Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 30.11.2011; Aktenzeichen 1 Ws 1046/11) |
Tenor
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 30. November 2011 – 1 Ws 1046/11 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.
Er wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Prüfung der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung.
I.
1. Eine Jugendkammer des Landgerichts Landshut verurteilte den Beschwerdeführer am 9. Dezember 1992 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit homosexuellen Handlungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und ordnete seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der wegen einschlägiger Delikte aus den Jahren 1973 und 1981 bereits vorbestrafte Beschwerdeführer hatte sich drei ihm recht gut bekannten Jungen im Alter von sechs bis zehn Jahren – zumeist gegen kleine Geldgeschenke – mehrfach sexuell genähert und ihnen insbesondere mehrfach an das auf Aufforderung entblößte Geschlechtsteil gefasst sowie in einem Fall das Geschlechtsteil auch in den Mund genommen. Das Urteil wurde am 17. Dezember 1992 rechtskräftig. Die Maßregel wurde im Anschluss daran bis zum 27. Oktober 2011 vollstreckt. Zuvor befand sich der Beschwerdeführer zwischen dem 14. Juni 1992 und dem 16. Dezember 1992 sechs Monate in Untersuchungshaft.
2. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2010 setzte das Landgericht Deggendorf die weitere Vollstreckung der Unterbringung des Beschwerdeführers nicht zur Bewährung aus, weil – trotz guter formaler Anpassung und regelmäßiger Inanspruchnahme von Vollzugslockerungen – noch nicht zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine weiteren rechtswidrigen Taten mehr begehen werde (§ 67d Abs. 2 StGB). Die Voraussetzungen für eine Erledigterklärung der Maßregel nach § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB seien auch nicht gegeben, da der weitere Vollzug der Maßregel verhältnismäßig sei.
3. Mit Beschluss vom 21. Oktober 2011 erklärte das Landgericht Deggendorf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt. Die Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Landshut vom 9. Dezember 1992 habe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können, weil nicht zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde (§ 67d Abs. 2 Satz 1 StGB). Insbesondere sei der soziale Empfangsraum noch nicht ausreichend vorbereitet. Dazu hätten auch begleitete Tagesurlaube nicht beigetragen. Die psychische Störung, die zur Unterbringung geführt habe, bestehe unverändert fort. Angesichts der negativen Sozialprognose komme auch eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nicht in Betracht. Jedoch sei die Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB für erledigt zu erklären, da die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig sei. Zwar sei der Beschwerdeführer einschlägig vorbestraft und die Legalprognose insgesamt ungünstig. Die Unterbringung dauere aber unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu lange an. Der Beschwerdeführer befinde sich seit fast 19 Jahren ununterbrochen im Maßregelvollzug.
4. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin am 27. Oktober 2011 aus der Maßregelvollzugseinrichtung entlassen und einer Justizvollzugsanstalt zugeführt, wo er seitdem den Strafrest von 243 Tagen aus der mit dem Urteil vom 9. Dezember 1992 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verbüßt. Das Strafende ist für den 25. Juni 2012 vorgemerkt.
5. Die gegen die Versagung der Reststrafenaussetzung zur Bewährung gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht München mit angegriffenem Beschluss vom 30. November 2011 als unbegründet. In der Beschwerdeschrift werde die von der Strafvollstreckungskammer angenommene negative Legalprognose nicht ernsthaft in Zweifel gezogen, vielmehr werde das Rechtsmittel mit der fehlenden Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Strafvollstreckung nach 19 Jahren andauerndem Maßregelvollzug begründet. Dem vermöge der Senat aber nicht zu folgen. Auch der Verweis auf § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB verfange nicht, da dieser für die Bewährungsaussetzung einer Reststrafe nach Maßregelvollzug auf § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StGB verweise, wonach maßgebend für die Entscheidung über eine bedingte Entlassung sei, ob sie unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden könne. Für eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Strafvollstreckung bei negativer Legalprognose sei nach dem Gesetzeswortlaut kein Raum.
Entscheidungsgründe
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Bei einer Entscheidung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB seien Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen. Entweder sei die Norm wegen Fehlens einer diesbezüglichen Regelung verfassungswidrig, oder aber sie sei dahingehend verfassungskonform auszulegen. Danach sei der Vollzug der Strafhaft gegen den Beschwerdeführer unverhältnismäßig. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauere, desto strenger würden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs.
III.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Es führte hinsichtlich des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aus, noch schwerer als der erhebliche Eingriff in das Freiheitsrecht des Beschwerdeführers wögen die Nachteile bei einer Entlassung. Der Beschwerdeführer sei nicht krankheitseinsichtig und weiter gefährlich, zumal er einem intelligenzgeminderten Patienten gegenüber wiederholt sexuell aktiv geworden sei. Der soziale Empfangsraum sei noch nicht ausreichend vorbereitet. Schließlich wäre es für den Beschwerdeführer selbst möglicherweise nachteilig, wenn er später erneut inhaftiert werden müsse. Hinsichtlich der Hauptsache sah das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz von einer weiteren Stellungnahme ab.
Die Akte des Ausgangsverfahrens lag vor.
IV.
Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen – insbesondere die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen der Strafvollstreckung – bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 117, 71 ≪95 f.≫ m.w.N.), und die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und Abs. 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
1. Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Das Oberlandesgericht München hat die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe des Beschwerdeführers verkannt.
a) aa) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann „die Freiheit der Person” und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als „unverletzlich” bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 ≪190≫; 109, 133 ≪157≫; 128, 326 ≪372≫).
Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden (vgl. BVerfGE 22, 180 ≪219≫; 29, 312 ≪316≫; 35, 185 ≪190≫; 45, 187 ≪223≫; stRspr). Belange von ausreichendem Gewicht sind insbesondere die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung (vgl. BVerfGE 19, 342 ≪347≫; 20, 45 ≪49≫; 20, 144 ≪147≫; 32, 87 ≪93≫; 35, 185 ≪190≫) und der Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 ≪219≫; 30, 47 ≪53≫; 45, 187 ≪223≫; 58, 208 ≪224 f.≫; 70, 297 ≪307≫).
Das Rechtsstaatsprinzip, die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, sowie die Gleichbehandlung aller in Strafverfahren rechtskräftig Verurteilten gebieten die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs. Das bedeutet auch, dass rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafen grundsätzlich zu vollstrecken sind. Der staatliche Strafanspruch und – daraus folgend – das Gebot, rechtskräftig verhängte, tat- und schuldangemessene Strafen auch zu vollstrecken, sind gewichtige Gründe des Gemeinwohls (vgl. BVerfGE 51, 324 ≪343 f.≫). Die Rechtsordnung darf ihre Missachtung nicht prämieren, denn sie schafft sonst Anreize zur Rechtsverletzung, diskriminiert rechtstreues Verhalten und untergräbt damit auch die Voraussetzungen ihrer eigenen Wirksamkeit (vgl. BVerfGE 116, 24 ≪49≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 27. März 2012 – 2 BvR 2258/09 –, juris, Rn. 57).
Kollidiert der Freiheitsanspruch der Person mit der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs oder dem Erfordernis, die Allgemeinheit vor zu erwartenden Rechtsgutverletzungen zu schützen, sind beide Belange gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪172≫; 109, 133 ≪157≫; 128, 326 ≪372 f.≫). Dabei gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist. Die verfassungsrechtlich gerechtfertigten Eingriffstatbestände haben insoweit auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie nicht nur den Eingriff in ein grundrechtlich geschütztes Interesse erlauben, sondern zugleich die äußersten Grenzen zulässiger Grundrechtseinschränkungen bestimmen (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪307≫; 75, 329 ≪341≫; 126, 170 ≪195≫).
bb) Freiheitsstrafen und freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung verfolgen unterschiedliche Zwecke, weswegen sie grundsätzlich auch nebeneinander angeordnet werden können (vgl. BVerfGE 91, 1 ≪31≫; 128, 326 ≪376 f.≫). Geschieht dies, ist es jedoch geboten, sie einander so zuzuordnen, dass die Zwecke beider Maßnahmen möglichst weitgehend erreicht werden, ohne dass dabei in das Freiheitsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG mehr als notwendig eingegriffen wird (vgl. BVerfGE 91, 1 ≪31≫). Die Schwere des Eingriffs darf nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪173≫; 92, 277 ≪327≫; 109, 279 ≪349 f.≫; 115, 320 ≪345≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 27. März 2012 – 2 BvR 2258/09 –, juris, Rn. 58).
cc) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch im Rahmen der Prüfung der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich der Prüfung der Fortdauer des Maßregelvollzugs bereits entschieden, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch eine „integrative Betrachtung” in die Prüfung der sogenannten Aussetzungsreife der Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB einzubeziehen ist. Die dem Richter in diesem Zusammenhang auferlegte Prognose erfordert eine wertende Entscheidung. Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪312 f.≫).
Anders als bei Maßregeln ist zwar bei Strafen bereits im Strafurteil über die Verhältnismäßigkeit der zu vollstreckenden Strafe grundsätzlich entschieden worden. Doch auch bezüglich der Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe gemäß § 57a StGB – der auf § 57 Abs. 1 StGB verweist – hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bereits betont, dass die Regelung der Aussetzung einen Ausgleich zwischen dem Resozialisierungsanspruch und dem Freiheitsgrundrecht des zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten einerseits und dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit andererseits schafft (vgl. BVerfGE 117, 71 ≪112≫; BVerfGK 15, 390 ≪396≫; 16, 44 ≪47 f.≫).
Die dafür bei der Entscheidung über die Aussetzung zu berücksichtigenden Umstände werden durch § 57 Abs.1 Satz 2 StGB (i.V.m. § 57a Abs. 1 Satz 2 StGB) konkretisiert (BVerfGE 117, 71 ≪112≫). Für die Strafaussetzung bei zeitigen Freiheitsstrafen kann nichts anderes gelten. Bei der nach § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB gebotenen Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände des Verurteilten kann die Dauer einer Freiheitsentziehung als notwendige Bedingung des Maßregelvollzugs aus Anlass der Tat nicht außer Betracht bleiben, auch wenn sie gemäß § 67 Abs. 4 StGB nur auf zwei Drittel der Strafe angerechnet wird. Je länger der Freiheitsentzug insgesamt dauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für dessen Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪315≫; BVerfGK 15, 390 ≪397≫; 16, 44 ≪48≫).
Da es sich insoweit um eine wertende Entscheidung handelt, kann das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nur prüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen und insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪315≫).
b) Nach diesem Maßstab verletzt der angegriffene Beschluss den Beschwerdeführer in seinem grundrechtlichen Freiheitsanspruch.
Das Oberlandesgericht hat die Bedeutung des Rechts des Beschwerdeführers auf Freiheit seiner Person verkannt, indem es eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Strafvollstreckung unter Berücksichtigung der Dauer des Maßregelvollzugs bei negativer Legalprognose grundsätzlich abgelehnt hat. Dabei kann offenbleiben, ob eine Einbeziehung dieses Gesichtspunkts in die Entscheidung von Verfassungs wegen ein bestimmtes Ergebnis gefordert hätte. Es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass das Oberlandesgericht unter Berücksichtigung der langen Dauer der Unterbringung (17. Dezember 1992 bis 27. Oktober 2011) hinsichtlich der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Deggendorf den weiteren Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregel für erledigt erklärt hat, da dieser vor dem Hintergrund der fast 19-jährigen ununterbrochenen Dauer der Unterbringung unverhältnismäßig sei. In Anbetracht dieses Umstandes hätte die Fortdauer der Freiheitsentziehung durch die Vollstreckung des verbliebenen Strafrestes – trotz der negativen Legalprognose – unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit besonders sorgfältiger Abwägung und Begründung bedurft.
2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München ist aufzuheben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
3. Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Gerhardt, Hermanns, Müller
Fundstellen
Haufe-Index 3263191 |
NStZ-RR 2012, 385 |
NPA 2012 |
StV 2013, 217 |
R&P 2012, 216 |