Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die einstweilige Anordnung vom 30. September 2004, zuletzt verlängert mit Beschluss vom 7. März 2006, ist damit gegenstandslos
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein in einem Rechtsstreit nach dem Vermögensgesetz ergangenes Revisionsurteil des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 120, 246).
1. Die Beschwerdeführerin wandte sich in dem Rechtsstreit dagegen, dass dem Beigeladenen, ihrem 1976 von ihr geschiedenen früheren Ehemann, ein im Beitrittsgebiet belegenes, mit einem Wochenendhaus bebautes Grundstück restituiert worden war. Das Grundstück gehörte nach dem Tod des früheren Eigentümers zunächst einer Erbengemeinschaft, der der Beigeladene angehörte. Nachdem dieser 1977 die Deutsche Demokratische Republik ohne Beachtung der polizeilichen Meldevorschriften verlassen hatte, nahm die Beschwerdeführerin das bis dahin gemeinsam genutzte Grundstück für sich in Alleingebrauch.
1978 wurde der Rat der Gemeinde für den Grundstücksanteil des Beigeladenen zum Treuhänder bestellt. 1979 veräußerte dieser das Grundstück an den Rat des Kreises zu Eigentum des Volkes. 1980 wurde die Überführung in Volkseigentum in einem Schreiben des Rats des Kreises “annulliert”; eine Eintragung im Grundbuch über die Annullierung findet sich jedoch nicht. Aufgrund eines im September 1980 geschlossenen Kaufvertrags wurde 1981 die Beschwerdeführerin als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen.
1994 ordnete der Beklagte des Ausgangsverfahrens die Rückübertragung des Grundstücks an den Beigeladenen an, der 2002 alleiniger Inhaber aller das Grundstück betreffenden vermögensrechtlichen Ansprüche wurde. Das Verwaltungsgericht gab der dagegen gerichteten Klage der Beschwerdeführerin statt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage hingegen mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen, weil die Beschwerdeführerin beim Erwerb des Grundstücks nicht im Sinne des § 4 Abs. 2 des Vermögensgesetzes (VermG) redlich und der Beigeladene daher im maßgeblichen Zeitpunkt Berechtigter gewesen sei.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG. Sie hält insbesondere die Würdigung der Tatsachenbasis durch das Bundesverwaltungsgericht für willkürlich und wendet sich gegen die Annahme, dass sie beim Grundstückserwerb unredlich gewesen sei.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Sicherung des Anspruchs der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 30. September 2004 eine einstweilige Anordnung erlassen.
4. Zu der Verfassungsbeschwerde haben der 7. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts und die weiteren Beteiligten des Ausgangsverfahrens Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Verfassungsrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
1. Das angegriffene Urteil verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot.
a) Willkürlich ist ein Richterspruch nur, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Auslegung und Anwendung eines Gesetzes allein machen eine Gerichtsentscheidung noch nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird. Davon kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinander setzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪13 f.≫).
b) Danach hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden, ob der Rechtsstreit im Ausgangsverfahren auch anders hätte entschieden werden können. Die vom Bundesverwaltungsgericht für seine Entscheidung angeführte – eingehende – Begründung ist jedenfalls nachvollziehbar und lässt sachfremde Erwägungen nicht erkennen. Deshalb kann Willkür bei der Entscheidungsfindung des Gerichts nicht angenommen werden.
Anhaltspunkte dafür, dass die Tatsachenbasis in der angegriffenen Entscheidung willkürlich gewürdigt worden sein könnte, sind nicht ersichtlich. Das Gericht hat aufgrund der auch vom Bundesverfassungsgericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Akten des Ausgangsverfahrens davon ausgehen können, dass das gesamte von der Beschwerdeführerin beanspruchte Grundstück im September 1980 beim Abschluss des Kaufvertrags mit der Beschwerdeführerin Volkseigentum war. Denn nach dem Versterben der Mutter des im Ausgangsverfahren Beigeladenen war deren Anteil an der Erbengemeinschaft kraft gewillkürter Erbfolge dem Beigeladenen zugefallen. Auch lässt sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen, dass die Eintragung von Volkseigentum im Grundbuch im September 1980 nicht mehr bestand, so dass die diesbezügliche Wertung des Bundesverwaltungsgerichts die Grenze zur Willkür nicht überschreitet.
Auf dieser Grundlage hat das Gericht im Rahmen einer grammatischen und systematischen Auslegung der maßgeblichen Vorschriften den Restitutionsausschlussgrund des § 4 Abs. 2 VermG deshalb verneint, weil es angenommen hat, dass auf Seiten der Beschwerdeführerin die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Unredlichkeit im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchstabe a VermG vorgelegen haben. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht in subjektiver Hinsicht darauf abgestellt, dass die Beschwerdeführerin den objektiven Rechtsverstoß, die Unzulässigkeit der Veräußerung von Volkseigentum in Privateigentum, hätte kennen müssen. Im Einzelnen hat es dies mit der Ungewöhnlichkeit des gesamten Erwerbsvorgangs, mit dem Inhalt eines Aktenvermerks, nach dem die Beschwerdeführerin auf das Vorliegen von Volkseigentum und damit auf das Fehlen der Veräußerbarkeit des Grundstücks hingewiesen worden sei, mit einer Einlassung der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und mit dem Bildungsstand der Beschwerdeführerin begründet, die am Institut für Theorie, Geschichte und Organisation der Wissenschaften der Akademie der Wissenschaften der Deutschen Demokratischen Republik als wissenschaftlich-technische Assistentin beschäftigt gewesen war. Das mag auch anders beurteilt werden können (vgl. Schmidt, NJ 2004, S. 570 f.). Als willkürlich kann die Würdigung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht angesehen werden, weil sich dieses eingehend mit der Rechtslage in der Deutschen Demokratischen Republik und den Einzelumständen des vorliegenden Falles auseinander gesetzt hat und seine dazu vertretene Auffassung rechtlich zumindest als vertretbar, also nicht krass fehlerhaft erscheint.
2. Auch Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Zwar wird der Schutzbereich der Eigentumsgarantie durch § 4 Abs. 2 VermG berührt (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪258 f.≫), um dessen Anwendung es im Ausgangsverfahren gegangen ist. Bei dieser Regelung, die hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Redlichkeit des Eigentumserwerbs durch § 4 Abs. 3 Buchstabe a VermG konkretisiert wird, handelt es sich aber um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die verfassungsrechtlich keinen Bedenken begegnet (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪258 ff.≫). Ob im Einzelfall die Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 Buchstabe a VermG vorliegen, haben die Fachgerichte zu beurteilen. Die Schwelle eines Verstoßes gegen das Eigentumsgrundrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist erst erreicht, wenn die Auslegung der Gerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 79, 292 ≪303≫; 89, 1 ≪9 f.≫). Solche Fehler lassen sich hier nach dem vorstehend unter II 1 b Ausgeführten nicht feststellen.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
III.
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung wird die einstweilige Anordnung vom 30. September 2004, zuletzt verlängert mit Beschluss vom 7. März 2006, gegenstandslos. Damit entfällt die Grundlage für das im Grundbuch eingetragene vorläufige Verfügungsverbot.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Haas, Bryde, Eichberger
Fundstellen
Haufe-Index 1548653 |
WM 2006, 1790 |
LKV 2007, 25 |