Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsrechtliche Einordnung der Baulandumlegung
Leitsatz (amtlich)
Die Baulandumlegung nach den §§ 45 ff. BauGB ist eine verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
Beteiligte
Rechtsanwälte Walter Labbé und Koll. |
Verfahrensgang
BGH (Zwischenurteil vom 30.07.1997; Aktenzeichen III ZR 237/96) |
BGH (Zwischenurteil vom 26.06.1997; Aktenzeichen III ZR 152/96) |
OLG Nürnberg (Entscheidung vom 24.07.1996; Aktenzeichen 44 U 3240/95) |
OLG München (Urteil vom 18.04.1996; Aktenzeichen U 5/95 Bau) |
LG Ansbach (Entscheidung vom 25.07.1995; Aktenzeichen O 534/94 (Baul)) |
LG Augsburg (Urteil vom 26.05.1995; Aktenzeichen 1 BLO 2419/94) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden betreffen die verfassungsrechtliche Einordnung der Baulandumlegung.
I.
1. Eine dem Bebauungsplan oder der tatsächlichen baulichen Nutzung in der näheren Umgebung entsprechende Bebauung und Erschließung setzt nicht selten eine Änderung des Zuschnitts der betroffenen Grundstücke voraus. Das ist die Aufgabe der städtebaulichen Umlegung. § 45 Abs. 1 Satz 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 6 Abs. 29 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz) vom 27. Dezember 1993 (BGBl I S. 2378) umschreibt ihren Zweck wie folgt:
Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans (§ 30) und innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34) können zur Erschließung oder Neugestaltung bestimmter Gebiete bebaute und unbebaute Grundstücke durch Umlegung in der Weise neu geordnet werden, daß nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen.
Eine Umlegung kann gemäß § 46 Abs. 1 BauGB im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nur angeordnet und durchgeführt werden, wenn und sobald sie zu seiner Verwirklichung erforderlich ist. Sind die Grundstückseigentümer bereit und in der Lage, eine dem Bebauungsplan entsprechende Grundstücksneuordnung herbeizuführen, bedarf es nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte einer solchen Umlegung nicht (vgl. BGHZ 100, 148 ≪151≫). Die Umlegung wird durch einen Beschluss eingeleitet, in dem das Umlegungsgebiet zu bezeichnen ist und die darin gelegenen Grundstücke einzeln aufzuführen sind (§ 47 BauGB). Die im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücke werden gemäß § 55 Abs. 1 BauGB nach ihrer Fläche rechnerisch zur so genannten Umlegungsmasse vereinigt. Aus dieser werden gemäß § 55 Abs. 2 BauGB die Flächen vorweg ausgeschieden und der Gemeinde oder dem sonstigen Erschließungsträger zugeteilt, die nach dem Bebauungsplan innerhalb des Umlegungsgebiets als örtliche Verkehrsflächen und überwiegend den Bedürfnissen der Bewohner des Umlegungsgebiets dienende Flächen festgesetzt sind. Die nach Abzug dieser Flächen verbleibende Masse stellt die Verteilungsmasse dar (§ 55 Abs. 4 BauGB). Der Anteil der einzelnen Grundeigentümer an der Verteilungsmasse, der so genannte Sollanspruch, errechnet sich aus dem Verhältnis, in dem die früheren Grundstücke vor der Umlegung nach ihrer Fläche oder nach ihrem Verkehrswert zueinander gestanden haben (§ 56 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Aus der Verteilungsmasse sind den Eigentümern dem Umlegungszweck entsprechend nach Möglichkeit Grundstücke in gleicher oder gleichwertiger Lage wie die eingeworfenen Grundstücke entsprechend dem jeweiligen Sollanspruch zuzuteilen (§ 59 Abs. 1 BauGB). Soweit der Sollanspruch bei der tatsächlichen Zuteilung nicht exakt erfüllt werden kann, findet ein Ausgleich in Geld statt (§ 59 Abs. 2 Satz 1 BauGB).
Das Umlegungsverfahren endet mit dem von der Umlegungsstelle nach Erörterung mit den Eigentümern durch Beschluss aufzustellenden Umlegungsplan (§ 66 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Der Bebauungsplan muss spätestens vor diesem Beschluss in Kraft getreten sein (§ 45 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Aus dem Umlegungsplan muss der in Aussicht genommene Neuzustand mit allen tatsächlichen und rechtlichen Änderungen hervorgehen, die die im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücke erfahren (§ 66 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Mit der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans wird der bisherige Rechtszustand durch den im Umlegungsplan vorgesehenen neuen Rechtszustand ersetzt (§ 72 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die zugeteilten Grundstücke treten gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinsichtlich der Rechte an den alten Grundstücken und der diese Grundstücke betreffenden Rechtsverhältnisse, die nicht aufgehoben werden, an die Stelle der alten Grundstücke.
Die Eigentümer sind auch nach dem Umlegungsrecht nicht verpflichtet, die ihnen zugeteilten Grundstücke tatsächlich entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu nutzen. Ein Baugebot kann gemäß § 59 Abs. 7 BauGB mit der Zuteilung des Grundstücks nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 176 BauGB angeordnet werden.
2. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer von Grundstücken, die in den durch Umlegungsbeschlüsse gemäß § 47 BauGB festgelegten Umlegungsgebieten belegen sind. In den Ausgangsverfahren haben sie die Aufhebung der Umlegungsbeschlüsse beantragt. In beiden Verfahren geht es um eine Erschließungsumlegung im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BauGB; bisher landwirtschaftlich genutzte Gebiete sollen erschlossen und künftig zu Wohnzwecken genutzt werden. Die Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1512/97 haben außerdem Grundstücke außerhalb des Umlegungsgebiets, die im Bebauungsplan als „Dauerkleingärten” ausgewiesen sind. Für den Fall, dass der Umlegungsbeschluss Bestand hat, begehren sie die Einbeziehung dieser Grundstücke in das Umlegungsverfahren.
3. Die dem Verfahren 1 BvR 1512/97 zu Grunde liegende Klage der Beschwerdeführer blieb in allen Instanzen erfolglos.
a) Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beschwerdeführer zurück. Die Umlegung sei Inhaltsbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Abgrenzung des Umlegungsgebiets sei nicht zu beanstanden, insbesondere verstoße die Nichteinbeziehung der für Dauerkleingärten vorgesehenen Teilflächen in das Umlegungsgebiet nicht gegen den Gleichheitssatz.
b) Der Bundesgerichtshof nahm die Revision wegen fehlender grundsätzlicher Bedeutung und mangels Erfolgsaussicht nicht an. Zur Begründung bezog er sich auf seine bisherige Rechtsprechung (BGHZ 111, 52 ≪56≫; 113, 139 ≪143≫). Das Baugesetzbuch regele die Umlegung als Inhaltsbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und nicht als Enteignung. Für die Enteignung sei unter anderem kennzeichnend, dass der Enteignungsunternehmer ein dem Enteigneten gegenüber fremdes, selbstständiges Interesse durchsetze. Die Umlegung hingegen diene, indem sie die plangerechte, zweckmäßige Nutzung der Grundstücke ermögliche, zwar den Interessen der Allgemeinheit an der Nutzung des Bodens, zugleich aber auch den insoweit gleichgerichteten Interessen der Eigentümer. In diesem Sinne sei die Umlegung durch ihre Privatnützigkeit gekennzeichnet, während die Enteignung eine im Fremdinteresse liegende Maßnahme darstelle. Aus dem Boxberg-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 74, 264) ließen sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG keine durchgreifenden Bedenken gegen die Gültigkeit der gesetzlichen Bestimmungen über das Umlegungsverfahren herleiten. Zudem beruhe das Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch auf dem Surrogationsprinzip, kraft dessen das Eigentum an dem alten Grundstück nicht untergehe, sondern lediglich dem Eigentumsrecht an dem früheren Grundstück ein neues, „verwandeltes” Objekt „untergeschoben” werde, an dem sich die früheren Eigentumsverhältnisse ungebrochen fortsetzten. Die Nichteinbeziehung der als Dauerkleingartengebiet vorgesehenen Flächen sei nicht zu beanstanden.
4. Die dem Verfahren 1 BvR 1677/97 zu Grunde liegende Klage der Beschwerdeführer hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beschwerdeführer zurück. Die Umlegung nach den §§ 45 ff. BauGB sei keine Enteignung, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Der Bundesgerichtshof nahm die Revision ohne weitere Begründung wegen fehlender grundsätzlicher Bedeutung und mangels Erfolgsaussicht nicht an.
II.
Die Beschwerdeführer wenden sich in beiden Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die Umlegungsbeschlüsse und die diese bestätigenden Entscheidungen. Sie rügen die Verletzung des Art. 14 GG sowie – im Verfahren 1 BvR 1512/97 – des Art. 3 Abs. 1 GG und – im Verfahren 1 BvR 1677/97 – des Art. 103 Abs. 1 GG.
1. Die Baulandumlegung sei eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG. Ihnen werde das konkrete Grundstückseigentum gegen ihren Willen entzogen. Am zwangsweisen Entzug der bisherigen Grundstücke ändere die Zuteilung eines anderen Grundstücks nichts. Auch der Wert des zugeteilten Grundstücks sei für die rechtliche Einordnung der Baulandumlegung unerheblich. Die Verfassung schütze den Eigentümer, der sein konkretes Grundstückseigentum behalten wolle. Die Enteignung werde daher auch dann nicht zur Inhaltsbestimmung, wenn das Bestandsinteresse gering sein sollte. Die Eingriffsintensität spiele allein bei der Frage der Zulässigkeit der Enteignung eine Rolle. Der Grundstücksentzug im Rahmen der Umlegung könne auch nicht mit der Privatnützigkeit der Maßnahme gerechtfertigt werden. Hinter dieser Argumentation stehe der Gedanke, ein Eigentümer dürfe zu einer wirtschaftlich vorteilhaften Verwendung seines Eigentums auch gegen seinen Willen gezwungen werden. Es gehöre jedoch gerade zur verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit des Eigentümers, selbst über die Verwendung und Veräußerung seines Eigentums entscheiden zu können. Diese Freiheit dürfe ihm nur genommen werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies erfordere.
Die Vorschriften über die Baulandumlegung seien mit Art. 14 Abs. 3 GG nicht vereinbar. Zum einen sei der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Enteignung (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG) nicht gewahrt. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass es sich bei der Baulandumlegung um eine Inhaltsbestimmung des Eigentums handele. Es fehle daher die verfassungsrechtlich gebotene
Entscheidung des Gesetzgebers darüber, ob und gegebenenfalls für welche Gemeinwohlzwecke er den Zugriff auf das konkrete Eigentum zulassen wolle. Zum anderen sei Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt. Der Zweck der Umlegung gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 BauGB, nach Lage, Form und Größe für die bauliche Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen zu lassen, stelle keinen dringenden Gemeinwohlbelang dar, der eine Enteignung rechtfertigen könnte.
2. Die Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1512/97 machen zudem geltend, es sei willkürlich, die Kleingartenflächen, die auch einige ihrer Grundstücke umfassten, aus dem Umlegungsgebiet auszuklammern.
Die Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1677/97 sehen die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG in der nach ihrer Ansicht unzureichenden Begründung des Nichtannahmebeschlusses des Bundesgerichtshofs.
III.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen für die Bundesregierung, das Bayerische Staatsministerium des Innern für die Bayerische Staatsregierung, das Bundesverwaltungsgericht und der Deutsche Städtetag, zu der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1512/97 außerdem die Stadt Augsburg als Beteiligte des Ausgangsverfahrens Stellung genommen. Sie halten die Umlegung insbesondere im Hinblick auf ihre privatnützige Zielrichtung für eine zulässige
Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Lediglich einige Mitglieder des 4. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts sehen in der Umlegung eine Enteignung, weil der Grundstückseigentümer das bislang eigene Grundstück verliert.
Die Stadt Augsburg führt darüber hinaus aus, die Nichteinbeziehung der Kleingartenflächen in das Umlegungsgebiet stelle keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, weil diese Flächen nicht als Ausgleichsflächen für die geplante intensive Bebauung im Umlegungsgebiet dienten. Der Deutsche Städtetag weist zur Frage der Bedeutung der Baulandumlegung darauf hin, dass es sich bei dieser um ein häufig angewandtes und allgemein akzeptiertes Verfahren zur Bereitstellung von Bauland handele.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
1. Der Rüge der Verletzung des Art. 14 GG steht nicht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Für die Beschwerdeführer besteht keine anderweitige Möglichkeit, den geltend gemachten Grundrechtsverstoß ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts zu beseitigen (vgl. BVerfGE 93, 165 ≪171≫). Nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung enthält der Umlegungsbeschluss die nach außen rechtsverbindliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Umlegung als Ganzes, soweit dies unabhängig von der Einzelausgestaltung des Umlegungsgebiets durch den
Umlegungsplan beurteilt werden kann (vgl. BGH, DVBl 1984, S. 337 ≪338≫; BGH, DVBl 1987, S. 898 ≪899≫; BGHZ 113, 139 ≪144≫). Danach können die Beschwerdeführer ihre auf den Umlegungsbeschluss bezogenen Rügen später nicht mehr erfolgreich zum Gegenstand einer Klage gegen den Umlegungsplan machen.
2. Unzulässig ist allerdings die im Verfahren 1 BvR 1512/97 erhobene Rüge der Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Angriffe der Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Behandlung des Kleingartengeländes genügen nicht dem gesetzlichen Begründungserfordernis des § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz und des § 92 BVerfGG.
3. Soweit die Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1677/97 einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs rügen, haben sie die Möglichkeit einer Verletzung dieser Norm nicht dargelegt. Der Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG umfasst nicht einen Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf eine mit Gründen versehene letztinstanzliche Entscheidung.
C.
Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen und die ihnen zu Grunde liegenden Vorschriften über die Baulandumlegung sind mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG vereinbar.
I.
Die verfassungsrechtliche Prüfung dieser Vorschriften wird durch den Umfang der eigentumsrechtlichen Wirkung der angegriffenen Umlegungsbeschlüsse begrenzt. Diese betreffen die Einleitung einer Baulandumlegung im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Es geht danach allein um die Verfassungsmäßigkeit der dem Vollzug eines Bebauungsplans dienenden Erschließungsumlegung nach ihren allgemeinen Voraussetzungen und nach ihrer Zielrichtung. Hierzu gehört es, die Grundstücke so zuzuschneiden, dass die einzelnen am Umlegungsverfahren beteiligten Eigentümer Bauland nach Maßgabe der früheren Eigentumsverhältnisse erhalten können, und Flächen für die notwendige Erschließung des Baugebiets bereitzustellen (vgl. §§ 45, 46, 55 Abs. 2 BauGB). Die Verfassungsbeschwerden betreffen nicht Regelungen, die erst im weiteren Verlauf des Umlegungsverfahrens Einzelmaßnahmen ermöglichen.
II.
1. Die angegriffenen Entscheidungen und die ihnen zu Grunde liegenden Vorschriften über die Baulandumlegung berühren den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
a) Der Eigentumsgarantie kommt im Gefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentum ist durch
Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet. Es soll dem Eigentümer als Grundlage privater Initiative in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein und genießt einen besonders ausgeprägten Schutz, soweit es um die Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen geht (vgl. BVerfGE 102, 1 ≪15≫; stRspr).
Die Baulandumlegung schränkt die verfassungsrechtlich gewährleistete Verfügungsfreiheit des Eigentümers ein. Der Staat nimmt den Eigentümern vorübergehend die Verfahrensherrschaft, wenn diese die Bebaubarkeit der Grundstücke über privatautonome Regelungen einer Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nicht erreichen. Die mit einem teilweisen oder gänzlichen Verlust des bisherigen konkreten Grundstücks und der Neuzuteilung verbundene Änderung der Eigentumsverhältnisse kann notfalls auch gegen den Willen einzelner Eigentümer erfolgen. Durch die Regelungen zur Baulandumlegung schafft der Gesetzgeber die Grundlage für Entzug und Zuweisung konkreter Eigentumsgegenstände und schränkt damit zugleich die von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung ein.
b) Dem steht nicht entgegen, dass die angegriffenen Umlegungsbeschlüsse die Eigentumslage noch unverändert lassen und keine Aussage zur konkreten Inanspruchnahme einzelner Grundstücke treffen. Denn sie bestimmen bereits abschließend und
für das weitere Verfahren verbindlich das Umlegungsgebiet und damit die Grundstücke, die für eine Neuordnung in Frage kommen; außerdem bewirken sie gemäß § 51 BauGB eine Verfügungs- und Veräußerungssperre.
2. Die Baulandumlegung, deren verfassungsrechtliche Einordnung das Bundesverfassungsgericht bisher ausdrücklich offen gelassen hat (vgl. BVerfGE 74, 264 ≪279≫), ist keine Enteignung, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Sie ist daher anhand von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und nicht nach Art. 14 Abs. 3 GG zu beurteilen.
a) Mit der Enteignung greift der Staat auf das Eigentum des Einzelnen zu. Sie ist auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪259≫; 102, 1 ≪15 f.≫; stRspr). Die Enteignung setzt den Entzug konkreter Rechtspositionen voraus, aber nicht jeder Entzug ist eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG. Diese ist beschränkt auf solche Fälle, in denen Güter hoheitlich beschafft werden, mit denen ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll (vgl. BVerfGE 38, 175 ≪179 f.≫). Ist mit dem Entzug bestehender Rechtspositionen der Ausgleich privater Interessen beabsichtigt, kann es sich nur um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums handeln (vgl. dazu BVerfGE 101, 239 ≪259≫).
b) Die Baulandumlegung ist danach eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und nicht eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG. Zwar erfolgt die Umlegung im Rahmen eines auch öffentlichen Interessen dienenden städtebaulichen Konzepts. Die Exekutive wird aber durch die §§ 45 ff. BauGB nicht ermächtigt, den Eigentümern ihre Grundstücke zu entziehen, um sie für ein konkretes, dem Wohl der Allgemeinheit dienendes Vorhaben einzusetzen. Das Instrument der Baulandumlegung ist in erster Linie auf den Ausgleich der privaten Interessen der Eigentümer gerichtet. Es soll diesen die bauliche Nutzung ihrer Grundstücke auch in den Fällen ermöglichen, in denen diese sich nicht selbst auf die hierzu notwendige Neuordnung ihrer Eigentumsrechte einigen. Bestandteil dieser Neuordnung ist auch der in § 55 Abs. 2 BauGB vorgesehene Flächenabzug für die in dem Bebauungsplan festgesetzten örtlichen Verkehrsflächen und Flächen für sonstige Anlagen, die überwiegend den Bewohnern des Umlegungsgebiets zugute kommen. Denn die Erschließung ist unabdingbare Voraussetzung für eine Bebaubarkeit des Gebiets und damit der einzelnen, den Eigentümern zugeteilten Grundstücke (vgl. BVerwGE 12, 1 ff.; BGHZ 89, 353 ≪357 f.≫). Auch sie dient dem privaten Interessenausgleich.
Der die Umlegung einleitende Umlegungsbeschluss stellt danach keine Enteignung dar, sondern aktualisiert die gesetzlich in den §§ 45 ff. BauGB vorgesehene Möglichkeit, die Grundstücke im Umlegungsgebiet zum Zweck ihrer plangerechten Nutzung im konkreten Fall neu zu ordnen.
3. Der Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmende Gesetzgeber genießt keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit. Vielmehr muss er bei der Verwirklichung seines Regelungsauftrags die Anerkennung des Privateigentums in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG beachten und sich im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten. Er ist, wenn er von der Ermächtigung zur Inhalts- und Schrankenbestimmung Gebrauch macht, insbesondere verpflichtet, die Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit der verfassungsrechtlichen Vorstellung eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪259≫; stRspr).
Die Vorschriften der §§ 45 ff. BauGB über die Baulandumlegung enthalten, soweit für die vorliegenden Verfahren von Bedeutung, eine zulässige Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
a) Sie dienen dem legitimen Regelungsziel, die Neuordnung der Grundstücke zum Zweck ihrer plangerechten baulichen Nutzung zu ermöglichen (vgl. BTDrucks III/336, S. 73 f.).
aa) Zum Inhalt des Grundeigentums gehört auch die Befugnis des Eigentümers, sein Grundstück im Rahmen der Gesetze baulich zu nutzen (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪276≫). Die bauliche Nutzung vermittelt dem Eigentümer in besonderer Weise einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich und ermöglicht damit eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung. Der Bebauungsplan setzt die zulässige bauliche Nutzung grundsätzlich unabhängig von den vorgegebenen Grundstücksgrenzen fest. Die durch ihn begründeten Baurechte können möglicherweise ohne eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nicht verwirklicht werden. Die Bebaubarkeit des einzelnen Grundstücks hängt dann davon ab, dass in dem betroffenen Gebiet die Eigentumsverhältnisse neu geordnet werden, da sonst das Baugebiet nicht erschlossen werden kann und die Grundstücke für die bauliche Nutzung nicht zweckmäßig zugeschnitten sind. Können sich die Eigentümer nicht auf eine privatautonome Regelung einigen, führt das zur Nichtbebaubarkeit von Flächen. Die besondere Verbundenheit und gegenseitige Abhängigkeit der Eigentumsrechte hat der Gesetzgeber zum Anlass genommen, Regelungen für eine hoheitliche Neuordnung der Eigentumsverhältnisse zu schaffen, die den Eigentümern die bauliche Nutzung ihrer Grundstücke ermöglicht.
bb) Die Neuordnung der Grundstücke mit dem Ziel, deren plangerechte und zweckmäßige bauliche Nutzung zu ermöglichen, liegt zugleich im öffentlichen Interesse. Das Grundeigentum ist im Hinblick auf seine funktionsgerechte Nutzung gemäß Art. 14 Abs. 2 GG besonderen Bindungen unterworfen. Die Unvermehrbarkeit von Grund und Boden verbietet es, seine Nutzung dem freien Spiel der Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen (vgl. BVerfGE 21, 73 ≪82 f.≫). Die Verfassung erlaubt dem Gesetzgeber, die Interessen der Allgemeinheit bei Fragen der Bodenordnung in stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. Das von den bauplanerischen Festsetzungen erfasste Grundstückseigentum weist einen gesteigerten Sozialbezug auf. Bei der Ausweisung von Bauland ist eine Vielzahl städtebaulicher Belange zu berücksichtigen. Die gemeindliche Bauleitplanung ist insbesondere einer dem Wohl der Allgemeinheit entsprechenden sozialgerechten Bodennutzung verpflichtet (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB). An der Verwirklichung der Festsetzungen des Bebauungsplans besteht daher ein öffentliches Interesse.
b) Die Vorschriften über die Baulandumlegung schaffen auch einen angemessenen, die Belange der betroffenen Grundstückseigentümer hinreichend berücksichtigenden Interessenausgleich. Kommt es – mangels einer einvernehmlichen Lösung (vgl. BGHZ 100, 148 ≪151≫) – zu einer hoheitlichen Baulandumlegung, können die Eigentümer zwar ihre bisherigen Grundstücke ganz oder teilweise verlieren. Sie müssen zudem einen Flächenabzug für die zur Erschließung des Baugebiets notwendigen Anlagen hinnehmen (§ 55 Abs. 2 BauGB). Diese mit der Baulandumlegung verbundenen Belastungen stehen aber in angemessenem Verhältnis zu den mit der Umlegung verbundenen Vorteilen. Alle Eigentümer haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, § 59 Abs. 1 BauGB grundsätzlich Anspruch auf Zuteilung von Bauland im Verhältnis der Flächen oder Werte, in dem die früheren Grundstücke vor der Umlegung zueinander gestanden haben. Eine unangemessene Belastung einzelner Eigentümer wird vermieden (vgl. BVerfGE 100, 226 ≪245≫), denn sie erhalten für den Verlust ihrer Grundstücke wiederum Grundeigentum, das wertgleich sein soll (vgl. § 57 Satz 2, § 58 Abs. 2 BauGB), in der Regel jedoch wertvoller sein wird als die in das Umlegungsverfahren eingebrachten Grundstücke. Der Gesetzgeber hat auch Sorge dafür getragen, dass ein schutzwürdiges Interesse einzelner Eigentümer an der Beibehaltung des Grundstückszuschnitts und der bisherigen Nutzung Berücksichtigung finden kann. Über ein solches Interesse ist bereits bei der Aufstellung des Bebauungsplans zu entscheiden, der die bauliche Nutzung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB als Ergebnis eines gerechten Ausgleichs gegenläufiger privater und öffentlicher Belange festsetzt und der gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 BauGB spätestens vor dem Beschluss über die Aufstellung des Umlegungsplans in Kraft getreten sein muss (vgl. BGHZ 67, 320 ≪328≫). Es entspricht im Übrigen den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, dass bei allen im Umlegungsverfahren zu treffenden Ermessensentscheidungen, die auf die Belastung von Eigentümerrechten gerichtet sind oder diese im Ergebnis bewirken, die Interessen der betroffenen Eigentümer im Verhältnis untereinander und im Verhältnis zu den mit der Umlegung verfolgten öffentlichen Interessen zu einem fairen Ausgleich gebracht werden (vgl. etwa § 56 Abs. 1 Satz 2 BauGB).
4. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Gerichte bei Anwendung des Umlegungsrechts in den Ausgangsverfahren Bedeutung und Tragweite des Art. 14 Abs. 1 GG verkannt haben (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫).
Unterschriften
Papier, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 635228 |
BayVBl. 2002, 112 |
GV/RP 2001, 686 |
GV/RP 2002, 204 |
FSt 2002, 481 |
GuG 2001, 302 |
GuG 2001, 372 |
JURAtelegramm 2002, 35 |