals Krankenversicherungsbeiträge aus den abgetretenen Versorgungsbezügen zu zahlen. Und schließlich kann nicht außer acht gelassen werden, daß sich aufgrund der Vorschriften über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ein Sonderrecht für Abtretungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs gebildet hat, das es möglicherweise erfordert, bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten Abtretungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs anders zu behandeln als die Abtretung, Pfändung oder Verpfändung sonstiger Geldforderungen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Söllner, Kühling, Jaeger
Fundstellen